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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration- Preil 22z Sgr. (Z Thlr.) viexielfährlich, 3 Thlr. für daS ganze Jahr, ohne Er Höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. M Literatur a g a z t n für die Ma» prännmerirt auf dieieS Beiblatt der AUg. Pr. SiaalS- Zeitung in Berlin i» der Expedition (Mohren - Straße Nr. 34); in der Prooinj so wie i»> Auslande bei Heu WolMbl. Po». Aeuucrn. des Auslandes. 22. Berlin, Montag den 2V. Februar 1837. Frankreich. Pariser Kostüme im Jahre 1796.°) Die Bevölkerung vou Paris tbeilte sich im Jahre I7SK nach ihrem Kostüm in vier von einander durchaus verschiedene Klassen^ Die barl- nackigen Jakobiner nnd die Leute der niedrigsten Klaffe waren wahre Sans-Culoltcn geblieben; sie trugen ihre rochen Mützen und Holzschuhe, rundgcschnillcne Westen, die man Carmagnole nannle, von einem gro ben Zeuge, eine Art von Ueberrock (lionpelanclo) ohne Nath und na türlich oben und unien von gleichem Umfange, die nichts als ein Stück unbearbeiteter, zottiger Schäafwollc war und meistens auch von der Farbe dieser Lhiere. Die Frauen dieser Männer erschienen noch schreck licher als vor der Revolution, weil sic »och weil schmutziger und weil erbärmlicher von Ansehen waren. Um diese Zeil kam die Gewohnheit auf, sich die Haare nichl mebr frisircn zu lassen, sondern den Kopf mit einem baumwollenen oder seidenen Schnupftuch zu umwickeln. Denn vor der Revolution bestand der Kopfputz aller dieser Frauen ans den niederen PoUSklaffen, von den Sträupcrverkäusernmen aus der Straße dis zu den Lnmpcnbändlcrinnen, >n dem schleierähnlichen Kopfputz der Baricrmädche» (bavulot) von dichter Leinwand, mitunter auch von Batist, aber ohne Spitzen, und in den Wochentagen meistens von un gebleichter Leinwand. Die sämmllichcn Schüler des Bürgers David und eilt großer Theil der Schauspieler von den Boulevard-Theatern waren Griechisch geklei det und zeichneten sich durch die strengste Beobachtung des Kostüms au«. Demnach trugen sie die Lacetämonische Tunika, die bis über das Knie reichte, einen leichten Mantel mit einer Kante, die in Wolle ge stickt war und meistens die Krümmungen des Flusses Mäander dar- stelllc. Brust und Kopf waren also unbedeckt, und eben so die Arme und die Beine ganz entblößt. Man kann sich in der Thal von der Annehmlichkeit keinen Begriff machen, deren diese Leute während de« ganzen Winters genossen, aber am größten war ihre Unbehaglichkeit, wenn sie sich auf dem Concordien-Platze oder auf dem ?»nt kialümal allen Stürmen zur Zeil der Tag- und Nachtgleiche ausgesetzt sahen. Den Regen aber ertrugen sie mit einem solchen Stoicismus und einem so würdevollen Ansehen, daß man nicht leicht etwa« Achnliches gewah ren konnte. Der junge Cephisc Rolesset, ein Neffe der Madame Ro land,-sagte einst zu seiner Tante, einer Demoiselle Dupont, daß der Regen für sie einen doppelten Borlhcil habe, einmal, ihnen den Kops zu waschen, und zweitens, ihre Haare lockig zu mache». Dieser Jüng ling war auch einer aus David'« Schule, aber er zeichnet« nur die Genien des Ackerbaues und de« Handels. Etwa« Anderes verstand er nicht. Seine Steltern meinten, e« bade nicht leicht einen schmutzigeren Knaben und einen abscheulicheren Repubiikaner gegeben. Außer der Nachahmung Griechischer Kleidungen und Kostüme suchte man auch bei Festen und Gastmählcm die größtmögliche Illusion her- voijubringen. Die Dekoration