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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.02.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-02-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190202098
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19020209
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19020209
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-02
- Tag 1902-02-09
-
Monat
1902-02
-
Jahr
1902
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.02.1902
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Anzeigen »PretS die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reclamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richte» (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra - Beilagen (gesalzt), nur mit der- Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbeförderuug 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expeditton ist Wochentag- ununterbrochen . geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig. Nr. 72. Sonntag den 9. Februar 1902. 96. Jahrgang. Aus der Woche. DaS Schicksal des ersten während deS langen südafri kanischen Krieges genommenen Anlaufs zu einer Ver mittelung scheint die auch von uns ins Auge gefaßte Mög lichkeit, der Schritt der holländischen Regierung könnte von England aus in Anregung gebracht worden sein, auS- zuschließen. Es scheint jedoch nur so. England hat abgelehnt, aber eS kann ihm daran gelegen gewesen sein, anzudeuten, daß es verhandeln will. Eine solche Andeutung enthält die britische Antwort und sie springt um so schärfer in die Augen, als dabei auf die Einverleibung der beiden Freistaaten ins englische Colonialreich hingewiesen ist. Man hält Botha und Steijn für verhandlungsfähig in einem anderen Sinne als dem rein militärischen; daß sie eine nackte Waffen streckung zugestehen und vollziehen können — aus einen der artigen AmSgang hofft England nicht mehr. Ist man nicht abgeneigt, mit diesen Männern politisch zu reden, so hat die Betonung der uneingeschränkten Souoeränetät über die Freistaaten keine entscheidende Bedeutung mehr. Groß britannien, so will eS mehr und mehr bedünken, hat die Unhaltbarkeit des StandpnncteS erkannt, in Transvaal und dem Oranjestaate „debellirte", d. h. mit Waffengewalt eroberte und so ihm zu eigen gewordene Gebiete zu sehen. Die tatsächliche Besitzergreifung, jedes Telegramm Kitchener'S bezeugt eS, ist eben in weitem, ungeheurem Umfange nicht bewerkstelligt worden, und damit ist die rechtliche Voraussetzung eines Verhallens, wie es die Debellation völkerrechtlich gestattet, ausgeblieben. Der Vergleich mit dem Kriege deS Jahres 1860, den man in England zu ziehen liebt, zeigt gerade, was den Briten fehlt, um so verfahren zu dürfen, wie damals Preußen. Hannover war besetzt, der König, der es bis dahin regiert hatte, besaß auch außerhalb der Grenzen keine Armee mehr. Durch theilwcise Besitznahme ein noch die Vertheidigung ausübendes Land für annectirt und jene Vertheidiger für Rebellen erklären, heißt längst ver schwundene Zeiten der Barbarei zurücksübren. Auf Recht und Civilisatwn kommt es nun in Südafrika nicht an. Es ist kein Kläger, kein Richter, geschweige denn der Vollstrecker eines etwaigen UrtheilSsprnchcs vorhanden. Aber England stößt sich furchtbar hart an den Thatsachen, jenes Traumbild von der Eroberung zerschellt an ihnen und sie scheinen ihm Politisch nachgerade so unbequem geworden zu sein, wie sie sich mili tärisch als geringe, wenigstens nicht als entscheidende Förderer herausgestellt haben. Man darf daher mehr als je die Hoffnung hegen, daß ein wenn auch stark verschleierter Rückzug von dem Boden der Construclion, Laß