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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.05.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-05-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000525010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900052501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900052501
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-05
- Tag 1900-05-25
-
Monat
1900-05
-
Jahr
1900
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Der Biß hat das ganze Leben Friedrich'- lang ge wirkt und selten begegnet man solchem Haß gegen den Vater, wie bei Friedrich und seinem Bruder Diezmann. Leider war der Haß nur zu gerechtfertigt. Noch zu Heinrich des Erlauchten Lebzeiten that sich Albrecht's schlechter Charakter kund, nach dem Tode seines Vater- war er nahe daran, die gesammten Wettiner Lande zu verschleudern, und es war daher seinen Söhnen Friedrich und Diezmann nicht zu verdenken, wenn sie sich der traurigen Politik ihre- Vaters widersetzten und wenn sie mit dem Schwerte in der Hand die Ehre der Wettiner und ihre Habe und Land vertheidigten. Schlimm sind diese Kämpfe immer für Albrecht ausgefallen, Friedrich hat die Kraft be sessen, seine Widersacher zu besiegen und seinen Nachfolgern ein Halbwegs gefestigte- Land zu hinterlassen. Schon im Jahre 1285 verlobte sich der junge Landgraf Fried rich mit der Tochter des Herzogs Meinhard von Kärnthen Agnes und führte sie 1286 heim. Schon zu jener Zeit befand er sich in einem Zerwürfniß mit seinem Vater, und es mag Wohl in Folge dieser familiären Zwistigkeiten und Geldnoth die Ehe nicht sonderlich viel Freude gesehen haben, wenn auch Friedrich seine Frau anscheinend sehr geliebt hat. Sieben Jahre nach der Hochzeit gebar Agne- daS erste Kind, einen Sohn, der Fried rich genannt wurde. Dieser Friedrich wird der Lahme oder Hinkende genannt. Trotz seines körperlichen Gebrechens zog er für seinen Vater in den Krieg, starb aber am 13. Januar 1315 bei der Belagerung von Zwenkau an rinem Pfeilschuß, erst 22 Jahre alt. Elisabeth H. von ArnShaugk. Neun Jahre war Friedrich Wittwer, da verliebte er sich in seine Stiefschwester, die Tochter seiner Stiefmutter Elisabeth aus erster Ehe. Friedrich war damals Anfang der Vierziger. Er war ein schöner, kräftiger Mann, und sein ritterliches, joviales Wesen, wird er doch auch der Freudige genannt, nahm ins besondere die Weiber gefangen. Ist es ein Wunder, wenn er auf die selbst als eine glänzende Schönheit geschilderte Stief schwester Eindruck machte? Wohl fürchtete er vielleicht die Ein willigung der Eltern zu der Heirath nicht zu erhalten, denn er entführte kurzer Hand seine Stiefschwester und Liebchen, die vierzehnjährige Elisabeth, gelegentlich eines Kirchganges, wo überhaupt die meisten Entführungen paffiren sollen. In Gotha wurde die junge Braut in allen Ehren untergebracht, und die Verhandlungen mit den Eltern eingeleitet. Doch scheint die Landgräfin nichts von dieser Ehe haben wissen wollen. Sie war sehr aufgebracht und zornig, es half ihr aber nicht viel und Friedrich machte bald, im August 1302, Hochzeit. Der Abt zu Reinhardsbrunn traute die Beiden. Friedrich bemühte sich inzwischen auf alle Weise, die noch immer gereizte Mutter zu besänftigen; auch die Neuvermählte Elisabeth suchte auf die Versöhnung der Mutter hinzuwirken, indem sie gegen dieselbe