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Nummer 125 — 25. Jahrgang »mal wöch Bezugspreis fi>r Juni 8.— einschl. Bestellgelo. Anzeigenpreise: Die Igesp. Petitzeile 38^. Stellengesuche SV Di« Petitreklamezeile. 8S Milli meter breit. 1 -tt. Ossertengebühren für Selbstabholer 20 H, bei Uedersenöung durch die Post außerdem Portozäschlag. Einzel-Nr. 18 L. Sonntags-Nr. IS L. ' Teil: I. Hillebrand in Dresden. Mittwoch, 9. Juni 1926 gm Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigenaustrügen ». Leistung v. Schadenersatz. Für undeutl. u. d. Fern- ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ver antwortung. Unverlangt eingesandte u. m. Rilckporto nicht versehene Manuskripte werd. nicht aufbewahrt. Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittags. Hauptschriftleit.: Dr. Joseph Albert. Dresd-n, Z a e o s LekuiiOes.m.b.lt. VeliimrirMepotlM »mriientlr kps lerntit. ieijiilgnllliür SZ SLcksMe lf-Mung Leit I8Z0 Oresäen - K. knnnitl'slsl tSe1chaN»s»eU«, Trutt nnd Verlag, Saxonia- Luchdruckerei «mbH., Treib en-A. I, Polierslrahe 17. Kernrm 21VI2. Jolllcheckkonlo Treiben I47S7 Boiilloiilo: Bafsenge L pkrlosibe. Treibe». Für christliche Politik uni» Kultur kurfülirung aller Arten von klödeltrsnrporten t.sgeruns Eduard keueke L Lo., 6. m. b. si., Dresden bernZpreckei- 20056 unct 2Z8I I »rstt»srg«r LlesHs 27/2S unä »snl«,»rsa« 2 Spedition nsek allen krcltellen U/oknungLlsurck Der Brief -es Reichspräsi-enlen Der aus der letzten Reichspräsidentenwahl sattsam bekannte Herr Loebell hat vor kurzem einen Brief an Hindenburg gerichtet, worin er den Reichsprä sidenten auf den Volksentscheid in der Fürsten abfindung hinwies und ihn bat, doch auch von sich aus in einer öffentlichen Kundgebung gegen diesen Volksentscheid ganz energisch Stel lung zu nehmen. Hindenburg lehnte das Ansinnen ab, weil er einerseits mit Recht von vornherein vermuten konnte, daß das Unternehmen Loebells aus rein par teimäßigen Gründen entsprungen sei, anderseits aber den Standpunkt vertrat, daß er aus staatsrecht lichen, aus der verfassungsmäßigen Stellung des Reichs präsidenten sich ergebenden Gründen keine öffentliche Kundgebung erlassen könne. Er teilte diese Auffassung in einem Privat b ries dem Herrn Loebell mit, brachte aber gleichzeitig auch seine rein persönliche Auffassung über den Volksentscheid in dem Brief zum Ausdruck. Das Ganze trug also einen mehr persönlichen Charakter. Trotzdem aber hielt es Herr Loebell für „besser", den Brief Hindenburgs zu veröffent lichen. Er tat dies in einer Sondernummer der poli tischen Wochenschrift „Der Deulschenspiegel" und bemerkt dazu, daß er über den Abdruck des Briefes „verfügen" könne. Es ist ganz natürlich, daß Hindenburg durch diesen Zwischenfall wiederum zum Streitobjekt im Parteileben gemacht wird. Bei der Präsidentenwahl wurde so schön gesagt, daß der Reichspräsident über den Parteien stehen müsse, und der das am lautesten sagte, war ge rade der Herr, der ihn heute in den Streit des Tages hineinzerrt. Dieser Herr Loebell spricht in seinem Brief von den sog. bürgerlichen Kreisen, in die von sei ten der Linken die Verwirrung durch den Volksentscheid getragen werde. Es werden also sozusagen die Ar beiter und die Bürger gegenübergestellt. Als ob die Arbeiter schlechthin alle zu den Freunden des Volks entscheides und die sog. Bürger zu dessen Gegnern ge hörten. Wir wollen zwar gerne zugeben, daß Loebell den Ausdruck Bürger nicht als Gegensatz zur Arbei terschaft absichtlich gebraucht hat, und daß er auch weiß, daß der Arbeiter genau so gut Bürger ist wie die sog. „Klasse" der Bürger, aber darauf kommt es ja auch nicht an. Sondern lediglich auf die Wirkung in der Öf fentlichkeit. Und da ist es klar, daß gerade die Anhänger der Linken, die für den Volksentscheid sind, die von Loebell