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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeranon»- PreiS 22j Sgr. (f Thlr.) viertelicihrlich, Z Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. für die Man prönumerirt auf dieser Rnklatt der AUg. Pr. Staats- Zeitung in Berlin in der Ekpeditio» (Mohren-Straße Nr. Z4); in der Provinz so wie im Ausland« bei den Wohllöbl. Poü-Aemtern. Literatur des Auslandes. Berlin, Montag den 8. Mai 1837 Frankreich. Geschichte und gegenwärtiger Standpunkt der Zoologie. Bon Isidore Geoffroy Saini-Hilaire. Mögen wir die Zoologie in ihrer großen harmonischen Einheit be- trachten, oder mögen wir vor uns die lange Reihe ihrer verschiedenen Verzweigungen entfallen, sie wird uns immer als eine Wissenschaft er scheinen, die gleich unermeßlich wegen der Zahl und der Mannigfaltig keit sowohl der Dinge, die zu ihrem Gebiete gehören, als der darin noch zu lösenden Probleme genannt werden muß. Es kann hier unsere Absicht nicht seyn, aus die lange Bahn dieser Wissenschaft bis zu ihrer Wiege zurückzugcbcn und rin vollkommenes Gemälde ihrer Entwickelung und ihres Fortschritts zu geben; aber wir wollen wenigstens versuchen, in genauen Umrissen die siegreichen Anstrengungen darzustellcn, durch welche es gelungen ist, den Schleier so vieler Mysterien der animali schen Schöpfungen zu lüften und den Mitteln zu noch kühneren und schöneren Enthüllungen auf die Spur zu kommen. In der Mitte der vielen wechselnden Schicksale, denen die Zoologie auf ihrem nicht immer mil gleichem Fortschritte begleiteten Gange nnterworsen war, lassen sich vorzüglich drei Perioden auSzeichnen. Die Periode schwacher Versuche darf man die erste nennen. Bei der modernen Welt ist der Name eines Weisen von dem Namen eines Gelehrten verschieden, und es giebt Biele, die das hetzte sind, ohne auch auf den Rus des Ersteren eifersüchtig zu seyn; im Aller- ihuin hingegen war der Gelehrte und der Weise in einer Person ge dacht. Der Weise umfaßte in der Thätigkeit seines Geistes alle Er scheinungen der äußeren und inneren Welt, er mußte Meister in der Heilkunde wie in der Eesctzkunde, in der Gölterkundc wie in der Na turkunde seyn. Kindliche Neugierde führte den Menschen auf alle Richtungen, Thatsachen zu sammeln und nach ihren Gründen zu fra gen. Aber an Analyse der Phänomene dachte man nicht; man freute "sich nur an ihrem Dascvn, beschaute sie mit den wundersamen Augen der beflügelten Einbildungskraft, aber der Geist ging an Belehrung und Wahrheit leer auS; die Poesie staunte sie an und besang sie, aber die Wissenschaft in ihrer bestimmten und ernsten Sprache zog keine Schlüffe daraus. Die Periode der Analyse ist dir zweite. Das Tbierreich öff nete sich von jetzt an schon der sorgfältigen Beobachtung, und schon sehen wir Forscher-Arbeiten von einer bisher unbekannten Genauigkeit. Seit dieser Zeit tritt auch die Zoologie in den Rang einer bestimmten, für sich hochwichtigen Wissenschaft. Nicht etwa, daß schon an geistige Ausbildung von Systemen in ihr gedacht werden konnte, sondern man bereicherte sie mit Sammlungen von Lhatsachen, die nach vielen Seilen hin schon wohl untersucht, die in ihre Details aufgelöst und im Zusam menhang verstanden waren; kurz, man batte eine feste, dauerhafte Grundlage für den fortschreitenden Fleiß künftiger Zoologen und balle schon eine weile Bahn für unermeßliche Entdeckungen. Die