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JautzenerD Mch richten Verordnungsblatt der Krcishanptmannschaft Bantze» als Kvnsistorialbchvrde der Oberlansttz I2S Jahrgang Donnerstag, de« I.Dezrmber 19lv, abends. Nr. 278 Politisch ist der Amtshauptmannschaften Bautzen und Löbau, deS Landgerichts Bautzen und der Amtsgerichte Bautzen, Schirgiswalde, Herrnhut und Bernstadt, des Hauptzollamts Bautzen, inglcichcn der StadtrUr zu Bautzen und Bc-ustadt, sowie der Stadtgcmeinderäte zu Schirgiswalde und Weißenberg. nunmehr das langumstrittene Gesetz über die Schiffahrts abgaben im Reichstag zur 1. Beratung gelangt und mehr und mehr rückt der Tag heran, der uns die traurige Ge wißheit bringt, daß, soweit das Reich in Frage kommt, der Einführung der Schiffahrtsabgaben kein Hindernis mehr im Wege steht. „Soweit das Reich in Frage kommt", denn auch das Ausland bildet hier einen mitbestimmen- den Faktor. O e st e r r e i ch - U n g a r n ist allerdings nicht fest geblieben und hat den ersten ministeriellen Erklärun gen, welche von der Abgabenfreiheit auf den deutschen Strömen sehr Schönes zu sagen wußten, einen Rückzug fol gen lassen, der wohl in Berlin sehr angenehm berührt haben mag, der aber im nichtpreußischen Deutschland umso peinlichere Empsinoungen auslösen mußte. Run bleibt uns nur noch Holland und nach den neuesten Meldungen scheint allerdings Hoffnung, daß man dort den Widerstand nur schwer zu brechen imstande sein wird. Denn Holland ist nicht nur auf den Rhein angewiesen und kann sehr wohl vom französischen Kanalnetz Gebrauch machen. Damit wäre auf dem Rheine wenigstens die Abschaffung der Abgaben freiheit illusorisch. Daß Sachsen in der Aufhebung der Schiffahrtsabgaben- Freihcit eine schwere wirtschaftliche Schädi gung erblickt, geht schon daraus hervor, daß sich, als im sächsischen Parlament diese Frage auf der Tagesordnung stand, keine Partei ausschloß, als es galt, gegen dieses Projekt Stellung zu nehmen. Damals war auch die Regie rung noch fest, mußte aber später zu retten suchen, was noch zu retten war. Doch darüber ist jetzt nicht mehr die Zeit zu streiten und zu rechten. Viel wichtiger ist es, auf die schweren Verluste Hinzumeisen, die dem Sachsenlande bei Inkrafttreten des Gesetzes drohen. VieleJndustrie- zweige sind auf die billige Wasserfracht direkt angewiesen. Sobald hierin eine Verteuerung eintritt, hört für sie unter Umständen die Möglichkeit auf, auf dem Weltmarkt weiter erfolgreich konkurrieren zu können. Ebenso wie die In dustrie sind die Umschlagsplätze an der Elbe be droht. Sic haben infolge der Entwickelung der Schiff fahrt einen erfreulichen Aufschwung genommen und wirt schaftlicher Ruin droht ihnen in der Ferne, wenn ihnen die Ursache dieses Wohlstandes genommen resp. eingeschränkt wird. Der Reichstag hat nun das Wort! Möchten die sächsischen Abgeordneten hier unter Hintansetzung aller Iren aus agrarischen Gründen vielleicht mit den Unionisten einen Pakt schließen könnten, ist jedoch völlig beseitigt. Für das deutsche Volk gilt natürlich als oberstes Gesetz die Nichteinmischung in die inneren Ange legenheiten Englands. Wir sind weder verpflichtet, noch be rechtigt, den Engländern irgend welche unverlangten Rat schläge zu geben. Wohl aber dürfen wir uns darüber klar werden, welcher Seite Sieg uns erwünschter wäre. Da be steht nun gar kein Zweifel, daß es f ü r u n s a m b e st e n ist, wenn die gegenwärtige Regierung am Ruder bleibt. Einmal ist sie weniger kriegslustig. Nicht bloß, daß überhaupt die Kriegsgefahr geringer er scheint, auch die so gefährliche Hetze wird mit Erfolg zurück gedämmt. Mehr noch als die militärischen Gründe sprechen die wirtschaftlichen Rücksichten. Unser Handel mit England ist zur Zeit in erfreulichem Aufblühen