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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.12.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-12-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001208010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900120801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900120801
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-12
- Tag 1900-12-08
-
Monat
1900-12
-
Jahr
1900
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Bezugs «Preis V, der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen 'bgeholt: vierteljährlich 4.S0, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Haus S.bO. Durch die Post bezogen sür Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. 6. Man abonnirt ferner mit entsprechendem Postausschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türket, Egnpten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch dU» Expedition dieses Blatte« möglich. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,7 Uhy die Abeud-Ausgabe Wochentag« um S Uhr. Ne-action und Lrpeditiorrr IvhanniSgasse 8. Filialen: Alfred Hahn vorm. O. Klemm « Söttim. Universitätsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, pari, und Königsplatz 7^ Morgen-Ausgabe. MMer JaMatt Anzeiger. Ämlsk'katt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Aathes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeige»-Preis die 6gespMne Petitzeilc L5 Rrclamen unter dem RedactionSstrich («gespalten) 7ü vor den Familiennach richten (ü gespalten) 50 Ls. Tabellarischer und Zissrrnsatz entsprechend Köber. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahmr 85 H («xcl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung .« 80.—, mit Postbrsörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeige«: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgea-Au-gabe: Nachmittag« 4 Uhr. vei den Filiale» und Anuahmestelleu je et»« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die tkxpedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag« ununterbrocheu geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Volz ia Leipzig. Sonnabend den 8. Decembcr 1900. 94. Jahrgang. proceß Sternberg. Das Jahr 1900 ist reich an sensationellen Processen in Deutschland. Nach dem Proceß der Harmlosen der Proceß Masloff und jetzt hält seit dreißig Tagen der Proceß Stern berg die Welt in Aufregung. Es ist nicht die Aufregung, wie sie sich beim Proceß Masloff kund that, von dessen Verlauf man eine Aufklärung de« Konitzer Mordes erwartete; es ist nicht die mir Aufregung verbündende Neugier, wie sie beim Proceß der Harmlosen die harmlosen Nichtspieler ergriff; cs ist im Proccssc Sternberg nicht die Aufregung über daS Schicksal der Angeklagten, sondern die Aufregung darüber, daß man dreißig Tage verhandelt und daß in diesen dreißig Tagen die widersprechendsten ZeugnißauSsagen dem Gerichts höfe gemacht werden konnten; daß dieser Proceß eine so geschickte Nebenpolizei zeigt, die mit reichlichen Mitteln, viel reichlicher als die staatliche, auSgestattel und im Stande ist, sich Beamte der Staatspolizei zu kaufen und sie in ihrem Interesse zu verwerthen. Wenn der Auge Slierstädter in diesem Processe nur daö Verdienst hätte, auf die eingestandenen Manipulationen Les gewesenen PolizeicommissarS Thiel un erschrocken aufmerksam gemacht zu haben, so wäre dieses Ver dienst schon groß genug, denn mit seinen Enthüllungen wies er auf eine wunde Stelle im staatlichen Polizewrgan iSmuS, wie sie in Bezug auf die politische Polizei schon der Leckert- Taujch-Proceß gezeigt hatte. Wie weit ist es mit preußischen Beamten gekommen, wenn sie von einem Sternberg sich beeinflussen und bezahlen lassen, wenn sie gegen ihren Dienst eid für einen Menschen, dem eingestandenermaßen das Weib nur Waare ist, arbeiteten