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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.10.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-10-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001003018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900100301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900100301
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-10
- Tag 1900-10-03
-
Monat
1900-10
-
Jahr
1900
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Volksztg." die Möglichkeit erörtert, daß eine Verbrüderung zwischen Nüssen und Polen zum Nachtheile Deutschlands stattfinden könnte. Es wird eine Reihe von Fällen zum Beweise dafür angeführt, daß die russische Regierung jetzt den Polen gegenüber eine auffallende Milde und Nachsicht walten lasse, die auch von den Polen dank bar anerkannt werde. Das rheinische Blatt schließt mit der Warnung: „Sollen wir nun die Polen dem bisher von ihnen aufs Bitterste gehaßten Kosakcnstaate mit Gewalt in die Arme treiben, indem wir das Gegentheil (nämlich zu der gerühmten russischen Milde) thun und die Polen noch härter bedrücken?" Die „Köln. Bolksztg." mag sich beruhigen: der Zeitpunkt wird nicht kommen, da der Pole den Russen als Bruder anerkennt Die Feindschaft zwischen Polcnthum und Russcnthum datirt nicht erst seit den Zeiten der Theilung Polens, sondern sie geht viele Jahrhunderte weit zurück. Beide Nationen betrachten einander von jeher als Erbfeinde. So ist es auch zu erklären, daß nach der Theilung Polens die russischen Polen viel häufiger gefährliche Aufstände im größten Stile hervorgerufen haben, als die preußischen, obgleich das russische Polen sich zunächst viel größerer Freiheiten erfreute, als die preußische Ostmark. In dem dec letzten polnischen Revolution von 1863 folgenden Menschenalter aber hat nun die russische Regierung die Polen unvergleichlich härter behandelt, als es preußischerseits geschehen ist. Rußland ist dabei mit jener Rücksichtslosigkeit verfahren, die nur in einem absolutistischen Staate möglich ist, wo Gesetze er lassen und Menschen auf administrativem Wege verschickt werden können, ohne daß eine parlamentarische Körperschaft etwas darein zu reden hat. An diesen Thatsachen wird nicht so schnell etwas dadurch geändert, daß ein Beitrag zum Wiederaufbau des Glockcnthurms im Kloster Czenstochau gestiftet wird. Der Haß der Polen gegen die Russen ist durch die Vorgänge im letzten Menschenalter ein viel leidenschaftlicherer, als er es zur Zeit der Ausstände von 1830 und Ist,3 war. Erst vor einem Jahre hat sich dieser Haß unverhülli gezeigt, als nämlich bei der Palacky- Feier ein russischer chauvinistischer General die Verbrüderung aller slavischen Stämme feierte. Da haben es die österreichischen Polenblättec geradezu als eine Unverschämtheit bezeichnet, den Polen von einer Versöhnung mit ihrem russischen „Henker" zu sprechen. Es ist auch völkerpsychologisch ganz natürlich, daß man eine stammverwandte Nation, von der man unterdrückt wird, viel leidenschaftlicher haßt, als eine fremde Nasse. Es sind aber nicht nur die Gemüthsempfindungen, welche die Polen von einer Annäherung an Rußland auf Kosten Deutsch lands zurückhalten müssen, sondern auch Erwägungen praktisch politischer Art. Was könnten sich denn die Polen von einem siegreichen Kriege Rußlands gegen Deutschland erhoffen? Sie wissen ganz genau, daß Rußland in diesem Falle wahrlich nicht aus dem russischen und dem preußische Polen ein selbstständiges Königreich Polen wieder Herstellen