begriffen. Während aber die Liberalen Anhänger des Freihandels- spstems sind, gehen die Unionisten noch immer mit dem Gedankengang eines Schutzzolles mit den englischen Kolo nien um. Darüber würde auch zweifellos unser Handel, vor allem unser großer Export nach den englischen Kolonien leiden. Ein Handelskrieg oder eine nur erschwerte Han delsmöglichkeit ist aber gleichfalls geeignet, politische Miß stimmung zu erzeugen. Heutigen Tages würde ein Krieg zwischen England und Deutschland für Sieger und Besieg ten eine schwere wirtschaftliche Krists bedeuten. Man braucht deshalb noch durchaus nicht in Bertha von Sutt- nersche Gedanken zu verfallen, aber gerade diesen Krieg müßte inan kür ein nationales Unglück für beide Völker halten. Diese Erkenntnis besitzen die englischen Liberalen in klarster Weise. Mit ihnen werden wir leichter alle die Klippen vermeiden können, die Politik und Wirtschafts leben dem Staatsschiff bieten, als mit den Unionisten. Darum geht unser Interesse dahin, daß die Liberalen am Ruder bleiben, und zwar in genügender Stärke, um die Ziele der von ihnen geförderten Politik stark und unab hängig zu vertreten. Bezugspreis pro Monat: Bei Abholung in brr GckcküsiMelle —.80 .H bei freier Zustellung ins Hau» 1.— » Grscheinungswcisc: Täglich abends mit AuSaahme der Sona» und Feierlage. Lchriftleitung und Geschäftsstelle: Bautze«. Innere Lauenslraße 4. Fernsprecher: Nr. 51. — Diadlnachricht: Amtsblatt, Bautzen. Organ »<er Handels- und (tte werbekamm er zu Zittau Deutsches Reich. Sachsen und die Schisfahrtsabgaben. Am Montag Parteiunterschiede Mann für Mann zu Gunsten der Ab gabenfreiheit auf den deutschen Strömen eintreten. Werden sie trotzdem überstimmt, so haben sie wenigstens ihre Schul digkeit getan, vielleicht können sie noch etwas bessern. Der Spionageprozeß gegen die englischen Offizier«. Der Spionageprozeß gegen die im August auf der Insel Borkum verhafteten englischen Offiziere French und Brandow wird am 15. Dezember vor dem vereinigten 2. und 3. Strafsenate des Reichsgerichts verhandelt werden. Für den Prozeß sind mehrere Tage in Aussicht genommen. Zu den Reichstagowahlen in Chemnitz. Die Natio nalliberalen und die Fortschrittlichen haben für die nächsten Reichstagswahlen ein Abkommen dahin ge troffen, daß die Fortschrittler auf die Aufstellung eines eigenen Kandidaten in Ehemnitz verzichten und im ersten Wahlgange bereits die Nationalliberalen unterstützen wer den. Seitens der Nationalliberalen wird ein Kandidat vom linken Flügel aufgestellt. Fleischteuerung und Handelskammern. Die sächsischen Handelskammern haben auf Anregung der Handelskammer Plauen eine Eingabe an das Ministerium gerichtet, in der dieses ersucht wurde, zur Beseitigung der gegenwärtig herrschenden Fleischteuerung die Annahme der Abhilfe vorschläge des Deutschen Handelstages an zuständiger Stelle zu befürworten. Diese Vorschläge umfassen folgende Punkte. Zulassung möglichst ungehinderter Einfuhr leben den Viehs, Zulassung der Einfuhr ausgeschlachteten Fleisches ans dem Auslände, Zulgsiuna non Büchsenfleisch und sonstigen Fleischdauerwaren aus dem Auslande, Er mäßigung der Zölle und Eisenbahntarife für Futtermittel in Zeiten der Futternot und Herabsetzung der übermäßig gesteigerten Zölle auf Vieh und Fleisch. Volksschullehrer als Schöffen. Der Zweigverein Rade beul des Sächsischen Lehrervereins hat den übrigen sächsi schen Zweigvereinen einen Dringlichkeitsantrag gestellt, der dahin geht, den Vorstand des Sächsischen Lehrer vereins zu bitten, beim Deutschen Lehrerverein energische Schritte anzuregen, daß dem Volksschullehrer das Schöffenamt zugebilligt werde. Der Bezirkslehrcr- verein Dresden-Land hat sich in seiner letzten Mitglieder versammlung mit diese«- Feage beschäftigt und dem An