konstruierten Gegensätze stark provoka torisch empfinden werden und ihre Agitation noch stärker gegen die „Bürgerlichen" richten werden. Und es liegt dann sehr nahe, daß ihnen Hindenburg — eben weil er seinen Gegenbrief an Loebell geschrieben hat — als der Vertreter dieser „bürgerlichen Kaste" erscheint. Hinden burg erscheint dann als Parteimann, als Ver treter der Rechten. Was den Inhalt des Briefes Hindenburgs an- oelangt, so ist auch der leider teilweise geeignet, falsche Auffassungen erstehen zu lassen. Die Begründung, die Hindenburg nämlich für die Ablehnung der Fürsten enteignung gibt, ist an einer Stelle sehr unglücklich. Er bezeichnet das Volksbegehren als „einen bedauerlichen Mangel an Traditionsgefühl und als groben Undank", was ihm (Hindenburg) um so schwerwiegender erscheine, weil er sein Leben im Dienste der Könige von Preußen und der deutschen Kaiser verbracht habe. Hindenburg vergißt hier, wer die eigentlichen Urheber des Volks begehrens sind. Das sind nämlich in Wirklichkeit jene Fürsten selbst, die in unmäßigster Weise trotz höchsten Entgegenkommens von seiten der Länder ihre Forde rungen gestellt haben. So daß schließlich die Volksmasse derart darauf aufmerksam wurde, daß sie Gegenmaß nahmen ergriff. Es wäre also entschieden besser, wenn man heute in der Öffentlichkeit Ausdrücke wie „grober Undank" und „Mangel an Traditionsgefühl" vermiede. Ganz besonders jenen „Arbeitern" und „Bürgern" gegen über, die sich streng nach ihrem Gewissen richten und von keinem fremden Eigentum etwas unrechtmäßig besitzen wollen. In diesen Kreisen braucht man keine billigen Ermahnungen, sie wirken höchstens aufreizend. Den Vertretern des Volksentscheides aber geben sie unbedingt ^ neuen Agitationsstoff. Was sonst im Briefe Hindenburgs steht, ist die allgemeine Auffassung, wie sie wiederholt von verschiedenen Stellen d'argelegt worden ist. Man muß immer wieder betonen, daß wir mit einer negativen Kritik des Volksentscheides nickt Volksentscheid — Ftaggenfrage — Fürskenabsindungsgesetz Berlin, 8. Juni Das Wiederzusammentretcn des Reichstages ist gekennzeichnet durch am ersten Tage schon außerordentlich angespannte Ver handlungen der Parteien. Es handelt sich dabei um die großen politischen Fragen, die mit den Problemen des Volksent scheids und der Flaggcnfrage umschrieben sind. In der Fürstenabftndungsfrage ist beabsichtigt, daß die Reichsrcgierung den inzwischen vom Reichsrat bereits angenom menen Gesetzentwurf noch einmal einer Ue-berprüsung, und zwar in dem Sinne unterwirft, ihm eine Fassung zu geben, welche nicht als verfassungsändernd angesehen werden müßte und in folgedessen auch nicht eine Zweidrittelmehrheit erfordern würde. Man denkt sich eine Regelung derart, daß durch eine besondere Einleitung zum Ausdruck gebracht wird, daß die gesamte Rechtsgrundlage durch die Neugestaltung des Staates in folge der Novemberereignisse von 1918 verändert ist. Da durch würde sich ergeben, daß die bisher regierenden Häuser mit der veränderten Situation auch ihre Herscherrechte verloren haben, und zu diesen besonderen Vorteilen der Herrscherstellung gehören auch gewisse Einentümerrechtc, namentlich bezüglich der Domänen. Mri einer solchen Fassung, die das private aügentw., unberührt ließe, glaubt man, den Gesetzentwurf aus dem Begriff der Enteignung herauszuheben, ihn also nicht mehr verfassungs- ündernd stellen zu können. Augenblicklich unterliegt diese Frage der Nachprüfung des Justizministeriums nach der juristischen und verfassungsrechtlichen Seite. Der Gesetzentwurf soll nach einer Meldung der „Vossischen Zeitung" noch vor dem 20. Juni ver abschiedet werden. Inzwischen ist durch die Veröffentlichung eines Privat- bricfes Hindenburgs an den früheren Staatsminister von Loebell eine Erschwerung der Lage eingctreten. In diesem