England Herr in Süd afrika sei, stattfinden und damit eine Handhabe, dem Blut vergießen ein Ziel zu fetzen, gegeben sein werde. Wider unser Erwarten hat sich der deutsche Reichskanzler dazu drängen lassen, bei dem Festmahle des Deutschen Land- wirthschaftSraths die Stellung der verbündeten Regierungen zu etwaigen Anträgen auf Abänderung des Zollgesctzes im Punkte der Getreidezölle in einer jeden Zweifel aus schließenden Weise zu kennzeichnen. Er hat alle auf Ver mehrung und Erhöhung der Minimalzölle gerichtete Forderungen als unannehmbar zuruckgewiescn und weiter erklärt, die verbündeten Regierungen seien darin einig, daß die von ihnen vorgeschlagenen Getreidezölle die Grenze bezeichneten, bis zu denen jene Zölle erhöht werden könnten. Schwerlich aber würde er sich zu solcher Erklärung herbeigelassen haben, wenn nicht die früher veröffentlichten, minder bestimmten Kundgebungen der „Nordd. Allgem. Ztg." und der „Südd.NeichScorr." seiner Auslassung den Boden bereitet hätten. Die „Kreuzzeitung" drängte, seitdem die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" gesprochen, auf Beschleunigung der Commissionsarbciten und auf ein Compromiß mit mäßiger Erhöhung; die Vollversammlung des deutschen Landwirth- schaftSrathS ließ Beschlüsse ihrer Ausschüsse, die allerdings sehr weit über die BundeörathSvorlage hinauSgingen, that- fächlich fallen, ohne neue Forderungen zu bezeichnen, und be diente sich KU der Ankündigung und Begründung dieser Selbstbeschränkung keines Anderen als des Freiherrn v. Wangenhcim, des Präsidenten des Bundes der Landwirthe; schließlich war ein, wenn auch vorerst in der Presse, aber ohne Zweifel von einflußreicher agrarischer Seite ausgehender und jedenfalls in den Grenzen weitgehender Mäßigung sich bewegender Compromißvorjchlag gemacht worden. Nun durfte der Kanzler wohl hoffen, die der Vorlage so nahe gekommenen, einer Verständigung geneigten Gruppen durch eine bestimmte Erklärung auf dem festen Boden der Vorlage selbst ver einigen zu können. Ohne grimmiges Abwehren von Seiten der Berufsagitatoren des Bundes der Landwirthe wird eS dabei freilich nicht abgehen. Weiß aber der Kanzler, wie an- zunehmen ist, bereits die Führer der ausschlaggebenden Fraktionen hinter sich, so ist auf das Treiben jener Agitatoren nicht viel zu geben. Die „D. TageSztg." ist übrigens in der fatalen Lage, mit dem preußischen LandwirthschaftSminister Abrechnung halten zu müssen, dem Manne in der Regierung, der von ihr noch ganz vor Kurzem als berufener und sicherer Vorkämpfer abenteuerlicher Zoll erhöhungen gefeiert worden war. Herr v. PodbielSki hat aber dieses Vertrauen äußerst schleckt gerechtfertigt, indem er im preußischen LandeS-Oelonomie-Collegium eine äußerst ernste Sprache gegen den mehr auf Staats- als auf Selbst hilfe bedachten Theil der Landwirthe führte. Er war ein lasointo ogni spoiaura für die Extremen, wie eS flammender noch von keinem deutschen Minister an die Bude, wo mit übermäßigen Zollforderungen Geschäfte gemacht werden sollen, geschrieben worden ist. Immerhin droht von dieser Seite noch Gefahr. Ist aber die Einigung, die jetzt angcbahnt ist, da, dann wird die Gefahr ebenso beschworen sein, wie die Obstruetion der Linken, die wieder stark einsetzt und den Vorsitzenden der Tarifcominission zur Drohung mit seinem Rücktritte vermocht hat. Die Zollleute, wenn sic Zusammen halten, können Ordnung schaffen.» Der Reichstag bat noch längere Zeit, als man bei seiner Beschluß- und Schlnßunsähigkeit erwarten mußte, an den Etat des RcichSamtä des Innern gewendet. Von ver einzelten Ausnahmen abgesehen, boten diese Verhandlungen oder doch die Art, wie die an sich wichtigen Gegen stände