würde, sondern daß es sich einfach die preußischen Grenzprovinzen als Provinz angliedern würde. Je größer aber das polnische Gebiet Rußlands wäre, desto schärfere Fesseln müßte Rußland den Polen auferlegen, um sich nach Möglichkeit gegen Lostrennungsgelüste zu schützen. Aus dem eben Gesagten soll nicht etwa gefolgert werden, daß die russischen Polen sich im Falle eines deutsch-russischen Krieges auf die Seite Deutschlands stellen würden. Schon vor Jahr und Tag haben deutsche gute Kenner der Verhältnisse davor gewarnt, etwa darauf zu hoffen, daß sich Russisch-Polen beim Einrücken deutscher Regimenter gegen Rußland erheben würde; se haben es vielmehr als ganz sicher bezeichnet, daß die Polen 'n Rußland nicht einen Finger rühren und sich völlig neutral verhalten würden. Dies ist auch vom polnischen Standpunkte aus allein das Vernünftige. Die Polen können im Interesse ihrer Aspiration nichts inniger wünschen, als daß es Deutschland und Rußland ergehe, wie den beiden Löwen, die sich im Walde trafen und einander bis auf die Schwänze auffraßen. Denn nur bei einer völligen snixrnSk! L illnno beider Staaten könnte eine allgemeine polnische Erhebung Aussicht auf Erfolg haben. Deshalb wäre ein Krieg zwischen den beiden Großmächten den Polen höchst erwünscht und deshalb betzen auch jene pol nischen Artikelschreiber, die, wie schon Bismarck hervorgehoben hat, in der russischen Presse einen großen Einfluß haben, auf jede nur denkbare Weise gegen Deutschland. Gerade darum aber werden Deutschland und Rußland cs sich doppelt überlegen, sich auf einen Kampf gegen einander einzulassen; gerade darum hat aber auch die preußische Regierung keine Veranlassung, bei der Germanisirung Polens Besorgnisse vor einem Anschlüsse der Polen an Rußland zu hegen. Die Wirren in Ehinn. -e- Es wird jetzt ofsiciell bestätigt, daß ein telegraphisch übermittelter Brief des Kaisers von China an den deutschen Kaiser gelangt ist. Derselbe hat nach der „Nordd. Allg. Ztg." folgenden Wortlaut: „Seine Majestät der Kaiser von China entbietet Eurer Majestät dem Kaiser seine» C'nns;. Tast Eurer Majestät Gesandter Freiherr v. Kettcier als Opfer der Plötzlich iii China ansgrbrochcncn Empörung gefallen ist, ohne das; es Unsere Beamten verhindern konnten, und daß dadurch die srenndschastlichen Beziehungen ge trübt sind, haben Wir bereits ans das Tiefste beklagt und bedauert. Durch eine Bcr- ordnnua vom hentigcn Tage verordne» Wir, das; für de» Bcrstorbenen an einem Altäre geopfert wird, und haben den Großsekrctär Kim-kong angewiesen, an einem Altäre Trankopfrr öarznbrinqc». Tic Handcls- sttperintendenken der nördliche» nnd südlichen Häfen haben zugleich Befehl erhalten, bei der Uc Verführung des Sarges in die Hcimath alle nöthigc» Borkehrungen z» treffen. Bet der Ankunft des Sarges in Deutsch land verordne» Wir Sie Darbringung eines zweiten Opfers an einem Altäre und habe» mit Boll ziehung desselben Sc» BiccpräsiSentrn ScS Finanz ministeriums Lnw - hat - hnan beauftragt. ES soll da durch Unser Schmerz nnd Unser Gedenken an de» Bcr- storbcncn zum Ausdrucke gebracht werden. Tcntschiand hat mit China stets die strnnSschastlichstrn Beziehungen unterhalten. Wir hoffen daher fest, daß Euer Majestät vor allen Dingen die großen gemeinsamen Interessen Chinas und des Auslandes schützen nnd deshalb allem Groll entsagen werden, damit sobald als möglich der Friede vereinbart werden kann, und eine all seitige Eintracht für ewige Zeit ermöglicht wird. Tas ist Unsere sehnlichste Hoffnung und Unser lebhaftester