Briese gibt Hindenburg seiner persönlichen Auffassung über das Enteignungsgcsetz Ausdruck, und über seine Auffassung konnte naturgemäß ein Zweifel überhaupt nicht bestehen. Daß aber dieser Privatbrief Hindenburgs jetzt von Loebell in die Oeffent- lichkeit geworfen wird, hat in parlamentarischen Kreisen außer ordentlich peinlich berührt, weil man hier ein bestimmtes, von parteitaktischen Erwägungen diktiertes Vorgehen er blicken will, daß nicht geeignet ist, die Situation zu erleichtern, das vielmehr neue Erschwerungen mit sich bringen wird, um so mehr, als nunmehr der Reichspräsident Hindenburg selbst in die peinlichen Debatten über diese Frage mit hineingczogen wird. (Der Wortlaut des Hindenburgbriefes und der Loebells befindet sich aus Seite 2.) Wie das „Berliner Tageblatt" erfährt, beabsichtigen die Sozialdemokraten, im Reichstag anläßlich des Hindenburgbriefes eine Interpellation einzubringen, in der die Re i ch sr e g i e- rung über ihre Stellung zu dem Hindcnburg-Bricf befragt iver- den soll. lieber die Flagge ns rage ist das Neichskabinett zu einer E tscheidung noch nicht gekommen. Es wird aber im Sinne des damaligen Briefes des Reichspräsidenten danach gestrebt, zuvor eine Klärung der Auffassungen auch unter Hinzuziehung der interessierenden Organisationen'herbcizuführcn. Tann wird das Reichskabinett sich schlüssig werden, ob cs von sich aus einen Gesetzentwurf einbringen wird. Jedenfalls liegen endgültige Entschließungen in dieser Frage überhaupt noch nicht vor. Die Zentrumsfraktion des Reichstages hat sofort nach dem Wiederzusammentritt des Parlaments sehr eingehend mit der politischen Lage und insbesondere mit den verschiedensten in der letzten Zeit eine Rolle spielenden Personalfragen sich be schäftigt. Was zunächst die Wahl von Dr. Dorpmüller als Nachfolger des verstorbenen Reichsbahndirektors angcht, so hat auch das Zentrum seiner Meinung dahin Ausdruck gegeben, daß es besser und vor allem taktisch richtiger gewesen wäre, wenn diese Wahl erst nach dem Begräbnisse des Verstorbenen durch- gcsührt worden wäre. Die Fraktion sieht aber als solche keine Veranlassung, gegen die Wahl von Dr. Dorpmüller an sich Stel lung zu nehmen. Dr. Dorpmüller wird nach der technischen und sachlichen Seite hin als durchaus geeignet zur Bekleidung die ses Amtes angesehen. Die Tatsache, daß die Wahl einstimmig erfolgt ist, während Zweidrittelmehrheit nach dem Statut erfor derlich ist, zeigt auch, daß in Dorpmüller eine Persönlichkeit von besonderem Rang zu erblicken ist. Die Zentrumsfraktion kann auch seststellen, daß ihre Vertreter in Behandlung der mit der Reichsbahn zusammenhängenden Fragen bei Dr. Dorpmüller immer Verständnis und Entgegenkommen gesunden haben. Dorp müller bat auck in-inor kai-avs gehalten, im Reichstag und nicht zuletzt w'.t der Zentrums,,-kktrvv zewer ftvvinns- zu r-rrnrn Die Zeiitrumsfraktion unterstützt den Reichskanzler und die Reichs regierung allerdings auch gegenüber den Darstellungen einer ge wissen Presse, als habe der Kanzler und das Kabinett die ihm zukommende Stellung nicht genügend gewahrt. Das ist zunächst freilich eine Angelegenheit der Reichsregierung selber, deren Stellungnahme man abwartet. Des weiteren hat sich die Zentrumsfraktion mit der Ernennung des bisherigen Reichskommissars Schmidt im Ministerium für die besetzten Gebiete zum Staats sekretär dieses Ministeriums beschäftigt. Diese Ernennung hat unliebsames Aussehen erregt, nicht nur aus persönlichen und parteipolitischen Gründen, da Schmidt ein ausgesprochener Ver treter der Deutschen Volkspartei ist, sondern vorwiegend aus etatsrechtlichen Gründen. Bedenklich muß stimmen, daß die parteiofsiziöse deutschvolksparteiliche Presse darauf hinweist, daß nunmehr mit der Ernennung des Staatssekretärs die Ernennung eines Ministers