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^1S Inserate werden bis Vormittag H Ubr angmom- 8 men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile ß U * oder deren Raum 1b Pf. jj und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen nnd städtischen Behörden zu Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur: Iuliu« Braun in Freiberg. Erschein! jeden Wochentag Nachmitt. '/,S Uhr sür den I «d. 4 I Dienstag, de« 2S Januar. Nachbestellunge« tMf die Monate Februar und März werde« zum Preise von 1 Mk. 5V Pf. von alle« kaiserliche« Postanstalte« sowie von de« ve rarmte« Ausgabestelle« und der unterzeichnete« Expedition ««genommen. Expedition des Freiberger Anzeiger. die der englischen Regierung nahestehenden Londoner Blätter bestätigen, daß die von Boularmcr getroffenen kriegerische» Vorbereitungen Argwohn und Mißtrauen erwecken müsse». Die „Mornmg Post- sagt: „Friedliche Erklärungen allein hätten keinen praktischen Nutzen, wenn in Frankreich gleich zeitig mit großen Opfern ganze Armeekorps zu Versuchs zwecken mobilisirt würden, wenn jedes Arsenal und jede Fabrik Tag und Nacht an der Herstellung von Repetir- gewehren arbeite, wenn hölzerne Baracken an der deutsche» Grenze gebaut und die Festungen mit Explosivgranaten versehen würden." General Boulanger hat iy der Budgetkommission erklärt, er brauche für solche Zwecke 86 Millionen Franks und werde dieselben nehmen, wo und wie sie ihm gewährt würden. Das hat seinen Kollegen so imponirt, daß sie am Sonabend im Ministerrathe beschlossen, auf den von dem Finanz minister Dauphin vorgelegten Anleiheplan zu verzichte» und den Budgetentwurf der Kommission anzunehmen, wo nach zur Bedeckung des Defizits sechsjährige Schatzscheme ausgegebm werden sollen. Die Ministerkrisis ist-hierdurch gehoben, aber es läßt sich auch unschwer voraussehen, daß nun der Uebermuth Clsmenceaus und Rocheforts erst recht keine Grenze mehr kennen und schließlich die Dcktatur Boulangers und den Krieg mit Deutschland herbeiführen wird. zu bringen. Nur wäre es fraglich, ob nicht die Soldaten mit den Letzteren gemeinschaftliche Sache machen würden. - Die gesammte Pariser Presse beschäftigte sich mit diesem Drohartikel, wobei die radikalen Organe den Kriegsminister leidenschaftlich vertheidigten, während die opportunistischen und orleanistischen Blätter seinen Rücktritt verlangten. In einem gemäßigten und wahrhaft friedensfreundlichen Kabinet wäre nach diesen Erörterungen für Boulanger kein Raum mehr, dennoch wagte- es das Ministerium Goblet nicht, diesen gefährlichen Kollegen über Bord zu werfen, weil die Patriotenliga Däroulodes, der radikale Anhang Clämenceaus und die von Rochefort geführten Intran sigenten in Boulanger den Retter Frankreichs und in dessen Gegnern Freunde des deutschen Reiches erblicken. Wie die Dinge jetzt in Frankreich liegen, fürchten die Besitzenden zwar die von Dauphin angekündigte, für den Rentenpreis voraussichtlich verhängnißvolle neue Anleihe, die ganz den Eindruck eines Kriegsdarlehns macht, aber sie möchten auch die bei Ablehnung der Anleihe unver meidliche Ministerkrisis vermieden sehen, die wegen der Be liebtheit Boulangers zu ernsten Verwicklungen führen könnte. Der jetzige französische Kriegsminister versteht cs wunderbar, den Massen zu imponiren und gilt, trotz feiner jüngsten friedlichen Aeußerungen, den meisten Franzosen als der Mann, in dem sich künftig der Revanche-Gedanke ver körpern