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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.03.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-03-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000315016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900031501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900031501
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-03
- Tag 1900-03-15
-
Monat
1900-03
-
Jahr
1900
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^-«rillet» n. Paul Heyse. Kein ungezogener Liebling der Camönen wie AristopbaneS und Heinrich Heine ist Paul Heyse, der am 15. März seinen stebenzigsten Geburtstag feiert. Seine Muse hat di« feinste Schulung, oboe die liebenswürdige Grazie einer sich frei bewegenden Eigenart zu verläugnen; aber er hat niemals zu den Stürmern und Drängern gebärt und niemals durch ungeberdigeS Desen.durch irgend welche Ausschreitungen in Form und Inhalt Aufsehen erregt. Oft ist er deshalb zu den classischen Epigonen gezahlt worden, ein wohlfeiles Stichwort für die Tedanlenlostglrit, die sich mit der Phrase schmückt: doch er berührt sich besonders in seinen Novellen und Romanen, vielfach mit der „modernen" Richtung, die freilich den Ehr« geiz hat, etwa- Funkelnagelneues bieten zu wollen, während ihr viele von ihr verketzerten Talente bereits da» Beste weg- zeoommen haben. Paul Heyse ist ein Berliner, der Sohn des bekannten Zprachgelehrteo, der seinerseits zum Vater den Verfasser eines aurrkannteu deutschen Wörterbuches und Fremdwörterbuches batte; er stammt also aus einer Familie, in welcher die Pflege deutscher Sprachwissenschaft erblich ist; er selbst ließ die Praxis der Theorie folgen; er war riu Sprachkünstler in dichterischer Form. Geboren am 15. März 1830, besuchte er das Berliner Friedrich-Wilhelm-Gymnasium und studirte seit l847 Philologie bei Boeckh und Lachmann. Seine Kindheit und Jugend verlebte er in geistig anregenden Kreisen; das eigentliche Derlinertbum hat wenig bei ihm abgefärbt. Da mals ging der erste Meridian der deutschen Intelligenz durch die Berliner FriedrichSstraße. Hegel war gestorben, doch sein Geist herrschte in den Ministerialbureaux und Sckml- collegien; die Rahel orakelte in der Mauerstraße; Kunst gelehrte wie Kugler schlugen die Brücke zwischen Wissenschaft und Poesie. In diesen Kreisen wuchs Heyse auf; bier regte sich zuerst sein Talent; hier fand es Pflege und Anerkennung. Im Jahrs 1849 begab er sich nach Bonn, wo er unter der Leitung von Diez die romanischen Sprachen und Literaturen studirte, ein Studium, daS für seine Entwickelung als Dichter von höchster Bedeutung war. Dir politische Bewegung von 1848 und 1849 hatte kein Echo bei ihm zurückgclasscn; seine Dichtung batte, als er zuerst damit hervortrat, etwas Welt« fremdes und Akademisches. 1850 erschien sein Trauerspiel „Francesca von Rimini", zu welchem ihm sein Studium Dante'S den Stoff gegeben; dann gab er Erzählungen in Versen: „Die Brüder" (1852) und „Urica" (1852) heraus, ferner 1854 eine Sammlung: „Hermen", in welche diese Dich tungen mit einigen anderen, wie die „Idyllen von Sorrent", ausgenommen waren. Die Formgewandtheit und das lebhafte italienische Eolorit einzelner Dichtungen wurden anerkannt, während der Charakter der „Studien", den sie noch an sich trugen^ besonders in der Willkürlichkeit bervortrat, womit die Stoffe, ohne aus dem Volksleben irgendwie herauszuwachsen, bald in da« eine, bald in das andere landschaftliche miUvu verlegt wurden, nur um der Farbe willen, die der Dichter dabei verwenden konnte. So spielten z. B. die „Brüder" in China, obschon