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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.08.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-08-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000828019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900082801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900082801
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-08
- Tag 1900-08-28
-
Monat
1900-08
-
Jahr
1900
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Dem Landmarschall und den einzelnen Talmännern waren über die Ansprachen bei der Verabschiedung bestimmte Weisungen zugegangen, die sie um so weniger unbeachtet lassen konnten, als es sich um Anordnungen des Zaren handelte. Es war aus drücklich bestimmt, daß die Obmänner der Stände sich lediglich darauf zu beschränken hätten, ihre „unterthänige Ehrfurcht und ihre Glückwünsche für den Herrscher und das ganze kaiserliche Haus zum Ausdruck zu bringen". Das hieß mit anderen Worten, politische Betrachtungen sollten bei den Schlußreden vermieden werden. Und so ist es denn auch im Allgemeinen geschehen. Bei der Feier im Palais des Generalgouverneurs erklärte der Landmarschall im Namen des Adels, „eS bleibe ihm nur übrig, gemäß dem allerhöchst bestätigten Ceremoniell, die Empfindungen der Treue und Ergebenheit für den Zaren aus zusprechen und den Generalgouverneur zu bitten, diese Ge sinnung des Adels dem Monarchen zur Kenntniß zu bringen". Aehnlich äußerte sich der Erzbischof, der außerdem einige religiöse Betrachtungen einflocht und Gott um Weisheit für den Herrscher bat. Der Obmann des Bürgerstandes ging indeß kurz auf die drückenden Sorgen der finländischen Bevölkerung ein. Er hob hervor, man wage zu hoffen, daß „der Zar, der in seinem Friedensmanifest den Unterschied zwischen Recht und Gewalt betont, den Aussprüchen der Stände Gehör schenken und bei der Entscheidung der Wehrpflichtsfrage, der das Volk mit Unruhe entgegensehe, sowie bei der Verwaltung des Landes im Allgemeinen das Recht und die bestehende gesell schaftliche Ordnung Finlands achten werde". Das waren mann hafte Worte, würdig des Vertreters einer schwer gekränkten Nation. Der bäuerliche Abgeordnete endlich wies in seiner Rede auf die praktischen Fragen hin, mit denen sich der Landtag beschäftigt habe, und schloß dann ebenfalls mit einem Segens wunsche für den Zaren. Auffallend kurz war die hierauf vom Generalgouverneur verlesene Thronrede, mit der er den Landtag schloß. Nach den entscheidenden Worten nur eine kurze Ver sicherung der kaiserlichen Huld, ohne irgendwie die brennenden Tagesfragen zu berühren. Vier Monate hat die Session, wie gewöhnlich, gewährt. Aber so fruchtbringend und bedeutungsvollste in früheren Jahren häufig war, so wenig läßt sich dieses Mal von der Tagung reden. Das ist aber nicht die Schuld der ständischen Vertreter, sondern vornehmlich, ja ausschließlich, der russischen Regierung, die mehr und mehr die wichtigen Angelegenheiten dem Land tage entzieht und ihm nur die Beschlußfassung und Entscheidung in wirthschaftlichen Dingen überläßt, deren locale Bedeutung nicht zweifelhaft ist. Durch den bekannten Ukas Nikolaus' II. sollen ja Fragen, die irgendwie das Reichsinteresse berühren, nicht mehr dem Landtage, sondern dem Reichsrathe in Peters burg überwiesen werden. In Folge dieser Verfügung hat sich der Landtag in diesem Jahre mit der Wehrangelegenheit gar nicht, oder doch nur in einer, die Regierung nicht beeinflussenden Weise beschäftigen können. Das mußte natürlich einen nieder