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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.02.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-02-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960221018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896022101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896022101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
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- Bemerkung
- Images teilweise schlecht lesbar
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-02
- Tag 1896-02-21
-
Monat
1896-02
-
Jahr
1896
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Morgen-Ausgabe eipMer TagM alt und Freitag den 21. Februar 1896. s. i»»»» b00v.7« 8. I. l) « v I.V. « I) « ll l.v l. I) LI» Wkorgeu-An-gabe erscheint um */,7 Uhr. dt» Abend-Au-sab« Wochentag» um b Uhr. - 8. - 8. - 6. 1.0 1.0. Al. Jahrgang. »Ovnp^ v.veup^ t v ' 1 0. t.v. I.p Extra-Beilagcn (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60—, mit Postbesörderung 70.—. Arrzeigen-Prei- die 6gkspaltene Petitzeile 20 Pfß. Reclamen unter dein Redactionsstrich ^ge spalten) 50/<-, vor den Familiennachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Pceis- perzeichniß. TodeUariicher und Zisfirniatz »ach höherem Taris. Ar-arHim «vd Lrpeditiou: -«Hannes,affe 8. LkeUzPebltiou ist Wochentag» ununterbrochen ^ssfiiet »an früh 8 bi» Abend» 7 Uhr. Filialen: vtt» Mr«»'» Sorttm. (Alfred Hahn», Uuiversitätsstraßr 1, Laut» Lösche. Kaiharinenfir. 14, Part, und König-Platz 7. Lande» auf dem Gebiete der geistigen Cultur und der wirthschaftlichen Wohlfahrt zu sichern." Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morge n-AuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Für die M ontag-Morgen-Ausgabe: Sonnabend Mittag. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an dl« Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig t. v l-o. ii>. > v. ; v. tu. t-i) to. 50 6. 50 8. 7V L. - 8. .SV 8. S«/oI0IU io <». Ze 6- 8 8. .85 8. »5 8. »S » !.ro 3. i.7S s. 8. Deutsches Reich. Ä. Berlin, 20. Februar. In der Reichstag scom- Mission für da» Bürgerliche Gesetzbuch tritt eine merkwürdige Erscheinung hervor. Während die national liberale Partei ein so lebhafte» Interesse für da» möglichst rasche Zustandekommen Ve» Gesetzbuches bekundet, daß da und dort der freilich nicht berechtigte Tadel unziemlichen Drängens laut geworden ist, wetteifert der vyn ihr in die Commission entsandte Abg. Professor vr. EnnecceruS mit demSocialdrmokraten Frobme, einem grundsätzlichen Gegner ve» Gesetzes, in der Production und zähen Vertbeidigung aussichtsloser, darum aber nicht minder zeitverschleppender Abänderungsanträge. Es ist verwunderlich, daß dies geschieht, denn Prof. EnnecceruS hat in einem lichtvollen Vortrag über das Gesetzbuch, den er am 9. d. M. in Hannover hielt, eine in der CommissionSberathung etwa sich breitmachendr Juristenbefferwifferei antecipando verurtheilt. Noch ver- 8. 6 8. 8. 6. > 8. 8- > 8. ear.S? - ' 8. l. v I. 0 t.V. Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Natljes nnd Nokizei-Amtes der Ltadt Leipzig. in,«. >s r StUelr tlaxk 0 L >2 — S. 5 v. .80 8. « 8. KL lv s. o 8 0 8. 