wird. Seine fortgesetzte Reklame für den neuen französischen Sprengstoff „Melinit- trug nicht wenig dazu bei, das Vertrauen zu der Wirksamkeit Boulangers zu stärken. Wenn man die französischen Angaben über die furchtbaren Wirkungen dieses neuen Sprengstoffs liest, fühlt man sich unwillkürlich an die überschwänglichen Hoffnungen erinnert, welche man in Frankreich vor dem Feldzuge des Jahres 1870 auf die großartigen Wirkungen der Mitrail- leuscn setzte. Wie 1870 die Proben mit der später als so wenig wirksam erfundenen Geschützgattung ganz geheimniß voll in Vincennes und Meudon betrieben wurden, so haben auch kürzlich auf Anordnung des Kriegsministers Bou langer die Versuche mit den neuen Mölinit-Bomben nicht wie ursprünglich bestimmt war, in Bourges, sondern in Lille stattgefunden, damit das Geheimniß des neuen Spreng stoffs ja nicht den angeblich in Bourges anwesenden deut schen Spionen kund werde. Von deutscher fachmännischer Seite ist man aber durchaus davon überzeugt, daß bei den der deutschen Artillerie zur Verfügung stehenden großartig wirkenden Sprengstoffen eine etwaige Ueberlegenheit des als Wunder ausposaunten Melinits keineswegs zu fürchten sei. Die auf den neuen Sprengstoff bezüglichen groß sprecherischen Aeußerungen der französischen Presse beweisen nur die krankhafte Verstimmung der Franzosen gegen Deutschland, die um so bedenklicher erscheint, weil der ehr geizige Kriegsministcr General Boulanger sich offenbar an gelegen sein läßt, diese Stimmung zu verschärfen. Von deutscher Seite wird angenommen, daß es sich bei den von Boulanger betriebenen Kriegsvorbereitungen um mehr handelt als um ein Spielen mit dem Feuer. Die massenhafte Ausfuhr von Pferden aus Mecklenburg und Westfalen wird dazu Veranlassung geben, daß im deutschen Bundesrath schon in den nächsten Tagen ein Ausfuhrverbot unterbreitet wird. Der„Nordd.Allg. Ztg." wurde aus den Reichslanden mitgetheilt, daß französische Holzhändler in Zabern, Romansweiler und im Breutschthale bedeutende Ankäufe von Brettern und Balken zur Errichtung von Militärbaracken machten. Das ministerielle Blatt zog daraus den Schluß, „daß Frankreich an der deutschen Grenze größere Trupp en massen zusammen ziehe, als in den Festungen und Garnisonen daselbst untergebracht werden können." Die „Köln. Ztg." bestätigte diese beunruhigende Mittheilung und behauptete, die Garnison verwaltung der Festung Verdun habe nnt mehreren Unter nehmern geheime Verträge abgeschlossen, wonach dieselben bereit sein müßten, binnen fünfzig Tagen Holzbaracken für mehrere Tausend Mann verschiedener Truppengattungen herzustellen. Aus dem Elsaß will das Kölner Blatt er fahren haben, die Franzosen beabsichtigten, längs der Grenze in Toul, Nancy, Lunoville, Belfort, Besancon und anderen Orten Baracken für große Truppenmassen herzustellen. Außerdem erhielt die „Köln. Ztg." die Mittheilung, „daß in Constans und Bubilly jeden Tag eine Menge Waggons mit Brettern und Bauholz durchkommen, die alle zu diesem Zweck nach Verdun gehen, wo Unterkunft für 8000 Mann geschaffen werden soll. Ferner würden in Etain und Con stans, also ganz dicht an der Grenze, ebenfalls Baracken gebaut, wozu die Grundlinien schon abgesteckt sind. Auch Tagesschau. Freiberg, den 24. Januar. Am Hofe des deutsche« Kaisers ward gestern da« KrönungS- und OrdenSfest in herkömmlicher Weise begangen. Nachdem der Flügeladjutant v. Plessen in Gegmwart de« deutschen Kronprinzen und der übrigen