Periode der Entdeckungen, welche die drille ist, bat jener zweiten zwar Manche« zu verdanken, aber jeder Tag derselben zeichnet sich durch die Zahl wie durch die Wichtigkeit chrer Fortschritte aus. Sic hat die reiche Erbschaft von Thatsachen, die ihre Vorgän gerin hinterließ, nicht bloß eingestrichen und damit ihre Bedürfnisse be stritten, nein, sie hat sie,n de» nützlichsten und für das Menschenge schlecht wohllhäligsten Zwecken verwendet. Durch die angehäuslen Sammlungen von Thatsachen wurde es nicht bloß möglich, sondern bringend nölhig, einen inneren Zusammenhang der Verhältnisse zu suchen und nach allgemeinen Gesetzen zu forschen. Die Wissenschaften waren bisher durch Vereinzelung geschieden, das Studium besonderer Thatsachen batte Schranke» zwischen Wissenschaft und Wissenschaft ge- sttckt; jetzt sielen die Schranken vor der Entdeckung der großen allgemei nen Naturgesetze, und die getrennten Erkenntnisse stellten sich bem über raschten Auge als die brüderlichen Zweige de« großen Nalurbaum« der Erkenntniß dar. Vermischung der Kennlniffk und der Thatsachen ist also der Eharakler der ersten, Isolirung der Zoologie und Analyse der Thatsachen der Eharakler der zweiten, Verbindung der Zoologie mit anderen Wissenschaften und Verallgemeinerung der Thatsachen durch die ewigen Naturgesetze ist der Charakter der dritten Periode. Die Genest«, diese« gehcimnißvollc Denkmal vom Ursprünge der Erde und ihrer Bewohner, führt uns Adam vor, der kaum unter den Händen Gotte« hervorgegangen ist, selbst noch nicht« vom Daseyn de« Weibe« weiß, wie er beschäftigt ist, „die Thiere der Erde und die Geflügel de« Himmel«" mit Namen zu bezeichnen; „und bie Namen, welche er ihnen gab", sagt die heilige Schrift, „sind die wahren Namen." Wir würden also zu sagen berechtigt sevn, daß der erste Mensch auch der erste Zoologe war, und daß die Zoologie nicht bloß älter al« alle andere Wissenschaften ist, sondern daß sie noch der Beendigung der Schöpfung de« Menschengeschlecht« vorangebt. In dem ältesten Zeitalter, wohin ein Schimmer der beglaubigten Geschichte dringt, finden wir schon die Zoologie, wenn auch nicht in der Gestalt einer Wissenschaft, doch so wie die vorzüglichsten Erkennt nisse bearbeitet. Bei den Aegyptern und anderen in Kasten einge- iheillen Völkern war immer eine dieser Kasten im ausschließlichen Besitze der Schrift, der Kenntnisse und der freien Künste. Der Priester ist nicht bloß Diener und Verkündiger der Religion, er ist auch der bevor rechtete Philosoph, Schriftkundige, Gesetzeskundige und sogar bevorrech teter Heilkundige. Die Besugniß, zu wissen und davon Gebrauch zu machen, ist eine seiner Prärogativen, die er mil der eifersüchtigsten Verheimlichung bewacht. Den ganzen Schatz der menschlichen Kennt nisse hält er in seinem Tempel verschlossen, und nur er und sein Golt haben den Schlüssel. Seine geheimen Wissenschaften und Künste müssen die Ehrfurcht für seine Religion vermehren, daher ist das Ge- heimniß ihre vorzügliche Kraft. Dem serngehallcncn Volke offenbart er nur schwache, unter der Hülle der Allegorie Hervorkommente Winke, die man wohl verehren muß, aber begreifen zu wollen nicht wagen darf. Was die Zoologie bei dieser Priesterbcrrschast war, ob man in dieser Halbdunkeln Epoche Beobachtungen gesammelt bat, und wie viele, da« wird wohl schwerlich zu ermitteln seyn. Selbst nach den Entdeckungen Champollion'S, Thoma« Houng'S