7.7» 8. S Bezugs-Preis En h« tzauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich^ 4.50, bA poeimaliaer täglicher Zustellung in» Hin» 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland vad Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Dirrctr täglich« Krruzbandiendung AÜ LuSland: monatlich ^s 7.50. Fast gleichzeitig mit der vorstehenden Ausführung und dem ihr folgenden Berichte erscheint in dem Organe des Fürsten Biümarck ein Leitartikel unter der Ueberschrift: -Zur Behandlung der Socialdemokratie." Er geht nicht von der sächsischen Wahlgesetz-Vorlage, sondern von einer ReichStagSrede des Abgeordneten von Stumm aus, verdient aber trotzdem in Sachsen besondere Beachtung, weil er beweist, daß Fürst Bismarck, der als Politiker und Paterlandsfreund sich sicherlich mit Allen messen kann, die vor der Annahme der Reform-Vorlage warnen zu müssen glauben, in seinen Vorschlägen zur Be kämpfung der Umsturzpartei ungleich weiter gebt als diese Vorlage, und trotzdem von diesen Vorschlägen keine nachthei ligen, sondern im Gegentheil segensreiche Folgen erwartet. Es heißt in diesem Artikel, der die statistische Feststellung aller socialdemokratischen Elemente und ihren Ausschluß vom activen und passiven Wahlrechte befürwortet: „Es hat nicht in unserer Absicht gelegen, einen Putsch der Socialdemokratie zu provociren und dann bis an die Knöchel im Blute zu waten. Wir rathen überhaupt nicht zur Aggression gegen die socialrevolutionäre Bewegung, sondern nur zurDesensive gegenüber einem zweifellos vorhandenen Angriffe. Unsere Auffassung der Beziehungen des Staates zu den Social demokraten gründet sich lediglich auf die Nothwendigkeit der Abwehr, ganz ähnlich wie dies bezüglich der preußischen Unter- thanen der Fall ist, welche polnische oder dänische Secession erstreben. Wir erblicken in ihnen, einerlei ob ihnen der Ausdruck gefällt oder nicht, Reichsfeinde, die ihren politischen Beruf in der Bekämpfung unserer staatlichen Einrichtungen, wie sie einmal sind, suchen und finden. Wir wollen nicht einmal das socialdemokratische Geschwür aufschneiden: wir wollen es höchstens unterbinden, unblutig, und glauben auch nicht, daß Putsche daraus entstehen würden, wenn der Staat, wie wir das vorgeschlagen haben, auf die Mit wirkung seiner socialdemokratischen Angehörigen inder Gesetzgebung und in der Verwaltung verzichtete. Die Socialdemokratie kommt durch diese Mitwirkung in eine un natürliche Lage, sie wird durch unsere Gesetzgebung zur activen Mit arbeit au der Staatsmaschine genöthigt, die sie ihrerseits für fehler haft construirt hält und abschaffen will. Wenn diese Aussafsung nicht von allen staatserhaltenden Politikern getheilt wird, so liegt daS zum Theil wohl daran, daß es vielen von ihnen auch ihrerseits mit der „Staatserhaltung" nicht so ernst ist, wie sie sich den Anschein gebe», und daran, daß einzelne Fractionen für ihre Sonderintcresjen in der socialdrmokratischen Wählerschaft Hilsstruppen finden, auf die sie nicht verzichten mögen. Auf uns macht die Existenz der socialdemo- kratijchen Partei im Reichstage immer den Eindruck des trojani schen Pferdes, da- hinein geschafft ist, um die Stadt zu verderben. Man wird uns deswegen mit Laokoon vergleichen, aber Laokoon hatte Recht. Ls ist doch kein Zweifel, daß die Socialdemokratie den Umsturz alles Bestehenden erstrebt; aus welchem Wege ist gleichgiltlg. Wäre derSocialismus berge, bildeten Stände und das Bedürfnis, nach eventueller Wahlhilfe durch die Socialdemokratie nicht im Spiele, so glauben wir, die Mehrheit unserer Mitbürger wäre längst zur Ueberzeugung gebracht worden, daß bei dem politischen Baue, den das Parlament aussührt, die Mitarbeit solcher