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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.05.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-05-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020515018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902051501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902051501
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-05
- Tag 1902-05-15
-
Monat
1902-05
-
Jahr
1902
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a.-s. p.isoi 100a 10ttvu l-v. »n«u x»L.1/?.0^ «neu 101,US 6. len i. o. t.0. «. I). t.1). t.o I. o l.0. 6 --L7i101,ü0 .V.VV LIsrii - t. I> «V. «.1». «. I>. «.V. o.v. ». I> «. I>. «.IX «.!> «.!). ».v. «.v. I. v. I. 0. ll«t-I>. «.o. »v 8» t-V. Llsrk I. N «.v. »v. > «I) «.O. i.1). l. 1». i.v. <L»»>S.V. «. v. «.0. lQ.vp.it! k-? SS Morgen-Ausgabe Druck und Verlag vou S. Pol- iu Leipzig. 96. Jahrgang Nr. 243 Donnerstag den 15. Mai 1902. Haupt-Filiale Lerlin: KönlggrStzerstraße 118. Fernsprecher Ami VI Nr. 33SL Haupt-Filiale Vres-en: Strehlenerstraß« 8. Ferusprecher Amt I Nr. 171». Nedartion und Crpeditiou: Jvhanal-gaffe 8. Fernsprecher 183 und L2S. Filialerpediliane« r Alfred Hahn, Buchhandlg.» Unioersität-str.8, L. Lösche, Kaihariueustr. 14, u. KSuigSpl. 7. Bezugs-Preis tu der Houptexpedition oder den tm Stadt, bezirk und deo Vororte» ernchtetr» Lus- gabestellen abgrholt: vierteljährliche- 4.80, — zweimaliger täglicher Zustellaug in» Hau- >l 8.80. 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Der sogenannte Berliner Ltadtetag. 12 Von Forckenbeck'S im Jahre 1879 gemachten Versuche, eine kräftige städtische Bewegung gegen die neu inaugurirt« Politik de- Schutzes der heimischen Arbeit in Ganz zu dringen, sagt eine Tendenzschrift in der großspurigen Art, der der Freisinn auch angesichts massenhafter An zeichen seines Niedergänge« treu bleibt, jener Versuch sei ein Schwertschlag ins Wasser gewesen. Die physi kalische Frage, ob Schläge in- Wasser nicht immer von dem gleichen Effect oder Nichteffect begleitet sind, mögen sie nun durch Schwerter oder durch Knabenspazierstöckchen ge führt worden sein, mag unerörtert bleiben. E- siebt aber zu befürchten, daß für die Erfolglosigkeit der Versammlung, di« am Montag im Hotel Kaiserhof zu Berlin abgehalten worden ist, auch die unerschrockenste Phantasie ein heldenhafte» Beiwort zu erfinden nicht wagen wird. Man gewinnt den Eindruck eines FiaScoS und dies ist zu bedauern, weil die Redner der Versammlung — wenn auch mit Unrecht — sich al» Repräsentanten der deutschen Slädte aufgespielt haben und da« städtische und liberale Bürgerthum z. Z. in Deutschland wahrlich nicht so stark und einflußreich ist, daß ihm miß lungene Kraftproben nicht schaden könnten. Au« diesem Grunde empfiehlt eS sich, nachdrücklich zu betonen, daß weder da« deutsche Bürgerthum im Allgemeinen — es giebt übrigens auch außerhalb der Städte Burger — noch die deutschen Städte für die Veranstaltung verantwortlich gemacht werden können. Daß die 7—800 Versammelten nicht delegirt und deßhalb nicht al» Vertreter ihrer Städte anzu sehen waren, mußte ver Vorsitzende selbst einräumen. ES bandelt sich in der Thal um ein rein privates Unternehmen, um eine Volksversammlung, die an diesem ihren Charakter nicht das Mindeste durch den Umstand einbüßt, daß die Theilnehmer Stadtverordnete, Sladtvertreter und zu einem — aber recht kleinen — Theile Bürgermeister sind und keinen ge meinsamen Wohnsitz haben. Beiläufig bemerkt, wäre in einem stäblcreicken Gebiete wie da« deutsche, daS vielleicht eine Myriade Stadtverordneter u. s. w. ausweist, die Zahl von 77 Städten und 7—800 Abgesandten nichts weniger al- imposant zu nennen