die Treue und Liebe des Gemahls höch lichst rühmte. Die Aussöhnung scheint auch wirklich bald erfolgt zu sein. Einer Urkunde zufolge nämlich befand sich Friedrich am 28. December 1303 in der ihm damals noch so feindseligen und erst einige Jahre später in seine Gewalt gekommenen Stadt Eisenach, bei welchem Besuche er jedenfalls seine junge Gemahlin zur Begleiterin hatte und sich persönlich die Gunst seiner Stief- und Schwiegermutter erwarb. Die alte Landgräfin ward seit dem ihrem Schwiegersöhne immer geneigter und hatte, wie die alten Chronisten mehrfältig ausdrücklich bemerken, denselben ganz besonder- lieb. Als Mitgift brachte ihm die junge Elisabeth das ArnShaugk'sche Erbe, insbesondere Neustadt an der Orla und einen Theil von Jena zu. Wie bereits früher (im LebenSabriß von Elisabeth's Mutter) bemerkt worden ist, hielten die vom römischen König angeregten Bürger von Eisenach in Gemeinschaft mit den Mühlhäusern, Er furtern und Nordhäusern sammt ihrem Kriegstroße im Jahre 1306 die Wartburg, auf welcher Friedrich I. residirte, hart umlagert. Von allen Seiten den Berg umringend, hatten sie, demselben gegenüber, eine Gegenburg mit steinernem Fuße er richtet und gewaltige Blyden (Ballisten) oder Wurfmaschinen aufgepflanzt, aus denen sie, da dem Volke des Königs unter Anführung des Grafen von Wilimowe der Sturm nicht gelingen wollte, Tag und Nacht auf das Schloß gefährliche Geschosse ent sandten. Zugleich schlossen sie die Burg von allem Zugang ab, um sie au-zuhungern. Mitten in dieser schweren Bedrängniß erfolgte oben auf der Wartburg die erste Entbindung der Markgräfin Elisabeth, Fried- rich's Gemahlin. Mit welcher Innigkeit auch das markgräfliche Paar und die mit anwesende Mutter der Markgräfin das neu geborene Töchterlein im Leben begrüßen mochten, so schreibt Stichart, so stieg doch, da kein Geistlicher zur Hand war, in dem frommen Gemüthe derselben die Besorgniß wegen dessen Taufe mit jedem Tage immer höher. Endlich, da das Kind schier acht Tage alt und noch keine Aussicht zur Befreiung der Burg vorhanden war, faßte Markgraf Friedrich einen männ lichen Entschluß, welcher bezeugt, daß dem tapferen Fürsten unter dem ehernen Panzer ein christlich-fühlendes Vaterherz schlug. Er gab zwölf von seinen Mannen Befehl, die Pferde zu rüsten, und ritt mit diesem Gefolge, vom Fittig einer dunkeln Nacht bedeckt, die Amme sammt dem kleinen Säugling in der Mitte, die Burg hinab. Sie gelangten glücklich bis zum Kul anzen und in den Singilbach beim St. Johannisthal herab in den Wald. Doch da wurden ihrer die Wächter vor Eisenach gewahr, welche Obacht haben sollten, daß Niemand von der Wartburg herab oder auf dieselbe hinauf durch den Hain kommen sollte. Der bewaffnete Taufzug beeilte seine Schritte, und da die ausgestellten Wächter denselben nicht durch Laufen erreichen konnten, sagten sie eS in der Stadt an, worauf eine Schaar Bürger mit Dienern den im Walde nach Tenneberg zu Eilenden zu Roß nachjagten. Indessen waren die Nachjagenden ganz nahe gekommen. Siehe, da erhob das Kindlein ein Klagegeschrei. Der Markgraf, welcher den Zug von hinten deckte, ritt zur Amme heran und fragte, was dem Kinde geschehen sei, und befahl, sie möchte es zum Schweigen bringen. Da sprach die Amme: „Herre, ez swigit (schweiget) nicht, ez gesuge danne" (es werde denn gesäuget). Jeder Aufenthalt war hier gefabrb^ngend. Aber dennoch hieß