Elemente, welche die demnächslige Zerstörung eben Liese» Baues zum offenbaren Programm haben, unzweckmäßig ist. Es liegt uns fern, die Sanirung des ungesunden Systems, unter dem wir arbeiten, auf gcwaltthätigem und blutigem Wege zu er streben; wir halten sie für erreichbar auf dem Wege der Verwal- tung und der Gesetzgebung, wenn die erstere nur damit be ginnen wollt«, nach Maßgabe der Genauigkeit, die das vorhandene Material bietet, durch amtliche Listen in jeder Gemeinde fcstzuslellen, welche Mitglieder derselben Socialdemokraten sind oder doch wenig stens sich als solche offen und zweifellos bekennen." Wenn Fürst Bismarck noch Reichskanzler wäre, so würde der deutsche Reichstag jedenfalls gar bald mit einem diesen Ausführungen entsprechenden Gesetzentwürfe sich zu beschäftigen haben. Welche Ausnahme dieser fände, brauchen wir nicht zu untersuchen; wahrscheinlich aber würde die Autorität des Fürsten für Viele genügen, um den Entwurf wenigstens der ernstesten Prüfung für Werth zu erachten und ihn vor dem Vorwurfe eines au» klemberziger Furcht unter nommenen Versuches der Entrechtung breiter Volksschichten zu schützen. Umsomehr sollten Alle, für welche die Autorität des größten Staatsmannes unsere» Jahrhunderts nicht blos eine Phrase zur Erhöhung de» eigenen Ansehens ist, eS für ihre Pflicht erkennen, die höchst maßvolle sächsische Wahlgesetz- Vorlage mit ruhiger Objektivität zu prüfen und ihr die Anerkennung nicht zu verweigern, daß sie nur ein Minimum dessen erstrebt, was der getreue Eckart des deutschen Volkes für berechtigt und nothwendig hält. neigt. Und diese Stimmung dürfte dann die ihr gebührende Berücksichtigung finden. Inzwischen muß von der Revi sion der einzelnen Gesetze, wie sie vor längerer Zeit in Aussicht genommen war, sowie von der Ausführung des Planes, die Unfall- sowie die Jnvaliditäts- und Alters versicherung nach dem Muster der Krankenversicherungsnovelle obne Berührung der Grundlagen und nur unter Abänderung der Einzelheiten umzngestalten, Abstand genommen werten. Schwerlich ist auch anzuuehmen, daß diese Frage nock wäh rend der laufenden Tagung dcS Reichstags entschieden oder daß die Entscheidung während desselben Zeitraumes schon praktische Conseguenzen haben wird. V. Berlin, 20. Februar. (Telegramm.) Der Kaiser nahm, der „N. A. Z." zufolge, heute Nachmittag im Reichs kanzler-Palais einen längeren Vortrag des Reichskanzlers entgegen. V. Berlin, 20. Februar. (Telegramm.) Der Kaiser ist gestern Abend 7 Uhr 35 Min. aus HubertuSstock wohl behalten hier wieder eingetrosfen nnd fuhr vom Stettiner Bahnhöfe nach dem hiesigen Schlosse, wo bald darauf die Abenttafel slattsand. Nach derselben begaben sich der Kaiser und die Kaiserin nach dem Bahnhofe Friedrichstraße, uni daselbst die Großfürstin Constantin von Rußland, welche um 8 Uhr 28 Minuten in Berlin eingetrosfen war, zu begrüßen. Da die Großfürstin sich nicht ganz wohl fühlte, so unterblieb das gemeinsckastliche Souper in den KönigSzimmcrn des Bahnhofes. Heute Vormittag unternahmen der Kaiser und die Kaiserin den gewohnten Spaziergang durch den Tbiergartcn. Nack dem Schlosse zurückgekehrt, empfing der Kaiser den Kriegsminister Bronsart von Schellendorff zum Vorträge und arbeitete darauf längere Zeit mit dem General-Adjutanten von Habnke. Zur Früh stückstafel, welche um 1^« Uhr stattfand, war der ebemalige deutsche Botschafter in Petersburg, General von Werder, geladen. Nachmittags um 4 Uhr