Wunsch." Der Inhalt deckt sich im Allgemeinen mit dem von uns schon milgelbeilten Auszüge. Nach der ganzen Haltung, welche unser Auswärtiges Amt bisher eingenommen hat und ein nehmen mußte, ist nickt daran zu denken, daß an maßgebender veutscher Stelle nunmehr „allem Groll entsagt" wird. Wollte man auch nachlassen, daß die chinesische Executive den Mord und die übrigen Greuelthaten sühnt — ob wohl solche Nachgiebigkeit ein verbängnißvollcr Fehler wäre, und wir sie aufs Acnßerste widerratben müssen — so könnte man sich doch mit einer solchen so gut wie nichts bedeutenden „Genugthuung" schon deshalb um keinen Preis begnügen, weil chinesische Ge richte einen von Chinesen an Volksgenossen verüble» Mord stets mit dem Tode deS Verbrechers ahnten. Es wäre geradezu einen den ganzen Hochmuth der chinesischen Macht haber und die absolute Verachtung der Fremden bekundende Verhöhnung Deutschlands und des deutschen Kaisers, wenn der Mörder deS Frciherrn von Ketteler, deS officicllen Repräsentanten deö deutschen Reichs in Peking, frei auö- ginge, weil er keinen Chinesen, sondern nur einen „fremden Barbaren" über den Haufen geschossen hat. Welchen Eindruck würde eine solche „Erledigung" auf das gesammle Cbincseuthum machen müssen! Dasselbe könnte ja nicht anders, als in dem Telegramm deö chinesischen Kaisers eine Prämie für Frcmdenhaß und Fcemdcnniedermctzelung erblicken, und die Folge wäre, daß über kurz oder lang ähnliche, aber noch furchtbarere Blutthalen die Welt mit Grauen erfüllen würden. Während wir dies schreiben, geht unS kurz vor Schluß der Redaktion der Wortlaut der Antwort des deutschen Kaisers zu. Die „Nordd. Allg. Ztg." berichtet weiter: Kaiser Wilhelm antwortete mit nachstehendem Telegramm vom 30. September: „An Sen Kaiser von China. Ich, der deutsche Kaiser, habe das Telegramm Eurer Majestät des Kaisers von China erhalten. Ich habe daraus mit Genngthnung ersehen, daß Euer Majestät bestrebt find, die schändliche, jeder Cnltnr hohn sprechende Ermordung Meines Gesandten nach dem Ge brauche und der Vorschrift Ihrer Religion zu sühne». Doch kann Ich als Scutschcr Kaiser und Christ diese lln- that durch ein Traukopfer nicht als ge sühnt erachten. Neben Meinem ermordeten Gesandten ist eine große Zahl von Brüder» christ liche» Glaubens, Bischöfe» Missionare, Frauen und Kinder, vor den Thron Gottes getreten, die nm ihres Glaubens Willen, der anch -er Meinige ist, nntrr Martern ge waltsam gestorben sind nnd als Ankläger Enrcr Majestät erscheinen. Reichen die von Enrcr Majestät befohlenen Trankopicr für alle diese Nnschnldigcn ans? Ach mache nicht Eure Majestät persönlich ver antwortlich für die Unbill, welche gegen die bei allen Völkern für nnantastbar geachteten Gcsandtschastcn verübt worden ist, noch für die schwere Kränkung, welche so vielen Nationen und Confessionen nnd den Untcrthancn Enrcr Majestät, die Meinem christlichen Glanbcn angrhören, ziigrfügt worden ist. Aber die Rathgcber des Thrones Eurer Majestät, die Beamten, auf dere« Häupter« die Blutschuld des Verbrechens rnht, das alle christlichen Nationen mit Entsetzen cr- süllt, muffen ihre Schaudthat büßen, nnd wenn Euer Majestät sic der verdienten Strafe znführen, so will Ach dies als Sühne betrachten, die den christliche» Nationen genügt. Wollen Euer Majestät Ähren Kaiserlichen Arm dazu leihen nnd hierbei die Unterstützung der Vertreter aller beleidigte» Nationen genehmigen, so erkläre ich Mich Meinerseits damit einverstanden. Anch würde Ach die Rückkehr Enrcr Majestät »ach der Hauptstadt