sie ebenso gut in irgend einem anderen Lande des ordw pictu-» svielen konnten, denn mit dem Reiche der Mitte hatte der Stoff gar nichts zu thun. Paul Heiße setzte seine romanischen Studien in der Schweiz und in Italien fort, wo er in den Bibliotheken nack Sprach denkmälern forschte. Seine Dichtungen hatten ihm schon solchen Ruf verschafft, daß er 1851 von König Maximilian II. nach München berufen wurde, als jüngster Ritter der poetischen Tafelrunde, welche durch Geibcl, Bodenstedt, Dingel stedt und andere hervorragende Männer gebildet wurde. Länger als alle die übrigen ist er der Isarstadl treu geblieben. Die anderen jetzt Verstorbenen zerstreuten sich schon bei Leb zeiten des Königs nach allen Gegenden der Windrose. Heyse lebt noch setzt in München, eine Zeit lang von der Coterie der Ibsenianer und Zolaiten, die dort sehr laut den Ton an geben, angefeindet, jetzt, wie eS scheint, in gutem Einver nehmen, da die gemeinsamen BerührungSpuncte mehr zn Tage getreten sind. Heyse bat nie, wie Geibel und Bodenstedt, in München eine Professur bekleidet, oder ein Amt, wie der Generalintendant Dingelstedt, nie eine Redaction geführt, wie Grosse; er lebt nur seinen Studien, seinem dichterischen Schaffen. Sein äußeres Leben war wenig ereignißreich. Früh verlor er seine erste Frau, eiue Berlinerin, eine Tochter Kugler'S; er verheirathete sich später mit einer Münchnerin. Der Verlust eines geliebten Sohnes gab ihm zu rührend dichterisch Ergüssen in seinen „Versen aus Italien" Anlaß. Als Geibel wegen reichStrcuer Gesinnung 1868 München verlassen mußte, verzichtete auch Heyse auf seinen Gehalt und auf Ebrenstellen, die er dort einnabm, besonders auf eine solche im Kapitel deS MaximilianordenS. Heyse ist ein überaus productiver Dichter; nur in einem eingehenden Essay oder literaturgeschichtlichen Abschnitt läßt sich diese Fülle von Erzeugnissen in erschöpfender Weise be handeln. Doch schon die Thatsache einer so großen Frucht barkeit spricht für eine reiche Phantasie, für eine nie er lahmende Erfindungsgabe. Wir halten nicht viel von dem dichterischen Ruhm der spärlich Producirenden oder derjenigen, die nur ein poetisches oder dramatisches Sinzleton auS- spielen mit Berufung auf den Spruch: Hum, soll loonem'. Vezug-«PreiS tu der HauptqHehition oder den im Stadt, tezirk und den Bororten errichteten Alls. Gestellen abgeholt: vierteljährlich^l4.SO, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hauö 5.50. Durch die Post bezogen sur Deutschland und Oesterreich: viertel>ährlich 6.—. Tirecte tägliche Krcuzbandiendung inS Ausland: monatlich ./L 7.S0. Die Morgen-AuSgabe erscheint um '/»? Uhr, die Abend-AuSgabe Wochentags um 5 Uhr. Re-action und Expedition: IohanniSgasse 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend- 7 Uhr. Filialen: Alsrev Hahn vorm. V. Klemm'- Sortim. UnidersitätSstraße 3 (Paulinuw), Louis Lösche, Aatharintnstr. 14, Part, und König-Platz 7. Morgen-Ausgabe. Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Ratljes und Nolizei-Ämtes der Lindt Leipzig. Donnerstag den 15. März 1900. Arrzeigerr-PrÄD die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg» Reclamen unter dem RedactionSstrich (4a*» spalten) 50-H, vor den Familiennachrichrea (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis verzeichnis;. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Taris. Vxtra-Beilagen (gefalzt), uur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ./« 60.—, mit Postbeförderung .ckl 70.—. Rnnahmeschlnß für Anzeige«: Abend-AuSgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen. Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Sxpedttton zu richten. Druck und Verlag von L Polz in Leipzig. 91- Jahrgang Amtlicher Theil. Waldpflanzen-Verkauf. Von dem Forstrevier Leipzig-Connewitz können in diejcm Frühjahre durch Herrn Rcvicrförstcr Zacharias in Lcipzig- Y'onnewitz nachstehende Holzpslanzen zu den beigesctzten Preisen gegen Baarzahlung oder Nachnahme und vorheriger schriftlicher Bestellung, sowie gegen Vergütung der Selbstkosten sur Verpackung und Transport zur Bahn :c. bezogen werden. Holzarten 1 1,60-2,00 50 .',10—3,00 mit > Ballen j und > 2 mal I der-- I schult i -000 3000 1000 Hundert 10 <5 45 Ltüct II. Verschulte >ackelliütrer: Fichten, .4bies exc. O. . . . . - I.Wahl . - . II. - . - » I. . « . .11.. . . - 1. . . . - 11. . 1000 2000 1000 800 600 300 300 8 65 40 90 69 140 90 ),20-0,3t 1,10—1,50 Versedult« IwublGlrer - Eichenheister, tzuercus peck. . > Eschen, krsxiuus ero. . . . ' derg. . .... Höhe der sPreise für das Pflanzen ni 1,60—2,50 0,30-0,61- 0-1,00 Vorstehende Fichten I. Wahl eignen sich besonders zn Pari- nnd Eartenanlagen, II. Wahl zu Remisen. Leipzig, am 27. Februar 1900, Des Naths Forstdeputatwn. Bekaimtmachmig. Bon der Firma H. tk. Plaut hier ist der Antrag gestellt worden, ./L 2,<109,000 vollgezahlte neue Aktien Nr. 500l bis 7000 i--- 2000 Stück L 1000 -/-l, mit den alten Aktien völlig gleichberechtigt), ferner .6 AO,000,000 4° n Hhpothekcn-Pfanvbricfe Serie IV, sowie ./L 30,000,000 3' //o Hypotheken-Pfandbriefe Serie V (beide Serien vor 1910 nicht rückzahlbar, jede derselben eingetheilt in 2000 Stück ü 5000 ./4 la. .V Nr. 1 bis 2000 : 3000 Stuck ü, 2000 la li Nr. 2001 bis 5000: 10,000 Stück ä, 1000 .>8 la. 0 Nr. 5001 bis 15,000; 5000 Stück L 500 ./L la. I> Nr. 15,001 bis 20,000 ; 5000 Stück ä. 200.6 la. L Nr. 20,001 bis 25,000; 5000 Stück ä 1'00.6 la. I' Nr. 25,001 bis 30,000) der Lächsischc» Bodcncrcditanstalt in Dresden ;um Handel und zur Notiz an der Leipziger Börse zuznlaffcn. Leipzig, den 13. März 1900. Tie ZulassungSstcllc für Werthpaptcrc au der Börse zu Leipzig. Fritz Mayer, Vorsitzender. Lsuvabend, den 17. März, 12 Uhr Mittags wird vor der Mache der Ulanen-Caserne 1 »uvrauchbarcs Ticnstpferd össentlich meistbiittnd unter den vorher bekannt zu machenden Bedingungen versteigert. königliches 2. Manen-Regiment Rr. 18. Stiidtebilder aus Lachsen. Grtmma.*) Nachdruck rkrdcllu. I. Da, wo die schnellfließende Mulde von dem an land schaftlichen Reizen so reichen Muldenthale Abschied nimmt, um dem Tieflands zuzueilen, liegt die Stadt Grimma. Noch einmal hat die gütige Natur die Fülle aller Schönheit des MuldenthaleS *) Benutzte Literatur: Lorenz, die Stadt Grimma, 2 Boe.; Ermel, Altes und Neues von Grimma; Puschel, Grimma und seine Umgebung; Haushaltpläne der Stadt Grimma; Berichte der Handels- uwd Gewerbclammer zu Dresden; Berichte des Statistischen Bureaus. um diescn Punct hcr-ausgcschüttei: sanfte, bewaldete Höhen, die hin und wieder von malerisch schönen Felsparticn unterbrochen sind, hlirmige Wiesen, fruchtbare Auen, herrliche Obstanlagen, alter- thümlichc und stilvolle neuzeitliche Gebäude und unten im Thale der rauschenden Mulde die freundliche Stadt, dies Alles gicbt ein Bild, das in unserem an landschaftlichen Schönheiten nicht ge rade armen Vaterlande fast einzig dastcht. Diese bevorzugte Lage des Ortes reizte schon frühzeitig zu einer Ansiedelung. Aus dem Namender tadt kann man schließen, daß Slawen, noch bevor Grimma in den Kreis der Ge schichte eintrat, sich hier angcsicdclt haben. In älterer Zeit leitete man den Namen von dem altslawischen Worte grumeti, das ist „donnern", ab; man nahm an, daß hier zur Slawenzeit der