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Erscheint jeden Wochentag früh »Uhr. Inserate wer den bi« Nachmittag« z Uhr sür die nächst erscheinende Nummer angenommen. Freiberger Anzeiger gespaltene Zeile »de» deren Raum mit 5 Sl Tagevlatt. 254. Montag, de» 2. November. 1857. Tagesgeschichte. Freiberg, d. 30. Oct. (Oeffentl. Gerichtsverhandlungen). Wir sind noch ein Referat über die in der 2. Hälfte dieses Mo nats vor hiesigem Bezirksgericht stattgefundenen Gerichtsverhand lungen schuldig. Die eine, am 20. l. M. abgehaltene Haupt- verhandlung betraf einen Zögling der Erziehungs- und Bes serungsanstalt zu Braunsdorf, Namens Nitzsche aus Schirgis walde. Dieser Junge, erst 14 Jahre alt und kaum so groß, daß er auö der etwas tief angebrachten Anklagebank mit Mühe heraussehen konnte, hatte vor einiger Zeit sich gemüßigt gesehen, auS der Anstalt heimlich zu entwischen, und nicht nur dort eine Partie Kleidungsstücke mitgenommen, sondern auch mit einer Frechheit, wie mau sie bei einem solchen Kinde noch nicht er wartet, einen nicht unbedeutenden Gelddicbstahl in Kleinwalters dorf und daraufeinen ausgezeichneten Diebstahl in Biela verübt. Dazu war er nicht das erste Mal, sondern schon einige Male in Untersuchung gewesen, und deshalb beantragte die Staats anwaltschaft, auf dem Grundsatz „malitia snpplet aetatem" fußend, Anwendung deS Art. 300. des Strafgesetzbuchs und somit Zuerkennung von mindestens einem Jahre Zuchthaus. Die Vertheidigung (Hr. Adv. Hoffmann) verkannte nicht die große sittliche Verwilderung des Angeklagten, hoffte aber noch auf des Knaben Besserung und beantragte, daß der Gerichts- hos die Jugend des Angeklagten berücksichtigen möge. Letzterem trat der Gerichtshof bei und verurtheilte den Angeklagten zu achtmonatlicher ArbeitShaussirafe. — Tags darauf, den 21. Oktober fanden zwei öffentliche Hauptvcrhandlungen statt, die eine gegen den Handarbeiter Schröder aus Lauterbach wegen Diebstahls, die aüdere gegen den Barbier Hohl ans Franken berg wegen Anmaßung öffentlicher Dienste und wegen Betrugs. Den erster« Fall referiren wir blcö deshalb, um das wandernde Publikum zur Vorsicht bei ihren Reisen, auf denen sich manch mal unbekannte Personen ihnen anschließcn, zu ermahnen. Am 19. vor. Mon. kehrte ein Butlerhändler auö der Gegend von Sayda von Dresden mit zwei Bekannten zurück und traf un terwegs mit einem Unbekannten zusammen; diese drei fuhren bis Lichtenberg, dann aber verließen jene Beiden den Wagen und nur der Butterhändler und der Unbekannte fuhren weiter bis Mulda, aus welchem Dorfe das Geschirr war. Dann waren sie nach Zethau zugegangen und hatten sich, weil dem Bntterhändler nicht recht wohl gewesen, unterwegs im Gebüsch uicdergelcgt. Der Letztere schläft bald ein, nach 3 Stunden er wacht er, der Unbekannte ist verschwnnden, zugleich aber auch sein Geldbeutel mit 30 Thlr., den er in einer Hosentasche ge habt. Der Unbekannte, obengenannter Schröder, gestand nach seiner Verhaftung, den Diebstahl, während der Butterhändler geschlafen, verübt zn haben, wiederholte auch in der Hauptver handlung sein Geständniß und ward zu sechsmouatlicher Arbeits hausstrafe verurtheilt. Uebrigens konnte der Bestohlene von Glück sagen, daß noch 25 Thlr. von dem Gelde vorgefundcn wurden. Ein anderes Bild entrollte sich vor uns in der Hauptver- handlung gegen Len Barbier Hohl, der ein wahres Meister stück von Gaunerei an einer hier lebenden, ledigen Frauensper son verübt hatte. Auch diesen Fall wollen wir ausführlich referiren, denn vielleicht mahnt auch er manches junge und alte Mädchenherz zur Vorsicht. Freilich müssen wir sie, da die Erzählung zu lang werden dürfte, auf die nächste Nummer vertrösten. Annaberg, 26. Oct. (D. A. Z.) Von allen Seiten hören wir über den Mangel an Winterbestellungen in unsern Gebirgs artikeln klagen und müssen deshalb aufs neue einer Arbeits stockung entgegensetzen, während der letzte Gebirgsnothstand kaum überwunden ist. Ein Glück, daß unter solchen Aussichten der Muth der Bevölkerung durch die Hoffnung auf baldige radikale Abhilfe dieser trostlosen Zustände mittels deS Eisenbahnbaas von Chemnitz nach Freiberg aufrechterhalten wird. Diese Hoff nung hat in neuester Zeit um so mehr Fuß gefaßt, weil in den letzten Tagen auch die Vermessung einer