eines Saale«, in welchem die Bankette gefeiert zu werden pflegten, war ganz im Römischen Sipte mit könne« Urten Säulen; im Hintergründe war die Bildsäule de« Lykurgu« an dem User de« Hurolas, in welchem Schwäne schwammen, die man au« dem ehemaligen Schlosse Chantilly, welches jetzt National-Eigentbum war, hatte komme» lassen. Der Saal war überall mit Blumen ge schmückt; Manner sowohl al« Frauen, so viel am Gastmabl Theil nah men, trugen Blumenkränze und tranken au« Bechern, deren Rand eben falls mit Blumen geschmückt war, was für sie eben nicht bequem sehn konnte.") Die Aufwartung bei der Tafel besorgten junge und fak ganz nackte Diener. Aber die Schönheit, die Anmulb und der fröhliche Muihwillr der Bürgerinnen, welche an dieser interessanten Gesellschaft Theil nahmen, gaben gewiß denselben Eigenschaften der Aspasien, Phrvnen und anderer berühmter Schönheiten de« alten Griechenlands nicht« nach! ES scheint auch, daß die Bürgerin Constanze Pipelet (die nachmalige al« Schriftstellerin bekannte Gemahlin de« Fürsten Joseph von Salm- Reifferscheid-Dyk) bei dieser Gelegenheit «inen Gesang Hal vernehmen °) Nach den 8nuveuir, ae t» Rargui»«! <to <kr-qo^ P. VII. p 1LS- kW. Mau mutz der Marquise schon einige axchaologische Unwissenheit zu gut halten, denn es war allerdings bei de» Römern ein gesteigerter Luru«, wenn man die Blatter an, den Kränzen in die Becher pflückte und lic mit trank. Dafür Hal der ältere Plinius in der l^toria »rwrüi» (Nh XX> --ct <>> de« Ausdruck »>r»u^ Kilier« in der Anekdote von der Cleopatra und Antonius. Eben w unrichtig ig, was im Texte gleich darauf von der Entstehung der priewem in der katholischen Messe angeführt ist. Allerdings nannte man !n der Grieche,chen Liturgie die i>ra°s»ilo, welche zwischen der und dem Kan-tu- gesprochen wurde, noss-orni, , ohne aber dabei an Aristophanische Choraesänge zu denken. lassen, der einer Sappbo würdig war. Endlich vollendete» die Stimmen der Säuger, welche vo» der Griechischen Schalmei oder Pansflötc be gleitet wurden, chic Reihe dieser reizenden Illusionen, indem sie d«u ersten Cbvrgesang au« der Wolke de« Aristophane« anstimmlen, und zwar »ach der Melodie, in welcher die katholischen Geistlichen noch jetzt die sogenanule z>rflöue s^roclätiul singen. Denn e« ist hinlänglich bekannt, baß dieser Theil der Messe nichts Andere« ist, al« da« alte Rezitativ des Griechischen Theaters, welche« die Tradition der Römische» Kirche ausbewahrl Hal. Eine besondere Aufmcrksamkcil widmeten aber die Journale jener Zeit dir berühmten Spartanischen Suppe, die im Alterlkum so großen Beifall gesunden halte, und die Freude war außerordentlich groß, al« man sich da« Rezept zu derselben durch die Bemühung de« Bürgers Ccphise Rolisscl zu verschaffen gewußt Halle, der selbst ein begeisterter Verehrer des Allexthum« war. Seine Nachforschungen waren durch eine Frau voll ausgezeichneter Bildung unterstützt worden, die für die älteste und vertrauteste Freundin de« berühmte» Abbü BarlhclcmV, de« gelehrten Verfasser« der Reisen de« jungen Anacharsi«, galt. Sonst war auch eine All-Griechische Suppe vo» Gerstenbrod mit Käse au« Brie sehr beliebt; eben so wilde Maulbeeren, die im Ofen gedörrt waren, wogegen die in Olivenöl gebackenen und mit schmierigem Honig ange- machlcn Kuchen bei den Kennern keinen Beifall finden konnte». Unwillkürlich muß man sich bei solchen Erzählungen an jenes Gast- mahl im Geschmack der alten Griechen und Römer