und ihn mit allen Mitteln vor dem Zuchlhause zu retten suchten! Das Verbrechen Sternberg'« und seiner als Zuführer dienenden Mitangeklagten ist lange nicht so furchtbar und angesichts deö .Materials", daS er benutzte, mit durchaus nicht so schlimmer Strafe bedroht, wie die Verbrechen und die Strafen, die dieser Proceß im Gefolge haben wird. Mag ter Airgeklagti sreigesprochen, mag er verurtbeilt werden: bas Unglück, das sein Geld, oder wenigstens die Sucht, von seinem Gelde zu profitiren, angerichlet hat, ist viel schlimmer, als das Vergeben selbst. An der Wohka, Kallis, Ehlcrt, Schnör- wange und wie die Figuren dieser Galerie von Frauenzimmern auS der Passage heißen, war wirklich nichts mehr zu ver derben. Schon im schulpflichtigen Alter drängten sie sich zum Altar der Vouus vulgivagu und suchten so viel Geld als möglich auS ihrer verderbten Jugend zu schlagen. Hier stehen nicht Mädchen vor uns, die aus Liebe einen Fehltritt begingen, den die grausame Welt ihnen entgelten ließ und die dann von Stufe zu Stufe weiter sanken, hier stehen Mädchen vor dem Zeugentisch, die schon in der Schule ihre Complote schmiedeten, mit Hilfe ihrer spärlichen Reize recht viel Geld zu verdienen. Es soll ein reicher Maler aus Frankfurt a. O. sein; das „reich" zog diese halbwüchsigen Dirnen an und füdrte sie aus eigener Berechnung zur Prostitution. Und wie hier das Geld und immer wieder taS Geld die Triebkraft der Handlungen war, so auch bei so manchen Zeugen, die ehedem als ehrenhaft galten. Im MaSloff-Proceß standen sich manche ZeugnißauSsagen gegen über, manche waren so bandgreiflich unwahr und lügenhaft auSgeschmückt, daß man sie sofort als falsch erkannte. Dort aber spielte Geld keine Rolle, dort war es eine Autosuggestion, die Wirkung der Einbildungskraft, und wenn dort Meineide geleistet wurden, so waren sie zum großen Theil auf die seelische Erkrankung der Zeugen zurückzuführen, die, erschüttert von der Tragik de« Falle«, ibre thatsächlichen Erinnerungen nut eigenen Gedanken, Wünschen und ihrer Einbildung ver mischten. Zm Proceß Sternberg aber ist an eine Auto suggestion nicht zu denken, es müßte denn die fascinirende Wirkung des Goldes sein, da« diese Menschen zu Aussagen verleitete, die nothwendiger Weise als ein Gebäude von Un- wahrbeiten zusammenbrechen müssen. Und je länger der Proccß dauert, desto mehr drängen sich Leute heran, die irgend etwas aussagen wollen, meisten« zu Gunsten Stern- berg'S, weil sie Wohl glauben mögen, daß seine Millionen ihn auch diesmal vor Strafe schützen, wie ihn thatsächlich seine Begnadigungen vor Strafe bei seinen Vergehen gegen da« Actiengesctz, die für andere Menschen unzählige Verluste mit sich führten, geschützt haben. Unser schönes Thüringen kann von Sternberg'jchen Thaten erzählen, unzählige Thränen sind ge- floffen, unzählige Verwünschungen zum Himmel gesandt worden von Denen, die bei jenen Geschäften ihr Geld verloren, aber immer höher ist der Mann gestiegen, zwanzig Millionen soll er sein eigen nennen und erst jetzt nach langen Jahren soll endlich einmal auf seinem Schuidconto glatte Rechnung ge macht werden. Er fühlt e«, hier gilt e« nicht nur, seine Ver gehen mit den verworfenen Kindern einer Großstadt zu strafen, hier gilt e« auch noch andere Handlungen zu sühnen, nicht strafrickterlich, wohl aber moralisch. Diesen Triumph will Sternberg seinen Feinden, deren so viele wie der Sand am Meere sind, nicht gewähren. Deshalb hat er seine Neben- polirei eingerichtet, die mit vollen Händen Versprechungen auSstreut, denen neben Anderen ein preußischer Beamter unterlegen ist. Verbrechen im Amt«, Meineid knüpfen sich an die Fäden, die der schlaue Angeklagte spann, um sich «in unschuldig weiß«« Kleid in der Oeffentlichkeit zu weben und sich darein zu hüllen. Aber er vergaß Eine«. Je mehr er Leute in seinen Dienst nahm, je