behandelt wurden, wenig oder kein Interesse. BeachtenSwerth ist nur, wie einzelstaatliche Angelegenheiten mehr und mehr in den Bereich der Erörterungen deS deutschen GesammtparlamentS gezogen werden und wie diese Gepflogen heit immer weniger Widerspruch bervorrust. Der sachlichen Aufklärung dient diese Entwickelung so gut wie gar nicht, reickspolitisch darf sie, da meist Gegner deS Reiches ihre Träger sind, gleichfalls keinen hohen Werth beanspruchen, allein sie scheint unvermeidlich zu sein und soll deshalb nicht Weiler tief beklagt werden. Die Marine, die darauf in einer einzigen Sitzung den Reichstag beschäftigte, ist Reichssache und die „Marine-Affäre", die man zurecht gemacht hatte, natür lich auch. Aber der Reichstag, als Ganzes betrachtet, hat sich bei deren Erörterung wahrlich nicht auf der Höhe der Vertretung eines großen Nationalstaates gezeigt; die dabei von socialdemokratischer und demokratischer Seite gehaltenen Reden wären in der Volksvertretung einer anderen Groß macht, von national ihr widerstrebenden Elementen, wie z. B. die Iren, abgesehen, unmöglich. Unsere Auffassung, daß der dem Militärdepartement des Marine-Amts er- theilte Auftrag berechtigt nnd weder dem Rechte deS Reichs tages entgegen ist, noch den Chef des Amtes irgendwie bloß stellt, ist durch die Verhandlung als vollkommen richtig er wiesen worden. Deutsches Reich. /?. Berlin, 8. Februar. (Die NeichStagSersatzwahl in Elbing-Marienburg.) Für die NeichStagSersatzwahl in Elbing-Marienburg haben bereits die Conscrvativen und die freisinnige Volkspartei ihre Candidaten ausgestellt. Durch die Auswahl des Candidaten, deS in Westpreußen angesehenen LandtagSabgcordnetenKittler, zeigt die freisinnige Volk-Partei, daß sie diesmal erheblichere Anstrengungen machen will, als im Jahre 1898, wo die Aufstellung der Kandidatur Munckel's, dessen Sieg in einem anderen Wahlkreise so gut wie sicher war, von vornherein den Charakter einer bloßen Zähl- candidatur trug. So kann man also die Chancen der Frei sinnigen nicht nach den noch nicht 600 Stimmen, die sie bei den letzten Wahlen erhalten hatten, berechnen. Bei einiger Agitation kann eS ihnen nicht schwer fallen, mindestens 2000 Stimmen zu erlangen; haben sie doch noch 1887 im ersten Wahlgange über 5000 Stimmen erkalten. Freilich kann auch eine Erhöhung der freisinnigen Ziffern nicht dazu führen, daß Herr Kittler in die Stichwahl kommt, weil in zwischen die Socialdcmokratie in diesem Wahlkreise einen sehr starken Vorsprung vor dem Freisinn erlangt hat. Bei den letzten allgemeinen Wahlen sind rund 4500 socialistische Stimmen abgegeben worden, und angesichts der starken industriellen Thätigkeit in Elbing ist eine Zunahme der socialdemokratischen Stimmen sehr wahrscheinlich. Dazu kommt, daß der ausgesprochen agrarische Charakter deS con- servativen Candidaten auf die gemäßigten Elemente in den Städten Elbing und Marienburg kaum einen fascinirenden Einfluß auSüben dürfte. Nach alledem ist cs höchst wahr scheinlich, daß eine Stichwahl zwischen dem konservativen Candidaten und dem socialdemokratischen Bewerber statt- zusinden haben wird. In dieser Stichwahl dürfte dann aller dings der conservative Candidat schon wegen deS bedeutenden Stimmenvorsprungs, den er in der Hauptwahl sicherlich erlangen wird, den Sieg erringen. H- Berlin, 8. Februar. Eine neue Art der n a t i o u a l p v l n i s ch c n Propaganda wird in einer der jüngsten Skimmern des „Orendowuik" an gekündigt. Um den zahlreichen bereits bestehenden pol nischen Vereinen, die bekanntlich über ganz Deutschland verbreitet sind, aber gegenwärtig eine mehr oder weniger selbstständige Thätigkeit auSüben, eine einheitliche Leitung, einen