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WMMckM WM Früher Wochen- und Nachrichlsblatt Tageblatt lör WM, Mik. HenM, Mns, 8t. Win, HckMrt, KIMlstl, MmM, Mm 8t. Mcks, 8t. 3«»^ Ä. Wtli, 8tm,Mrs, Am. MeMsa, AWM mk MW Amtsblatt für das Kgl. Amtsgericht und den Stadttal zu Lichtenstein Älteste Zeitung im Königlichen Amtsgerichtsbezirk - — — - 57. Jichrgmrg —— -- -- Nr. 285. Freitag, de» 6. Dezember LALrWN" 1907. Tieft« klott eijä e!vl iLgllL «außer S ovo- uvd gettoak) voLwiNaß« für de» folgevdev lag. Lterteljährlichrr VkWgrpreir 1 Mark KV Psr»»tge, durch die dl^cst bezogen I Mark 75 PfauNN Einzelne Nummern 10 Pseuuigr. - Beslelluugeo nehme» außer der Expedition in Lichtenstein, gwickaurrstraßr Nr. 5d, aüe KatsrrNchrn PopanstaU«, Postboten, sowie die «uStrSger entgegen. Josero'e werd,» d^e sLv'geipalieve Eruodzeile mit 15 dr auiwürtig» Inserent« wst 15 Psemrige» berechnet. ReUvmezeile 30 Psg. Im amtliche» Teile kostet die zweispaltige Zeil« 30 Pfg. W«i»spr«h-N»kchlutzINr. 7. Inserate»-Annahme »glich btt sp««E«tt »»nmttlag« to Whi. Telegramm » dreff«: Lageslatl. Di« auf den 6. Dezember LSV7 nacbm 3 Uhr anberaumte, in Mül- f« Gt. JaeoV oorzunehmende Versteigern- g wird hiermit „«fgehobe». Lichtenstein, am 4. Dezember 1907 Der Gerichtlvollzieher de» König!. Amtsgericht». Bekanntmachung. Nachstehend geben wir da» Ergebnis der am 27. vorigen Monat» vor» genommenen Stadtverordneten-Ergänzungswahl amtlich bekannt: Die Wahlliste zählte 768 stimmberechtigte Bürger. Von diesen haben 572 ihr Stimmrecht auSgeübt. Neu- bezw. wiederges ählt wurden: Herr Kürschnrrmristrr Karl Hauptmann mit 308 Stimmen, „ Schankwirt Hermann Körbs „ 302 , „ Kaufmann Karl Reinheckel „ 270 _ als Ansässige, Herr Webermeister Friedrich Münch , 302 , als Unansässiger. Die nächstmeisten Stimmen erhielten von den Ansässigen: Herr Bäckermeister Arthur Thust (206), „ , «mt! Tischendorf (206), „ Färbereibesttzer Arthur Reu muth (201), von den Unansäisigen: Herr Bahnmeister a. D. Auaust Kegel (234). Lichtenstein, den 2. Dezember 1907. Der Stadtrat. 8 t«ckn « r. Bürgermeister Schm. Wegen Reinigung der Geschäftsräume bleiben Lonvabeud, de« 7 df». Mt» die RatSrrgistratur und da» Standesamt,die Polizeiregistratur und das Einwohner» Meldeamt, und Moutag, de« S df». Mt». die Stadtkosse und Steueretnnahme, die Sparkaffe und das Stadtbauamt geschloffen Lichtenstein» am 5. Dezember 1907. Der Stadtrat. Steckner, Bürgermeister. Hrtl. ktimmiM uS km rätst«« Mstu Eigen-Bericht. 8«brr Berlin. 4. Dez 07 ' Ein kritischer Tag erster Ordnung! Schon gestern Abend, nach der Rede Paasches, sah man finstere Wolken am politischen Horizont aufsteigcn. Daß sie sich aber mit solcher Wucht entladen würden, hat kaum jemand geahnt. Fast dasselbe Bild wie vor einem Jahre bei der R c i chs t a gs a u f l ö s u ng. Ein dichtgesülltes Haus, überfüllte Tribünen, die Minister vollzählig zur Stelle, dazu ein Heer von Beamten. Stille vor dem Gewitter bei Eröffnung der Sitzung. Die Abgeordneten bilden eine dichte Kette vor dem Nii nistertische. Kriegsminister v. Einem erhebt sich. Er ist krank. Sein Gesicht aschfahl. Trotzdem nimmt er alle seine Kräfte zusammen und spricht mit anerkennenswerter Ruhe, obwohler seine tiefe innere Erregung nicht verbergen kann. Herr v. Einem führt aus: Am 2. Dezember habe er kurz nach Sitzungsschluß eine vertrauliche Zu sammenkunft mit Herrn Paasche gehabt, in der er er klärte, mit einigen meiner Ausführungen nicht einver standen zu sein. Von einer Mitteilung, daß Paasche in der nächsten Sitzung darauf zurückkommen werde, habe er nichts gehört. Die Rechte ruft