Prinzen des pren- ßischen Königshauses die neuernannten Ritter und OrdenSm- haber proklamirt, wurden dieselben im Rittersaale dem Kaiser und der Kaiserin einzeln vorgestellt. Hierauf fand Gottes dienst in der Schloßkapelle statt; die Predigt hielt Oberhof- Prediger vr. Kögel. Bei der sodann stattfindenden Tafel im Weißm Saale, der Bildergalerie und dm angrenzenden Ge mächern brachte der deutsche Kronprinz im Namm des KaiserSj einen Toast auf das Wohl der neuen Ritter auS. Nach der Tafel nahmm die Majestäten im Rittersaale die Kour der ein- gcladenen Ritter und der Inhaber der Orden und Ehren zeichen an. — Ueber die in der deutschen Reichshauptstadt stark verbreitetm Kriegsnachrichten wird offiziös Folgende- geschrieben: „Die Tendenz der öffentlichen Meinung bleibt vorwiegend immer noch den Friedenswünschen und Friedens hoffnungen zugewendet, obwohl sie sich des Eindruckes nicht ganz zu erwehren vermag, den die Meldungen der letzte« Zeit aus dem deutsch-französischen Grenzrayon nothwendiger Weise hervorbringen muffen. Zu unmittelbaren Besorgnisse« fehlt allerdings die letzte Veranlassung. Zwischen uns und unserem westlichen Nachbar liegen die Verhältnisse, soweit die moralische und völkerphilosophische Seite in Frage kommt, heute nicht besser und auch nicht schlechter, als dies seit dem Tage des Frankfurter Friedensschlusses dauernd der Fall ge wesen ist. Dagegen kann freilich nicht geleugnet werden, daß der militärische Rüstungsapparat der Franzosen heute formi dabler ist, als jemals, sowie, daß die innere politische Situaton der französischen Republik ebenfalls sich als prekärer darstellt, wie zu irgend einem Zeitpunkte innerhalb der letzten scchszehn Jahre, daß mithin die Verlockung zur Eröffnung des Revanche krieges unter dem militärischen, wie unter dem parteitaklischm Gesichtspunkte eine Jntensivität erlangt hat, die uns zwingt, jede Bewegung des zum Losschlagen gerüstetm und bereite» Todfeindes auf das Sorgfältigste zu überwachen, während im Osten Europas die Spannung der Gegensätze schwächer zu werden scheint und Symptome einer Annäherung zwischen dm Widerstreitenden Interessensphären auf der Balkanhalbinsel z« verzeichnen sind. Es behauptet das an unserer Grenze lagernde schwere Gewölk seinen Platz mit einer Beharrlichkeit, welche uns zu deutlich verkündet, daß wir uns stets auf eine unver- muthete, plötzlich hereinbrechende Katastrophe gefaßt halte« müssen, ein unbehaglicher Zustand, dessen Konsequenzen unsere gesammte nationale Lebenshaltung in Mitleidenschaft zieht, ohne daß ein vorläufiges Ende dieser ernsten Situation für unS abzusehen wäre. Die Konjunktur gestaltet sich nur noch um so mißlicher, als wir im Lande mit Bestrebungen zu kämpfen haben, welche in den Köpfen unserer Nachbaren ganz schiefe Vorstellungen über die Widerstandsfähigkeit des deutschen Reiches zu erzeugen geeignet sind und am letzten Ende sogar dazu beitragen können, daß der Ausbruch der französischen Volksleidenschaften unabwendbar wird." — In der ani Sonnabend stattgefundenen Sitzung des preu- Die Diktatur Boulangers. Nichts vercäth die geheimen Anschläge der Franzosen gegen den Frieden des deutschen Reiches deutlicher als die Thatsache, daß man den kühnen Kriegsminister Boulanger in Frankreich für unentbehrlich hält, trotzdem sich alle Freunde des jetzigen Regierunassystems nicht verhehlen, daß der ehrgeizige General mit seinen an Napoleon I. er innernden Diktator-Manieren