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ll Inserate werden bis Bormittag 11 Uür angenom- ! ü men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile H oder derm Raum 1S Pf. j und Tageblatt. Amtsblatt für die kömglicheu md städtischen Behörden zn Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur: Iulius Brasu in Freiberg ,/» /»/x II Erscheint jeden WochentagNachmiü. '/,üUhr für den II 2ahr,a»g. I 60. Dienstag, den IS. März. Tagesschau. Freiberg, den 14. März. Das deutsche Kaiserpaar fuhr vorgestern Mittag mittelst Sonderzuges nach Potsdam, um der Tauffrierlichkeit bei dem Prinzen und der Prinzessin Wilhelm von Preußen beizu. wohnen. AuS derselben Veranlassung waren auch die kron- prinzlichen Herrschaften und die anderen zur Zeit in Berlin «nwesenden Mitglieder der preußischen KönigSfamilie nach Potsdam gefahren. Die Taufe des jüngsten SohneS des Prinzen und der Prinzessin Wilhelm fand Sonnabend Mittag um 1 Uhr im Potsdamer Stadtschlofse statt. Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin, sämmtliche Prinzen und Prinzessinnen des preußischen Königshauses, die zur Feier lichkeit ringetrofsenen Fürstlichkeiten, ferner die obersten Hof» und Ober-Hof Chargen, General Feldmarschall Graf Moltke, die Generale Graf v. d. Goltz, v. Pape, v. Werder, v. Albedyll, Gras Lehndorff, Graf Waldersr«, v. Winterfeld I., v. Caprivi, v. Versen, v. Wißmann, die Minister v. Puttkamer, Maybach, vr. LuciuS, vr. Friedberg, v. Bötticher, vr. v. Goßler, vr. v. Scholz, General Bronsart v. Schellendorff, sowie die landsässigen Fürstlichkeiten wohnten der heiligen Handlung bei. Die Pathen waren: Prinz Heinrich von Preußen, Prinzessin Louise von Großbritannien und Irland, Herzog und Herzogin von Sachsen-Altenburg, Herzog und Herzogin von Anhalt- Dessau, Erzherzog Albrecht von Oesterreich, Großfürst Nikolaus von Rußland, der Prinz-Regent Luitpold v. Baiern, Herzog Ernst Günther zu Schleswig - Holstein, Erbprinz und Erb- prmzessm Reuß j. L. Den Taufakt vollzog der Oberhof, und Domprediger vr. Kögel. Derselbe legte der Taufrede die Textworte zu Grunde: »Ich will Dich segnen und Du sollst ein Segen sein." Der neugeborene Prinz erhielt die Namen: August, Wilhelm, Heinrich, Günther, Victor. Nach der Taufhandlung sand eine Cour und sodann ein VHeünor slinatoiro statt. Das deutsche Kaiserpaar kehrte bereits Sonnabend Nachmittag wieder nach Berlin zurück. — Gestern Mittag fand bei den Majestäten im Palais ein Gottesdienst statt, dem die zur Zeit in Berlin und m Potsdam anwesenden fürstlichen Herrschaften sämmtlich beiwohnten. — Der Kaiser bewilligte zu den Kosten der Wiederherstellung der St. Marien-Domkirche in Köslin «in Gnadengeschenk dis zum Betrage von 50 9S0 Mark. — Augenblicklich macht dem Hofmarfchallamt in Berlin eine siirstliche Wohnungsnoth viel zu schaffen. Im Berliner kgl. Schlöffe werden für die Zeit der bevorstehenden Feste wohnen: da- sächsische KöntgSpaar, der bairische Prinz-Regent, der Kronprinz von Oesterreich, die Großherzogin Wittwe von Mecklenburg, als die einzige Schwester des Kaisers, wahr scheinlich auch die Vertreter des württembergischen Königs hauses und die schwedischen kronprinzlichen Herrschaften. In den Elisabeth-Kammern, der ehemaligen Friedrich Karl'schen Wohnung, den Prunkgemächern Friedrich Wilhelm IV., den sogenanntm Braunschweigischen Kammern, werden die ge nannten Herrschaften zeitweilig residiren. Im kaiserlichen Palais Unter den Linden werden der Großherzog und die Großherzogin von Baden, sowie das erbgroßherzogliche Paar wohnen; Letzteres im niederländischen, jetzt mit dem kaiser lichen vereinigten Palais. Beim deutschen Kronprinzen zu Gaste weilen der Prinz von Wales sowie derHerzog von Koburg. Prinzeß Friedrich Karl hat die