drückenden Einfluß auf die gesammte Bevölkerung im Lande ausüben. Die Versuche, die Machthaber in Petersburg um zustimmen, sind bisher vollständig fehlgeschlagen, alle Actionen der Stände nach dieser Richtung blieben erfolglos. Seine „berathende" Vefugniß hat sich der Landtag des Groß- fürstenthums allerdings nicht verkürzen lassen. Man hat sich nicht nur abermals über die Wehrvorlage geäußert und seine Meinung hierüber nach Petersburg übermittelt, sondern über sämmtliche schwebende Angelegenheiten verhandelt, welche zur Zeit die Gemüther bewegen und drohende Rechtsverletzungen in sich schließen. Unter Anderem bildeten der Nothstand der Presse, die Maßregelungen von Zeitungen und Redacteuren den Gegen stand einer eingehenden Landtagsdebatte. Man hat dem Generalgouverneur seine Meinung unumwunden dahin aus gesprochen, daß der gegenwärtige Zustand unhaltbar sei und daß die Vergewaltigung der Zeitungen dem Lande ungeheuren Schaden bereite. Leider wurde auch damit nichts erreicht. General Bobrikow bleibt bei seiner grausamen Taktik und nimmt vor der Öffentlichkeit die Miene an, als glaube er wirklich an die Möglichkeit eines Ersatzes der eingegangenen Blätter durch die Gründung officiöser und officieller Organe. Das gleiche Schicksal wie der Protest in der.Preßangelegenheit dürften die Gutachten der Stände in anderen Dingen haben. Wir erwähnen hier nur die von der Regierung in Angriff genommene Russi- ficirung des Post- und Telegraphenwesens. DaS Schicksal der finländischen Briefmarken ist endgiltig besiegelt. Nur bis zum nächsten Jahre tst ihr Gebrauch gestattet, dann werdm di« rus sischen Werthzcichen eingeführt. WaS aber der Sache ihre ganz besondere Bedeutung verleiht, das ist die Thatsache, daß damit der Anfang zur förmlichen Verschmelzung deS gesonderten fin ländischen PostwesenS mit dem russischen nunmehr gemacht worden ist. Die Bemühungen der Stände, eine Aanderung der Regie- rungSpolitik herbeizuführen, könnten unmöglich ein günstiges Resultat erzielen. ES handelt sich bet dem Allem um weit angelegte Pläne, dir die völlige Vernichtung der Autonomie deS Landes und sein Aufgehen im Zarenreiche bezwecken. Seit dem man die Befugnisse de» finlandischen Landtage- so er heblich beschnitten, scheinen sowohl der Generalgouverneur, als die leitenden Persönlichkeiten Petersburg- die Aeußerung der Ständeversammlung nicht mehr ernst zu nehmen. Man läßt die Herren beschließen, wa- sie wollen, und kümmert sich darum gerade nur so viel, al- man eS für nöthig findet. Man droht nicht mehr, wenn der Landtag eine oppositionell« Haltung einnimmt, aber man achtet auch nicht weiter auf sein« Entscheidungen. . . Unter diesen Umständen gestaltet sich die Laße im Groß« fiirstenthum von Tag zu Tag ernster. Ein Widerstand mit gesetzlichen Mitteln richtet nicht- au-, wie man e- am Schluß der diesjährigen Tagung de- Landtage- gesehen; gewaltsam aber können die Finltinder unmöglich von Rußland irgend etwa- er reich««. So nimmt da- Trauerspiel im fernen Norden seine« ungehinderten Fortgang, der Theilnahme der ganzen Welt ge wiß, aber ohne daß Jemand im Stande wäre, den drohenden Untergang dieses tüchtigen und begabten Voltes aufzuhaltrn. Die Wirren in China. -p. Nach japanischen Berichten, die auf Glaubwürdigkeit Anspruch machen können, rüsten sich die Chinesen zu einem Angriff auf Peking und die fremden Truppen, die dort festen Fuß gefaßt haben. Man meldet unS: * Tokio, 27. August. (Telegramm.) Ein Telegramm vom 23. d. M. berichtet: Die Boxer und die chinesischen Truppen, die in Namyen versammelt