eigentlich eine ernste Gefahr für die Republik bedeutet. Boulanger trat bekanntlich in das jetzige Kabinet Goblet nur unter der Bedingung ein, daß der neue Konseilpräsident die Bewilligung einer Kredit- forverung von etwa 400 Millionen für die weitere Heeres organisation zur Kabinetsfrage machte. Bei der jetzigen Finanzlage nahm der neue Finanzminister Dauphin an, daß die Beschaffung weiterer Geldmittel für Herr und Serwehr nur durch eine neue Anleihe zu ermöglichen sei. Sein Finanzprojekt rief aber zwischen dem Ministerium Goblet und der Budgetkommission der Deputirtenkammer einen ernsten Konflikt hervor, da die letztere es mit Drei- viertel-Mehrheit ablehnte, den Vorschlägen des Finanz ministers entsprechend, die vorgeschlagene Anleihe zu be schließen. Die Kommission handelte dabei nach dem aus gesprochenen Willen der Kammer, welche dem früheren Finanzminister Sadi Carnot den Satz: „Weder Anleihe noch neue Steuern!" entgegenhielt und die wenig Lust verspüren dürste, dem Minister Dauphin zu gewähren, was sie feinem Vorgänger Carnot abgeschlagen Als der Depu- tirte Andrieux in der Kommission ein Gegenprojekt vor legte und zur Vermeidung einer neuen Anleihe die Ver tagung des von dem Kriegsministcr Boulanger verlangten Extrakrcdits von 86 Millionen verlangte, wies er gleich zeitig darauf hin, daß dem Kriegsminister bereits 105 Millionen von der letzten Anleihe zugewicsen worden seien. Zunächst beschloß das Gesammtministerium aus der An nahme der Vorlage des Finanzministers Dauphin eine Kabinetsfrage zu machen, doch verstand es sich dazu, d-e Entscheidung der Kammer abzuwarten und noch vorher mit der Kommission selbst in Beralhungen zu treten. Die Sprache, welche der General Boulanger in der am Freitag stattgefundenen Konferenz der Minister mit der Budget- kommifsion führte, fiel allgemein auf. Statt die Solidarität mit seinen Kollegen zu bekunden, erklärte General Bou langer mit Entschiedenheit, daß er jeder finanziellen Kom bination zustimme, welche die nothwendigen 86 Millionen Franks sichere. Die übrigen Finanzbedürfnisse schienen ihm also ganz nebensächlich, der etwaige Rücktritt des Finanzministers Dauphin oder gar des Konseilpräsidenten Goblet so ziemlich gleichgiltig. Dieses feltsame Benehmen Boulangers, das auf die Kommission nicht ohne Wirkung blieb, erklärt sich dadurch, daß die Organe der äußersten Linken bei der ersten Nach richt von dem bevorstehenden Rücktritt Boulangers und der übrigen Minister den Widerspruch gegen den Kriegs kredit auf die Ränke des bekanntlich friedensfreundlichen Exministers Freycinet und des mit diesem innig befreun deten Botschafters in Berlin, Jules Herbette, zurückführte. Der „Jntranfigeant" erging sich bereits in Drohungen für den Fall, daß der den Radikalen so ans Herz gewach sene Kriegsminister unterliegen sollte. Wie das Organ Rocheforts ankündigte, sollten am Abend des Tages, an welchem der General gestürzt würde, 20000 Menschen die Pariser Boulevards mit dem Ruse: „Nieder mit den Ver- räthern! Es lebe Boulanger!" durchziehen. „Wenn ihnen daran liegt-, so schließt Rochefort seinen Drohartikel, „diese Popularität, welche sie beunruhigt, zu verdoppeln, so mögen sie es nur versuchen, den General zu beseitigen. Wir wissen sehr wohl, daß wenn 20000 oder 30000 Pariser die Zurückberufung des Generals verlangen, wie sie seiner Zeit diejenige Neckers gefordert haben, Soldaten aufgeboten würden, um die Reklamanten zum Schweigen