mehr er sein« Creaturen überwachen ließ oder je mehr dies »seine Freunde" — ich weiß nicht, wer mir diese Freundschaftsdienste leistet, sagt er selbst — thun, desto unzuverlässiger wird seine Garde. Unter einer so großen Zahl Mithelfer kann man den einzelnen nicht mehr auf Herz und Nieren prüfe», es schleichen sich viele unzuverlässige Elemente «in und di« Schlauheit strauchelt über die Dummheit. Mit dem Material, da« die »Freunde de« Herrn Sternberg" »»«gesucht haben, läßt sich kein Sieg er- risgen, dazu ist e« entweder zu verworfen, oder nicht ver worfen genug. Zu dem letzteren „Material" gehört Criminal- commissar Thiel, er btreute und gestand; zudem ersten die Zeugin Kalli«, die Dirne von sech«zebn Jahren, di« sich selbst auf dem Eorridor dr« Gericht« 8iebe«erklärungeu machen ließ Al« dir Kalli«, neben der Woyda, di« Säule de« stolzen EatlastungSgebäudr«, hörte, daß Thiel di» Wahrheit gesagt habe, rief sie aus: »Nun hat der O . . . ..doch gestanden und trat am Donnerstag, nicht frech wie immer, vor den Richtertisch, widerrief ihre früheren entlastenden Gestänvnisse und gab nun mit cynischer Offenheit ZU, daß sic bei der Fischer mit Sternberg sechs ober sieben Mal zu sammengekommen sei. . . Mit dieser Aussage bricht das Gebäude der Vertbeidigung Sternberg'« zusammen. Mag sein ausgerissener Cnmpan, Luppa, die Kupplerin Fischer, die er in London erwartet, noch so sehr bearbeiten, es hilft nichts mehr und die Fischer wird wohl jetzt jenseits des Wassers bleiben. Warum die Kalli« früher die Unwahrheit gesagt hat? Man hat sie nach allen Regeln der Memeivskunst bearbeitet und ihr Wunder was für ibre Aussagen versprochen. Bekommen bat sie nur 170 Sir, di: Kronzeugin des Angeklagten, sie, neben der Woyda seine Stütze, die Verkünderin seiner Un schuld — hundertsiebenzig baare Mark bat sie^nach ihrer Aussage erhalten. Die Leute, die ihr im Dienste Sternbergs daS gegeben haben, haben ihre Dienste oder den Angeklagten recht, recht niedrig bewertket. Zwei Personen, die eingestandenermaßer auf die Kallis einwirkrcn, wurden gleich von der Zeugenbank auS verhaftet — daö ist das Merkmal deS Endes des ProcesseS. Sie gestanden ein. nicht un umwunden; aber die Tbatsache, daß sie der Kallis Gell) ge- gegeben, selbst die Angesichts des Meineids erschreckende „Hohe" der Summe, konnten sie nicht leugnen. Noch ist Sternberg nicht verurtbeilt; seine geschickte Ber- theidigung wird immer wieder Entlastungszeugen beizubringen suchen, ob es ihr gelingt? Wir wisse» cs nicht. Jeden falls hat die Verhandlung am Donnerstag dem Processe eine entschiedene Wendung gegeben. Die Kallis lriumpbirt über Sternberg. Dem «Staatsanwalt wird eS nun leicht sein, seinen Triumph und den der anständigen Menschen herbei- zuführen. Die Wirren in China. Ein vcnlttglücktcrPfervctrattSport sür die dcutscheExpcdition. Aus Sydney, 31. Octotber, wird ver^„Frkf. Zig." be richtet: Der Führer ^des vorgestern virect aus Taku in 'Newcastle (Neu-SÄLwalcs) eingetroffenen englischen Dampfers „Neß", der am 31. August Mit 560 Pferden für das deutsche Expeditions corps nach Ostasien abgegangen war, berichtet über seine Er lebnisse während der Ausreise, bah bis zum Eintreffen in der Torresstraße Alles ohne Zwischenfälle aügegangen sei. In der Torresstraße trat neben vollständiger Windstille eine fürchter liche Hitze öin, die entsetzlich« Verheerungen unter den Pferden ungerichtet hat. Zu Dutzenden sind die armen Thiere Tag um Tag ver«nb«t, und was Nicht eingegangen ist, wurde von der Tollwuth befallen. In Schauren rissen sie sich los und rasten auf dem Verdeck 'des „Neß" umher, so Saß im Ganzen von dem, wie oben bemerkt, aus 560 Köpfen bestehenden Transport nicht weniger als 299 gefallen sind, darunter an einem einzigen Tage allein 53. Um den Rest zu retten und weil auch 20 Mann der Befatzu-ng an den Fdlgen der