Erzeuger von Blitz und Donner, dec Gott Triglaw, angebetet worden sei; in neuerer Zeit neigt man mehr dec Ansicht zu, daß er von kremeLi, tremyZy — Steinork abzuleiten sei. Um 1065 schrieb inan den Namen der Stadt (niinmi vppielum, 1206, 36, 82, 92 Grimme, 1216 de Crime, 1220, 55, 91, 1320 Grimmis, 1360 GrymmiS, 1384, 1426, 28, 53, 71 Grymme. Gleich wechsclvoll wie die Schreibweise des Ortsnamens waren auch die Geschicke der Stadt, von denen sie im Laufe der Jahrhunderte betroffen wurde. Aus dem Dunkel der Geschichte tritt Grimma im Jahre 1065. In einer von Kaiser Heinrich IV. ausgestellten Urkunde wird Grimma als Stadt bezeichnet und dem Bischöfe zu Naumburg geschenkt. Das geschah am 31. März 1065. Diese Schenkung sollte eine Belohnung für die treuen Dienste sein, die Bischof Eberhard zu Naumburg dem Kaiser erwiesen halte. Von diesem Zeitpunctc ab flössen die Einkünfte nicht mehr dem kaiserlichen Fiscus zu, sondern dem Bischöfe zu Naumburg. Da aber dieser die weltliche Gerichtsbarkeit nicht ausüben durfte, so mußte ein weltlicher Beamter dies für ihn thun, er ward Voigt genannt. Seit dem 12. Jahrhunderte ent stammten diese Naumburger StiftSvoigte dem Hanse Wcttin. Um das Jahr 1200 gehörte Grimma den Markgrafen von Meißen, doch behauptete das Hochstift Naumburg die Lchnshcrrlichteit über Grimma bis zur Zeit der Reformation. Durch letztere wurde das Hochstift aufgehoben und fiel damit auch die Lchnsherrlich- keit. - Dadurch, daß Grimma der Sitz eines Voigtes ward, erhob cs sich über die umliegenden -Orte. Die obige Urkunde brachte aber noch eine weitere Förderung -der Stadt, denn 'durch dieselbe wurden ihr auch noch das Zoll-, Münz- und Marttrecht ver liehen. " Die Verleihung des Zoll-, Münz- und Marktrcchtes war für die Entwickelung der Stadt äußerst bedeutungsvoll. In Folge des Straßenzwanges mußten die von Osten und Westen her kommenden Frachtwagen Grimma, das an der alten „Oberlausitzischen Königsstraßc" lag, berühren; sic fühlte von Breslau über Liegnitz, Bunzlau, Lauban, Görlitz, Bautzen, Camenz, Königsbrück, Großenhain nach Oschatz; hier theilte sie sich, «der sine Strang führte über Eilenburg, der andere über Grimma nach Leipzig. Den Frachtfuhrlcuten war es strengstens verboten, von der Straße abzuweichen, um auf Seitenwegen, zum Beispiel über Wurzen, das Endziel zu erreichen. Die Städte hatten das Recht, Straßenzoll zu erheben, derselbe gehörte zu den kaiserlichen Einkünften; durch die Schenkung der Stadt an den Bischof von Naumburg ging auch diese Einnahme auf den Bischof über. Aus dem Zoll selbst hatte Grimma also keinen Vortheil, der Vortheil für die Stadt lag aber darin, daß sich in derselben ein reger Verkehr entwickeln mußte. Da um diese Zeit eine allgemeine Landesmllnze noch nicht in Gebrauch war, so ward durch die städtische Münze einem fühlbaren Mangel ab geholfen; die städtischen Münzen hatten aber nur in der Stadt und deren Münzkreise Geltung und mußten daher von Auswär tigen nach Abschluß eines Geschäfts in der Münze wieder umge wechselt werden, diese war also zugleich Wechselstätte. Be deutungsvoller war für Grimma das Marktrccht; die Stadt er hielt durch dasselbe das Recht, Markt zu halten und Handel und Gewerbe zu treiben. Durch dieses Recht ward Grimma der Sammelpunct für Käufer und Verkäufer. Den ersten Jahr markt erhielt die Stadt 1361, nachdem Grimma bereits von seinem Höhepunkte als Handelsstadt herabgesunken war. Zu dem Marktrechte gesellte sich später auch noch das Stap ri ll nd Niederlagsrecht. Das Stapelrecht bezog sich nur auf Holz; die Stadt hatte allein das Recht, das auf der Zschopau und Mulde