wollte der Kaiser sich zu einem Kriegsspiele nach dem Generalstabsgebäude begeben und um 7 Uhr Abends dem Essen beim Slaatöministcr von Achenbach im Kreise der Mitglieder des Provinzial landtages der Provinz Brandenburg im Englischen Hanse beiwohnen. Abends um ll Uhr gedenkt der Kaiser vom Lehrter Bahnhofe aus die Reise nach Wilhelmshaven antreten. G Berlin, 20. Februar. (Telegramm.) Zum Streik -er Damenconfections Lchnci-cr theilt die Commission der Schneidermeister in einer Versammlung in Kellers Sälen die mit der Commission der Arbeitnehmer und der Com Mission der Confectionaire abgeschlossene lieber ein kunst mit, daß eine Lohnerhöhung von 19 <>/g bewilligt worden sei. Die Versammlung genehmigte die Vereinbarung. Die Commission der Arbeitnehmer wird in einer morgen stall findenden Versammlung die Genehmigung durch die Arbeit nehmer befürworten. K Berlin, 20. Februar. (Telegramm.) Ter Nedactenr Braun vom „Vorwärts" wurde nach seiner gestern Abcnr erfolgten Vernehmung in Sachen des Diebstahls des „Annee- VerordnungsblatteS" am 16. Januar in Hast behalten. U. Berlin, 20. Februar. (Privatte leg ramm.) Zur Srinncrungsseicr -cs Reichstags schreibt die „Nal.-Zlg." u.Ä.: - Die Verhandlungen darüber, ob ein Trinkspruch auf den Fürsten Bismarck und eventuell unter welchen Cautelen er statthaft sei, erinnern an den Pickwick-Club. Die Thätig keit des gegenwärtigen Reichstags spielt sich zu einem so er heblichen Theile im Restaurant des Hauses ab, daß das etwaige gemeinsame Wohl kaum einen wesentlichen Unter schied in dem Tagesverlauf im NeichstagS-Gebäude bedingen würde — sogar wenn die Sitzung an dem Tage ausfällt. tztz Berlin, 20. Februar. (Privattelegramm.) Gestern Abend verstarb plötzlich der langjährige Bibliothekar des Hauses der Abgeordneten, Herr Kost, und zwar unmittelbar nachdem er, vom Dienste heimkehrend, seine Wohnung be treten hatte. Foß stand im 73. Lebensjahre, seine Stellung als Bibliothekar bekleidete er seit dem Jahre 1867. — Der -entsche Bimetallistcnbund hielt gestern Abend seine Generalversammlung ab. Ter Geschäftsführer machte die betrübende Mittheilung, daß der Bund zwar zahlreiche neue Mitglieder gewonnen habe, namentlich in der Provinz Ostpreußen, daß aber die Cassenv er hält nisse viel zu wünschen übrig ließen. Der Bund arbeite mit sehr geringen Mitteln und darunter müsse naturgemäß die Agitation sehr leiden. Sie leidet wohl in erster Reihe unter ihrer Werthlosigkeitl Aus den gehaltenen Reden ist nichts bervor- zuheben. — Zum Austritt Stöcker'» au« der konservativen Partei bringt die „Couserv Corr." eine Erklärung, in der cs heißt: „Angesichts der beharrlichen Versuche, über die Ur fachen von Stöcker's Austritt aus der conservativen Partei und die dadurch geschaffene Situation Zweifel und Mißdeutungen hervorzurufen, sehen wir uns genöthigt — auS der Partei heraus dazu aufgefordert — ausdrücklich das Nachstehende zu erklären: Die Behauptung, Hofprediger Stöcker sei aus dem Elfer-AuSschusse berauSgedrängt worden, ist eine absolut unwahre. Weder die Person , Stöcker's noch dessen Socialpolitik bat in der conserva tiven Partei oder im Elfer-AuSschuß Mißstimmung erregt, sondern lediglich seine Beziehungen zu der dir conservative . Partei fortgesetzt schädigenden Zeitung „Da- Volk". Im , Interesse der Partei nicht nur, sondern auch der couserva- . tiven Sache mußte gefordert werden, daß da» Verhältniß , eines Vorstandsmitgliedes zu einem solchen Blatte