gewesen. Doch die Herren waren gar nicht Abgesandte und dieZusammensetzung der Versammlung und ihre Vorgeschichte liefern gerade den Beweis, daß die deutschen Städte nicht« mit ihr zu schaffen haben. ES ist von der Mehrheit der Oberbürgermeister der im preußischen Herrenhause ver tretenen Städte sogar ausdrücklich, wenn auch nicht ossiciell, der Ueberzeugung Ausdruck gegeben worden, daß es das Richtige für sie sei, in Berlin nicht zu erscheinen. Die Zahl dieser Städte beträgt 48. Man erschien denn auch nur sehr spärlich und von anderwärts erschienen, wie gesagt, Chefs namhafter Städte ebenfalls nur in verschwindender Anzahl. An dieser Thatsache mag man die Berechtigung der Be hauptung des Vorsitzenden —des Berliner Oberbürgermeisters, der sich der von Herrn Singer und anderen Social- demokratcn milveranstalteten Versammlung nicht fern zu balteu wagte — bemessen: die anwesenden „Vertreter" — diesen Ausdruck gebrauchte Herr Kirschner trotz jener vorher kund gegebenen entgegengesetzten RechtSauffaffung — „geben die Meinung, die in ihren Gemeinwesen herrscht, wieder." Ein Berliner freisinnige» Blatt erweiterte diese irrthümliche Annahme zu dem vollständigen Unsinn, die Männer im Kaiserhofe sprächen „im Namen und im stillschweigenden Auftrage ihrer Mitbürger". In diesem Satze ist einzig und allein das Wort „stillschweigend" zutreffend. Nicht nur der formelle Auftrag fehlte, auch die moralische Berechtigung. In der bürgerlichen Bewohnerschaft der Städte ist stark und vielfach überwiegend die von den dem preußischen Herrenhause angehörigen Stadthäuptern kundgegebene Ansicht vertreten, daß die städtische Bevölkerung sich auf den Boden der Zolltarifvorlagen der Regierungen stellen müsse, wenn die Vorlagen der Landwirlhschast nützen und, was anzunehmen sei, da» Zustandekommen langfristiger Handelsverträge nickt gefährden. Am allerwenigsten steht die Mehrheit des städtischen Bürgerthum« auf dem Boden der in Berlin angenommenen Resolution, die „jede" Erhöhung der Zölle auf unentbehrliche Lebensmittel verwirft, aber der Steigerung von industriellen Zöllen die Thüre öffnet. Denn was will die der Verdammung der landwirthschaftlichen Zollerhöhung vorangehende Wendung der Resolution, die Versammlung spreche diese Verdammung auS „unbeschadet ihrer grundsätzlichen Stellungnahme zu den Zoll sragen", sonst besagen als: „Induflriezölle, ja, Bauer, da ist ganz wa« Andere«"? Bekanntlich toben zahlreiche indu strielle Intereffentenorgane, insbesondere auch der Berliner „Confectionär", ebenso wild gegen die Erhöhung der land wirthschaftlichen Zölle, wie sie nach exporbitanter Steigerung der Sätze der Regierungsvorlage für Artikel, die ihre Auftraggeber erzeugen, schreien. Diese Einseitigkeit, die einer auSbeutenden Classenpolitik gleichkommt, trotzdem freilich von der Socialdemokratie wenigsten« theoretisch gebilligt wird, diese schwere Ungerechtigkeit weist der besonnene und da« Gesammtwohl im Auge behaltende Theil de« deutschen Bürgerthum- weit von sich. Wenn die Berliner Versamm lung eine solche Resolution dennoch einstimmig an genommen hat — um so schlimmer für die Versamm lung. Wie di« Resolution, so predigte auch deren Bearünder, der Oberbürgermeister Gauß, den handelspolitischen Bürger krieg. Dieser Herr steht der Stadt Stuttgart vor, gerade der Hauptstadt desjenigen deutschen Lande-, in der auch von der Demokratie sehr lebhaft gewisse industrielle Zollerhöhungen betrieben werden, aber auch besserer land- wirthschastlicher Zollschutz vielfach befürwortet worden ist. Der letztere Umstand, da in Württemberg der ländliche Kleinbrsttz weitaus überwiegt, zeigt deutlich, wie wenig e« besagen will, daß auch Herr Gantz über di« Nutzlosigkeit