Peking zu diesem Zwecke gern begrüße». Mein Gcneralfcldmarschall Graf Waldersee wird deck Befehl erhalten, nicht nur Euer Majestät nach Rang nnd Würde ehrenvoll z» empfange», sondern auch Eurer Majestät jede« militärische« Schuß zu gewähre«, öeu Sic wünsche» und dessen Sie vielleicht anch gegen die Rebellen bedürfe». Auch Ich sehne Mich nach Frieden, aber nach einem Friede», der die Schuld sühnt, das begangene Unrecht in vollem Um fange nnd nach jeder Richtung hin wieder gnt macht und allen Fremden in China volle Sicherheit bietet an Leib und Leben, an Hab nnd Gut, besonders aber zu kreier Ausübung ihrer Religion. Wilhelm l. DaS ist eine feste, entschiedene und würdige Sprache, die dem tiefen Ernst der Lage vollkommen gerecht wird. Wir freuen uns, feststcllen zu können, daß der Kaiser so geant wortet hat, wie wir eS voraussetzten. Trankopfer ge nügen nicht — die Schuldigen müssen bestraft werden, und zwar soll der Kaiser von China, so viel in seinen Kräften steht, mit helfen zu voller Sühne. Der betreffende Satz ist, wenn nicht Verstümmelung durch den Telegraphen vorliegt, absichtlich etwas zweideutig gelassen, aber eS soll dem Herrscher Chinas Wohl zu verstehen gegeben werden, daß er selbst und allein nicht die Kraft und den Muth besitzt, energisch durchzugreifen nnd mit eigener Hand daS TodeSurtheil zu unterschreiben und seine Vollziehung anzuordnen, nickt weij man sich deshalb deutscherseits begnügen will, wenn er die Schuldigen der verdienten Strafe zuführt, d. h. doch wohl, sic auSlicfert. Will er sie selbst vor den Richter bringen und strafen, auch gut, dann aber müssen ihre Köpfe vor den Augen der fremden Gesandten in den Sand rollen! Die Bestrafung der Pekinger Mordgesellen, der „großen" wie der „kleinen" muß also erfolgen, sie muß möglichst durch die verbündeten Mächte geschehen und sie muß allem Uebrigen vor auf geh en. Deshalb können wir uns auch nicht mit dem iienen französischen Vorschlag einverstanden erklären, über welchen der „Voss. Ztg." das Folgende berichtet wirb: * London, 2. October. (Telegramm.) Der Wiener Be richterstatter der „Morning Post" erfährt, die österreichische Re- gierung empfing eine französische Circularnote, die, wie Telcasjs ausfübre, den doppelten Zweck verfolge, die Lösung deS chinesischen Problems zu beschleunigen und die Uebcrreichung entschlossener Vorschläge der Verbündeten an die chinesischen Bevoll. mächtigten Tsching und Li zu gestatten. Tie Vor schläge der französischen Note seien entworfen worden im Einklang mit den Ideen, die Delcasss vo» Zeit zu Zeit auSgedrückt, wie auch mit Len Anschauungen, die die Minister anderer Staaten in Note» oder Unterhaltungen mit de» bei ihren Herrschern beglaubigten Botschaftern bekundet haben. Pichou's Meinung über die Lage wäre ebenfalls er wogen worden. Die Note betone in Uebereinstimmuiig mit Bülow's Rundschreiben die absolute Nothweudigkeit der Gen u gthuung für die Ermordung Ketleler's und den Angriff aus die Legationen zu erlangen. Europa müsse zeigen, daß es die für diese Ausschreitung gegen das Völkerrecht verantwortlichen Chinesen erreichen könne, aber während Genugthuung verlangt, nüthigenfallS durch Waffengewalt erzwungen werde, sollten die enropäischeir Gesandten in Peking im Stande sein, wenn die Mächte dec Note grundsätzlich beipflichten, unverzüglich! Unterhandlungen mit Tsching und Li über die! übrigen Fragen anzuknüpfen. Diese betreffen die ' von Staaten, Missionen, industriellen Gesellschaften und Individuen beanspruchten Schadloshaltungen für die