sind, sind im Begriff, di» Aliirte» in Peking von der äußeren Stadt aus anzugreifen. ES wird erwartet, daß die vereinte japanische und russische Cavallerie sie am 25. d. M. angreifen wird. Ferner wird gemeldet, daß der Feind in der Stärke von SOOO Mann Infanterie mit 15 Geschützen von Schaotung aus in nördlicher Richtung vorrücke, um di« Aliirte» tn der Hauptstadt anzugreifen. (Wiederholt.) Eine weitere Meldung aus derselben Quelle besagt: * Tokio, 27. August. (Telegramm.) Der Befehlshaber der japanischen Truppen in Peking telegraphirt unter dem 18. d. M.: Die Stadt ist jetzt vollständig vom Feinde gesäubert. DaS japanische Cavallerie-Regiment, daS nach Manson gesandt worden war, be- richtet: Die kaiserliche Familie, die Peking am 14. d. M. verlassen hat, ist nach einer kurzen Rast in diesem Dorfe in west- licher Richtung gezogen. Sie befindet sich unter der EScorte deS General- Ma, dessen Truppen bloS 500 Man» Eavallerie mit 20 Wagen zählen. (Wiederholt.) Die Kämpfe der deutschen Tchutzwache tn Peking. Der Gouverneur von Kiautschau bat telegraphisch unter dem 24. d. M. nachstehenden Auszug auü dem Bericht des Grafen Soden, des Führers der deutschen See- soldaten-Schutzwache in Peking nach Berlin gesandt: Am 21. Juni wurden die Feinseligkeiten gegen die Ge- fandtschaft eröffnet. Diese wurde am 22. Juni infolge eines Mißverständnisses geräumt. Wir begaben unS nach der englischen Gesandtschaft. Kurze Zeit darauf wurde die deutsche Gesandtschaft wieder besetzt. Die öster reichische und die italienische Gesandtschaft waren inzwischen abgebrannt worben. Von da ab waren wir unaufhörlich im Gefecht gegen chinesische Truppen deö Tungfusiang und Züngln. Vom 16. Juli bis 9. August war Waffenstillstand. Das Detachement besetzte inzwischen den Club. Bis zum 14. August war ein mörderisches Feuer auS nächster Nähe, am 14. August früh Geschütz- und Gewehrfeuer außerhalb der Stadt hörbar. Die Chinesen verließen am Nachmittag ihre Stellungen, als ein indisches Regiment ankam. DaS Detachement ging vor, besetzte das Hattamanthor und erbeutete acht Geschütze, eine Fahne und viele Munition. 25 Mann hatten mehr als 1000 gegenüber gestanden, von denen über 200 gefallen waren. Die See soldaten benahmen sich hervorragend. Sämmtliche Europäer bewunderten die Ruhe, die Unerschrockenheit und daS gute Schießen. — Verwundet wurden: Berger: schwer, linke Kopfseite;Reinhardt: linkerArm; Weißbardt; rechteSGesic-tund Gehör verletzt; EckardtS: rechte Hand; Forster: rechte Schulter; Wirts: linkes Bein; Bencke: Gesicht, geheilt; König: Gesicht und Schulter, geheilt; Guntes: linker Arm, Hüfte, Lunge; Graulich: Gesicht, leicht; Seiffert: Bein, Knie steif; Klaus: linker Ellbogen, Typhus, in der Besserung. Die Uebrigen sind gesund. Transport -er Verwundete». Die „Agenzia Stefani" meldet auS Taku vom 26. d. M.: In Peking wird ein Zug zusammengestellt, der mit Begleit mannschaft die Verwundeten, Frauen und Kinder, nach Tientsin bringen soll. Die Familie deS italienischen Gesandten Salvagoraggi schließt sich diesem Zug an, um sich einige Zeit nach Japan zu begeben. Ein See-Ofsicier begleitet die verwundeten italienischen Marinesoldaten nach Tientsin. In Peking stehen 5 Compagnien italienischer Marinesoldaten. Am 29. d. M. werden italienische Truppen unter dem Befehl des Obersten Garioui, von Hongkong kommend, in Peking erwartet. Lage auf Korea. Au» Aokohama, 27. August, telegraphirt „Reuter'S Bureau": Nachrichten au- Soeul zufolge tbeilte der Koreanische Minister de- Aeußeren dem japanischen Vertreter