kolossalen Hitze oder an Bißwunden, welche sie im Kampfe mit den tollgeworoenen Pferden davon- getragen hatten, krank darniederlagen, entschloß sich schließlich der Capitän, seinen Curs zu ändern und durch 'die Straße von Malakka die Fahri mehr nach dem offenen Meere zu nehmen, wo denn auch kühleres Wetter angetroffen wuroe. Am 25. Sep tember traf der „Neß" vor Taku, das als vollständig Verwüster geschildert wird, «in, und konnte sich des Restes seiner lebenden Fracht ohne weiter« Zwischenfälle entledigen. — Der Capitän, ivelcher in Taku über eine Woche liegen bleiben mußte, hat diesen Aufenthalt zu gelegentlichen Abstechern nach dem Innern benutz:, es habe sich indessen auf Schritt und Tritt nichts als ein Bild ent setzlicher Verwüstung dargsboten. Besonders hätten sie Russen durch ihre Grausamkeiten sich notorisch gemacht, und der Um- stantd, daß sie chinesischen Weibern auf dem Steinpflaster die Schädel eingeschlagen und kleine Kinder auf den Spitzen der Bajonette in den Straßen herumgetragen hätten, habe die Ent rüstung aller übrigen Truppen hrrausgefordert, so daß das bri tische Militär die sofortige Einstellung dieses barbarischen Ver fahrens verlangt habe. Die Russen hätten diesem britischen Ver langen denn auch sofort entsprochen. Weiterhin behauptet der Capitän, daß zwischen Taku und Tientsin allerorten von den Allkirten geplündert worden sei. Man hübe dementsprechend einen Säbel, den man unter anderen Umständen nicht für 5000 Mark hätte kaufen können, schon für eine Flasche Whisky uns 25 PardS des schönsten Seidenstoffes für eine halbe Flasche Soda wasser erstehen können. Auch Diamanten hätte man von den Truppen für einen Spottpreis erhandeln können; überhaupt sei Alles, waS nur irgend Werth besessen habe, „commandirt" und hinterdrein zu geradezu lächerlichen Preisen losgeschlagen worden. * Köln. 7. December. (Telegramm.) Die „Kölnische Zeitung" berichtet auS Peking unter dem 4. December: Die heute zuriickgekehrte Kalgan-Expeditio» hat die vier Boxer dörfer Tschetscheol, Kalling, Tschuischikou und Tsingling-kicm zer stört und sechs Boxerführrr erschoss»», weil sie da« Dorf Jtzensekau, das von katholischen Christen bewohnt war, eingeäschert und die Christen niedergemacht hatten. Der Zustand der Truppen ist vorzüglich. * London, 7. December. (Telegramm.) Die „Daily News" melden au« Nagasaki vom 4. December: Der Befehl zum Rück trausport KOOO Mann russischer Truppen nach Odessa wurde widerrufen. Die Truppen sollen bi« auf Weiteres in Ostasien bleibe». * Nom, 6. December. Di« äußerste Linke brachte ia der Kammer eine Motion betr. Rückberufung der italienischen Truppen au« China «ia, um gegen die Grcuelthaten zu protestiren. Saracco bat, die Berathung bis nach dem Ende der Budget- di-cnssion zu verschieben. (Frkf. Ztg.) Der Krieg in Südafrika. Die ncnrstc Verlustliste des KricgSamtcS weist für den verflossenen Monat November nicht weniger denn 160 Tobte und 3579 Berwunoete und Invaliden auf, von Venen allein 2471 als envgiltig dienstunfähig nach Hause gesandt wer ben mußten. Die Gesa-mmtverluste des Krieges steigen damit officiell auf 2140 Officiere uns 47 588 Mannschaften. D'e Ziffern illustriren besser als alles Andere Vie auch auf dem Con- iinente hier und da geglaubte Behauptung des officiellen Eng lands, der Krieg fei beendet. Eine klare Illustration der wirk lichen Lage bietet dabei rin eben veröffentlichter Brief eines Mit gliedes des Stabes des Generals French, in welchem es heißt: „Ich glaübte auch, es sei nun zu Ende .... aber nein, wir sind hinter Smut her. ... Er hat 6 Geschütze, alle uns selbst ab genommene. . . . ich fürchte sehr, das britische Bolt wird zu viel mit unseren „Siegen" eingeschläfert. Die schlimmsten Kämpf: begannen erst nach der Einnahme Pretorias; seitsem gab es nichts als ununterbrochenes hartes Marschiren uns