erinnern, welche« im zweiten Theile des Pcrcgrine Pickle mit so vielem Humor beschrieben wiid. Al« sein Verfasser dies« Scenen schilderte, konnte wohl weder er noch einer seiner Leser daran denken, daß sich fünfzig Jahre später bei einem Volke, da« sich da« rasfinirleste in allen Taselgenüssen zu sevn rühmt, diese Scenen in der Wirklichkeit wiederholen würden. Doch hören wir unsere Marquise weiter erzählen. Wie die Männer, so gefielen sich auch die Frauen in der Griechi sche» Kleidung. Die Damen aus der Straße Vivienne und aus der Straße Thirour trugen nicht« als ein leichte« Kleid von durchsichtiger Gaze (chmnisa äv psrcale) und ein Mäntelchen von Musselin ohne Aermel; die ganze Brnsi und die Schullern waren durchaus entblößt. Diese anlikc und salienlose (»aim nmPleur) Robe wurde aus der Taille unmittelbar unter der Brust von einem rotkwollenen Gürtel zusammeu- gehalien, und von derselben Farbe waren die drei- bi« viermal um de» Kopf geschlungenen Bauder, womil sie das Haar zu schmücken pflegte», da» ziemlich kurz abgeschnilten war. Die Beine waren ganz nackt; di« Stelle der Schuhe ersetzte der Cothurn, der bi« zur Halste der Wade reichte, mit durchbrochenen Zacken und rolhwollcnem Besatz. Hand schuhe sah man nirgend«, und an Taschen konnte mau bei einen, solchen Gewand«, welche« nur eben über die Hüsten biuabsiei, natürlich auch nicht denken.") Man behalf sich denn, so gut e« geben wollte, mit einem netzförmigen Beutel (rnliculn); denn man konnte sich doch nicht bloß f, l'anticzuo kleiden, mau mußte sich doch auch mitunter die Nase schnauben. Die Ari aber, sich die Haare auf dem Wirbel de« Kopfes ä I» viclimu sristren zu lassen, verdankte ihren Ursprung de» jungen Gefangenen, die nach dem d. Thermidor au« ihren Ker- ketn befreit worden; die Republikanerinnen behielten diese Mode bei, zum Andenken an die erlittene Verfolgung. Und weil die Hand de« Henker« die Generationen in Frankreich decimirt batte, so trugen alle diese Damen große Sorge, die Nation über ihre Zukunft zufrieden zu stellen, indem sic alle sich den Anschein gaben, in gesegneten Umständen zu scvii. Diese Zeichen der Fruchtbarkeit nannte man die komi-torme«, Und keine elegante Frau au« dem Jahre I7Y6 würde haben öffentlich erscheinen wollen,, ohne ihre Toilette durch einen solchen Zusatz zu verschönern. Die drille Art de« Pariser Kostüm« im genannten Zabrc war die der Wunderbaren (marvoiUeuses), die vom Luxembourg, wo die fünf Direktoren ihre Residenz aufgcschlagen hatten, ausging. Diese Damen waren die entschiedenen Gegnerinnen der Griechischen "Mode und gäbe» der Römische» Tracht den Vorzug, weil man bei derselben Veranlassung zu einer weit glänzcnderen^und eleganteren Toilette ball«. Diese reizen- ') Damit man nicht glaube, daß die Aristokratin au« Verdruß ihre Schil derungen übertrieben habe, so setzen wir zur Vergleichung eine Stelle au« deS eitrigen Vonavartisten Lavalelte Memoiren her, der xenc Zeit als Augen zeuge beschreibt, „Ohne eS gesehen zu haben, wird man kam» glauben, »aß liebliche Frauen, welche eine ausgezeichnete Erziehung genossen hatten und von vornehmer Geburt waren, fleischfarbige Panralons trugen, den Kothurn anlegten und, kaum n«il durchstchtiacn ctzazeklcidern bedecke, den Busen ent blößt, die Arme nackt bi« zu reu «schultern, öffentliche ürtc besuchten und weit entfernt waren, die allgemeine Schamhattigkeit zu verletzen, im Gegen theil Beisgll und Bewunderung sanden.' fl. 17z.)