herabkommrnde Holz aufzukaufen und weiter zu ver kaufen. Das Niederlagsrecht setzte für gewisse Kaufmannsgüter, die die Stadt passirien, fest, daß sie hier erst zum Verkaufe aus ¬ gelegt werden mußten; der Besitzer hatte dafür, daß er die Waarcn auslcgen durfte, eine Abgabe und ein Stättegeld an den Rath erlegen. Diese Vorrechte brachten für Grimma eine kurze Blüthc als Handelsstadt. Das aufstrebende Leipzig, das mit noch größeren Vorrechten bedacht wurde, brachte baldigen Verfall. Diesen Zeitabschnitt charakterisirt Engelhard in der Erdbeschrei bung des Königreichs Sachsen mit folgenden Worten: „Grimma war für Sachfen einst das Leipzig des Mittelalters, ein Haupt- handclsort, dessen Verfall zum Flor Leipzigs nicht wenig beigc- tragcn hat." lieber das kirchliche Leben in der Stadt Grimma finden sich die ersten Nachrichten im Jahre 1218. In diesem Jahre erbaute Dietrich der Bedrängte am Schlosse eine Eapelle, die dem heiligen Oswald geweiht ward. Sie war für den Hof der Markgrafen bestimmt, die öfter in Grimma residirten. Die gottesdienstlichen Verrichtungen waren den Mönchen ans Alt- Zella übertragen worden. Einen eigenen Pfarrer erhielt Grimma 1240, um welchen Zeitpunkt es zur Parochie erhoben ward, die zum Bisthum Merseburg gehörte. Bis dahin war der Pfarrer von Großbardau zugleich auch Pfarrer von Grimma, und die Einwohner der Stadt besuchten die Predigt zu Großbardau. Der Bau der Stadtiirche scheint nur 1230 unter Heinrich dem Er lauchten begonnen worden zu sein, 1240 war der Kirchenbau so weit vorgeschritten, daß der Gottesdienst darin gehalten werden konnte. Geistliche Orden ließen sich auch im dreizehnten Jahrhundert in Grimma nieder; die erste Niederlassung dieser Art war -die der Eisterzienser-Nonnen, welche 1251 von Torgau nach Grimma kamen, ihnen folgten Mönche des Ordens der Ein siedler St. Augustin'S und Franziskaner aus Leipzig. Im 13. und 14. Jahrhundert ward das Städtchen wiederholt von Bränden und Ucberschwcmmungen heimgesucht; auch Theue- rung und Hungcrsnoth hielten Einkehr. Das 15. Jahrhundert brachte den unheilvollen H u s s i t e n k r i e g, der zwar an Grimma schnell vorübcrzog, aber doch die Stadt empfindlich be rührte. Nach einem Siege der Hussiten in der Nähe von Nerchau „behandelten sie darauf Grimma übel". Während desBrudc r- kricges streiften die kriegführenden Parteien bis nach Grimma, bedrohten cs und versetzten das Städtchen in Angst und Sorge. Durch die Leipziger Theilung kam Grimma zu dem Besitz des Kurfürsten Ernst, bei welcher Linie cs bis zum Jahre 1547 ver blieb. Im 15. Jahrhundert hielten sächsische Fürsten wiederholt in Grimma Hof; Albrecht der Beherzte ward 1443 im Grimmaer Schlosse geboren, er nannte sich daher auf seiner Reise nach dem heiligen Lande Junker von Grimm oder auch Albrecht von Grimm. Das große Werk der Reformation hat zum Theil in den Mauern Grimmas mit begonnen; das ging so zu: Im April 1516 kam Dr. Staupitz in Begleitung Luther's zur Visitation des Augustiner-Klosters nach Grimma. Um diese Zeit trieb Tctzcl sein wucherisches Gebühren in der Nachbarstadt Wurzen, von diesem hörte Luther. Entrüstet brach er in die Worte aus: „Nun will ich der Pauke ein Loch machen, ob Gott will." Seine Lohre fand bei der Bürgerschaft Grimmas bald Eingang. 