Friedrich die Seinen halten und sprach: „Myn tochtir sal (soll) dazdorch dessir jagit (um dieser Jagd) willin nicht empern, vnde solde ez das Doringer (Thüringer) land kostin!" Während die Amme das Kind säugte, umstand Friedrich mit seinen bewaffneten Männern im Kreise schirmend dasselbe. Hierauf brach der Zug wieder auf. Die Feinde waren dem Markgrafen so nahe, daß er fortwährend den Hufschlag ihrer Pferde vernahm. Nachdem sie gegen zwei Meilen Wegs ihn verfolgt, kehrten sie, wahrscheinlich weil sie die Spur des Zuges verloren, nach Eisenach zurück. Friedrich aber kam mit seinem Töchterlein sammt Geleite ungefährdet noch vor Tages anbruch auf dem Schlosse Tenneberg (zwischen Eisenach und Gotha) an. Hier nun empfing das markgräfliche Töchterlein durch den Abt Hermann von Reinhardsbrunn die heilige Taufe und, der Mutter und Großmutter zu Ehren, den Namen Elisa beth. Mit Zurücklassung des wohl versorgten Kindes nebst Amme zu Tenneberg, begab sich hierauf Friedrich, damit seine theure Gattin nebst Mutter auf der Wartburg sammt der Dienerschaft nicht Hunger und sonstige Gefährde litten, zu seinem Schwager, dem Herzog zu Braunschweig, und bat ihn, daß er ihm beistünde, der Wartburg Proviant zuzuführen. Dieser kam auch mit Diezmann und vielen Grafen, Herren, Rittern und Knechten und vielen Wagen (neben welchen letzteren 336 Mann mit gekrönten Helmen und mit Geschütz ritten und liefen) und erzwang die Einfuhr des Proviantes. Der Krieg tobte inzwischen weiter, denn die Kaiser gönnten den Wettinern, insbesondere Friedrich, das Pleißener und Oster- land nicht. Nach und nach wurde jedoch Friedrich mit seinen Feinden fertig und im Jahre 1310 konnte die Taufe eines Sohnes gefeiert werden. Dieser wurde auch Friedrich genannt, die Ge schichte hat ihm dann den Beinamen des Ernsthaften gegeben. Wie üblich, suchte man schon in jungen Jahren nach einer Frau für diesen Stammhalter, da wohl Friedrich der Lahme wenig in Betracht kam, und man verfiel auf Iutta, die Tochter des Königs Johann von Böhmen. Sie wurde nach damaliger Sitte den Schwiegereltern übergeben und einige Jahre auf der Wartburg erzogen. Dieses Verhältniß erhielt einen Riß, als auf Betreiben des Kaisers Ludwig des Bayern Jutta ihren Eltern wieder zu- rllckgeschickt wurde. Ein Einfall in die Lausitz von den Böhmen und die Wegnahme der Stadt Görlitz war die Folge dieses un besonnenen Schrittes. Auch mit Waldemar von Brandenburg kam Friedrich in Conflict, da Waldemar nach der Niederlausitz trachtete. Friedrich hatte in diesem Feldzuge Unglück und kam in die Gewalt Waldemar's der sehr schwere Bedingungen stellte. Friedrich sollte auf die Lausitz verzichten, Landsberg, Eckarts berga und Naumburg abtretrn, einem Vetter Waldemar's Meißen und Freiberg einräumen, 30000 Silber zahlen und schließlich seine Tochter Elisabeth, damals sechs Jahre alt, einem Sohne Waldemar's verheirathen und ihr das ganze Pleißnerland als Mitgift geben. Elisabeth blieb auch gleich bei Waldemar. Die Befreiung Friedrich's geschah, wenn die Chronisten nicht auf schneiden, auf eine geniale Weise. Die Vögte des Pleißnerlandes erklärten nämlich, nur im Beisein ihres Fürsten das Land über geben zu können. So wurde denn Friedrich mit dem Grafen von Anhalt nach dem Pleißnerland gesandt. Hier überfielen die Vögte mit ihren Mannen die Brandenburger, nahmen den Grafen von Anhalt, Albrecht, Verlobten