demonstrativ minutenlang stürmisch: Hört, hört! Ter Minister er klärt wiederholt, er habe nichts gewußt. Heule sei er gegen den Willen des Doktors nach dem Reichstag gekommen. Unter dem tosenden Beisall der Rechten macht er Herrn Paasche darauf aufmerksam, daß er, bevor er seine Rede hielt, den Kriegsminister hätte rufen lassen müssen, damit er zur Stelle war und gleich hätte antworten können. Mit der Hand auf den Tisch schlagend, verwahrt er sich dagegen, als Drückeberger in der öffentlichen Meinung zu er scheinen. Satz für Satz geht der Minister die Aus führungen Paasches durch, soweit sie sich auf die Armce- skandale beziehen. Die Verfehlungen des Grafen Hohenau: Nur der eine Fall mit dem Burschen liegt vor. Uebcrdies hat der Kaiser sich selbst Vorbe halten, ob und wann ein ehrengerichtliches Verfahren gegen einen General zu eröffnen ist. Im übrigen haben sich die G r a f cn H v h e n a u u n d L y n a r g e st c l l t, und der Prozeß wird seinen geordneten Laus nehmen. Bewegung aus der Rechten. Als der Minister sich gegen die Angriffe wehrt, er habe nur von Buben aus Civil kreisen ge sprochen, ist er seiner Erregung nicht Herr. Mit lauter Stimme, wiederholt mit der Faust auf den Tisch schla gend, schreit er in abgehackten Worten hinein in den Saal: Ob es Offiziere, ob es Grafen, ob es Prinzen sind, sie mögen dies Wort auf sich beziehen! Demonstrativer Beifall auf der Rechten. Wieder ruhiger geworden, protestiert der Minister dagegen, daß er nur Entschuldigungen für Lynar und Hohenau gehabt habe. Er hahe ausdrücklich gesagt, sie müßten dafür büßen, daß sie Böses getan haben. Am Freitag, als er gesprochen habe, habe er noch nichts von den kriegsgerichtlichen Verhandlungen am Donnerstag gewußt. Einziger Belastungszeuge sei Boll hardt. Ich war also, sagt der Minister, jedes Wort betonend, berechtigt, zu sagen: Es ist noch nichts erwiesen. Der Kutscher Hohenaus selbst, der bei diesem 15 Jahre im Dienst stand, habe nichts von der artigen Dingen bemerkt. Der Minister kommt zu den Briefen, die Hohenau an Bvllhardt geschrieben hat. Wenn Bild und Briefe dieselben sind, die Herr Harden dem Gericht vorgelcgt hat, dann kenne ich die Briefe. Ich habe auch an eine ganze Reihe von Untergebenen Briefe und Bilder in Pa radeuniform geschickt. Das beweist doch noch nicht Homosexualität. Stürmische Heiterkeit auch auf den Ministerbänken. Hat Herr Paasche an dere Briefe, dann möge er sie dem Gericht der ersten Gardedivision einreichen. Für dieses sind sie wert voller, als für den Reichstag. Die Rechte demonstriert wiederholt. Einige Abgeordnete klatschen in die Hände. An der Hand eines Verhandlungsberichts weist der Minister nach, daß der Major v. Hülsen nichts über den Grafen Moltke, auch nichts über die Verfehlungen Lynars und Hohenaus gewußt habe. Der Major von Hülsen habe ihm das heute morgen noch bestätigt. Es ist also gerade das Gegenteil von dem richtig, was in der Presse steht. Der Kriegsminister verliest zwei Briefe ihm bekannter hoher Offiziere, die sich sehr anerkennenswert über Hohenau, das Muster eines Edelmanncs, äußern. Mit ironischer Schärfe bittet der Minister schließlich Herrn Paasche, die lwhcn Offiziere, die von den Dingen gewußt, dem Gerichte zuzustellen, um dann unter stürmischem Bei fall in den Saal hineinzurufcn: Meine Herren, mir wollen doch aus dem Schmutz heraus! Wir wollen doch diese Angelegenheit aus der niederen Atmosphäre des Klatsches erhe ben. Wir wollen doch endlich Schicht mit der ganzen Geschichte machen, soll nicht die Disziplin zu Grunde gehen. Kein Mensch in der Welt kann mehr bedauern als ich, daß ich nichts davon gewußt habe. Je mehr der Minister zum Schluß seiner Rede kommt, desto erregter wird er. Er schlägt auf den Tisch und versichert mit bebender Stimme, er stände nicht mehr vor dem Hause, hätte er etwas gewußt. Wir leben in einer Zeit des Klatsches. (Der Abg. Paasche springt m i t g er ö t e t em Kv p f b l i tz s ch n c l l v o n s e i n e m Platze auf, den K r i e gs m i u i st e r schars an- sehend.