während der jüngsten Er eignisse verursachten Schäden; ferner die Frage der Bürgichasten, daß ähnliche verbrecherische Handlungen nicht wieder Vorkommen. Die französische Regierung denke, daß die beste Weise, die Integrität des chinesischen Reiches zu wahren, darin bestehe, China zu ver- hindern, auf seine Militärmacht zu poche». Die Note schlage daher die beständige Dauer des Verbots gegen die Einfuhr von Waffen und Munition nach China vor, sowie die Schleifung der Befestigungen zwischen Peking und dem Meere und die Bewachung der Legationen durch ständige militärische Schutztruppen. Der Pariser Berichterstatter der „Morning Post" meldet, Rußland sei vollkommen in Uebereinslimmung mit dem Inhalt der fran zösischen Note und die deutsche Regierung habe die Note in Unterredungen mit dem französischen Botschafter in Berlin rück haltlos grundsätzlich angenommen. Japan nehme dieselbe Stellung ein wie Deutschland. Die Note sei zu dem Zweck entworfen worden, Len prompten Beitritt Großbritanniens zu sichern. Also Deutschland soll, obwohl an« meisten engazirt, ani frechsten beleidigt und verhöhnt, mit seinen Ansprüchen in den Hintergrund treten, weil England eifersüchtig auf diesen energischen Blutgläubigen Chinas ist und nicht dulden will, daß cs bei der Abrechnung die erste Nolle spielt, die selbst zu übernehmen lbm wegen seines afrikanischen Pyrrhussieges unmöglich ist. Wir können nicht glauben, daß die deutsche Neichsregierung sich mit der französischen Circularnotc, wenn sie überhaupt ergangen ist, einverstanden erklärt hat. Sonst verzeichnen wir noch folgende weitere MclSungcu: * London, 2. Octobcr. (Telegramm.) „Neuter's Bureau" berichtet aus Taku unter dem 29. September: Die Expedition nach Pa otingfu ist bis zum 6. Lclobcr hinausgeschvben worden. Die daran theilnehmenden Truppen aus Peking werden von dem General Gaselee, die aus Tientsin von einem deutschen General befehligt werden.— Die Zahl der amerikanischen Truppen, die unverzüglich nach Manila zurückkehren, beläuft sich auf 4000. — Russen besetzten Tang schau, ohne Widerstand zu finden. — Chinesische Blätter berichten, Li-Hung-Tschang werde demnächst den viccköniglichen Siegel von Tschili übernehmen. In Len Kreisen der Fremden mißt man dieser Nachricht keinen Glauben bei. * Loudon, 2. Lctober. „Morning Post" berichtet aus Washington unter dem 1. October: Der Staatssekretär des Auswärtigen Hay ist hier ringetrossen und hat sich sofort nach dem Staatsdepartement begeben, von wo auS er an den amerikanischen Gesandten in Peking Langer telegraphirte. * Petersburg, 2.Lctober. (Telegramm.) „Nowoje Wremja" veröffentlicht ein Telegramm LeS GeneralgouverneurS des Amur- GebletS Grodrkow, in dem dieser den Truppen des Generals Rennenkampf und diesem selbst das höchste Lob spendet und ihnen seinen Dank ausspricht. Der Marsch deS Generals Rennen kampf von Aigun nach Mergen und die Einnahme dieser Stadt, heißt »S in der Depesche, seien ein Muster dafür, wie man kämpfen und den Feind unermüdlich verfolgen müsse. Jede Sotnie und Truppenabthrilung Rennenkamps'S erhält fünf, jede Batterie vier und jede Compagnie zwei Militärorden. — Der „Rossija" wird auS Odessa geschrieben, daß die Schutzwache der mandschurischen Eisenbahn auf 11000 Mann verstärkt worden ist. (Wiederholt.) * Berlin, 2. October. (Telegramm.) Der Kreuzer „Geier" ist am 29. September in Taku eingetroffen. Von denjenigen Seiten, die die deutsche Chinapolitik be kämpfen und überhaupt von einer überseeischen Ausdehnung i nichts wissen wollen, werden