der Elisabeth, gefangen und nun wurde der Spieß herumgedreht und Waldemar mußte zahlen. Elisabeth wurde zurückgegeben. Endlich war abermals der goldene Friede zurückgekehrt, und der Markgraf bemllhle sich ernstlich, die innere Wohlfahrt des zerrütteten Landes zu fördern. Im Schooße dieses Friedens tauchten auch die dem Mittelalter eigenthümlichen Volksbelusti gungen wieder auf, zu denen namentlich die Aufführung geist licher Schauspiele gehörte. Zur Osterzeit des Jahres 1322 brachten solch ein Schauspiel auch die Mönche des Katharinen klosters in Eisenach mit ihren Scholaren zur Aufführung, welcher der Markgraf Friedrich beiwohnte. Der Gegenstand war die evangelische Erzählung von den fünf klugen und den fünf thö- .richten Jungfrauen. Als die thörichten Jungfrauen, vom Freudenmahle des Bräutigams ausgeschlossen, seufzend an die heiligen Fürbitter, und zuletzt zur heiligen Jungfrau Maria sich wandten, und keine Fürbitte beim ewigen Gott etwas aus richtete, sondern das strenge Verdammungsurtheil über sie er scholl: da ward der Fürst in allen Tiefen seines Geistes so mächtig ergriffen und erschüttert, daß er bestürzt aufstand und laut bange Zweifel über die Kraft der Fürbitte aussprach. Von Stund an — es war am 26. April 1322 — verfiel der sonst so freudige Held in eine stille Melancholie und verharrete fünf Tage darin, ohne irgend eine Kunde von seinem Innern zu geben. Am fünften Tage rief er am frühesten Morgen der Markgräfin zu: „Erhebe Dich! Richte Speise zu; für die Fastenden Fische, für die Nichtfastenden Fleisch!" Elisabeth that, wie ihr Gemahl geboten. Nach einer Stunde kehrte sie zurück und mahnte ihn, aufzustehen, um die heilige Messe zu hören, Priester und Volk harreten sein. Allein der unglückliche Fürst schlug die Augen auf, ohne ein Wort sprechen oder ein Glied rühren zu können. Der Schlag hatte ihn getroffen. In diesem Zustande verblieb er 2^ Jahr, bis an seinen Tod. Daß Friedrich sich die Erzählung von den Jungfrauen so zu Herzen nahm, ist wohl in dem finsteren Geiste jener Zeit be gründet. Schon 1303 wurde den Juden in Weißens« nach gesagt, daß sie einen Christenknaben abgeschlachtet hätten und damit eine Judenverfolgung eingeleitet. Elisabeth führte nunmehr selbst die Regierung im Namen ihres Sohnes. Im Jahre 1329 wurde Friedrich vom Kaiser Ludwig, seinem Schwiegervater, auf dessen Rath damals Jutta von Böhmen zurückgesandt wurde, mündig gesprochen. Elisabeth verließ dtr Wartburg und zog nach Gotha. Hier übte sie di: Rechte einer regierenden Fürstin aus und diese Ausübung bracht: sie sogar in Zwistigkeiten mit ihrem Sohne. Der wollte sein Land möglichst ungetheilt haben und wünschte einen Umtausch von Jena und Weißensee. Das wollte die Mutter nicht, und so rüstete man sich schon zum Kampfe, in dem Berthold von Henne berg und die Erfurter und Mühlhäuser auf Seite der Land gräfin standen. Kaiser Ludwig schlichtete nachher den Streit. Ihren klaren Willen setzte Elisabeth mehrmals durch, und da sie sich als eine sehr gescheitste Frau erwies, nahm man ihre Rath schläge gern entgegen. Sie hat viele Zerwürfnisse beigelegt, und ihrem Enkel, Friedrich dem Strengen, ist sie auch bei dem Rath, das Land nicht zu theilen, eine weise Rathgeberin gewesen. Für die Tage ihres Alters war ihr noch eine schmerzliche Erfahrung in Bezug auf ihre einzige Tochter, die bereits oben er wähnte Elisabeth, die