Kämpfen, ärmliche Nahrung und schlechtes Wetter, und bei alledem ist gar leine Aussicht auf einen envgiltigen Entscheidungsschlag." . . . Und ein Garde-Unterofficier schreibt der „Daily News": „Nichts als Märsche bis zur äußersten Erschöpfung; mitleidslos läßt man Diejenigen liegen, die nicht mehr weiter können ... ein Beispiel: Wir waren dicht vor Bloemfontein; ein Gardesergeant humpelte mühselig neben mir; er sagte, ich kann nicht mehr. „Du weiß:, was Dich erwartet, erwiderte ich, gieb mir Dein Gewehr, ich stütze Dich." Er schleppte sich noch eine Meile weiter, dann brach er zusammen uns blieb da liegen. Ein Garoeofficier fand ihn, be fahl ihm aufzustehen, und als der Mann antwortete, er könne nicht mehr, rief ihm der Officier zu: „Gut, dann bleib' da und verrecke!" . . . Andere Mannschaften blieben liegen und wurden Tage darauf mit leeren Augenhöhlen aufgefunden, — die Geier hatten ihnen die Augen ausgehackt." Tewet. DaS Studium der officiellen Berichte vom Kriegs schauplatz in Südafrika ist recht interessant. General Dewet befindet sich seit Wochen auf dem Marsche nach Süden, um den Versuch zu machen, die Capcolonie zu insurgiren. Von allen Seiten sind englische Colonnen herbei geeilt, um ihm den Weg zu verlegen, und fast täglich finden Gefechte statt, die natürlich immer mit der Niederlage der Boeren und deren Versprengung enden. Es ist wiederholt daraus hiugewiesen worden, wie merkwürdig es ist, daß die Flucht der Bocren stets nach Süden, in der Richtung ihres Zuges, mitten durch die siegreichen Engländer hindurch stattfindet. Am 5. December meldete Lord Kirchener nun endlich einmal, daß General Knox Dewet zwischen Bethulie und Smithfield angegriffen, geschlagen und nach Norden zurückgetrieben habe. Und nun telegraphier Kitchener, daß der nach „Norden ge drängte" Dewet noch am selben Tage den Caledon-Fluß überschritten habe und gegen Odendal vorgerückt sei, also im Begriff ist, die Grenze der Capcolonie zu überschreiten. Es ist auffallend, daß selbst die böchststebenden englischen Officiere nicht einmal die Haupt-Himmelsrichtungen zu unterscheiden vermögen. * Alitval North, 7. December. („Reuter s Bureau") In der verstossenen Nacht stieß eine von Aliwal North ent sandte Patrouille nabe bei der Stadt auf Vorposten von Dewet'S Hauptmacht, die dort lagerte. Die Patrouille machte einen Gefangenen. Dewet ist bart bedrängt (?) und scheint unter dem fortgesetzten Trekken zu leiden. Ter Gefangene berichtet, Dewet habe nahe bei dem Südufer des Caledon-Flusses ein Krupp'schcs Geschütz zurücklasscn müssen. Alle gefangenen Engländer, die nach DewetSdorp ge bracht worden waren, sind mit Ausnahme der Officiere befreit worden. Der Commanrant von Aliwal North hat alle möglichen Vorbereitungen für den Fall eines Angriffs getroffen. Ter Afrikandercongretz. * Worcester (Capcolonie), 6. December.(„Neuter's Bureau".) Zum Afrikandercongreß ist nachzutragen: Cronwrigbt Schreiner sagte in einer heftigen Rede, es sei unmöglich, die Stellung Englands gegenüber Südafrika zu rechtfertigen. Seit dem Einfall Iameson'S seien die britisch en Staa tSmänn er die Werkzeuge von Capitalisten. England zwinge jetzt die britischen Soldaten, den Krieg mit einer Unmenschlich keit und Barbarei zu führen, die die civilisirte Welt in Staunen setze. Tie LchicdSgerichtöfrage. * Bern, 7. December. (Telegramm.) 