bekanntlich sehr heftige Angriffe gegen die Missionare gerichtet, die man in erster Linie, wenn nicht ausschließlich, für den Ausbruch des Fremdenhasses in China verantwortlich macht. Daß die Missionen im Zusammenhang mit anderen Erschei nungen, wie dem Vordrängen europäischer Cultur im All gemeinen, gegen chinesische Anschauungen und Vorurtheile ver stoßen haben, liegt, so schreibt die „Kölnische Ztg.", auf der Hand, und es kann auch nicht bestritten werden, daß von feiten mancher Missionen Fehler be gangen wurden, die zur Aufreizung weiter Bcoölkerungsschich:n beigetragen haben. Soweit wir bis jetzt sehen konnten, haben sich solche Vorwürfe weniger gegen die deutschen Missionen ge richtet, als gegen die anderer Nationen, und auch außerhalb Chinas fehlt es nicht an schlagenden Beispielen, um zu be weisen, daß die Leiter von Missionsanstalten ihre eigentliche Aufgabe weit weniger in echt christlicher Bekehrung von Heiden, als in der Erreichung politischer Zwecke und in der Be friedigung ihrer Herrschsucht suchten. Wir verweisen nur auf Samoa, wo die jüngsten Wirren ganz wesentlich auf die Thätigkeit englischer Missionare zurückzuführen waren. Unter diesen Umständen ist es von besonderem Interesse, die Verhand-' lungen des allgemeinen evangelisch-protestantischen Missions vereins zu verfolgen, dessen Jahresversammlung am 27. Sep tember in Hamburg abgehalten wurde. Auf dieser Versamm lung hat der Rector der Berliner Universität, Professor Harnack, einen Vortrag gehalten, der sich durch große Sachlichkeit und Heranziehung neuer Gesichtspunkte auszeichnet. Er vertheidigt die Missionare gegen den Vorwurf, als ob sie allein den Fremden haß hervorgerufen hätten. Denn wenn auch wohl Manches von ihnen versehen worden sei, so habe sich doch das Eindringen einer neuen Religion in ein Land noch niemals ohne schwere Krisen vollzogen, die um so heftiger seien, je höher das Volk ent wickelt ist. Sodann tritt Harnack mit großem Nachdruck dafür ein, daß zu Gunsten der christlichen Mission niemals Gewalt cinzusetzen oder Gewalt für sie anzurufen sei. Indem er offen bar von dem Grundsätze ausgeht, daß die Mission lediglich ein Werk christlicher Propaganda und christlicher Liebe sein soll, legt er dann in folgender Weise die Grundsätze dar, nach denen die Thätigkeit der Missionen geregelt werden sollte: „Schutz soll von den Missionen nicht gefordert und ihnen nicht gewährt werden um der christlichen Religion willen. Es ist anzustreben, daß sämmtliche Missionen in gewissen Ländern und unter ge wissen Bedingungen ihr Heimathsrecht zeitweilig verlieren bezw. aufgeben. In Gegenden, wo der Missionar in Zeiten der Ver folgung nicht unter allen Umständen bei seiner Heerde bleiben kann, soll er nicht hingehen. Wo es zeitweilig durch den Gang der politischen Verhältnisse der Mission unmöglich gemacht ist, dem Frieden zu dienen, da hat sie zurückzutreten, selbst auf Kosten des Errungenen. Damit die Mission möglichst unabhängig bleibt von politischen Verwickelungen, sollen nicht die Landes kirchen als solche Mission treiben, sondern, wie bisher, freie private Vereine." Die Versammlung „erklärte sich mit Harnack in allen wesentlichen Puncten einverstanden". Zugleich aber be grüßt sie „alle staatlichen Bestrebungen mit Freude, die die Hüter der christlichen Gesittung und der Gewissens- und Religions freiheit schützen und ihre Verbreitung fördern". In dieser Stellungnahme trägt die Generalversammlung, was den letzten Punct anlangt, den tatsächlichen Verhältnissen Rechnung, wie