den Landgrafen Heinrich von Hessen ge- heirathet hatte, beschicken. Eine thüringische Chronik erzählt hierüber Folgendes: Ludwig, der unvermählte Schwager der Herzogin Elisabeth (III.), führte ein ausschweifendes Leben und verführte dazu auch seinen Bruder Heinrich, Elisabeth's Gemahl, so daß Letzterer mit einem Weibe zu Cassel in verbotenem Um gänge lebte. Elisabeth strafte einst darüber ihren Schwager mit strengen Worten. Dieser aber klagte sie aus Rache bei seinem Bruder verleumderisch des Ehebruches an und bestach auch einen Hofbedienten, einen gewissen von Talwig, daß er dessen ge ständig war. Herzog Heinrich behandelte nun seine Gemahlin auf das Uebelste, und diese beklagte sich darüber bei ihrer zu Gotha lebenden Mutter, welche wiederum mit ihrem Sohne, dem Landgrafen Friedrich dem Ernsthaften, darüber Rücksprache nahm. Beide wurden einig, die arme Elisabeth heimlich von Cassel hinwegführen zu lassen. Auf einem Wege zur Kirche ward die Herzogin mit ihren Jungfrauen von den Voigten des Landgrafen nach Gotha zu ihrer Mutter geführt, wo sie dis zu deren Tode blieb, dann aber nach Eisenach an den Hof ihres Bruders, des Landgrafen, zog. Herzog Heinrich forderte wieder holt seine Gemahlin zurück, der Landgraf aber weigerte sich dessen, mit der Bemerkung, seine Schwester befände sich bei ihrer Mutter „baz (besser), danne sy by eme (ihm) gesin (sein) mochte." Selbst der verzweifelte Weg, den Heinrich einschlug, seinen Schwager vor den Kaiser fordern zu lassen, brachte keine Aende- rung im Entschlüsse des ernsthaften Friedrich hervor. Elisabeth lebte nach dem Tode ihrer Mutter zu Eisenach in „religiöser Einsamkeit", wie die Eisenacher Jahrbücher sagen. Nach eben denselben soll sie im Jahre 1345 gestorben sein; ihr Tod ist aber in eine spätere Zeit zu setzen, da sie noch im Jahre 1359 eine Schenkung von 40 Silber an das Marien-Collegium zu Eisenach behufs nach ihrem Tode zu ihrem, ihrer Eltern und ihres Bruders Seelenheil zu haltender Jahresgedächtnisse machte. Auch hatte sie in der Marienkirche zu Eisenach einen Altar er richten lassen, bei dessen Erneuerung im Jahre 1374 der Erz bischof Adolph von Mainz ihrer als einer längst Gestorbenen gedenkt. Die Landgräfin Elisabeth erblindete in ihrem Alter und starb, über 70 Jahre alt, am 22. August 1359. Elisabeth's Lob preiset ein thüringischer Chronist mit fol genden Worten: „Sie war ein Weib von strengem Leben und christlicher Religiosität, im Geiste Hochweise, von Gcmüth und That freigebig, mit allen weltlichen Tugenden geschmückt, im höchsten Rathe von beredter Zunge, der Armen Ernährerin, der Frommen Anwältin, des Landfriedens in Thüringen eifrige Freundin und treueste Beschützerin, und unermüdet in der Ver ehrung ihres Gottes." FrniHeton. Loncurren). Plauderei aus der Welt der Kleinen von E. H. - Iv Harrs. Nachdruck »rrbolin. Ein Tag in der Welt der Kleinen, Reinen, Phantasievollen, wahrlich, er ist Goldes werth! Wie so Mancher, dem eS an der nöthigen Phantasie gebricht, würde gelb vor Neid, sähe er, wie wenig ein Kinderkvpfchen braucht, um sich eine bunte, reiche Welt aufzubauen! Harmlos gehr ich über den Vorsaal. „Tante, halt, halt! Da ist da» Meer! Spring' über den Strick, sonst fällst Du in» Wasser!" Mit dem schärfsten Sla» wäre kein Tropfen Wasser zu ent decken gewesen, aber flugS ist man von der kindlichen Phantasie angesteckt und übersteigt