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Irntag, Nr.JO, 28. Zuli Mi. Nenftadt. vvesde«, t» der Expedi- tion, kl. Meißn. Gaffe Str. -» Haden. MHWDochlckmgZ Preis t »ktteljährlich "V^Ngr: Z« beziehen durch alle kgl. Post- Anstalten. Lin unterhaltendes Wochenblatt für den Bürger und Landmann - - Rrdacteur und Verlcgcr: Friedrich Walther. rs ^11- AuS Nürnberg wird über den herrlichen Verlauf deS großen SängersrsteS berichtet, welche-, vom schönsten Welter begünstigt, 55M Sänger zum einigen Zusammenwirken und fröhlichen Wettkampf versammelte. Die alte ehrwürdige Stadt bat lange nicht so fröhliche Festtage gesehen und die. biedere Einwohnerschaft ist bemüht gewesen, ihre Gastfreundschaft den wackern Gängern dabei glänzend zu bewähren. In Hannover hatten sich -um dasigen Schützenfeste auch die Schützen von Wolfenbüttel mit ihrer schwarzrothgoldnen Fahne eingefunden. Da aber die deutschen Farben im Lande Hannover nicht wohlgelitten sind, so confiscirte man flagS die Fchne, um den allerhöchsten Herrschaften kein Aergemiß zu geben. Die Braunschweiger waren mit Recht darüber entrüstet und nahmen an dem Feste kttnen weiteren Antheil. Preußen. Bei der am 17. Juli in Baden-Baden er folgten Ueberreichung der Adressen, welche die CommUnalbe- Hörden der Stadt Berlin an den König erlassen, äußerte sich der Monarch unter Anderem wie folgt: „Es ist leider nicht da- erste Mal, daß gekrönte Häupter einem solchen Attentate auch in unserm Vaterlande ausgesetzt gewesen; eS ist meinem verstorbenen Bruder zweimal begegnet. In meinem Herzen bleibt dennoch alle- unverändert. Ich darf Sie versichern, doß in meinen Gefühlen, in der Liebe zu meinem Volke sich nicht verändert hat, nicht- verändern wird, und daß in den Grund sätzen, in denen ich meine Regierung feit drei Jahren geführt habe, alles unverändert bleiben wird." Zugleich wies aber auch der König auf die Gefahren hin, zu welchen politische Ertreme führen, indem er die kalte Ueberlegung, mit welcher Becker zu seiner That verschritten, hervorbob und daran die Mahnung knüpfte, daß Alle die Augen offen halten und namentlich bei den bevorstehenden Wahlen mit Bedacht verfahren müßten. — Seit einigen Tagen wird der Rücktritt des Ministers v. Schlei nitz mit großer Bestimmtheit als nahe bevorstehend gemeldet; an seine Stelle soll Graf Bernstorff, zeither preußischer Ge sandter in London, treten. Daß die Reaction das an dem König von Preußen ver übte Verbrechen nach Möglichkeit in ihrem Interesse auszu beuten suchen würde, ließ sich erwarten; bei alledem hat aber die höchst prrfide Weise, in welcher dies von einzelnen Preß- organen geschieht, überrascht. Am ärgsten treibt es die Ber liner Kreuzzeitung, welche jene unselige That gern als eine F ucht des politischen Parteitreibens Hinkellen und die Liberalen dafür verantwortlich machen möchte. In gleicher Weise ver fährt die zweite Vertreterin der feudalen Partei, die Berliner Revue, welche neben dem Nationalvereine auch den eben vom Herzog Ernst erst begründeten Schützenbund angreist, indem sie sagt: „Fast gleichzeitig mit dem großen deutschen Schützen bunde in Gotha hat sich ein kleinerer in Baden aufgethan, welche beide, wenn auch mit verschiedenen Waffen, nach dem selben Ziele zu schießen scheinen." Aehnliche Aeußerungen ließen sich noch mehrere auS den Blättern jener Farbe an fahren. Leiver scklrgen auch einige olfic'elle Journale, wenn auch mit mehr Vorsicht und Zurückhaltung diesen Ton an. Dagegen ist eS gebührend anzuerkennen, daß