träge. sowie dem Zusage, auch die anderen Vezirksvereine zu einer Kundgebung dazu aufzufordern, zugcstimmt, um zu beweisen, wie wichtig der gesamten Lehrerschaft diese Frage ist. Bekanntlich werden seitens des Deutschen Lehrer vereins bereits Maßnahmen hierfür vorbereitet. Die Roßweiner Stadtverordnetenwahlen. Bei den Stadtverordnetenwahlen in Roßwein am 29. November wurden fünf bürgerliche und ein sozialdemokratischer Kan didat gewählt. Die Sozialdemokraten haben somit in Zu kunft drei Sitze im Kollegium inne. Die Kommunalwahlen von Oclsnitz. In den beiden städtischen Kollegien von Oclsnitz sitzen zur Zeit sieben Sozialdemokraten, ein Stadtrat und sechs Stadtverordnete. Ungeachtet der Abänderung der Wahlordnung (Einführung der Berufsklassenwahl in vier Abteilungen) ist auch bei der diesjährigen, am 28. und 30. November vorgenommenen Stadtverordnetenwahl wieder ein Sozialdemokrat in der 1. Abteilung gewählt worden. Das Stadtver ordnetenkollegium zählt vom 1. Januar 1911 ab 21 Mit glieder, seither 18, und zwar 13 Ansässige und 8 Un ansässige. Dem Giroverband sächsischer Gemeinden, dem zur Zeit 164 Gemeinden und die Sächsische Bank in Dresden mit ihren Filialen als Mitglieder angehören und der die Ein führung des reinen Giroverkehrs bei den einzelnen Ge meinden erstrebt, ist nunmehr auch die Stadtgemeinde Dresden grundsätzlich b e i g e t r e t e n. In der Rats sitzung wurde ein diesbezüglicher Beschluß gefaßt und ge nehmigt, wegen der näheren Bedingungen des Beitritts mit dem Verbände in Verhandlungen einzutreten. Ucbcr die Berechtigung des gegenwärtigen politischen Pessi mismus sprach auf einem akademischen Vortragsabend des Ver eins deutscher Studenten zu Leipzig Kans Edler zu Put- litz, Mitglied des Reichstages und des preußischen Abgeord netenhauses. Er erklärte, daß er von dem subjektiven Stand punkte eines konservativen, agrarischen, „ostelbischen Junkers" reden wolle, und führte aus: In weiten Kreisen herrsche heute Mißstimmung gegen unsere Politik. Mr müßten unterscheiden, ob sie sich gegen unsere allgemeine politische Lage oder gegen die parteipolitische Lage richtet. Die erstere sei zweifellos nicht be rechtigt. Natürlich gebe es noch manchen Mißstand bei uns, an besten Beseitigung auch dem Konservatismus gelegen ist. Er wolle Fortschritt auf historischer Grundlage. Daß trotzdem der Mißmut gegen unsere Lage so groß werden könne, liege vor allem an der Sozialdemokratie, die ihn Jahre hindurch zielbewusst ge schürt habe. Auch die Stellung der Freisinnigen sei umso be dauerlicher, als sich in ihren Reihen gut nationale Kreise finden, die von den andern nur meist überstimmt würden. Die Na- AnzeigenpreiS: Die ^gespaltene Pctitzeilc oder deren Raum 15 Pfennige, in geeigneten Füllen Ermäßigung. Schwieriger Satz entsprechend teurer. Reklamen: Die Zgcspaltene Petitzeile 50 Pfennige. Tas Wichtigste vom Tage. * Der König von Sachsen hat den Iustizminister Dr. von Otto mit dem Vorsitz im Staatsministerium beauf tragt. * Der Kaiser hat dem Gouverneur von Togo, Grafen v. Z e ch auf Neuhosen, den nachgesuchten Abschied bewilligt. * Die hessische 2. Kammer verlangt vom Bundesrat eine als baldige reichsgesetzliche Regelung der Arbeitslosen- Versicherung. Die Mitglieder der Arbeitskommistion der französischen Deputiertenkammer haben den Wunsch ausgesprochen, daß Verhandlungen mit den auswärtigen Regierungen einge leitet werden sollten zum Zweck einer internationalen Verstän digung über die Einführung des Achtstundentages. * In der italienischen Deputiertenkammer trat der Abg. kalli energisch für die Erneuerung des Dreibundes ein, der die unumgänglich notwendige Bürgschaft des europäischen Frie dens bilde. Der nächste internationale Pressekongreß soll Anfang Mai 1911 in Rom stattfinden. Die