landwirthschastlicher Zölle für die Kleinbauern perorirt, und au« der ersteren Thatsache geht bervor, daß dem Haupt- nuv eigentlich einzigen Redner der Berliner Versammlung kein kein Unrecht -ugesügt wird, wenn nian ihn der Theilnahm, an classeneinseitigen Bestrebungen beschuldigt. Herr Ggtzß sprach von einem „Haß gegen die Städte", der im Reichstage sich bemerkbar mache. Nun, er selbst hat auch nicht Liebe geathmet und insbesondere durch einen mit vielem Raffine ment unternommenen Versuch, da« Handwerk, namentlich da- Schlächtergewerbc, anfzureizen, den Anspruch auf den Namen eine- Apostels de- inneren Frieden verwirkt. Herr Gauß legte dabei dar, daß „schlechte Zeiten in der Industrie" den Fleischverbrauch und somit den Verdienst der Schlächter ungünstig beeinflussen. Um diese allgemein anerkannte Wirkung zu beschreiben, hätte e« der Reise nach Berlin nicht bedurft, und wa« in diesem Zu sammenhänge gerechterweise noch hätte gesagt werden müssen, unterdrückte der Redner, nämlich die unumstößliche volks- wirthschaftliche Grundwahrheit, daß schlechte Zeiten in der Landwirthsckaft der Industrie und ihren Arbeitern in um fassendster Weise zum Nachtbeil gereichen. Da» Gesagte und da» Beschlossene wird, obwohl Herr Gauß seine Tendenzen al« Pfeiler der .Weltpolitik" sehr verständlich nach oben empfahl, den Gang der Dinge nickt aufhalte», aber e- wird da« Bürgerthum vieler Orte diS- creditiren und damit dem extremen Agrarierthum eincrseit» und der politischen Reaction andererseits Vorschub leisten. Dieser Raih der Sieben- oder Achthundert war nicht gut be- rathen. Der Krieg in Südafrika. Die sogenannte« Friedensverhandlnnge«. Die Correspondeuz „Nederland" schreibt: Die von den Engländern, vornehmlich als den Herren des Telegraphen, fort und fort verübte Vergewaltigung der Thatsache« ent hüllt sich wieder in ihrer ganzen empörenden Schamlosigkeit in dem soeben veröffentlichten brieflichen Berichte Rcütcr's über die sogenannte Friedenskonferenz. Vor Allem auffällig au dieser), wie an allen b r i c f l i ch c n B c - richten aus englischer Quelle, ist, daß sie viel offen herziger und wahrer sind, als die telegraphischen Nachrichten englischen Ursprunges, ja, sogar das gerade Gegentheil von dem bezeugen, was die Depeschen behauptet haben. Alles, was bisher durch die englischen Depeschen über die Ankunft und die Reisen der Bocrcn-Regierungcn, über den Verlauf und den Inhalt der Verhandlungen zwischen ihnen und Kitchener, über das sichere Zustande kommen des Friedens, selbstverständlich auf englischer Grundlage, u. s. w. bekannt geworden ist, wird durch den „Ncuter'schcn" Brief über den Haufen gestoßen. Und n>aS wir immer behauptet haben, erhält durch ihn seine Be stätigung: die in England znr Schon getragenen über schwänglichen Hoffnungen ans baldigen Frieden waren nichts, als künstliche Mache zur Verfälschung der öffent lichen Meinnng, Vörsenmanövcr, diplomatische Eoups, die Bocren-Regierungcn in Südafrika gegen ihre Repräsen tanten in Europa auszuspielen, und im letzten Grunde nichts als der unbesonnene Selbstverrath einer unbändigen Sehnsucht nach dem Frieden. Als gewiß unverdächtiger Zeuge erklärt dies nun auch Englands sonst so getreuer Helfershelfer bei der Unterdrückung der W^^eit, indem er verräth, daß Niemand in Prctoüa den Eindruck hatte, daß der Verlauf der Verhandlungen sür England so günstig war, wie man in alle Welt posaunt hatte. Aus Reuter s Brief erhält auch unsere weitere Behaup tung ihre Bestätigung, daß, wenn überhaupt von Frieden die Rede ist, die von England gebotenen Bedingungen un gleich günstiger für die Bocrcn sind, als die englischen Minister und ihre Prcßtrabanten bis jetzt eingestandcn