Volltext Seite (XML)
Erscheint jeden Wochentag früh S Uhr. Inserate wer den bis Nachmittags 3 Uhr für die nächst- erscheincnde Nummer angenommen. Freiberger Anzeiger und Tageblatt. Preis vierteljährlich 15 Ngr. Inserate werden di- gespaltene Zeile oder deren Raum mit 5 berechnet. Amtsblatt des König!- Bezirksgerichts zu Freiberg, der Königt. Gerichtsämter zu Freiberg, Sayda und Brand und der Stadträthe zu Freiberg und Sayda. ' Sonnabend, den 23. Januar. 1858. Ucber die Tharandt-Freiberger Eisenbahn entnehmen wir der letzten Nummer des hier erscheinenden „Glückauf" folgenden Aufsatz, der auch für die Leser unseres Blattes nicht uninteressant sein wird: „Der erste Schritt zur endlichen Verwirklichung unserer Hoffnung auf eine Eisenbahn ist gcthan: Die Regierung hat den Ständen ein Decret wegen Erbauung der Linie Tharandt Freiberg vorgelegt. Wer die Lage Freibergs kennt, wer weiß- wie sehr dasselbe in seiner industriellen Entwickelung durch sein, Jsolirung von den großen Verkehrsadern gehemmt ist, wie na mentlich seine Hauptnahrungsquelle, der Bergbau, durch die Jsolirung von jedem Kohlenreservoir leidet, wer den empfind lichen Verlust zu ermessen vermag, den unsere Nahrnngsver- hältnisse durch die Entfernung der Garnison erlitten, und wie dringend noth uns ei» Ersatz in der von einer Eisenbahn ab hängigen höhern Belebung unserer Industrie thut, der kann sich einen Begriff machen von der Spannung, mit welcher man i hier Lem Schicksale dieses Decrets in den Kammern entgegen- siehl. Denkt man sich die Kammern als den Ausdruck der In telligenz, insonderheit der nationalökonomischen Intelligenz des ganzen Landes, so sollte dieses Schicksal freilich nicht zweifelhaft sein, dann wäre cs von vornherein in günstigster Weise ent schieden. Denn es stehen ver durch das Decret gemachten Pro- position so gewichtige nationalökonomische Momente zur Seite, daß man sich wundern muß, wie ihr Gegenstand überhaupt noch in Frage stehen, wie er nicht schon längst fest und lebendig da- stehcn kann, nicht blos zu unserm Wohle, sondern zum Wohle des ganzen Landes. Allein gerade daß derselbe, jenen Momenten zum Trotz, so lange in Frage geblieben, das raubt vielen unted uns die sichere Zuversicht, zu der wir wohl berechtigt sind, und wenn man Las ganze Aschenbrödelschicksal ins Auge faßt, zu dem sich Freiberg in der neuesten Zeit verdammt gesehen, so darf cs nicht Wunder nehmen, wenn die Spannung, mit welcher wir dem Schicksale unserer Eisenbahnfraze in der gegenwärtigen Ständeversammlung entgegensehen, bei vielen unserer Mitbürger nicht frei von Bangigkeit ist. Wir unsererseits haben zwar -zu der Gerechtigkeit und volkswirthschaftlichen Einsicht dieser Ver sammlung mehr Vertrauen, als ihre Vorgängerin durch ihr Verhalten in unserer Eisenbahnfrage sich erworben, indeß dürfte doch aus dieser in jene noch manche auf mangelhaster Kenntniß der Verhältnisse beruhende oppositionelle Ansicht übergegangen sein, welche der bessern Einsicht ihren Sieg unnöthig erschwerte. Ilm deswillen dürfte es nicht ganz überflüssig sein, wenn wir, bevor die Angelegenheit zur ständischen Berathung gelangt, die Hauptmomente, welche derselben zur Seite stehen, noch einmal kurz aufzählen und ins Licht stellen. Gehen wir vom Besonderen aus, so ist es zunächst unser Bergbau, welchem zu seiner höchstmöglichen Entwickelung eine Eisenbahn aus dem kohlenreichen Plauen'schen Grunde nach Freiberg dringend noth thut. Viele Hunderte von Mil lionen Thalern an Werth hat Lieser