mit, daß in Uebereinstimmung mit der Anregung deS Letzteren die Regierung Koreas eine Streitmacht zur Wahrung der Ordnung an der Nordgrenze entsende. Zugleich versicherte er, daß der Au-bruch von Unruhen durch örtliche Zwistig keiten veranlaßt worden und nicht auf eine feindselige Ge- sioauug gegen di« Ausländer zurückzuführe» sei. Graf Waldersee. Zu wiederholen ist folgeude Meldung au- Port Said, 26. August: Der Dampfer „Sachsen" ist heute Mittag hier angekommrn. Der deutsche Consul begab sich an Bord de» Damsffer» und händigte dem Grafen Waldersee die In structionen seiner Regierung au». Eommandant Halcyon stattete dem Grafen Waldersee «inen Besuch ab, den der Capita» der „Sachsen" im Namen de» Grafen Waldersee erwiderte. Der Feldmarschall ging an Land, machte einen Besuch im deutschen Eonsulat und ging dann wieder an Bord der „Sachsen", die hierauf ihre Fahrt fortsetzte. * Chicago, 27. August. (Telegramm.) Eine hiesige Firma erhielt von Rußland den Auftrag zur Lieferung vou sech» Millioaen Pfund Ochsrufletsch für dir russischen Truppen tn China. - Sin zeitgemäher Rückblick. Die glückliche Einnahme Pekings und Entsetzung der wochen lang hart bedrängten Gesandten und ihrer tapferen Schutzmann schaften haben überall in der Welt um so mehr freudige Genug- thuung hervorgerufen, als sie fast überraschend gekommen sind. Nach dem erfolglosen Ausgang der ungenügend gerüsteten Seymour'schen Expedition, die nur durch außerordentliche Tapferkeit und durch einen Glücksfall — die Entdeckung des Arsenals von Hsikou — vor eigenem Untergange sich rettete, hatte überall die Ucberzeugung sich verbreitet, daß an einen erneuten Vormarsch auf Peking erst gedacht werden dürfe, wenn die Regen zeit mit ihrer erschlaffenden Hitze und ihren hemmenden Ueber- schwemmungen vorüber sei und bedeutend stärkere und sorg fältiger ausgerüstete Truppenmassen zur Verfügung ständen. Am 2. Juli telegraphirte Admiral Seymour an die englische Admiralität, daß man nur mit einem Heere von 40 000 Mann einen Vormarsch unternehmen könne. Am Tage darauf erklärte Minister Aoki, daß nach Ansicht der japanischen Regierung zum Mindesten 70 000 Mann für eine neue Expedition zur Entsetzung der Gesandten erforderlich seien. Allgemein rüstete man, um ein Heer von mindestens 80 000 Mann aufzubringen, mit dem man im September gegen Peking vorzurücken gedachte. Dieser Plan fand die weitestgehende Billigung, so hartherzig er auch im Hinblick auf die Lage der Fremden in Peking erscheinen konnte. Der Ansicht aller Kenner Nordchinas gab das leitende englische Blatt inOstasien Ausdruck, wenn eS noch Mitte Juli schrieb: „Alle, die Peking kennen, wissen, daß es hoffnungslos ist, gegen Peking vorzurücken, ohne einen BvlagerungStrain, und kein Heer kann den Vormarsch unternehmen jetzt, wo die Regenzeit begonnen hat. Deiche durchschneiden, Canäle ablenken, das Land über schwemmen — da- war einer der Rathschläge deS alten China, die von Tschouhan tn seiner vor zwei Jahren geschriebenen Broschüre empfohlen wurden, in der er zeigte, wie es möglich sei, die Fremden zu schlagen, und diesen Rathschlag befolgt der Feind rings um Peking." Und nun ist, als die Nachricht sich bestätigte, daß die Fremden noch am Leben seien, der Vormarsch doch mit einer viel kleineren Truppenmacht alsbald erfolgt, schneller er folgt, glücklicher verlaufen, als überhaupt noch vor Kurzem er wartet wurde. Wodurch erklärt sich da»? Ganz genaue Antwort läßt sich auf diese Frage heute noch nicht geben. Aber die Hauptgründe lassen sich heute doch bereits erkennen. Die