haben. -Das englische Volk muß schrittweise darauf vor bereitet werden, daß der Friede nur dadurch zu bekommen ist, daß man vor Allem die hochmüthigc Forderung der bedingungslosen Unterwerfung fahren läßt. Was den weiteren Punct in Neuter'S Brief anlangt, daß den Boeren-Rcgicrungen in Südafrika die nachgcsuchtc Verbindung mit ihren Repräsentanten in Europa ver weigert worden sei, so deckt sich dies mit der vor einigen Tagen als amtlich ausgcgcbcncn Londoner Mittheilung, „daß Krüger und die Delegirten in Europa für den Ab schluß des Friedens nicht nothwcndig seien, und daß trotz der aus Utrecht kommenden Erklärungen Steijn und Schalk Burger im Etnverständniß mit -en Boerencommandanteu das Recht beanspruchen, im Namen Transvaals und des Oranjefreistaates bindende Zusagen zu machen". Die Tendenz dieser und aller ähnlichen Mitthetlungen ist leicht erkennbar. Die englische Regierung verfolgt damit zweierlei: Die englischen Minister haben wiederholt er klärt, daß die Vertreter -er Roercn in Europa allen Einfluß und alles Vertrauen bet ihren Leuten im Felde und ihrer übrigen Gefolgschaft verloren hätten,- und sie haben diese willkürlichen und falschen Aufstellungen mit den gemeinsten Anwürfen gegen die Ehre und den Charakter der Boeren- repräsentanten in Europa stützen zu müssen geglaubt. Nun zuzugeben, daß die Regierungspersonen in Südafrika ossiciell mit diesen Männern Gedankens- und Meinungs austausch pflegen, das wäre doch eine zu beschämende Correctur ihrer früheren Aeußerungen. Den anderen Grund der Weigerung England» bildet die Befürchtung, den Boeren in Südafrika könnten von Europa aus In formationen -ugehcn, z. B- über die heiße Krtedcnö- sehnsucht in England, über die zunehmende Unzufriedenheit in Folge der neuen Lasten zur Bestreitung der Kriegs- kosten, die sie nur zum Auöharren tm Kampfe ermuthigten. Wir können diesem, von kleinlichster Rachsucht dictirten Bemühen Ker englischen Regierung gegenüber nur wieder- holt erklären, baß der berufene MeinungSaus- tauschimgegebenrnAugenbltckbkstimmtcr. folgen wird. ES ist dir- fest abgemacht und im Inter esse der Boeren «m Felde, die für ihre Entscheidung über Krieg und Frieden die politisch« Lage in Europa und die dortige Stimmung fiir ihre Sache kennen müssen, auch unerläßlich. E» ist nicht blo» unwahrscheinlich, sondern ganz unmöglich, daß England, wenn e« wirklich zum Frieden kommen will, die Erlaubniß dazu verweigern kann, da dtes« Verstiindtgung für dt« Boeren- ftzß-er in Gßidafriia di« aanckiat» «in» gu» non für jede Verhandlung über den Frieden bildet. Das von den Bocren-Regierungcn in Südafrika auch bei der jüngsten Evnfercnz mit Kitchener gestellte Ersuchen um die Erlaubniß, sich mit ihren Ver tretern in Europa in Verbindung setzen zn dürfen, ist der beste Beweis dafür, wie cs zugleich ein neuer schlagender Beweis dafür ist, daß die Boeren im Felde Krüger nach wie vor als ihren Präsidenten anerkennen und in ihm den erfahrenen und erprobten Staatsmann sehen, ohne dessen gewichtiges Nrthcil sic nichts unternehmen werden, was über Krieg nnd Frieden und damit über ihr Schicksal ent scheidet. Weiter theilt Reuter s Brief mit, daß Präsident Steijn fast erblindet und halbseitig gelähmt sei. Wir wußten bis her nur von der acuten Erkrankung eines Auges, und hoffen zuversichtlich, daß Reuter Unrecht hat. Reuter widerlegt sich ja auch selbst, wenn er im gleichen Athcm von Steijn behauptet, sein „Fanatismus" habe noch keines wegs nachgelassen. Also ein Mann, der trotz schweren körperlichen Leidens noch immer mit ungebrochenem Mnihe und nnerschüttcrlichcr Treue die Freiheit seines Landes verthcidigt, ein Fanatiker! Wer weiß, daß Steijn auch noch zu den Verständigsten seiner