1523 ward beim öffentlichen Gottesdienste das Abendmahl unter beiderlei Gestalt gespendet; erster evangelischer Prediger war 21. Schreiner, 1529 fand die erste Kirchenvisitation statt, nach welcher 21. Schreiner zum Superintendenten bestellt ward. Die Religionskriege nach der Reformation berührten Grimma in recht empfindlicher Art. Während des Schmalkalbi sche n K r ie g c s, in dessen Verlaufe Moritz von Sachsen auf die Seite des Kaisers getreten war, ging Grimma von dec Ernestinischen Linie in Besitz der Alberlinischcn Linie über; das geschah am 1. Juni 1547. Bereits am 12. November 1546 hatte Herzog Moritz den Rath gezwungen, ihm zu huldigen. In diesen: Jahre wurde auch die Muldenbrücke zerstört. Am Januar ver ließ Herzog Moritz mit seinem Heere die Stadt. Damit die kur fürstlichen Truppen ihm nicht folgen konnten, ließ er die Mulden brücke abbrcirnen. Zu diesem Zerstörunqswcrkc zwang er auch die Bürger, die den Soldaten Aextc, Beile, Späne und Pech her- beischaffcn mußten. Die Brücke ward mit sieben Steinen Pech belegt, der Herzog selbst schaffte solches und Holz herbei und wartete am rechtsseitigen Ufer so lange mit seinem Abzug, bis sechs Joch ttiedergebrannt waren. Größeres Ungemach brachte der Dreißigjährige Krieg über Grimma, besonders unheilvoll waren die Jahre 1632—^45. In diesem Zeiträume und auch bereits vorher wechselten schwere Kriegslasten, Seuchen, Theuerung und Quäle ¬ reien oller Art miteinander ab. In den Jahren 1625 und 1626 wüthete die Pest in Grimma; der Rath stellte einen Pestilenz- Barbier an, der die Kranken pflegen mußte. 1626 waren 150 Wohnhäuser von der Pest angesteckt; cs starben im August und September über 350 Personen; mit gleicher Heftigkeit trat sie 1633 auf; am bösartigsten war sie aber 1637. Nach einem Be richte des Pfarrers Laurentius zu Pausitz starben in Grimma manchen Tag 30 bis auf 70 Personen, ja, es sind wohl auch 80 Leichname zu begraben gewesen, „mehrentheils armes, ciusge- ivichenes 'Landvolk", das hinter Sen Mauern Schutz gegen die unmenschlichen -Quälereien der verrohten Soldateska und gegen den Hunger gesucht hatte. Der Rath ließ „zum Begräbniß dec Fremden" zwei große Gruben auf dem Gottesacker machen und kaufte zwei Pferde, welche die Tobten hinausfuhren. In Grimma starben in diesem Jahre auch viele vornehme Personen, darunter sechs Rathsherren. Während der ersten vierzehn Jahre des unheilvollen Krieges blieb Grimma von dem Kriegsunglück so ziemlich verschont, aber 1632 brach cs herein; es begann mit dem Einzugs Wallen- stcin's am 19. Oktober 1632. Dieser war nur einen Tag und eine Nacht in Grimma, aber diese Zeit genügte, um dos arme Städtlein hart zu plagen. Sein Quartier hatte er in der Landes - schule aufgeschlagen; die unschuldigen Scholaren wurden aus ihren stillen Zellen vertrieben und die Vorräthe des Schulvcr- walterS wurden mit Beschlag belegt. In der Stadt war kein Haus von der Einquartierung verschont geblieben; man drohte, die Stadt zu plündern und in Asche zn legen, wenn nicht 6000 Thaler Ranziou erlegt würven. Das war ein Tag des Schreckens; auf vieles Bitten ermäßigte Wallenstein die Summe auf 3000 Thaler. Nach der Lützener Schlacht „ist die königl. Schwedische -Hofstadt mit der königlichen Leiche, wie -auch der churfüvstlichcn und Lüneburgischen Armee etzliche 1000 Manu stark e-nauartiert worden und Vie königl. Hofstadt über 14 Tage liegen blieben, do -dann alles Völlens drauff gangen, und die meisten Bürger sticht einen Bissen Brodt in ihren Häusern be halten." Dieser Bedrückung und Plünderung sollten bald noch härtere folgen. Bei dem Raubzuge, den dis Holck'schen Schaarcn durch Sachsen unternahmen, blieb auch Grimma nicht verschont, cs mußte ihm 1633 4000 Thaler Rairzion zahlen. Als am 15. August die Holck'schen Truppen abzogen, fuhren ihnen 16 Wagen, mit Brod und Bier beladen, nach. Zu Anfang dieses Jahres mußten 6<D0 Thaler zur Verpflegung kurfürst sicher Truppen aufgebracht werden und 1634 abermals 