eintreffenden ausführlichen Berichte lassen er sehen, daß die Chinesen in den fortwährenden Kämpfen in Tientsin und Umgegend doch sehr große Verluste erlitten haben- Diese Verluste waren für sie um so empfindlicher, als sie natürlich in erster Linie die in vorderster Reihe kämpfenden europäisch geschulten Truppen trafen, die an sich an Zahl beschränkt waren und nicht sich ersetzen ließen. So verloren die großenChinesenmassen immer mehr den verhältnißmäßig kleinen, gut geschulten Kern, dessen Leitung sie bedurften, dessen DiSciplin, Muth und Umsicht ihnen vorbildlich waren. Und gleichzeitig mußte der aber gläubische Fanatismus, der die Massen anfangs mit so wunder- barer Todesverachtung in die Schlacht ziehen ließ, langsam schwinden, je mehr „Boxer" den feindlichen Kugeln gegenüber nicht als unverletzlich sich zeigten, noch nach wenigen Tagen vom Tode wieder auferstanden. Im gleichen Sinne wirkten wahrscheinlich viele äußere Momente. Die Verbündeten haben ungeheure Mengen von Kriegsvorräthen erbeutet und zerstört; es ist nicht unmöglich, daß in Folge dessen bereits ein Mangel sich geltend machte, zumal, da jeder einzelne Chinese höchst verschwenderisch und un vorsichtig mit seinen Waffen und seiner Munition umzugehen pflegt. Wahrscheinlicher noch ist, daß ein Mangel an Lebens mitteln hervortrat, da Nordchina auf starke Zufuhren — ins besondere von Reis — aus dem Süden schon unter gewöhnlichen Umständen angewiesen ist, wie viel mehr jetzt, wo die Ernten zum Thcil mißrathen, zum Therl zerstört sind, wo die beiden Hauptzufuhrwege über Tientsin und auf dem Kaisercanal ab geschnitten sind, trotzdem aber vielmehr Leute, als in Friedens zeiten, ernährt werden mußten. Auch könnte es zum Mindesten fraglich erscheinen, ob die Truppen ihren Sold richtig und recht zeitig ausbezahlt erhielten. Es ist schon zweifelhaft, ob den einzelnen Truppenführern für längere Zeit genügende Baarmittel zur Verfügung standen. Jedenfalls sind diese Baarmittel ver schiedentlich empfindlich verringert worden; haben doch die Ver bündeten z. B. in Tientsin angeblich auch die Caste deS Vicekönigs der Provinz Tschili erbeutet. Und schließlich dürfte daS alte Erb- laster deS chinesischen BeamtenthumS, die Unterschlagung, auch hier wieder, wie im Kriege mit Japan, hervorgetreten sein, denn je mehr die Aussicht auf endlichen Erfolg schwindet, um so rücksichtsloser wagt es sich hervor. Ohne Lebensmittel und Geld ist aber eine im Kriegshandwerk noch nicht erprobte Söldner schaar nicht zusammen zu halten, und schwindet daS Vertrauen auf die schirmende Kraft ihres Aberglauben-, so bemächtigt sich Mutlosigkeit ebenso schnell der Massen, wie vorher fanatische Wuth. Hinzu kam noch ein Weiteres: die chinesischen Heerführer sahen sich ebenso getäuscht in ihren Speculationen auf die gegen- fettig lähmende Zwietracht und unentschlossene Milde der fremden Mächte, wie in ihrer Hoffnung auf den Anschluß der Machthaber in Mittel- und Südchina. Das schlaue Streben nach einer Spaltung der Gegner, diese alte Hauptwaffe der Chinesen, zeigte sich als erfolglos, all die Nachricht sich verbreitete, Graf Walder- fee, einer der hervorragendsten Feldherren der Nation, die auch in China al- die kriegerischste Europa» gilt, sei einmüthig zum Obrrcommandirenden der fremden Heere im fernen Osten er nannt worden. Durch da- Zusammenwirken aller dieser Umstände hatte sich die Lage in Nordchina so geändert, daß die Japaner der Nachricht Glauben schenken durften, e- würde Insbesondere jen- seit- Nangtsun nicht mehr der