40 Mitglieder des NationalratheS haben den Antrag gestellt, der Nationalrath wolle folgenden Wunsch auSdrücken: „Der Nationalrath richtet einen dringenden Appell an die Be völkerung, an da« Parlament von England, sowie an die übrigen europäischen Parlamente, dahin zu wirken, daß die TranSvaalfrage durch ein Schiedsgericht nach den Vorschriften des internationalen Rechtes erledigt werde. * Haag, 7. December. („Reuter« Bureau".) Der hiesige portugiesische Gesandte hat seinen Posten nicht verlassen. Obwohl wegen der Angelegenheit des niederländischen Consuls Pott eine gewisse Spannung in den Beziehungen zu Portugal herrscht, ist noch keinen Augenblick die Rede gewesen von einer Abberufung der Gesandten in Lissabon bezw. im Haag. Deutsches Reich. X. Berlin, 7. December. (DieBehanolungsocia- li stoischer Initiativanträge im Reichstage.) Die „Koeuzzig." Hai den Vorschlag gemacht, socralistrsche Ini tiativanträge nn Reichstage rntwever mit Schweigen vver nur mit kurzen Erklärungen zu beantworten, um dem Unfuge zu steuern, daß Vie Socialdemokratie das Ansehen deS Reichstages zu ihren Zwecken mißbrauche. Wenn die „Freisinnige Ztg." hier zu bemerkt, mit der Befolgung diese- Rathes wüodc der Social- vemokrati« nur gedient sein, so müssen wir dem uns sonst gewiß nicht übermäßig sympathischen Organe des Herrn Richter voll kommen recht geben. Denn wie würde «in solcher „Schwerins tag" verlaufen? Die socialdemokratische Partei kann in jedem Falle zwei ihrer Mitglieder sprechen lassen, nämlich zur Begrün dung des Antrages und beim Schlußworte, das ja dem Antrag steller gebührt. An der Fähigkeit, lange Reden zu halten, hat es den socialfftischen Abgeordneten niemals gefehlt, und so würde man sicherlich zwei mindestens zweistündige Reden zu hören be kommen. Der Sitzungstag also würde trotz des Schweigens der bürgerlichen Parteien — die sich beiläufig doch auch nicht so leicht unter einen Hut bringen lassen — doch vollkommen auS- gefüllt werden. Die soctakvemokratische Press« aber würde als dann in alle Welt hinausposaunen, daß die „Bourgeois" der von den socialfftischen Abgeordneten ausgekramten Weisheit nichts hätten entgegensetzen können. Mit „schweigender Verachtung" wirs im politischen Leben, ganz besonders aber in einer Volks vertretung, herzlich wenig erreicht. Will man überflüssige so- cialdemokratffche Initiativanträge kurz abthun, so muß man das selbe mit den überflüssigen Initiativanträgen anderer Parteien thun. Das ist freilich nur in beschlußfähigen Sitzungen möglich, in denen man nicht zu besorgen braucht, daß die Abstimmung über einen Schlußantrag «Vie Beschlußunfähigkeit des Hauses ergie'bt. X. Berlin, 7. December. (Die thüringischen Re gierungen und derUltramontanismus.) Wie jüngst mitgetheilt, haben mehrere thüringische Regierungen für die Zukunft die Abhaltung von Gottesdiensten in polnischer und tschechischer Sprache verboten. In der Centrumspresse werden sie wegen dieser Anordnung hart angelassen: Die Maßnahme bedeute, daß tschechischen und polni schen Industrie- und Bergwerksarbeitern die Ausübung ihrer Religion unmöglich gemacht werde. Wenn klerikale Organe sich zu solcher Behauptung versteigen, vergessen sie einmal, daß die Kirchensprache der katholischem Kirche das Lateinische ist, und sie vergessen zum Zweiten einen w e s e n t l i ch e n u n t e r d e n Gründen, mit denen die Beibehaltung des Lateinischen als Kirchensprache von der katholischen Kirche gerechtfertigt wird. Was den ersteren Punct anbe- irifft, so leuchtet ein, daß von einem Unmöglichmachen der Re ligionsübung nicht gesprochen werden kann, weil die katholische Kirche für einen Theil des Gottesdienstes von größter Bedeutung ihrerseits die Muttersprache durch das Lateinische ersetzt hat. Be treffs des zweiten Punctes aber citiren wir aus dem katholischen „Kirchenlexicon" folgende Stelle: „In der Fremde hört der Katholik beim Gottesdienste die heimathlichcn Töne seines Glaubens und ist sich bewußt, daß die Scheidewand, welche die Verschiedenheit der Sprachen zwischen den einzelnen Nationen aufgerichtet hat, für die durch die Er lösung neu geschaffene Menschheit gefallen ist." — Dieser Stand punct des „Kirchenlexikons" genügt der Centrumspresse nicht: die Beeinträchtigung der Muttersprache durch die lateinische Kirchensprache läßt sie sich ohne Weiteres