in u» zweideutiger Weise gelöst werde. Ferner ist e» absolut un ' wahr, daß der Elfer-AuSschuß zu seinem Vorgehen in dieser Angelegenheit irgendwie durch Einwirkungen von außen oder Lurch „Carteüeinslüsse" bestimmt worden sei." — Auf den Antrag de» Verein« „Berliner Presse" auf Bestallung von gerichtlichen Sachverständigen für Preß- und schriftstellerische Angelegenheiten hat der Präsident des Landgericht« I, Geh. Iustizrath Angern, i unter dem 10. d. M. dem Verein-vorstande mitgrtheilt, daß jo s. »5 N. «U. -M Wunderlicher aber ist eS, daß dir in dieser Angelegenheit so i außerordentlich stark engagirte nationalliberale Fraktion ' ruhig den Vorwurf einer widerspruchsvollen Haltung gegen- s Iber dem Bürgerlichen Gesetzbuch und zugleich eine bequeme Ausrede für das Centrum beranreifeu läßt. > * Berlin, 20. Februar. Or. Lieber antwortet, wie schon 'urz vom Telegraphen angekündigt wurde, aus die bekannte . Bebauvtung des Grafen Hoensbrocck in einer langen, von der „Germania" abgedrucklen Zuschrift, der wir Nach folgendes entnehmen: , „Ich muß zunächst seststellen, daß ich in jener Versammlung gar nicht anwesend war und niemals erzählt habe, Laß eine solche Aeußerung in jener Versammlung oder etwa „als Windihorst die Rednertribüne verließ" gefallen sei. Ich babe allerdings unter Männern, deren Discretion und richtiger Auffassung bei jedem Einzelnen und für alle Zeit ich sicher zu sein glaubte und bei denen ich nach ihrer Stellung und Erziehung gegen Mißbrauch vollauf geschützt zu sein vermeinte, einst eine ähnliche Aeußerung Winbthorst's erzählt, welche dieser nach mir von ihm selbst lange Zeit nach jener Gürzenichversammlung gewordenen Mit theilung einmal gemacht habe und zwar gegenüber einer ihm nahe stehenden Dame und unter Umständen, welche über den scherz haften Lharakter der Aeußerung nicht Len mindesten Zweckel auskommen lassen konnten, ein Mißverständniß völlig aus schlossen, einen Mißbrauch undenkbar cricheinen und die als bald folgende Klarstellung als außer Frage stehend erkennen ließen. Ich habe diese Aeußerung auch lediglich weiter erzählt, um diejenige Charakterseite Winbthorst's zu illustrircn, welche es ihm ermöglichte, aber auch zum Bedürsniß machte, nach hochcrnsten Moment! n und Entscheidungen durch schall- hafte und scherzhafte, nicht selten bis zum Uebermurh, selbst bis zur Ausgelassenheit — warum soll ich diesen Ausdruck ver meiden , da er doch nur die Unerschöpflichkeit seines Ge- müthes beweist? — sich steigernde Unterhaltung die frühere Spannkraft und Beweglichkeit seines gewaltigen Geistes wieder zu gewinnen. Alle näheren Freunde Winbthorst's wissen, daß er bei ernsten Gelegenheiten durchaus und ausnahmslos ernst, ost vielleicht zu ernst war, durch alle Stadien einer trüben und selbst finsteren Stimmung hindurch. War aber die ernste Behandlung wichtiger Geschäfte zu Ende, so machte die Reaction sich fast regel mäßig durch das zwingende Bedürsniß heilerer und lustiger Unter haltung geltend. In solchen Fällen fiel häufig eine Aeußerung, welche nur unter Berücksichtigung der ;eweiligen Um- stände richtig gewürdigt werden konnte.