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Grossenhainer Nnterhaltungs- und Änzeigeblatt. Mit Hoher Concession gedruckt, verlegt und redi'girt von Herrmann Starke. 30. Mittwoch, den 14. April 1847. Der Chiromant. Eine humoristische Erzählung. 1. Fürst Adolar saß ärgerlich vor seinem Ar beitstische, auf dem eine Menge Papiere lagen. Ihm gegenüber der Cabinetsminister Graf Zil ler, einige ihm zugeschobene Briefe durchlesend. «Nun, was sagen Sie dazu?» unterbrach der Fürst das Stillschweigen. «Ist es nicht zum Verzweifeln? Meine schönsten Pläne werden mir vereitelt. Es muß irgend ein Vcrräther hier in unsrer Nähe sein», fuhr er fort, «denn ehe noch der Prinz Oscar meine Briefe erhält, weiß der Ellberger Gesandte schon den In halt, und arbeitet natürlich mit Eifer dagegen. Daß aber dort kein Vcrräther um ihn ist, ver sichert der Prinz auf seine Ebre, da sein Se- cretair schon tausend Proben der Treue bestan den hat.» Graf Ziller versicherte dagegen, daß auch hier keine Verrätherei stattfinden könne, indem Niemand als sein Sccretair Möller, für dessen Verschwiegenheit er seinen Kopf zu Pfände setze, etwas, und auch dieser nur thcilweise um das Geheimniß wisse. «Und seitdem Ew. Durch laucht», fügte er hinzu, «das letzte Mal schon etwas dergleichen äußerten, habe ich selbst die Briefe an den Prinzen mundirt.» «Dann muß der Gesandte hexen können», rief Fürst Adolar erbittert, unterschrieb das ihm dargercichte Schreiben und ging. Doch in der Thür kehrte er noch einmal um. Auf ein daliegendes Buch zeigend, fragte er: «Haben Sie diese Brochüre schon gelesen?» «Zu Befehl, Ew. Durchlaucht», erwiderte der Minister. Und wie finden Sie die Andeutungen des Verfassers?» «Treffend und gut», versicherte der Graf. «Der Mann zeigt Talent und einen viel um fassenden Geist. Nur hätte er seinen aphoristi schen Bemerkungen etwas mehr Ausdehnung geben können.» «Gerade mich hat seine Kürze sehr angcspro- cben», versicherte Adolar. «Wir müssen den Mann doch näher kennen lernen. Ein eintretender Adjutant unterbrach die weitere Unterredung. * * * Den Cabinetsminister aber beschäftigte jetzt die Unterhandlung am jenseitigen Hofe mehr als jene Brochüre. Er dachte nur immer daran, wie es möglich sei, daß die Eorrespondenz mit dem Prinzen Oscar in verrätherische Hände kommen könne. Ein Gedanke siel ihm endlich ein. Doch das schien ihm auch unmöglich. Wie würde es ein Postbeamter wagen, einen Brief, der mit dem fürstlichen Cabinctssiegcl petschirt worden, zu erbrechen und einem fremden Gesandten zuzu senden. 2. Es verstrichen wieder einige Wochen. Ver gebens erwartete der Fürst eine Antwort auf feinen letzten Brief. Endlich kam ein kleines unansehnliches Brief chen, was einen großen Umweg gemacht zu haben schien, an den Minister. Wappen und Handschrift waren ihm unbekannt. Voller Erwartung erbrach er das Schreiben. Es war vom Hofrath Meisner, dem Sccre tair des Prinzen Oscar. In demselben be richtete er im Auftrage seines Herrn, daß durch die Machinationen des Ellberger Gesandten der Fürst schon sehr schwankend geworden sei. Briefe könnten also nichts mehr bezwecken, überdem, da ihr Inhalt doch stets verrathen würde. Es müsse daher ein Mann mit unum schränkter Vollmacht gesendet werden. Doch da der Gesandte seine Späher überall habe, so sei es nicht gerathen, einen Minister oder Lcgations- rath zu diesem Geschäfte zu verwenden, sondern einen umsichtigen, aber dem Gesandten ganz unbekannten Mann zu wählen, der als Pri vatperson in der Residenz erscheine, unter irgend einem Vorwande fick hier aufhalte, durchaus kein Aufsehen mache, und nur im Geheimen mit dem Prinzen und mU dem Minister v. Detto, zusammenkomme. Schließlich machte der Hof rath noch einige Andeutungen, welche sich im weitern Verlauf dieser Erzählung finden werden. Fürst Adolar las mit Erstaunen, billigte aber im Ganzen den Vorschlag des Hosrathes.