Bahnlinie 'von Annnaberg nach Weipert zum Uebcrgang in daS Egerthal be gonnen hat und dieser Uebcrgang von böhmischer Seite als ein vorzugsweise vortheilhafter erkannt und energisch aufaegriffen worden ist. Es wurde infolge dessen am 23. Oct. ein sächsisch böhmisches Eisenbahncomitö constituirt, dessen Direction ist Annaberg ihren Sitz hat und welchem von beiden Seiten nam hafte Persönlichkeiten, namentlich auch Besitzer sehr ausgedehnter Braunkohlcnwerke, angehören. Das Comitv verfolgt den Zweck, im Anschluß an die Chemnitz - Annabcrgrr Linie eine Kohlrn- und Güterbahn über Weipert in der Richtung nach Kommvtan, Brüx, Bilin zum Anschluß an die Aussig - Teplitzer Bahn mit Hilfe eines Actienkapitals auszuführen. Diesem Unternehmen ist aus doppeltem Grunde Glück zu wünschen; denn es garan- tirt ebenso sehr dem Obererzgebirgc eine glückliche Veränderung seiner Nahrungs- und Gewerbsverhältnisse, als es demselben und namentlich auch der Chemnitzer Industrie durch die vor zügliche böhmische Braunkohle, welche ihrer unerhörten Masse wegen gar keiner erheblichen Preissteigerung unterliegen kann, auf Jahrhunderte hinaus ein schätzbares Brennma terial sichert und schon durch den Kohlentransport allein, abgesehen von der übrigen bedeutenden Fracht an Cerealien und Transitogut, eine ungewöhnlich gute Rente verspricht. Angesichts dieser Unternehmung und der unaufhörlich steigenden Gcbirgöcalamitäten darf wohl mit Bestimmtheit erwartet wer den, daß die sächsische Staatsrcgierung den Bau der Chemnitz- Annaberger Bahn nicht länger hinauöschieben oder doch min destens durch Zinsengarantie, bezüglich entsprechende Capitalsbe- theiligung einen Privatbau dieser Linie befördern werde. Sollte der Bau aus Staatsmitteln Anstand finden, was jedoch nach Lage der Dinge auf keiner Seite, namentlich auch auf Seiten der Ständeversammlung nicht, angenommen werden darf, so empfiehlt sich die pecuniäre Betheiligung des Staats bei einem Privatbau ganz von selbst und hat sich in neuerer Zeit aus guten finanziellen Gründen als Princip im Auslände schon viel fach feste Geltung verschafft. In dem vorliegenden Falle stößt man dabei um so weniger auf Bedenken, weil eine Bahn Chem- nitz-Annabcrg, auch ohne Zurechnung der böhmischen Kohlen frachten, schon mit Hilfe des jetzigen Güterverkehrs ganz genü gende Zinsen des Baucapitals abwerfen muß, wie dies kürzlich von dem Annaberger Eisenbahncomitö, unter offizieller Beglau bigung der Transportzahlen von Seiten des dasigen Hauptzoll amts, in einer der sächsischen Staatsregierung vorgelegten Schrift mit Erfolg nachgewiesen worden ist. Paris, 26 Oct. Der Univers veröffentlicht einen sehr curiosen Brief des Bischofs von Straßburg an die Geistlichen seiner Diöcese, worin derselbe sie auffordert, mit aller Macht gegen die protestantische Propaganda und den Verkauf von elektrischen Ketten anzuwirken. Im Auszuge heben wir aus die sem Briefe folgende Stellen hervor: „Herr Pfarrer! Sie haben vielleicht Gelegenheit gehabt, zu bemerken, mit welcher Kühnheit hausirende Buchhändler unsere Städte und besonders die Dörfer durchstreifen, um unter dem Volke alle möglichen Erzeugnisse der französischen und ausländischen Presse zu verbreiten, in der Absicht, ihren Glauben zu erlöschen und ihre Sitten zu verderben. Offenbar ist ein Verführungsplan im großartigsten Maßstabe or- ganisirt worden; die Gottlosigkeit und die Ketzerei, sich gegen seitig unterstützend, arbeiten ohne Aufhören und mit einem Feuer ohne Gleichen an der Ausführung des Complots. Ueberall trifft man die Emissäre der Propaganda, gedungen von Händen, die sich im Schatten halten. Frechheit und List, Heuchelei uud CyniS- mus sind die Mittel, welche sie je nach den Umständen gebrauchen, um Betrogene oder selbst Opfer zu machen. Das Gift ihrer abscheulichen Druckschriften in den Familien zu verbreiten, dahin streben die Anstrengungen dieser im Finstern schleichenden Associa tion. Die Flugschriften werden meist gratis ausgegeben; und wenn dem Verkäufer die Thür verschlossen wird, so schmuggelt er seine Waare häufig durchs Fenster in das HauS. Indessen aber wurden die Katholiken gewarnt, und die Waare sank im Preise; um sie trotzdem an den Mann zu bringen, gaben die Verkäufer den Schriften den ITitel irgendeines guten katholischen