n a ti o n a l p o l n i s ch e n Mittcl- pnnct zu gebe», ist eine Ccntralstclle geschaffen worden, deren Hauptzweck es sein soll, polnische Patrioten zu Vortragenden hcranzubildcn, mit denen die Vereine in regelmäßiger Folge versehen werden sollen. Der neu gegründete Verein hat den Namen „Znicz" erhalten, wo bei bemerkt werden mag, daß „Znicz" ein im Geheimen glimmendes Feuer, das Sinnbild der glühenden Vater landsliebe bei den heidnischen Ltttaucrn bezeichnet. Der „Orcndvwnik" spricht denn auch, nachdem er die Ziele und Aufgaben des neuen Vereins dargelcgt hat, die Hoff nung ans, „daß die Volkögesammthcit den Verein mit größter Sympathie begrüßen wird", und fügt hinzu: „Dcuu sciu Leitgedanke ist erhaben, und der Verein kann für unsere Volksclasscn ein Herd werden, von welchem die» belebenden Strahlen der Aufklärung ansgchcn und die noch ziemlich dicken Schichten der Unaufgcklärtheit und Rückständigkeit durchdringen werden. Wenn doch der neue Verein für unsere BolkSgesammtheit jener ewig flammende Lichtfunke wäre, -er in der grauen Ver gangenheit für Littauen das gcheimnißvollc „Znicz" war. In diesem Sinne und mit diesem Wunsche beginnen wir die, wie mir hoffen, gesegnete Thätigkeit in Gottes Namen!" Dieser Hinweis auf die in erster Linie natio« nalpolnischc Thätigkeit der künftigen Wanderrcdncr läßt keinen Zweifel übrig, nach welcher Richtung hin die „Aufklärung" gegeben nnd die „Rückständigkeit" bekämpft werden soll. Es ist ferner, wenn die Errichtung dieser Ecntralstelle durch den angeblichen Mangel an geeigneten Vortragenden begründet wird, damit in nuoo anerkannt, daß die ost bestrittene großpolnische Thätigkeit der pol nischen Vereine thatsächlich ansgcübt wurde und daß sie nur nicht in dem Umfange und mit dem Erfolge bisher geübt wurde, wie es den Wünschen und Absichten der berufsmäßigen Agitatoren entsprach. Diesem Mangel sollen die in dem neuen Verein herangebildcten und zu staatsfeindlicher Thätigkeit fähig gemachten Mitglieder abhelfcn. Auf deutscher Seite aber wird man genau wissen, wessen man sich von den in dem Verein aus gebildeten Rednern zu versehen hat. O. U. Berlin, 8. Februar. (Privat-Jrrenanstalten.) Die bekannten scandalösen Vorgänge in vein Mariaberger Jrrenhause hatten zur Folge, daß das staatlicke Aussicht-recht den Irrenanstalten gegenüber erheblich schärfer au-geübt wurde. In dem letzten Berichte des Polizei-Präsidiums Berlin heißt eS darüber: Auf Anweisung des CultuSministers fand zunächst eine außerordentliche Revision sämmtlicher unter privater Leitung und unter der Verwaltung von Cor- porativncn stehender Irren-, Heil- und Pflegeanstalten durch eine besondere RevisionScommission statt. Hierbei wurde die besondere Aufmerksamkeit auf die Vorbildung, Besoldung und Thätigkeit des Warte- und Pflegepersonals gelenk:. Für die Privatirrenanstalten (§ 30 der Gewerbeordnung) wurde sodann eine Anweisung über die Ausnahme und Ent lassung von Geisteskranken, Idioten und Epileptischen, sowie über die Einrichtung, Leitung und Beaufsichtigung solcher Anstalten erlassen. Die in den ß 20 ff. dieser An weisung vorgesehene Besuchscommission, welche aus einem höheren Verwallungsbeamten, dem Rcgierungö- Medicinalrath und einem Psychiater besteht und in der Regel einmal jährlich jede Privat irr en anstatt eine unvermuthete Besichtigung zu unterwerfen hat, ist vor mehreren Jahren ins Leben getreten. Außer dieser Bcsuchscommission hat auch der zuständige Kreisarzt die Privaiirrenanstalten alljährlich zweimal einer unvermuthetcn Besichtigung zu unterwerfen. Eine Privatirrenanstalt besteht in Berlin nicht mehr; sie sind alle nach auswärts gezogen. Die öffentlichen Irrenanstalten der Stadt Berlin befinden sich ebenfalls außerhalb des Berliner Weichbildes. * Berlin,8. Februar. (DieGeheimmittelfrage oder das verschleierte Bild zu Saks.) Nack dem Zolltarif entwürfe soll ein Zoll von 500 -E pro D.