oldenburgischen Herrschaften ausge nommen, während die mecklenburgischen im Palais des Prinzen Albrecht Unterkunft finden dürften. Die russischen Großfürsten beziehen Räume im ersten Stock der russischen Botschaft. Fenier liefert das Marstallamt für sämmtliche in Berlin an wesenden Fürstlichkeiten die erforderlichen Hofwagen und Diener, während für das Gefolge eine große Anzahl von Mielhsfuhrwerken eingestellt weroen muß. Außer dem' hat das Hofmarschallamt im Hotel de Rome und Hotel du Nord so viele Wohnungen mit Be schlag belegt, als etwa nothwendig sein werden. — Eine genaue Prüfung der Abstimmung des deutschen Reichs- tages über die Septennatsvorlage hat ergeben, daß von 236 preußischen Reichstagsabgeordneten nur 130, also nicht viel über die Hälfte, für das Gesetz stimmten. Von den 48 bai rischen stimmten 15 mit Ja, von den 23 sächsischen 22, don den 17 württembergischen 14, von den 9 hessischen 6, ferner sämmtliche 14 Badener, alle Braunschweiger, Mecklen burger und die ganz überwiegende Mehrzahl der Abgeordneten aus den kleinen Staaten. Es zeigte sich dabei wieder, daß die großen nationalen Fragen aus den mittleren und kleinen Bundesstaaten eine sehr werthvolle Unterstützung empfangen. — Die „Nordd. Allg. Ztg." weist anläßlich eines mit der Aufschrift „Frieden" versehenen Artikels darauf hin, daß der Papst in seinen, das Septennat betreffenden Erlässen an die Zentrumspartei und Kaiser Wilhelm in seiner Thronrede fast l gleichzeitig Kundgebungen des Friedens machten. Wenn der Artikel des römischen Blattes daS Ansehen beider hohen Per sönlichkeiten in der ganzen Welt betone, dränge sich aber un- willkürlich der Zweifel aus» ob das Ansehen des Papstes in Deutschland überall die gleiche Stärke, wie in der übrigen civilisirten Welt habe. DaS Bestreben des Vatikans, den Frieden nach innen und außen zu sichern, habe zwar in der kaiserlichen Thronrede den Ausdruck des Dankes hervorgerufrn, sei aber nicht von Denen unterstützt worden, welche zuerst be rufen schienen, dem päpstlichen Wunsche auf Erhaltung de» Friedens Gehorsam zu leisten. DaS Zentrum hab«, indem es im Reichstage unter der bekannten welfilchen Führung gegen daS Srptennat agitirte, der Welt daS Schauspiel gegeben, daß, während der Papst den Frieden wollte, das Zentrum den Krieg förderte. — Nach dieser offiziösen Auffassung zu urtheilcn, ist die von dem klerikalen Herrn von Franckenstrin nachgesuchte Unterredung mit dem Reichskanzler, welche bereits am Donnerstag stattgefunden, ergednißlos geblieben. Uebrigens arbeitet der kleri kale Abg. Windthorst noch weiter gegen den Ausgleich mit dem Vati kan, da er in der „Germania" eine Denkschrift über dieKirchenvor- lage veröffentlicht, in welcher er nur die Bestimmungen über die Zulassung der Seminare und die Freigebung des kirchlichen Disziplinarrechtes für erwünschte Fortschritte, dagegen die Formulirung de» staatlichen Einspruchsrechtes und des Ordens- paragraphs als für die Kirche ganz ungenügend erklärt. — Mil der Ewigkeit unter, den SrptennatSparteien ist es aber auch nicht gut bestellt. Die „Neue Preuß. Ztg." eifert heftig gegen den nationalliberalen Führer vr. Miquel, der sich in seiner finanziellen Programmrede zwar nicht ausdrücklich für das Steuerbewilligungsrecht de» Landtages in Preußen aus gesprochen, aber doch erklärt hat, daß dasselbe im Interesse der Regierung wir deS Landtages liege. Da aber die preußische Regierung dies von jeher bekämpfte, ist Miquel nach Ansicht des konservativen Blatte» nur fähig zum parlamentarischen, nicht aber zum Minister eine» konservativen Staates. Das erwähnte Blatt sagt, es werde deshalb fortfahren, das System Puttkamcr gegenüber dem System Miquel zu stützen, und mit Miquel nur in nationalen Fragen