— Nicht aber ist cs einem der Theilnehmcr an solcher Unterhaltung jemals eingefallen, eine derartige Aeußerung so mißzudeuten, daß aus ihr ans einen Charaktermangel Mndthorst's geschlossen werden könnte. Weitere Mittheilungen über jene Aeußerung Windthorsl's zu machen, verbieten mir für die jetzige Zeit die mannigfaltigsten Rücksichten. In meine „Erinnerungen" ist der ganze Fall zum Glück sehr bald nachher mit allen maßgebenden Umständen einge tragen worden, so daß eine spätere Zeit, welcher diese „Er- innerungen" übergeben werden möchten, sowohl den wahren Charakter jener Aeußerung wie die unerhörte Mißdeutung der selben , welche in den Mittheilungen des Herrn Grafen Paul Hoensbroech liegt, auch objcctiv wird erkennen können. Für die heutige Zeit muß ich in Anspruch nehmen und darf auch wohl er warten, daß so das katholische Volk wie alle ehrenwerlhen Gegner des verstorbenen Führers des Centrums auf Grund jener allen seinen Freunden und auch vielen Fernstehenden und selbst Gegnern bekannten Choraktereigenthümlichkeiten vertrauen, daß ein Windthorst unfähig war, in einer scherzhaften Aeußerung gegenüber einer Dame sich selbst ernsthaft der Lüge zu zeihen mit Bezug auf eine Rede, welche für ihn wohl die schwerste Entscheidung seines Lebens be deutete, welche politisch vielleicht seine bedeutendste Leistung war, und in welcher auch der begabteste Spürer nichts finden wird, was „gelogen" sein ko nie." Gleichzeitig mit Herrn vr. Lieber hat der frühere Reichstags abgeordnete Racks Windtborst'S sich angenommen, aber nicht in der „Germania", sondern in der „Köln. Volksztg.". Herr Racks versichert, daß die Aeußerung überhaupt nicht ge fallen sei. Er schreibt: „Ich war damals Präsident dieser Versammlung und geleitete Windtvorst sowohl auf die Tribüne wie auch nach der Rede von der Tribüne herab, und da ich unmittelbar Windthorst zur Seite stand, habe ich jedes Wort vernommen, das derselbe gesprochen. Ich erkläre nun aus das Allerbestimmteste, daß Windthorst einen solchen Ausspruch oder einen ähnlichen nicht gethan hat. Windthorst war damals, wie Jeder, der ihn an dem betreffenden Tage geiehen und gesprochen hat, bestätigen kann, jo ernst, wie ich ihn wenigstens ernster im Leben niemals gesehen habe. In einer solchen Stimmung ist man zu Frivolitäten überhaupt nicht aufgelegt. Ich kann aber auch außerdem Wort für Wort wieder- holen, was damals Windlhorst thalsächlich geiagt hat. Auf meine nnd anderer Herren Glückwünsche hin wiederholte zunächst Mindt- horst die in seiner Rede gebrauchten Worte: „Von den Feinden niemals besiegt, von den Freunden verlassen" und knüpfte daran die Frage: „Glauben Sie, daß man mich (d. h. diese Worte) ver- standen hat?" Das war es, was Windhoest am Fuße der Redner tribüne damals gesprochen hat und nichts Anderes." Daß die fragliche Aeußerung tbatsächlich gefallen ist, steht nach der obigen Erklärung vr. Lieber'S außer Zweifel — trotz der Behauptung des Herrn Racks. In welchem Sinne die fragliche Aeußerung gefallen ist, steht dagegen noch nicht außer Zweifel — trotz der Erklärung des Herren Iw. Lieber. H Berlin, 20. Februar. Wenn gegenwärtig Mittbeilungen über die ins Auge gefaßten Aenderungen deS Invalidi tät«-und Altersversicherungsgesetze« durch «inen Tbeil der Presse gehen, so wird man darau« nickt schließen dürfen, daß nunmehr schon die Frage der weiteren Reform der Arbeiter versicherung entschieden und die Revision der einzelnen Gesetze nach dem Muster der KrankenverfickerungSnoveÜe in Aussicht genommen sei. Es ist wahrscheinlich, daß die JnvaliditatS- nnd Altersversickerung in naher Zeit an denjenigen Puncten, wo die Mißstände allzu arg sind, eine Umgestaltung erfahren wird, im Uebrigen aber siebt die Frage der Reform der Arbeiter versicherung nock so, wie