Bergbau im Laufe Ler Jahrhunderte aus der Tiefe der Erde gefördert und dem Va terlande geschenkt, und weit entfernt, seine Gaben erschöpft zu haben, gewährt derselbe heute eine reichere Ausbeute als je und fügt zu unserm Nationalvermögen alljährlich mehr als eine Million Thaler. Durch Lie großartige Vervollkommnung der Bergwcrksmechanik, durch die Anwendung der Dampfkraft auf dieselbe, ist es möglich geworden, Erze zu verwerthen, die früher wegen ihres geringen Gehaltes bei einer unvollkommneren Technik unbenutzt liegen bleiben mußten. Dadurch erst hat unser Bergbau eine gewisse Stetigkeit gewonnen, die ihm früher, wo dessen Flor ganz von dem Vorhandensein reicherer Erze abhängig war, gebrach. Denn, wie der gediegene Vorstand unseres vaterländischen Bergwesens an einem Orte bemerkt, die einzig gesunde Basis des Bergwerksbetriebes unter solchen Ver hältnissen wie in Freiberg, wo die geringhaltigeren Erze die weit überwiegende Mehrheit bilden, ist ein auf möglichst groß artige Vorrichtungen und Benutzungen aller, auch der gering sten Produkte gestützter, schwunghafter Abbau, der die reicheren Erze als sehr willkommene Zugabe mitnimmt, seine Existenz aber nicht wesentlich auf sie gründet. Zu einem solchen Be triebssystem ist nun unser Bergbau in neuer Zeit übergegangen; aber er hat es nur erst in sehr beschränkter Weise in Ausübung bringen können, weil einmal die durch die hohe Kohlrnfracht zu kostspielige Dampfkraft — die wegen der nur zn einem kleinen Theile ausreichenden Wasserkräfte beim Grubenbetriebe ! unentbehrlich geworden — noch immer den Abbau sehr vieler Erzgänge, die unter einem gewissen Gehalte haben, verbietet, weil sodann aus derselben Ursache die größere Masse der Erze, welche Lie Freiberger Gänge bieten, von der Verhüttung aus geschlossen sind und endlich weil manche unserer bergmännischen Nebenprodukte (z. B, Blei) in Ermangelung wohlfeiler Abfuhr sich nicht mit Vortheil verwerthen lassen. So müssen denn be trächtliche Schätze jetzt todt liegen bleiben, welche, führte unS eine Eisenbahn billige Kohlen zu, und machte den Absatz auch Ler geringsten Product- zu den niedrigsten Preisen möglich, unserm Nationalvermögen zu gute gehen würden. Die solcher gestalt dem Nationalreichthum verloren gehenden Summen sind aber nicht etwa blos in der Muthmaßung vorhanden, sie liegen La in aufgeschlossenen Tiefen, in nachgewiesenen Gängen, ja sie liegen theilweise zu Tage in unsern Halden. Es ist dabei durchaus nichts Chimärisches, Wissenschaft und Erfahrung sind darüber vollständig im Klaren — man schaffe dem Freiberger Berg- und Hüttenwesen wohlfeile Kohlen, und das Doppelte von Dem, was es jetzt alljährlich ausbringt, wird es dann in Kurzem gewähren. Wenn vom Freiberger Bergbau die Rede ist, so muß man sich dabei nicht ein beschränktes Gebiet wie das Weichbild der Stadt Freiberg Lenken, sondern ein Gebiet von mehreren Qua dratmeilen, das im Norden bis Nossen, im Osten bis gegen Dippoldiswalde, im Süden bis Forchheim, Saida und Frauen stein und im Westen bis nahe an Frankenberg sich erstreckt. In diesem Gebiete leben über 30,000 Menschen unmittelbar vom Bergbau, aber bei der höchsten Entwickelung, deren derselbe fä hig ist, würden ihrer 60,000 unmittelbar davon leben können Erwägt man die Stetigkeit, die dieser Erwerbszweig fast vor jedem andern größern Industriezweig Sachsens voraus hat, und die mit der höhern Entwickelung desselben in der angedeu teten Richtung sich nur mehr befestigen könnte, so erscheint uns