zusammengehen. — Die Mitthellung des Staatssekretärs von Bötticher in der letzten Reichslagssitzung, daß man schon in der nächsten Session auf Vorlegung des Gesetzentwurfs über die Alters- und Jnvaliden- versorgung der Arbeiter hoffen könne, erregte großes Aussehen. Man hatte bisher geglaubt, dieses Gesetz für ein Ideal halten zu fillen, für dessen Verwirklichung in nächster Zeit noch keine Aussichten beständen. Es muß dahingestellt bleiben, ob Herr von Bötticher sich nicht etwas zu optimistisch ausgedrückt hat und ob m der That schon so bald zu der gesetzgeberischen Lösung dieses Problems geschritten werden kann. Von wesent lichem Einfluß hierauf wird die Frage des Fortgangs der Steuerreform sein. Man kann sich zwar noch kein genaues Bild von den Grundlagen machen, auf denen diese Alters versorgung aufgebaut werden soll, aber ohne Aufwendung größerer öffentlicher Mittel wird es dabei nicht abgehen. Gegen den österreichischen Unterrichtsminister vr. von Gautsch,,der keine Miene macht, sich ihnen zu unterwerfen, beginnen jetzt die Klerikalen Oesterreichs Sturm zu laufen. Als Beginn der Feindseligkeiten ist es anzusehen, daß der Budget-Ausschuß des österreichischen Abgeordnetenhauses die von Herrn v. Gautsch nachdrücklichst empfohlene Stelle eines zweiten Sektions Chefs im Unterrichtsministerium aus dem Etat strich. Daß es sich hierbei nicht um eine Ersparungs maßregel, sondern um eine politische Kundgebung handelt, war schon aus den Reden der Herren Czerkawski, Zeithammer und Hausner klar. Ueberdies weiß man, daß die Abstimmung auf Beschluß der Parteileitung der grsommten Rechten erfolgte, was nichts Anderes bedeutet, als die Mobillsirung der Kammer mehrheit gegen den Unterrichtsminister. Es ist auch gar nicht schwer zu errathcn, wo die Mine gegraben wurde, die im Budget-Ausschusse aufgeflogen ist. Der tiroler Abg. Greuter, der schon den Freiherrn v. Conrad von seinem Ministersessel herabschoß, scheint auch den Herrn v. Gautsch auf das Korn genommen zu haben. Er hat seinen Tirolern nicht nur fest versprochen, daß er die konfessionelle Schule im Reichsrathe durchsetzen werde, sondern auch in dem ultramontanen Landes blättchen den Feldzugsplan dafür entworfen. Am Sonnabend verlas in der italienische» Kammer der Justizminister Tajani eine königliche Verordnung, welche die Session für geschloffen erklärt. Die Kammer wird durch eine andere Verordnung wieder einberufen werden. Die Ab geordneten der Linken beantworteten die Botschaft mit ironischen Ausrufen, hier und da wurden sogar Pfiffe vernehmbar. Allem Anscheine nach wird Depretis den Zeitraum des Sessions schlusses, der sich Ivohl bis nach Ostern erstrecken dürfte, be nützen, um einen neuen Versuch zur Rekonstruktion des Kabinets zu unternehmen. Die Gerüchte, daß die Auflösung und Neuwahlen brvorstehen, finden in Rom nur grtheilten Glauben. Die jetzige Stimmung in Italien kann Depretis zu einem solchen Schritte nicht ermuthigen. In formeller Weise ist dir in Frankreich verbreitete Nachricht, wonach der Kriegsminister Boulanger versuchsweise die Mobilisirung des ganzen 11. Armeekorps, dessen General kommando sich in Nantes befindet, angeordnet haben sollte, für unbegründet erklärt worden. — Die französische De- putirtenkammer genehmigte am Sonnabend eine Erhöhung de- Eingangszolles auf Mehl von 6 aus 8 Francs, sowie die übrigen vorgeschlagenen Zollerhöhungen auf Hafer, Srpien- knochen und Stärke. — DaS Geschworenengericht in Pari hat den Direktor der Zeitung „Revanche", Peyramont, der aus Grund des Artikels 84 de» Strafgesetzbuchs (Kund gebungen, welche den Staat kompromittiren) unter Anklage gestellt war, freigefprochen. — In dem Orte BeffogeS (Gard- Departement), wo die Bergleute schon seit geraumer Zeit feiern, wurde auf Vorschlag der Gesellschaft darüber abge stimmt, ob weiter gestreikt oder die Arbeit wieder auf- genommen werden sollte. 