-Ctr. auf „Geheim mittel" gelegt werden. Was als Geheimmittei angesehen werden kann, ist bis jetzt bekanntlich sehr zweifel haft. Man durfte daher wohl erwarten, daß wenigstens die Begründung des Tarifentwurfes versuchen würde, darzuthun, was man sich als Gehennmittel vorzustellcn hat. Indessen die Begründung versagt vollständig. Sie giebt kund, daß dem Vorschläge, was bei einem Zollsätze von 500 .E auch ohne Erläuterung klar ist, die Absicht zu Grunde liege, „dem Bezug von Geheimmittcln aus dem Auslande nach Möglichkeit ent gegenzuwirken", und fährt dann fort: „Die Schwierigkeit einer klaren zolltechnischen Abgrenzung ÜeS Begriffs „Geheimmittel" ist hierbei nicht verkannt worden; sie wird jedoch nicht abhalten dürfen, den von der Industrie gewünschten Versuch zu machen, zumal bei Len in Originalpackung eingehenden Sendungen die Zollbeamten auch im Falle unrichtiger Declaration zumeist schon nach äußerlichen Merkmalen (Aufschriften, Um schlägen mit Anpreisungen u. s. w.) die Beschaffenheit der Waare als Geheimmittel fcstzustcllen vermögen." Deutschland verfügt über Zollbeamte, die im Allgemeinen technisch gut ausgebildet sind. Ist es aber schon fraglich, ob ihre Ausbildung hinreichen würde, um einen so speciali- sirten Zolltarif, wie der im Entwurf vorliegende ist, in jeder Beziehung exact anzuwenden, so soll man doch von ihnen nicht Unmögliches verlangen. Kann ein Begriff zvlltechnisch nicht abgegrenzt werden, so kann man keinem Zollbeamten zu- muthen, ihn auf die eingeführten Waarcn auzuwenkcn. Man kann ferner aber auch demjenigen, der die Maaren einführt, nicht zumuthen, daß er den Begriff so anwende, wie der Zollbeamte, der gerade mit der Abfertigung der Waare be faßt wird. Es kann gar nicht ausbleiben, daß ganz ohne jede böse Absicht vom Kaufmann eine Waare als Arzneimittel oder sonstiges pharmaceutisches Erzeugniß angesehen wird, die der Zollbeamte nach irgend welchem äußerlichen Merkmal als Geheimmittel feststellen zu müssen glaubt. Erst am 4. d. M. ist im Reichstage über die Gebeimmittel verhandelt worden. Der Bundesrath bereitet eine Verordnung über den Verkehr mit Geheimmitteln vor, aber auch darin wird, wie Graf PosadowSky andeutete, nicht der Begriff „Geheim mittel" festgestellt werden. Der Staatssekretär erklärte, eS solle bestimmt werden, daß „Mittel, die im deutschen Arznei buch Aufnahme gefunden, Stoffe und Zubereitungen, die in der medicinischen Wissenschaft und Praxis allgemein anerkannt sind, endlich alle diejenigen Präparate, die lediglich als DesinfectionSmittel, als kosmetische Mittel, NahrnngS- und Genußmiltel oder als Kräftigungsmittel angcboteii werden, in der Regel nickt als Geheimmittel behandelt werden sollen". „In der Regel" sollen als Geheimmittel nur die jenigen Mittel erklärt werden, „die absolut schädlich sind oder offenbar nur zu betrügerischen Zwecken dienen". Bei der Unmöglichkeit, den Begriff „Geheimmittel" genau zu definiren, ist der BundeSrath darauf verfallen, ein Verzeich- niß all der Mittel aufzustellen, die als Gebeimmittel anzu sehen sind. Wenn schon ter Werth dieses Verzeichnisses für alle anderen Fälle, in denen es sich um Geheimmittel handelt, sehr fraglich ist, so wird der Zollbeamte den geringsten Nutzen davon haben, denn er muß sich vermuthlich meistens mit Waaren befassen, die, wenn sie Geheimmittel sind, erst nach der Einfuhr in daö Verzeichnis aufgenommen werden können. Als Vertreter des BundeSraths hat der Staatssekretär Graf PosadowSky