es auch für den Staat außer aller Frage steht, daß er seine Angehörigen, seien sie Missionare oder etwas Anderes, beschützen muß, wenn man sich im Auslande in un gerechter Weise gegen sie vergeht. Was die chinesischen Wirren und die Angriffe auf die Missionen anbelangt, so haben wir es mit vollendeten Thatsachen zu thun, denen wir Rechnung tragen müssen. Für das Missionswesen der Zukunft aber können die von der Generalversammlung gebilligten Thesen des Professor Harnack von großer Wichtigkeit werden, denn sie enthalten Grundsätze, bei deren Befolgung in vielen Fällen beklagenswerthe Conflicte vermieden werden könnten. Man darf gespannt sein, wie andere, katholische und ausländische Missionsvcreine, sich zu den Beschlüssen der protestantischen Hamburger Versammlung stellen werden. „China unü das Völkerrecht" ist der Gegenstand eines Aufsatzes von Prof. Jellinek in Heidelberg in der neuesten Nummer der „Deutschen Juristen- Zeitung". Wir heben daraus folgende Sätze hervor: Es ist dem weit verbreiteten populären Urtheil zu begegnen, daß das Völkerrecht nothwendig wie für jeden Staat, so auch für China gelte. Das in der europäischen christlichen Staatenwelt entstandene Völkerrecht gilt vielmehr nur für die Staaten, die es anerkannt und nur, insoweit sie es anerkannt haben. So ist die Türkei erst 1856 in das Concert der Mächte und damit in die volle Gemeinschaft des Völkerrechts ausgenommen worden. Daß China jedoch das abendländische Völkerrecht in Bausch und Bogen angenommen habe, wäre eine ganz unerweisliche Behauptung. Ungleich den Japanern, die bewußt mit ihrer ganzen Vergangen heit gebrochen haben, hat China nur höchst widerwillig, äußerem Drucke nachgebend, seine uralte Abschließung gegen fremde Nationen durchbrochen und einen beschränkten Verkehr mit den civilisirten Staaten begonnen. Niemals aber hat es seine hoch- müthigen politischen Prätensionen und Fictionen aufgegeben. Völkerrecht setzt in erster Linie Anerkennung der Staatengemein schaft und der selbstberechtigten Persönlichkeit von deren einzelnen Mitgliedern voraus. An dieser negirender Haltung Chinas gegenüber dem Völkerrecht hat auch der moderne Gesandtschafts verkehr nichts geändert. Wenn es auch die fremden Gesandten heute ablehnen, sich den entwürdigenden Ceremonien zu unter werfen, die bis vor Kurzem der Hof von Peking von ihnen forderte, so hat dieser doch keineswegs die Coordination der aus wärtigen Mächte mit China öffentlich seinem Volke gegenüber anerkannt. Die Stellung der fremden Gesandten in China be ruht nicht auf dem Völkerrecht schlechthin, sondern auf Privi legien, die in Verträgen enthalten sind. Ein Angriff auf einen Gesandten bedeutet daher für China blos einen Vertragsbruch, nicht Verletzung einer grundsätzlich anerkannten Norm des Völker rechts. Die Vorstellung von der Heiligkeit der Verträge, von der Bindung des Staates an sein einmal gegebenes Wort ist in China nicht vorhanden. Lüge, Verstellung und Heuchelei ge hören in dem Maße zum Inventar chinesischer Regierungskunst, daß ihr die Verwerfung derartiger politischer Mittel nicht als sittlicher Vorzug, sondern als tadelnswerthe Schwäche oder sträf liche Thorheit erscheint. Aller Fortschritt im Völkerrecht kann als Fortschritt in dem Bewußtsein der Nothwendigkeit der Ver tragstreue bezeichnet werden. Seit den ältesten Zeiten hat es Staatsvcrträge gegeben, die einen durch augenblickliche Umstände gebotenen uwdus vivendi zwischen zwei Staaten darstellten«
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