^ Dieser fügt sogleich ein, daß er natürlich niemanden im Hause meine und sährt besänftigend fort: Gewiß ist Gold, was hier im Hause gesprochen wird, aber die Taten stehen höher/ Ich richte an jeder mann die Mahnung, mitzuhelfen, daß wir aus dieser ekelhaften, schmählichen Affäre herauskvmmcn. Aber, Herr Paasche, tun Sie es durch direkte Anzeige! Ich unddieArmeewürdenJhncndankbarscin. (Die Rechte demonstriert mit tosendem Beifall.) Wir müssen dafür sorgen, daß dieser Tratsch ein End» nimmt, daß, wo ein kranker Teil sich an dem gesunder! Körper findet, dieser abgeschnitten wird. Mein» Herren, helfen Sie mit! Der Beifall auf der Rechten will nicht enden« Im Hause sieht man bald nichts als aufgeregte Massen« Im Lärm gehen ein paar persönliche Bemerkungeck Paasches unter. Präsident Stolberg läutet wiederholt Ein Vertagungsantrag des Blocks ist einge- gangen. Also ein Sitzungsschluß ohne Beginn' Witz ein Sturmsignal wirkt diese Mitteilung auf die! Opposition. Die Sozialdemokraten schreien und toben^ das Centrum lärmt. Die Blockführer werden von deck Abgeordneten umringt. Hundert Stimmen werden laut« „Zur Geschäftsordnung!" schallt es. Singe» und Spahn fragen erregt nach dem Grund der Ver tagung. Der freisinnige Wiemer plaudert aus de» Schule. Wichtige politische Vorgänge. Bassermann! dementiert sofort. Beratung der Fraktionen ob der Mit teilung des Kriegsministers. Singer protestiert unte» dem lärmenden Beifall des Antiblvcks gegen ein derar tiges Vorgehen. Der Seniorenkonvent hätte gefragt werden müssen. Und in höchster Wut stößt er unte» dem lärmenden Jubel besonders des Centrums die Wort» aus: ^,D as hier ist Kamarilla!" Eine Auf regung sondergleichen. Normann stürzt zum Präsi denten Stolberg: Singer hat namentliche Ab stimmung beantragt. Mit 16 0 Stimmen gegeck 134 des Antiblocks wird die Vertagung beschlossen. Die Erregung pflanzt sich fort in di» Wandelhallen. Die Blockparteien treten zu Fraktions- sitznngen zusammen. Es verlautet: Der Reichs - ranzierirkttzurück, men nderAbg. Paasch» Vizepräsident bleibt. Tie Konservativen wollen nach den letzten Vorgängen nicht im Block bleiben. Ter morgige Tag wird dach Rätsel der Natur lösen. ... Es kriselt. ... Der Reichskanzler hatte vor der Reichstags sitzung am Mittwoch die Führer der Blockpar teien zu einer Besprechung gebeten, nick ihnen mitzutcilen, daß er nach der Rede des Abg« Paasche am Dienstag nichtindcrLagesei,unlc» d i e f e n V cr h ä l t n i s s c n d i c G c s chä ft e w e i t e r - zuführen. Nach der Vertagung der Reichstagssilzung hielten die einzelnen Parteien des Blocks F-raktions- sitzungen und dann deren Führer eine gemeinsame Sitzung ab, die zu einer W e i t e r f ü h r u n g de» Blockpolitik auf der bisherigen Grundlage führen dürfte. Tic na t i v na l l i b er a l e Partei beschloßt dem Kricgsminister v. Einem in einer Erklärung aus drücklich ihr Vertrauen anszu sprechen. —« Gegenüber der Meldung, der Reick;skanzler habe sein! Verbleiben im Rune davon abhängig gemacht, daß di» nationalliberalc Partei sich von Dr. Paasche trenne^ wird in parlamentarischen Kreisen versichert, daß von einem solchen Verlangen niemals mit einer Silbe di» Rede gewesen sei.