gefallen, zugleich aber ist sie mit deren weiterer Verdrängung auf deutschem Boden einverstanden, obwohl die Kirche selbst, wie obiges Citat beweist, dergleichen als unnöthig ansieht. Das Deutsche kommt bei der Centrumspresse eben immer zu kurz. * Berlin, 7. December. (Fürst Münster und Vie Schnäbele - A f f a i r e) Der Tod des früheren Ärenz- commiffars zu Pagny, Schnäbele, veranlaßt mehrere Blätter, Folgendes in Erinnerung zu bringen: In Deutschland hatten die Septennatskämpfe stattgefuNven- Fürst Bismarck stellte in Aus sicht, man werde das französische Volk, wenn es abermals muth- willig einen Krieg l-eraufbeschwöre, „sai^ner L Wans"; Vi: „Post" veröffentlichte ihren vielerörterten Artikel „Auf des Messers Schneide". Da wurde am 20. April 1887 der fran zösische Spion Schnäbele verhaftet. Ein Architekt Klein, ein Fabrikant Grebert und ein Kaffeewirth Ehrhardt waren unter drin Verdachte ves Landesoerraths verhaftet worden, und Klein gestand, in Schnäbele's Diensten gestanden zu haben. Zwei Ge- hrimpolizisten wurden beauftragt, Schnäbele, wenn er deutschen Boden betrete, dingfest zu machen- Das geschah b«i einer zwischen Schnäbele und dem deutschen Polizeicommissar Gautsch verab redet gewesenen geschäftlichen Zusammenkunft an der Grenze. An Schnäbelt's Schuld konnte kein Zweifel sein; er mußte die ihn überführenden Briefe als von ihm herrührenv anerkennen. Nach den gerichtlichen Feststellungen hatte er deutsche Reichs angehörige sür Geld zu verbrecherischen Handlungen gegen ihr Vaterland verleitet. Die französische Presse schlug alsbald Lärm. Nach ihrer Darstellung sollt« dir Verhaftung auf fran zösischem Bvven erfolgt sein- Im Ministerrath zu Paris wurde dec Antrag auf Mobilmachung gestellt und nur mit 6 gegen 5 Stimmen durch den Einfluß des Präsidenten Grövy abgelehnt. Auch auf deutscher Seite war man zum Kriege entschlossen; so wohl 'der Kaiser als auch Fürst Bismarck waren der Ansicht, vaß man Nicht zurückkönnte. Das ist bekannt; neu aber ist, was die „Tägl. Rundsch." Aber Vie Rolle erfährt, die der kürzlich von seinem Posten zurückgetretene damalige Gras, fetzige Fürst Münster, zu jener Zeit Botschafter in Paris, in der An gelegenheit spielte. Fürst Münster prüfte den Sachverhalt ein gehend und eilte dann zum Fürsten Bismarck, pm ihm als seinen: Chef zu erklären, daß nach seiner Ueberzeugung daS Recht auf Seiten Frankreichs liege und Deutschland Gefahr laufe, einen Krieg zu beginnen, dessen äußer« Ursache ihm Unrecht gebe. Fürst Bismarck, der über den Schnäbele-Fall andere Berichte er halten hatte, ließ sich schwer überzeugen, war aber, sobald ibm Fürst Münster den Nachweis deutschen Unrechtes geführt hatte, augenblicklich bereit, die bisher eingenominene Position preiszu geben und dem Kaiser zum Frieden zu rathen. Er Hab dem Fürsten Münster den Auftrag, augenblicklich zum Kaffer «u eilen, ihm in derselben Weise, wie ihm. Vortrug zu halten und ihm zu sagen, daß Fürst Bismarck sich von der Billigkeit der französischen Ansprüche überzeugt habe. Deutschland dürfe keinen Krieg beginnen, wenn da- Recht nicht klar wie die Sonne auf seiner ^eite stehe. Die Mission Münster'« beim Kaiser war fast noch schwieriger al- Vie beim Reichskanzler, Venn Kaiser Wilhelm war von Ver Richtigkeit der ihm «rstvckteten Berichte überzeugt und von einem einmal nach sorgsamer Erwägung ge faßten Beschlüsse schtvcr abzubringen. Gleichwohl gelang es dem Fürsten, auch den Kaiser davon zu Aerzaugrn, daß di« Ver haftung Schnäbele's von Frankreich mit Recht als unrechtmäßig aufgefaßt werden könnte, und so konnte Fürst Bismarck schon an: 30. April eine Note an den französischen Botschaft«! veröffrnt- kchtn, worin er tzen Dachverhalt darlegt« und Vie Strafbarleit Schnäbele'- betonte für den Fall, vaß «r sich auf deutschem Boden
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