serbische Skupschtina hat den österreichisch-ser bischen Handelsvertrag mit 94 gegen 22 Stimmen an genommen. Minister Milowanowitsch hatte den österreichisch ungarischen Exportweg als den besten für Serbien bezeichnet. * Reichsduma und Reichsrat in Rußland sind in einen scharfen Konflikt geraten, sodaß deren gemeinsame Weiter arbeit unmöglich ist. Die kretische Nationalversammlung hat eine neue Regie rung gewählt, der Schoulas, Eonduros und Milonojannis an gehören. Die neuen Minister leisteten den Eid auf den Namen des Königs der Hellenen. * In der portugiesischen Kolonie Macao ist eine Meu terei der portugiesischen Land- und Sestrupprn ausgebrochen. Der Gouverneur sah sich gezwungen einige Forderungen der Meuterer zu bewilligen, so u. a. die sofortige Ausweisung der Nonnen. Im R u h r g e b i e t e hat der Bergarbeiterverband mit Aus nahme der christlichen Gewerkschaften beschlossen, in eine Lohn bewegung einzutrcten. * In Pforzheim werden sämtliche Bijouterie fabriken bis 1. Januar 1911 stillgelegt. * Wetteraussicht für Freitag: Veränderliche Be wölkung, etwas kälter, zeit- und stellenweise Schnee. - Anssiwrllches siehe an anderer Stelle. England vor der Entscheidung. Der große Schritt ist gemacht. Das englische Volk steht wieder vor den Wahlen. Noch vor Weihnachten wird die Entscheidung gefallen sein. Drei Wochen lang wird der Wahlkrieg dauern. Im letzten Moment haben die Lords «s noch verstanden, die Stellung der Unionisten zu befesti gen, indem sie sich selbst anerboten, auf einen großen Teil ihrer Rechte zu verzichten und vor allem, indem sie den Wählern den Köder eines Referendums an das Polk entgegenhielten. Es ist sicher durchaus demokratisch gedacht, wenn — nach Schweizer Vorbild — bei einer Einigungs unmöglichkeit zwischen Unterhaus und Oberhaus dem Volke selber die Möglichkeit zur Bestimmung seines Geschickes ge geben wird. Aber ein solches Referendum wird naturgemäß nur immer dann sich abspielen, wenn die Liberalen an der Regierung sind; denn zwischen Unionisten und Oberhaus herrscht immer Einigkeit, und sie wird auch dann nock- weiter sein, wenn auch die Zusammenstellung des Ober hauses nach den von ihm gemachten Zugeständnisten geän dert werden sollte. Lord Lansdowne hat sich eben als er fahrener Praktiker bewiesen, und er stellt Balfour anschei nend immer mehr in den Schatten. Aber trotzdem so die Aussichten der Unionisten sich ge hoben haben, so muß man doch daran festhalten, daß die Liberalen ihnen gegenüber mehr Vorteile und Aussichten haben. Einmal sind die liberalen Führer bedeutend popu lärer geworden, als die steifbeinigen Tories, dann aber ist man doch allmählich auch in England der ewigen Verhetzung mit Deutschland müde geworden. Namentlich Lloyd George gebührt das Verdienst, durch seinen scharfen Sarkas mus die Engländer von dieser Seuche befreit zu haben. Die Die ständige Aufklärungsarbeit, daß es doch noch gar nicht so schlimm um die Sicherheit des britischen Reiches steht, dringt allmählich durch. Förderlich wirkt ferner die gute Finanz.age, die ja auch in erster Linie das Werk Lloyd Georges ist und die ihm recht gibt gegenüber den Behaup tungen seiner Gegner im vorigen Wahlkampfe. Förderlich wirkt auch die beginnende Einsetzung der sozialen Gesetz gebung, die nach den Behauptungen des Kabinetts noch durchaus nicht als abgeschlossen gilt. Das alles wird dem Liberalismus in England zweifellos den Rücken stärken. Es kommt hinzu, daß die Iren keinerlei Aussicht auf bome rule haben, solange das Oberhaus sein Vetorecht in irgend einer Weise ausüben kann. Wohl wird der p r o t e st a n - tische Norden Irlands sich darum um so fester an die Unionisten anschließen, während die Iren ja immer eine Sonderheit bilden werden; aber die Gefahr, daß die