anfang« befürchtete schwere Widerstand einem Vormarsch entgegengesetzt werden. To er griffen sie im Bunde in-befondere mit den Amerikanern schnell entschlossen die Jntattve, zumal da dal Herannahmen der zahl reichen Verstärkungen au» Europa und die Ernennung eines deutschen Obrrcommandirenden anspornend auf den Ehrgeiz vor Allem der lebhaften Japaner wirken mußten. Der Entschluß wurde mit solcher bewundernlwerthen Schnelligkeit ohne große Ankündigung au»gefübrt, daß e» den Deutschen, die in Folge beunruhigender Gerücht, in Kiautschau hatten zusammen gezogen werden müssen, nicht mehr möglich war, am Vormarsch unmittelbar theilzunehmen. War es aber auch so den Deutschen leider nicht vergönnt, gleichzeitig mit den anderen Truppen siegreich in Peking einzu dringen, so dürfen sie doch an dem Gelingen des ganzen Unter nehmens, daß in der Entsetzung der Gesandten seinen ersten Ab schluß findet, einen guten Theil des Verdienstes für sich in Anspruch nehmen. Ohne Taku und Tientsin hätte auch Peking nicht erobert werden können, — und welche bedeutende, vielfach führende und entscheidende Rolle die Deutschen in diesen ersten schweren Kämpfen gespielt haben, das wird in vollem Maße erst jetzt aus den einlaufenden ausführlichen Berichten — wie sie unter Anderem auch die älteste und bis vor Kurzem einzige deutsche Zeitschrift im fernen Osten, der „Ostasiatische Lloyd", bringt, — bekannt. EL geziemt sich deshalb wohl ein kurzer Rückblick. Die genaueren Berichte lassen es immer deutlicher erkennen, daß es der deutsche Geschwaderches, Viceadmiral Bendemann war, der die vereinigten Admirale vor Taku nachdrücklichst darauf hinwies, daß immer mehr Truppen in den chinesischen Forts zusammengezogen würden und man immer unverhohlener zum Angriff sich rüste; er rieth deshalb zu energischem, alsbal digem Vorgehen. Denn eS galt, nicht zu spät zu kommen, nicht der Gefahr sich auszusetzen, den Zugang zu Tientsin und Peking unter sehr schweren Opfern sich erzwingen zu müssen, wenn nicht gar einen blutigen Mißerfolg, wie ihn Engländer und Franzosen im Jahre 1859 vor den Takuforts erlebten, sich zuzuziehen. Auf Grund der Vorstellungen des deutschen Admirals wurde dann bekanntlich die Räumung der Forts in einem Ultimatum gefor dert und vor Ablauf desselben eröffneten die Chinesen das Feuer. Wohl nicht ohne Zusammenhang mit dieser energischen Ini tiative des deutschen Geschwaderchefs stand es, daß bei dem An griff auf die chinesischen Forts die Führung zu Wasser und zu Lande den Deutschen zufiel. Die Kanonenboote, denen w§gen der Peiho-Barre der Angriff allein zufiel — es waren drei russische und je ein französisches, englisches und deutsches, während das amerikanische am Kampfe nicht theilnahm —, stell ten sich unter das Commando des Corvettenkapitäns Lans vom „Iltis", und die 800 Mann Landtruppen, die aus Deutschen, Russen, Engländern, Oesterreichern und Japanern sich zusam- > mensetzten, befehligte der Eommandant der „Hansa", Kapitän zur See Pohl. Es braucht nicht mehr dargelegt zu werden, wie der kleine ungeschützte „Iltis", muthig bis unmittelbar an die Forts heranfahrend, ein Hauptverdienst an den Erfolgen dieses heißen Tages hatte, aber — von 25 Granaten getroffen — auch die Hauptverluste. „Magnificent" nennt der englische Admiral Bunce in einem amtlichen Telegramm an seine Vorgesetzte Be hörde das Verhalten des Kapitäns Lans, indem er hinzufügt, es habe die Bewunderung der verbündeten Schiffe erweckt, und der englische Eommandant der „Algerine" schrieb dem schwerver wundeten deutschen Kameraden den