die officirlle Preuß. Zeitung derartigen Verdächtigungen, für welche ein positiver Grund bis jetzt nicht vorliegt, mit Entschiedenheit und sittlicher Entrüstung entgegentritt. Politische »eltfchau. Deutschland. In der am 18. Juli abgehaltenen Bun- deStagSsitzung wurde auf Antrag deS Präsidialgesandten be schlossen, die preußische Gesandtschaft zu ersuchen, dem König von Preußen die wärmste Lheilnoh ne der Bundesversammlung darüber auszudrücken, daß die göttliche Vorst Huri g dessen für alle seine deutschen Bundesgenossen kostbares Leben beschirmt hat. — Ferner beschloß die Versammlung, daS von der hierzu berufenen Commission ausgearbeitete Gutachten über die Ein führung gleichen Maßes und Gewichts in den deutschen Bundesstaaten zur Kenntniß der einzelnen Bundesregierungen zu bringen, und dieselben zu ersuchen, sich zu erklären, ob und wann sie zur Ausführung dieser Maßregel verschreiten wollen, oder welche Bedenken ihnen etwa dagegen beigehen. Den Mit gliedern der Commission wurde zugleich der anerkennendste Dank für ihre gediegene Arbeit ausgesprochen. — Ueber den Stand der holsteinischen Frage hört man bestätigen, daß Däne mark sich bereit zeigt, eine Erklärung an den Bundestag ge langen zu lassen, welche im Wesentlichen die Suspension des Finanzpatents vom vorigen Sommer ausspricht. Auf Grund dieser Erklärung wird der Bundestag sich unzweifelhaft in der Lage befinden, seinerseits die Erecution gegen den Herzog von Holstein zu suspendiren. AuS Baden-Baden werden noch viele Einzelnheiten über daS an dem König von Preußen verübte Attentat be richtet. Aus denselben ergiebt sich, daß Becker, nachdem er den König auf seinem Spaziergange überholt und freundlich begrüßt hatte, seine Schritte verkürzte, um den Monarchen an sich vorüber zu lassen, wobei er abermals mit auffälliger Freund lichkeit grüßte. Gl« ich darauf feuerte Becker, nur drei Schritte vom König, beide Läufe seines LaschenterzerolS auf einmal ab, in der später eingestandenen Absicht, den Monarchen von hinten in- Herz zu schießen. Durch den eoppeltschweren Druck und Ruck wurde glücklicherweise das Zül verfehlt. — Der Kö ig befindet sich vollkommen wohl, und die am Halle hervorgerufene Contuston nimmt einen gutartigen Verlauf. Seit dem Atten tate hat der König alltäglich eine Reihe von Dlputationen auS Preußen und anderen Theilen Deutschlands empfangen, welche Corporationen und Gemeinden entsandten, um ihre Tyeil- nahme auszusprechen; auch von den meisten souveränen Fürsten sind Abgesandte in Baden-Baden eingetroffen. — Der Student Becker behauptet fortwährend einen auffälligen Grad von Ruhe und Gleichmut-; er schläft gut und hat Appetit, auch soll er wiederholt erklärt haben, daß er nicht anders habe handeln können. Ueber seine für ihn im Allgemeinen günstig lautende Vergangenheit werden die eingehendsten Erörterungen angestellt und so läßt sich denn auch erwarten, daß sich zur richtigen Beurtheilung seine- Seelenzustandes, welcher ihn zu der unseligen That getrieben, ausreichende- Material vo,findet. So viel scheint indessen schon j tzt festzustehen, daß Becker ganz für sich allein an die Ausführung seines verbrecherischen Planes gegangen ist und weder Anstifter noch Mitwisser der Miffetbat vorhanden sind. — Der Proceß BeckerS wird vor den Geschworenen zu Bruchsal zur Verhandlung kommen; man hält eine Berur- theilung zum Lode nicht für unmöglich , wenn diese Strafe auch nicht zur Ausfühmng gelangen sollte. Vreimwitvanfigtkr Jahrgang IU. (Quartal.