zur Zeit der Conserenz im Reichs amte des Innern am Ende de« vorigen Jahre-, d. b. man wird zunächst nöch weiter erwägen, ob eine anck die Grund lagen der Gesetze berührende Revision zweckmäßig und durch führbar ist. Selbstverständlich wird es von Nutzen sein, wenn diese Erwägungen sich nicht bloS auf dir Regierung«- kreise beschränken, sondern wenn alle Kreise, die an Len Ver sicherungsfragen interessirt sind, fick mit der Lösung der in . Rede stehenden Aufgabe beschäftigen. Einzelne industrielle Kreise haben, wie unS mitgetheilt wird, damit bereit« den Anfang gemacht. Jedoch, erst wenn aus den weitesten Bc- l völkerungSschichtcn Urtheile abgegeben sind, wird man erkennen - können, nach welcher Seite die Stimmung im Lande sich »r tlttlek rkai it 0 6. »Ite:- ; 6. tlsnvu. d,ö. 8 Jur Wahlgesetz-Vorlage. ' D<r «naer« Vorstand des nationalliberalen Verein» für da» Königreich Sachsen übersendet den Vereins-Mitgliedern einen eingehenden Bericht über die außerordentliche Generalversammlung vom 9. Februar d. I., in der die Wahlgesetz-Vorlage beratben wurde. Dem Be richte, dem der deS „Leipz. Tagebl." zu Grunde liegt, sind die folgenden beherzigenSwerthen Ausführungen vorausgeschickt: „Wir stehen vor einer hochbedeutsamen Wendung unseres politischen Leben«, die noch vor ihrem Eintritt zu mancherlei Mißverständnissen und Mißdeutungen Anlaß gegeben hat. Diese auszuklären, die erregten Gemütber zu beruhigen, den festen Zusammenhalt der Partei zu sichern, war der Zweck der Versammlung. Dem gleichen Zwecke soll die Versendung des gegenwärtigen Berichte« dienen. Seit im Jahr l877 zuerst ein Führer der Social demokratie seinen Einzug in die H. Kammer gehalten hatte, ist im Verlauf von anderthalb Jahrzehnten die Zahl der Ab geordneten au» dieser Partei auf 14 angewachsen. Wenn die letzten Wahlen keine Vermehrung ergeben haben, so ist doch die Zahl der socialdrmokratischen Stimmen wieder gestiegen. Die Partei selbst rübmt sich, die Mehrheit der Wähler im ganzen Lande zu besitzen, und zweifellos würde, wenn man den Dingen sorglos ihren Lauf ließe, in absehbarer Zeit ibre Vertretung im Landtage so stark sein, daß auf verfassungs mäßigem Wege der Gefahr nicht mehr beizukommen wäre. Diese Entwickelung stebt in schroffem Widerspruch zu den Absichten, welche der Gesetzgeber mit dem Wahlgesetz von 1?68 verfolgt hat; sie ist nur dadurch möglich geworden, daß lhecks dir veränderte Steuergesetzgebung, theils das starke Sinken de« Gcldwertbe« der in dem Census aufgerichteten Schranke ihre ursprüngliche Bedeutung genommen und sie nachgerade fast beseitigt haben. Mit Ausnahme der 14 socialdemokratifchen Stimmen hat denn auch die II. Kammer durch den Beschluß vom 10. De- cember v. I. einmüthig anerkannt, daß es so nicht weiter gehen kann. In dieser Erkenntnis; war auch die neuliche Versammlung nahezu einmüthig. Aber auch über den Weg zur Abhilfe ist die überwiegende Mehrheit der Abgeordneten mit der Regierung einig: Ab stufung de« Wahlrechts nach der directen Steuerleistung in der Art de- preußischen DrriclassensystemS, jedoch mit den durch die Erfahrung gebotenen Verbesserungen. Diese« System entspricht freilich nicht den gewohnten liberalen Anschauungen, und hätte eia anderer einigermaßen sicherer Weg gezeigt werden können, so würde man ihn gern betreten haben; allein da« war nicht der Fall, insbesondere mußte der Ge danke an Errichtung eines höheren Census als ungerecht von vorn herein verworfen