am 4. d. MtS. im Reichstage anerkannt, daß zur Feststellung, ob eine Waare ein Geheimmittel sei oder nicht, rin recht weitläufige- Verfahren mit vorläufigen und end- giltigen Veröffentlichungen, Einsprüchen und Entscheidungen darüber erforderlich ist, und als Vertreter des BundeSraths wird er demnächst in die Lage kommen, im Reichstage darlegen zu müssen, daß die Zollbeamten befähigt sind, nach äußerlichen Merkmalen ohne Weiteres die Beschaffenheit einer Waare „als Geheimmittel" festzustellen, also nach seiner eigenen Dar legung hauptsächlich darüber zu entscheiden, ob die ihnen vor geführten Waaren absolut schädlich sind oder zu betrügerischen Zwecken dienen! — So bemerkt mit Ironie die „Nat.-Ztg.". Wir möchten dagegen ohne Ironie wünschen, daß die Zoll beamten das Geheimniß der Geheimmittel ergründet hätten: dann hätte doch wenigstens ein geplagter „verantwortlicher" ZeitungSmensch eine Stelle mehr, bei der er sich nach der Zulässigkeit einer Curirmittelankündiguna erkundigen könnte. Ob ihm freilich geantwortet würde, ist eine andere Sache. Berlin, 8. Februar. (Telegramm.) Nach der gestrigen Familien-FrühstückStcffel besuchten der Kaiser und die Kaiserin die Spiritus-Ausstellung im Institut für GabrungSzwecke und schlossen daran eine kurze Spazierfahrt. — Heute Morgen empfing der Kaiser im GeneralstabS- gebäude den Flügeladjutanten, Corvettencapitän v. Grumme, zur Meldung, unternahm hierauf den gewohnten Spazier gang uud sprach beim Staatssekretär des Aus wärtigen Amts und beim Reichskanzler vor. — Im königlichen Schlosse empfing der Kaiser denFlügeladjutanten unv Capitän z. S. v. Usedom und Professor Röchling und hörte von 10 Uhr ab den Vortrag des Chefs deS Marine-Cabinets. L. Berlin, 8. Februar. (Privattelegramm.) Urber die Akiiflcrnugc» SrS Kaisers gegen das Gesunvbete» erhält die „Nat.-Ztg." vom Polizeipräsidenten v. Windheim nach stehende Mittheilungen: „Die Meldung der „Nordd. Allg. Ztg." ist in ihrer Fassung nicht ganz richtig. General-Superinten dent Faber unv ich waren nicht zur Audienz befohlen, um über Maßregeln gegen den ObscurantiSmus Vortrag zu halten, sondern wir waren am Donnerstag zur Abendtafel geladen. An derselben nahmen außer dem Kaiser und der Kaiserin tkeil: Prinz Joachim Albrecht, als wach habender Officier, Generaloberst von Hahnke, der Hof marschall Les Kaisers, der Kammerherr der Kaiserin, das Gefolge, General-Superintendent I). Faber und ich. Während der Tafel lenkte der Kaiser daS Gespräch auf das Gesundbeten. Der Kaiser hatte die in der „National- Zeitung" hierüber erschienenen Artikel mit vielem Interesse gelesen und äußerte sich sehr mißbilligend über den ganzen Unfug. Auch die Kaiserin betheiligte sich in gleichem Sinne an dem Gespräch; ebenso Generaloberst v. Hahnke. Bei der Cigarette fragte mich der Kaiser, ob ich irgend welche Maßregeln gegen den Unfug ergreifen wolle. Ich erwiderte: „Ich Halle dafür, daß eS richtiger wäre, vorläufig nichts in der Sache zu thun. Ich fürchte, ich mache der Gesellschaft nur Reclame, wenn ich bei einem Vorgehen nicht auf der ganzen Linie den Erfolg für mich habe. Bei den wiederholten Niederlagen, welche diese Gesellschaft jetzt in der Stadtverordnetenversammlung, im Reichstag und in der Presse erlitten hat, darf man hoffen, daß ein entscheidender Rückgang bald eintritt." Der Kaiser, welcher sich in der Frage sehr unterrichtet zeigte, sprach nochmals seine Mißbilligung über das Grsuadbeten und Ablehnung des ganzen ObscurantiSmus aus und pflichtete meiner Anschauung bei, indem er meinte, man dürfe, wenn man dem Uebel abhelfen wolle, keine Märtyrer schaffe n." * Bremen, 7. Februar. In einer VertheidigungSschrift deS Bremer