mit größter Vorsicht Flüsse, und mit Leichtigkeit auch Meere. Eine kleine Wanne repräsentirt den „TranSatlantique", denn unser Junge wächst am Meer» auf, ihm ist also der Amerika- Dampfer gerade groß genug. Er setzt sich stolz in die Wanne, pfeift, — denn „le HLteau rs vaNir!" —, daß Einem Hören und Sehen vergeht und — segelt stolz in den Atlantischen hinein! Daß er in diesem Augenblick mit keinem König tauscht, ist sicher. Die Kinder in ihrer Anspruchslosigkeit, die Kinder, denen ein umwickelte» Stück Holz eine Puppe abgiebt, sind allezeit die wahrhaft Reichen dieser Welt. Vielleicht meint Christus Aehnliche«, al- er sagt«: „So Ihr nicht werdet, wie die Kind lein —" Aber Maxi, der kühn« Seereisende, hat Geschwister, die er mit rührender Liebe und Sorgfalt umgiebt. Fällt eine» hin, so läßt er Bücher und Soldaten im Stich und zieht da» weinend« Geschwisterchen tröstend an sich. Da» vierjährig« Schwesterchen Alice und der zweijährige DSdS (Andree) spielen Krieg mit ein ander, natürlich Boeren und Engländer. Ein Jndianergeschrei bricht los. Maxi verkündet nach gelieferter Schlacht: „1.08 »nglaw sout toujours dattus!" Also auch bei den französi schen Kindern sind die Engländer mit Sicherheit stets die Ge schlagenen! Während Maxi in der Schule ist, spielen Alice und Dädß miteinander. Alice ist der Eisenbahnschaffner und giebt dem DödS zwei Sou», d. h. nicht» in die Hand. Ein größerer Schwindel ist dem armen Kleinen in seiner zweijährigen Praxis noch nicht vorgekommen! Aber er ist nur eine Secunde verblüfft ob dieser sonderbaren Bezahlung, dann macht er mit! Sein Anzug ist dabei imponirend. DaS hellblaue Kleidchen hat er mit rinem heliotropen Sammetgürtel seiner Mama um schlungen, auf dem blonden Haupt trägt er mit Stolz ein großes Couvert gestülpt, dasselbe, in dem das Leipziger Tageblatt mir jüngst ein Belegexemplar sandte! Aber die kindliche Phantasie ist ja so reich, sie macht Sprünge, alle Minuten ist etwas Andere» auf dem Tapet. Die beiden Kleinen setzen sich rittlings auf die hohe Wand des breiten, französischen Bette» und spielen „Velociped". Aber sie müssen «in« höchst zweifelhafte Meinuna von den Radlern ihrer Vaterstadt haben, denn ihr Spiel besteht darin, daß sie be ständig vom Rade fallen! Daß diese Fälle nicht geräuschlos vor sich gehen, ist einleuHtend. DSdS macht sich über Maxi'» Soldaten. Behaglich, die Bein chen von sich gestreckt, sitzt er auf dem Fußboden und baut die Regimenter auf. Mit wuchtiger Hand, jeden Moltke beschämend, reißt er die Schaar um und ladet dann Mann auf Mann auf eine zerbrochene Kanone. Dann ist's still, unheimlich still. Ein Knirschen! Ich stürze hin: D«dS hat drei Soldaten im Munde und beißt wacker auf die Unglücklichen! Sie müssen delikat schmecken, denn D4d4 benutzt jeden unbewachten Augenblick, um wieder Soldaten zu kauen. Dann rutscht er sammt seinem Regi ment zum halbgefüllten Eimer der Toilette und versenkt grausam Roß und Reiter nebst Kanonen in die trübe Fluth. Die Zahn bürste der Tante fliegt hinterdrein, ein neue« Handtuch des gleichen. Da endlich hebt man den Zerstörer hoch. Er klettert auf einen Sessel, von da auf die Kommode und holt sich ein rundes Stück Eisen. Ein „Sou!" Er ist begeistert. — Alice zer schlägt derweilen ihrer Puppe den Kopf und hält eS für nöthig, mit einem hölzernen Bicrhahn auf den geschnitzten Sessel zu klopfen. Vandalen, nichts