8000 Thaler. Von 1635 ab bedrückten die Schweden die Stadt. Die Unterhaltung des Leßlc'schen Reiter-Regiments verursachte 1637 einen Aufwanv von 14 000 Thalcrn, außerdem mußte die Stadt 7000 Thaler zur Ranzion erlegen. Beim Abzüge der Schweden wurde die Stadt ihnen preisgegeben, fast jedes Haus lvard gc plündert und -oas Stadtthor angezllndet. Nun zogen kurfürstliche Truppen in Grimma ein, die üie Plünderung sortsetzten, „was der Feind gelassen, haben sie vollends nachgehohlet und rein ge macht, die vollen Scheunen ausgclcert und siecht gemacht. Das geringste hat sich nicht erhalten können". Durch diese Unmensch sichen Plünderungen wurde die Stadt „dermaßen verderbet und ausgesogen, daß über 3000 Menschen, fremde und einheimische, Hungers sterben müssen und die Hclffte derselben wüste gc worden". Z» Ende des Jahres 1639 war Grimma wiederum von Truppen überfüllt, zwei kurfürstliche Reiterregimenter lagen acht Wochen darin und verursachten einen Aufwand von 40 000 Thalern. Um der Bedrückung zu entgehen, 'waren über 40 Be sitzer aus ihren Häusern entflohen, diese wurden verwüstet und niedcrgcrisscn. In dieser Weise gingen die Bedrückungen und Er pressungen bis zum Friedensschlüsse fort, nur mußten sich die Be fehlshaber mit kleineren Summen begnügen. Um 1644 den ge stellten Forderungen genügen zu können, mußte die größte Glocke der Frauenkirche und zwei gute neue Braupfanncn verlauft wer den. Daß Grimma beim Friedensschlüße nicht ein Schutthaufen war, das danlt cs den braven Superintendenten IU-. Reinhard Bäte und 1>r. Andreas Kunad, Äie durch ihre Fürbitte dir Stadt vor der beschlossenen Einäscherung bewahrten. Heyse ist in erster Linie Novellist. Die kurzathmige Novelle verschlingt bisweilen soviel Stoff, wie cm langathmiger Roman. Die stosfbungrige Novellisiil muß auS nie erschöpf ten Quellen der Phantasie gespeist werden. Außerdem kann die Novelle in allen Farben spielen: sie kann gleichsam in allen Varietäten gezüchtet werden. Und dies ist in der Kunst gärtnerei Paul Heyse'S der Fall. Da baden wir „Moralische Novellen", „Troubadournovellen", „WeibnachtSgeschichten", „Buch der Freundschaft" — überall sind Novellengruppeu in eine gemeinsame Beleuchtung gerückt. Die ersten Novellen erschienen 1855; darauf folgten niedrere Sammelun.qen Neu« Novellen, von denen die späteren noch irgend einen Separat» titel hatten; wir finden in dieser Fülle, wenn wir sie einiger maßen sortiren wollen, italienische Novellen mit vorzügliche» Colorit, wie die Musternovelle „La Rabbiata", historische Er zählungen, mittelalterliche Troubadournovellen und andere, die zum Theil im Stil der Chronik gehalten sind, Sensation-« Novellen mit jenen verblüffenden Schicksalswendungen, welche die Novelle verlangt, Tendcnznovellcn, die gegen die landes übliche Moral gerichtet sind und sich durchaus den jüngst deutschen Novellen nähern, phantastische Humoresken. Bis weilen plaidirt der Verfasser für irgend einen neuen psycho logischen Lehrsatz, den er von verschiedenen Seiten beleuchtet, so daß sich die Novellcusammlung in eine Beispielsammlung verwandelt, wie in dem „Buch der Freundschaft", worin er zu beweisen sucht, daß die Freundschaft ein elementarer und Un ergründlicher Naturtrieb sei wie die Liebe. Ueber vielen Novellen schwebt eine seine ironische Beleuchtung; die Darstellung athmet eine attische Grazie und nirgends, auch nicht, wo die Hand lung eine gewagte Wendung nimmt, verliert der Stil die maßvolle Haltung, die sich von allem Ueberschwänglichen fernbalt. Den Schritt von der Novelle zum Roman machte Paul
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