KriegervereinS an den Bundesvorstand in Berlin heißt es: „Wir haben nach unseren Erfahrungen die Ueberzeugung ge wonnen, Laß nichts der Kriegerverelnssache mehr schadet wie die Ausübung einer Rekruten-Disciplin. Wenn sich die Kriegervercine als geschlossene Partei gegen die übrigen Mit- bürger obschließen, dann unterbinden sie die Lebensader für ihre gedeihliche Entwickelung und fruchtbringende Thätigkeit. Unsere bürgerlichen Verhältnisse nach den militärischen umzumodeln, uns in den Kriegervereinen gewissermaßen noch als in Reih und Glied stehend zu betrachten, halten wir für vollständig verkehrt. Es würde ein solcher Zustand alle selbstständig denkenden, unabhängigen und frei dastehenden Mitglieder der Kriegervereinssache abspenstig machen, da solche Naturen dafür danken werden, den zielbewußten Plänen ehrgeiziger Streber ihre idealen Anschauungen vom Kriegervereinswesen zu opfern und sich wie Rekruten commaudiren zu lassen. Die Kriegervereine sind, wir wir hervorzuheben für noth- wendig halten, aus dem Volke heraus entstanden und nicht von oben begründet; daher hat der Geist der Centralisation von oben, wie er jetzt forcirt werden soll, weder eine historische noch sonst be- gründete Berechtigung." Bekanntermaßen ist der Kriegerverein mit diesen seinen Anschauungen nicht durchgcdrungen und hat deshalb seinen ' Austritt aus dem Kriegerbund vollzogen. st. Halle a. S, 8. Februar. Die heute Nachmittag 5 Ubr beendeteSladtverordnetennachwahl im Glauchaer Be zirke, die besonders durch die Geschichte ihres Zustande kommens interessant ist, ergab einen Sieg der social- de in okra t i s ck e n Partei, deren Candidaten, der Corrector Krüger und der Redacteur und ReichStagS- abgeordnete Tbiele mit 1623 bez. 1620 Stimmen gewählt wurden. Die Candidaten der bürgerlickcn Parteien, Kaufleute Beyer und Fräntze l erhielten nur 1495 bez. 1494 Stimmen. Die Neuwahl hat also dasselbe Ergebniß gehabt, wie die erste, gegen die, wie s. Z. mitgetheilt, Protest erhoben worden war, weil die Wähler der Herren Krüger und Thiele bei der Wahlbandlung deren Namen in etwa 100 Fällen in umgekehrter Reihenfolge — Krüger candidirte zur Wahl auf 6 Jahre, Thiele zu solcher ans 4 Jahre — genannt hatten, und weil die bürgerlichen Wähler sich durch die im Vorraum des Wahllocals im Restaurant „Paradies" zechenden An hänger genannter socialdemokratischer Candidaten belästigt gefühlt hatten. Diesmal fand die Wahl in der Turnhalle einer im Bezirke gelegenen Schule statt. Beide Parteien führten einen äußerst lebhaften Wahlkampf und brachten es zu einer ganz beträchtlich, nämlich um etwa 25 Procent stärkeren Wahlbetheiligung gegen die Hauptwahl im November. Weimar, 8. Februar. An den Besuch der Erb- großherzogin-Wittwe von Sachsen-Weimar beim Papst batten ultramontane Blätter allerlei Combinationen geknüpft. Die amtliche „Weimarische Zeitung" meldet heute, „daß außer Len Besuchen bei den Mitgliedern deS italieni schen Königspaares und dem Empfang im Vatican die hohe Frau bald nach ihrer Ankunft in Rom auch dem protestantischen Diaconissenhause «inen Besuch abgestattet babe, um der Oberin die für daS HoSpital bestimmten Ge schenke zu übergeben." — Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß diese Notiz besonder- an die Abrisse der ultramontanen Blätter gerichtet ist, die glauben machen wollten, als habe die Ervgroßherzogin einzig und allein in Rom den Papst besucht. * wotha, 8. Februar. In Erwiderung deS Besuches, Len der Regent vor einiger Zeit dem Könige von Sacksen abgestattet hat, wird Prinz Johann Georg von Sachsen, der mit der Vertretung des Königs Albert beauftragt ist,
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