und Anderer, wird keiner ernstlich wa gen, den Schleier der Aegvplischen Weisheit und Wissenschaft lüsten zu wollen, da den Aegyptern selbst nicht vergönnt war, ibn zu lüften. Vermuihuugen, die eine» Grad von Wahrscheinlichkeit in sich enthalten, sind Alles, wa« wir nach äOW Jahren von dem Volke der Hieroglyphen erwarten dürfen. Doch für die Geschichte der Zoologie reichen die Vcrmuthuugen vollkommen au«. Der Umfang Le« Acgvplischen Lande«, seine Nachbarschaft mit der großen Wüste, die Schwierigkeit, durch ein so heiße« Land ohne den Beistand von Hausihieren zu reisen, die große Anzahl von gefährlichen Thiercn, welche Aegypten gleich dem übrigen Afrika bervorbringt, die Menge von Fischarten, von denen der Nilflrom wimmelt, und dir Menge von Reptilien, die an seinem Ufer leben und die durch die jährlich sich wiederholenden Ueberschwemmungen de« Stro me« nach allen Richtungen des Landes geführt werden, alle diese Um stände luden den Aegypter einerseits ein und zwangen ihn auf der an deren Seite, sich Kennlniß von den Thieren zu verschaffen, die ihm tbeil« höchst nützlich, tbeil« höchst gefährlich waren, und Beobachtungen über die Natur derselben anzustcllen. Der Opfcrpriestcr hat auch wahr scheinlich Kunde von den Eigenschaste» der lebendigen Thiere und ihres Fleisches haben muffen, damit er bei der Auswahl zu Schlachtopsern seinem Gotte kein unreine« Thier und sich nicht den schlechtesten Biffen zuführtc. Das Ovsersysteni der Hebräer, das sie von Aegypten milge- brachl,^und das in ihrer Religion einen so hohen Rang und im Pen tateuch einen so große» Raum einnimmt, zeigt durch die dabei gegebe nen Vorschriften über die reinen opscrbaren und unreinen vom Altar ausgeschlossenen Thiere sehr deutlich, daß der Aegyptischc Priester mit der Natur des Thiere« nicht unbekannt seyn durste. Die Hieroglyphen selbst bezeugen, daß der Aegvptcr die LandeSthiere wobl gekannt Hal. Auf den noch vorhandenen zahlreichen Monumenten sind sehr viele Thiere aller Art abgebildet und fast immer mit einer überraschenden Eerfinnlichung der Eigenschaften de« bezeichneten Thiere«. Zu allen diesen Gründen für die Beschäftigung der Aegypter mit der Kennlniß der Thiere kommt endlich da« ausdrückliche Zeugniß Herodol'S in feiner Beschreibung de« Leben« und Lande« der Aegvptcr. Von Aegypten gingen die meisten alten Kolonieen au«, besonder« die, welche Griechenland bevölkerten; wir wollen auch den Weg des Inacho« und so vieler anderer Stammväter wählen und von Aegypten gleich nach Griechenland übergeben. Gall in dem rälhselhasten Nil-Thale der Priester Alle«, so war in dem schönen Hellenenlande der Phi losoph mil weniger Einschränkung Alle« zusammen. Thale«, Pvthago- ra«, Demokril und alle alte Philosophen waren zugleich Physiker, Astronomen, Sitlenlehrer u. s. w. Bei dieser nothwendigen encyklopä- dischen TbLligkeit, und da die Beschalfenbeil de« Lande« dir Kennlniß der Thierwell nicht, wie in Aegypten, bedingte, mochte der Weise für die Naturgeschichte im Ganzen wenig Muße und wenig Dank haben, und da« alte Griechenland wäre von der Ebre der Theilnahme an der Be förderung dieser Wissenschaft ausgeschlossen geblieben, wären nicht die für allen Verlust entschädigenden Männer, Aristoteles und Theophrast, auf seinem Boden geboren. Zuerst von Letzterem. Theophrast war Freund de« Aristoteles, sein Mitschüler bei Plato und de« Lehrer« wie