werben. So viel auch das preußische System geschmäht worden ist, so hat doch an dessen Abschaffung weder ein preußischer Staatsmann, noch eine der staatserhaltenden Parteien jemals gedacht. Der große StaatSrechtSlehrer Gneist, ein hervor ragender Führer unserer Partei, dem eine überaus reiche parlamentarische Erfahrung zur Seite stand, hat unS gleichsam al« Vermächtiniß ein vortreffliches Buch*) hinter lassen, in welckem er zeigt, daß die Abstufung nach der Steuerleistung, und zwar in der Zusammenfassung nach Gemeinden, als den natürlichen Gliedern de« StaatS- organismuS, der germanischen Auffassung vom Wesen des Staate» entspricht und daß sie geeignet ist, das Schwer gewicht au die richtige Stelle zu legen: in die breiten Mittelstände, die das Rückgrat de» Staate» bilden und auf denen auch di« persönlichen Leistungen für den Staat vorzugsweise ruhen. Er halt da» preußische Gesetz der Verbesserung für bedürftig, das System selbst aber ver- theidigt er gegen alle Anfechtungen; und die gegenwärtige Vorlage unserer Regierung, die ja noch einer sorgfältigen Prüfung unterzogen werden soll, paßt sich im Wesentlichen seinen Verbesserungs-Vorschlägen an. Indem wir im Uebrigen auf den Bericht verweisen, möchten wir an dieser Stelle nur noch der Meinung ent gegentreten, al» ob eS den Angehörigen der 3. Abtheilung niemals gelingen könne, ihre Anschauungen zur Geltung zu bringen. Wie sich bei den Leipziger Stadtverordneten-Wahlen gezeigt hat, sind die beiden anderen Abtheilungen durchaus geneigt, tüchtige Kräfte aus der 3. Abtheilung durch ihre Wahl in das Collegium zu bringen. Ebenso werden bei den künftigen Landtagswahlen verständige Wahlmänner au« der 3. Abtheilung bei den beiden anderen Abtheilungen Gehör finden, und an vielen Orten wird die 2. Abtheilung, die nicht selten bi» zu einem Steuersätze von etwa 7 oder 8 .L herabreickt, eher bei der 3., als bei der 1. Abtheilung An schluß suchen. Pik socialdrmokratischen Agitatoren haben, wie sich er warten ließ, die Gelegenheit weidlich benutzt, um aufs Neue Haß und Erbitterung zu erregen. Von unseren Partei genoffen aber dürfen wir erwarten, daß sie sich nickt durch Schlagworte blenden lasten, sondern die Sache selbst ruhig prüfen. Noch ist es Zeit, mit VerbesserungSvorscklägen hervorzutreten — daß die Wabl eine- anderen Systems nach Lage der Sache nicht möglich war, haben die seitherigen Erörterungen wohl zur Genüge ergeben. Die Befürchtung, daß da» neue Wahlgesetz der social politisches Arbeit hemmend in den Weg treten werde, können wir nicht theilen. Wir glauben im Gegentheil, daß dieser Arbeit auf die Dauer die Einschränkung der aufreizenden Thätigkrit der socialdemokratischen Agitatoren nur zu Gute kommen werde. Und wie wir selber nach wie vor willen« sind, auf dem Gebiete der Socialpolitik nach Kräften mit zuarbeiten, so dürfen wir die» auch von unseren Gesinnungs genosten im Land erwarten. Dem Gesetze selbst gegenüber liegt un- ob, dafür zu wirken, daß es in dem Sinne gehandhabt werde, in dem es gegeben wird: ein friedliches und gedeihliches Fort schreiten der Gesetzgebung und Verwaltung unsere« *) Li« nationale Recht-Idee von den Ständen und das preußische Dveielaffensystem. Lin« foeial-htstortsche Studie von Rudolf von «aeift. Berlin 1894. — L 50 L 10 tt. — 6. — L. — 8 vliaNv» — — 3 l 8. ) <L r 6. 7 8. r u. - o. l>». «sr- 0 ». 8L . -». o 8. 0 6. 2 8. 0 de « d»
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