ist Euch heilig! DSdS hat einen Kreisel erwischt. Er haut gewaltig auf den Regungslosen ein und merkt nicht, daß er selbst sich beständig um den Kreisel dreht, dieser aber allen Hieben Trotz leistet. Die Rollen sind eben drolliger Weise getauscht, nicht der Kreisel, sondern der Junge dreht sich! In der Nacht wird dem dreiblättrigen Kleeblatt ein Brüder chen geboren, und zwar nicht im Hause, sondern in der Klinik. Maxi nimmt die Meldung mit entzückendem Lächeln ent gegen und sagt: „Sprichst Du deutsch mit dem kleinen Brüderchen?" Alice, deren Pupe neu behauptet wurde, hält jede» neue Brüderchen für überflüssig und sagt stolz: „d'ai rure poupSe!" Sie hat eine Puppe! DSdS guckt einen Augenblick, dann beschäftigt er sich in unzer- störbarer Gemüthsruhe weiter damit, die eben gebrachte Wäsche auseinander zu reißen und sich mit rinem Kragen seine» älteren Bruder« das Näschen zu putzen. Gegen Mittag wandert mein Kleeblatt, jedes ein Blumen- sträulchen für die Mama in der Hand, nach der Klinik, da- neue Brüderchen zu sehen. Etwa» Rührenderes giebt es selten, al» da» Bild: Kinder an der Wiege eine» Neugeborenen! Zuerst gehen sie schüchtern an der Mutter Bett, Jede» reicht sein Sträu-chen hin. Doch nein, DSdS giebt seine» nicht her! Er versteckt da» Händchen mit den Margueriten hinter seinem Rücken. Maxi steht inzwischen an der Moise, einer duftigen Wiege, in der da« BSbS liegt. „Glaubst Du, Mama, daß er heute Nachmittag schon größer ist?" erkundigt er sich, und küßt sein Brüderchen. Jetzt kommt auch Alice heran, schmiegte sich an da» Knie der Wärterin, welche da- BübL auf den Schooß genommen Hot, und legt in entzückender Anmuth und mütterlicher Zärtlichkeit beide Aermchen um das Kind. — DSdS ist eifersüchtig, er wendet sich ab von dem Brüderchen, als ahne er, daß er jetzt nicht mehr das Nesthäkchen ist. „Wo ist denn das Brüderchen hergekommen?" erkundigt sich Maxi. Die Wärterin erzählt, daß es mit der Eisenbahn heute Nacht aus Paris gebracht worden sei. Er sinnt nach. „Kostet es viel?" „Gewiß", sagt ClSmence, „eS ist ja ein Junge, und di: kosten stets 600 Francs!" „Und wa» kosten die kleinen Mädchen?" „Dir sind billiger, kosten blo» 500 Franc»!" antwortete Clßmence. Nun, die Emancipation macht Fortschritte, in 100 Jahren ist der Preis sicher umgekehrt!! — Maxi erkundigt sich weiter: „Wenn man in Deutschland Kinder braucht, nimmt man sie auch au» Pari»?" „Nein", erklärt ihm die Wärterin lächelnd', „die Deutschen holen sie au» Berlin, oder Köln oder Hamburg!" „Da giebt e» große Fabriken für die Kinder?" Niemand giebt ihm Auskunft, denn DSdS hat die Thüre aufgemacht und läuft, seine Blümchen noch festhaltend, hinaus. Mittags bei Tisch wird natürlich vom neuen Brüderchen gesprochen. Maxi findet »S sonderbar, daß e» noch nichts spricht. Alice behauptet, e- gehöre ihr allein. Warum die Mama nicht da ist mitsammt dem Brüderchen, ist ihnen unerklärlich. „Papa", fragt Maxi, „wußten denn die Leute gleich, wem da» BöbH gehörte?" „Freilich, mein Junge, die Adresse war doch richtig ange geben!" „Papa, wie werden die Kinder gemacht? — Papa, sag doch! Macht sie der liebe Gott?" Ein Schweigen, da- etwa» Heiliges an sich hatte! Hast Recht, Du süße-, herzige» Kind, Gott macht die Kinder, denn Gott ist die Lieb«, und Du, «in Kind, bleibst oll«zrit der Wunder größte»!
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