vielcitirten Brief, in dem er ihn „tko lil« nnä soul" der ganzen Beschießung und Er oberung der Takuforts nannte. Aber nicht auf Taku beschränkte sich die Mitwirkung der Deutschen. An allen Unternehmungen dieser ersten, schwersten Zeit haben sie hervorragenden Antheil. Was zunächst die Sey- mour'sche Expedition anlangt, so befestigt sich immer mehr der Eindruck, daß es den Deutschen in erster Linie zu danken ist, daß dieser überstürzte Vormarsch auf Peking nicht mit einer Kata strophe geendet hat. Allgemein soll es von den Theilnehmern der Expedition anerkannt werden, daß das deutsche Detachement unter Capitän z. S. v. Usedom das Hauptverdienst an der glück lichen Durchführung des schwierigen Rückzuges hat. Zwei Mal haben auf diesem unsere wackeren Blaujacken sich besonders aus gezeichnet. Einmal, wie sie unter heroischer Führung des leider dabei gefallenen Corvettencapitäns Buchholz, im unmittelbaren Feuer des nahen Feindes — wie es heißt, zum Staunen der übrigen Truppen — den Fluß durchschwammen, am jenseitigen Ufer die chinesischen Geschütze eroberten und sie alsbald auf den bestürzt entfliehenden Feind richteten. Das andere Mal bei dem Sturm auf das Arsenal von Hsikou, als die Kräfte der über anstrengten kleinen Truppe schon fast erschöpft schienen. Als hier die „Royal Mariners" vor den Wällen des Arsenals um drehten, da eilte die „Hansa"-Compagnie unter Oberleutnant zur See Roehr im Laufschritt herbei, riß die Zurllckweichenden mit sich, erstürmte unter Hurrah den Wall und beschoß alsbald mit den umgedrehten Geschützen das Innere des Forts. Der Seymour'sche Befehl: „tds Kermans ta tks tdont"ist fast zum geflügelten Wort geworden, zur Ehre deutscher Krieger! Was Tientsin anlangt, so mußten hier die Deutschen, als mit der Zeit größere Truppenmassen, insbesondere der Russen und Japaner, gelandet wurden, begreiflicher Weise mehr zurück treten. Aber auch hier haben sie trefflich ihren Mann gestanden. Insbesondere der ersten schweren Angriffe scheint die noch kleine Schaar der fremden Truppen unter Führung de» Capitän- leutnant» Kühne sich erwehrt zu haben. Und charakteristisch ist die für unS keinesfalls ungünstige Nachricht vom Kriegsschau platz«, daß die Engländer behaupten, wa» bisher erreicht sei, sei nur durch Engländer und Deutsche erreicht worden, die Russen dagegen den Ruhm der bisherigen KriegSthaten ausschließlich für sich und die Deutschen in Anspruch nehmen. Diese im Einzelnen bekannten Thatsachen sind hier kurz ein mal zusammengestellt worden, weil sie in ihrer Gesammtheit ein vollwichtiges Gegengewicht dagegen bieten, daß jetzt ein schöner Erfolg ohne unsere Mitwirkung erzielt worden tst. Sie sind bisher in ihrer Gesammtheit noch kaum richtig gewürdigt worven und verdienen da» um so mehr, als im Gegensatz zu der frei« müthiaen Anerkennung von amtlicher englischer Seite die eng lische Presse, deren Uebergewicht in der Berichterstattung vom fernen Osten bi-her auch bei un» sich geltend macht, eine unzwei- deuttae Neigung erkennen läßt, die deutschen Verdienste todtzu« schweigen. Der Krieg In Südafrika. -p. Wir stehen abermal» vor einem CntschetdungSkampf, der Klarheit darüber verschaffen wird, ob Lord Robert» mit dem Gro» seiner Armee im Stande ist, den letzten großen Truppenverband der Beeren, in dessen Mitte Präsident Krüger steht, zu sprengen und Loui» Botha'» tapfere Schaar auf,ureiben, oder ob hier sich die gierigen Wogen britischer Sturmfluth brechen werden, rrsp. ob die Borren nur grnöthig»
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