1026 Stimmen waren für die Rückkehr in die Gruben, 723 dagegen. Der Sozialist Four- niere, der Korrespondent der „Boie du Peuple", telegraphirte an dieses Blatt, dieses „schändliche Resultat" wäre nur möglich gewesen, weil die Gesellschaft, auch diejenigen An gestellten und Arbeiter, die ihre Posten nicht verlassen hatten, zwang, an der Abstimmung theilzunehmen. Fourni-re beschwört deshalb den sozialistischen Deputirten BaSly, schleunigst, um jeden Preis nach BesssgeS zu kommen. Nach dem der spanische« Kammer vorgelegten Budget beträgt da» Defizit Spanien» vierzig Millionen. Der Finanz minister und der Minister für Kolonien erklärten im letzte« Ministerrath, sich zurückziehen zu wollen, wenn e» dem Minister präsidenten Sagosta nicht gelinge, den Widerstand eine» Theile» der Senatsmajorität gegen die Tabaksverpachtung und die Erneuerung des Vertrages mit der transatlantischen Kompagnie z« brechen. Wmn sich diese beiden, der demokratischen Gruppe angehörenden Kabinetsmitglieder zurückziehen, steht aber ein« ernste Krise in Aussicht. Herr Sagasta bietet deshalb Allt aus, um diesen Rücktritt zu verhindern, da der Eintritt de» mehr konservativen Kriegsministers Caffola in das Kabinet bereits bei den Liberalen große Bedenken erregte. Da die englische Regierung noch in dieser Woche dem Parlament eine irische Zwangsbill vorlegen will, dürfte sehr bald der große Kampf der gegenwärtigen Parlaments-Session entbrennen. Ob es der englischen Regierung gelingen wird, selbst mit Hilfe der neuen Geschäftsordnung, die ZwangSvor« läge bis zu den Osterferien weiter als über das erste Stadium hinauszufärdern, steht dahin. Mr. Gladstone wird persönlich die Opposition gegen die Bill leiten; außerdem beabsichtigt man in liberalen Kreisen, sofort nach der Bekanntmachung der Vorlage im Lande eine großartige Agitation gegen dieselbe zu eröffnen. — Die Königin von England wird sich am 29. d. über Paris nach Cannes begeben und dort einige Tage ver weilen. Von Cannes aus geht die Königin nach Aix-les-BainS und kehrt Ende April über Frankreich nach England zurück. Russische Privatpersonen übersandten dem französischen Kriegsminister General Boulanger einm Kosakensäbel mit sil berner vergoldeter Scheide. Die alte, werthvolle Klinge trägt auf der einen Seite die Inschrift: „Hui vivo? Va Uranos ot LouiunAor!" Die andere Seite enthält in russischen Wor ten die Inschrift: „Sei kühn! Gott ist mit dem Kühnen.", Der Säbelgriff trägt ein Schildchen mit den Worten: 4.u' plus äiZQ«! (Dem Würdigsten.) lovrior 1887. vu kussio." Zu dem Säbel gehört ein stark massiv silbernes Gehänge. — Man kann diese Kundgebung nur als eine private ansehen, da in den russischen Regierungskreisen jetzt die friedlichste Stimmung zu walten scheint. Der hochoffiziöse Petersburger Korrespondent der „P. K." schreibt: „Die russische Regierung ist sich wohl bewußt, bis zu welchem Punkte die Entsendung auch der unbedeutendsten Truppenmacht auf bulgarischem Boden sie fortreißen könnte und sie sieht voraus, daß, sobald sie den Weg der thatsächlichen Einmischung betritt, es nicht mehr in ihrer Macht liegt, sei es, die Grenzen ihrer eigenen Aktionen zu ziehen, sei es, das mögliche Eingreifen einer anderen Macht zu hindern. Die Regierung des Zaren weiß überdies, daß nur eine vollständig durchgeführte militärische Besetzung von gewünschter Wirkung wäre, während jede halbe Maßregel eine heikle Lage schaffen würde. Aus diesen Gründen ist die kaiser liche Regierung fest entschlossen, in der bisherigen Reserve zu verharren und sich sorglich jedes thätigen Eingriffes in die bulgarischen Angelegenheiten zu enthalten."