überflüssig ist. Das Zentrum kann sich dieser Auffassung unter gar keinen Umständen anschließen, um so mehr, als der Anspruch des Zentrums auf dieses Ministerium bisher von keiner Seite bestritten wurde. Das Zentrum kann sich aber auch von der Deutschen Volkspartci nicht vorschreibe» las sen, daß es auf einen Ministerpostcn, der ihm zukommt, und den es auch innegehabt hat, einfach Verzicht leister. Es wird deshalb vom Zentrum mit der Deutschen Volks partei eine eingehende Rücksprache über diese gesamten Fragen, bei denen auch das Problem der Großen Koalition eingehend be rührt werden soll, stattsinden müssen. Im Zentrum ist man der Auffassung, daß -das Ziel der Großen Koalition um so eher er reicht wird, je stärker das Zentrum in der Regierung vertreten ist. Das Zentrum ist fernerhin nicht gewillt, diejenigen Ab machungen, die die Deutsche Volkspartci bei der Neubildung des Kabinetts Marx bezüglich der Verfolgung des Zieles der gro ßen Koalition eingcgangen ist, einfach versinken zu lassen. Die Zentrumsfraktion hat sich einverstanden erklärt mit dem Be schluß des Vorstandes dahingehend, die entsprechenden Schritte zu unternehmen, um zu einer vollständigen und restlosen Klä rung dieser Frage zu kommen. weiterkommen. Briefe und Kundgebungen, in denen immer wieder von der „Unantastbarkeit des Eigentums" oder von der „Erschütterung der moralischen Grund begriffe" geredet wird, tun es absolut nicht allein. Et was Positives will das Volk sehen. Nur durch etwas Positives kann auch die jetzt verhetzte Masse teilweise zurückgewonnen werden. Diese positive Arbeit würde vor allem in folgendem bestehen: Zunächst müßte noch vor dem 20. Juni von der Regierung ein Gesetz eingebracht werden, das den For derungen des Volkswohles vollkommen gerecht wird. Wenn die Massen sehen, daß auch durch ein Gesetz die Abfindungsfrage geregelt werden kann, und zwar in gerechter Weise und zur vollen Befriedigung beider Teile (unter voller Befriedigung der Fürsten verstehen wir hier nur die Zuteilung des als wirklicher Privat besitz sicher nachgewiesenen und unter Anpassung an die Not der Allgemeinheit entwerteten Eigentums — nicht das, was die Fürsten schlechthin wünschen), dann werden sich viele vom Äolksentscheid fernhalten. Wie wir bereits früher betonten, wird ja ein ganz großer Teil nur deshalb für den Volksentscheid stimmen, weil sie „das letzte Uebel" (d. h. eine ungerechte Lösung durch Gesetz) für größer halten als das erstere (Lösung durch Volksentscheid). Diese Auffassung von den zweierlei Uebeln muß radikal zerstreut werden durch die Einbrin gung eines wirklich brauchbaren und überzeugenden Gesetzes. Dann aber kommt noch etwas hinzu: Das Gesetz darf nicht wieder als verfassungsändernd bezeichnet wer den. Denn dadurch würde eine Zweidrittelmehrheit not wendig und die Annahme des Gesetzes sehr zweifelhaft In Wirklichkeit kann ja bei einem 'derartigen Kompro- mihgesetz keine Verfassungsänderung vorliegen. Im Gegenteil, die Rechte der Fürsten haben sich durch die Verfassung geändert. Es würde sich bei der Reduzierung der Fürstenvermögen auf den restlichen, wirklich als Privateigentum und der allgemeinen Ent wertung angepoßten Besitz also nur um die Bestä» tigung der Verfassung handeln. Sollte nun der Fall eintreten, daß ein Gesetzent wurf der Regierung nicht zur Annahme kommen könnte, so blieb wohl nur noch ein Weg übrig. Daß das Zen trum seinen schon neulich veröffentlichten Entwurf zum Gegenstand eines Volksentscheids machte. Dieser Gedanke wurde auch auf der Tagung des Augustinusvcreins in der vergangenen Woche aus gesprochen. Man betrachtete diesen Weg gleichsam als letzte Rettung, um einerseits durch ein schlechtes Gesetz das Uebel nicht noch größer als durch den Volksentscheid werden zu lassen, und anderseits auch zu vermeiden, daß