Landsleute zählt, nnd den Kampf sicher nicht fortscyen würde, wenn er ihn als hoff nungslos erachtete, wird neues Vertrauen fassen, in den Sieg -er gerechten Sache, zumal Steijn's unbeugsame patriotische Haltung auch auf die anderen Boerenführcr und den Geist der Eommandos ihre Wirkung nicht ver fehlen wird. Deutsches Reich. -s- Berlin, 14. Mai. lKeyer, Papst und Jesuiten.) Einige Centrumspolitiker sind höchst un wirsch über das Denkmal, das der ehrenwerthe Jesuiten pater de Luca dem Christcnthum und der Menschlich keit der Jesuiten des 20. Jahrhunderts durch die Forderung gesetzt hat: „Die weltliche Obrigkeit muß ans Befehl und im Auftrage der Kirche die Todesstrafc am Häre- ti k e r vollziehen und kann den von der Kirche der welt lichen Gewalt Ilcbcrgebencn der Todesstrafe nicht mehr entziehen." — Je treulicher dieser in de Luca s „Insti tutionen des öffentlichen Kirchenrcchts" ausgesprochene „fromme" Wunsch den Heldcnthaten der spanischen Inqui sition abgclauscht ist, um so peinlicher ist es der „Köln. Volkszeitung", daß Papst Leo XII l. durch das Breve vom 18. October 189k den Icsuitcnpatcr de Luca wegen sciuer Schrift „I'ruoi^etiouos iuris cunouioi" als Verthei- diger der kirchlichen Rechte belobt hat. Ob die „kraeleetionc-s" ähnliche Stellen, wie die „Institutionen" enthalten» müssen wir einstweilen dahingestellt sein lassen. Wenn aber die „Köln. Volksztg." Leos XIII. „Testament" als Beweis dafür nennt, daß zwischen Lev und dein Jesuiten de Luca ein „directcr Gegensatz" bestehe, so er scheint diese Behauptung ungemein kühn. Denn, unbe schadet aller Verbindlichkeit in der Form, zeigt sich Leo XIII. gerade in seinem „Testament" als ein gelehriger Schüler des IcsuitismnS. Dao geschieht einmal durch die Art, wie er die Angriffe gegen die Kirche in der neueren Zeit ans die Frcima n r c r zurücksührt, sodann dadurch, daß er die „ vollko m m cne " Unterwer fung unter die Weisungen des päpstlichen Stuhles für die Pflicht der Katholiken ausgicbt. In Bezug ans jene Bcurthcilung der Freimanrcr befindet sich Leo im Gegensatz zu einem Theile der deutschen Ccntrums- politiker, aber in vollem Einklänge mit den Jesuiten: das letztere gilt auch für die Forderung „vollkommener" Unter werfung unter den heiligen Stuhl, sür die in den „Stimmen aus Maria Laach" vor nicht langer Zeit energisch Propa ganda gemacht wurde. Weist demnach Leos „Testament" die deutlichsten Spuren seiner Ucbcreinstimmung mit dem Jesuitismus in sehr wichtigen Stücken auf, so fehlt es nicht an sonstigen Momenten, die der Auffassung widerstreiten, als mißbillige Leo den Fanatismus des von ihm belobten Jesuiten de Luea. Sicherlich hätte der Papst einer solchen Mißbilligung längst Ausdruck gegeben, wenn er den Fana tismus de Lucas selbst ernstlich verurtheilte. Zum Min desten hätte er eine gebührende Kritik de Lucas in irgend einem Jesuitenorgane veranlaßt. Da das aber, wie die „Köln. Volksztg." selbst betont, nicht geschehen ist, kann man auf die innere Stellung Leos zu der Ketzerrtchtcrci de Lucas sich einen Vers machen. Doch auch an positiven Anhaltepnncten dafür mangelt cs nicht. Wir erinnern vor Allem an den lodernden Haß, den Leos Canisius- Encticlica vom 1. August l897 gegenüber den Ketzern athmet. Wir erinnern an Leos I n b tl ä u m s b u l l e vom 11. Mai 1899, worin die Gläubigen angewiesen werden, für die „Ausrottung der Ketzereien" zu beten. Wir erinnern an das Schreiben, das Leo am 19. A u g n st 1900 dem Generalvicar von Rom, Cardinal Rcspighi, über die protestantische Propaganda in Rom sandte. „Wie pein- voll", wehklagt darin der Papst, „ist die dem Lberhanpte der katholischen Kirche bereitete Lage, das da gezwungen ist, der freien nnd fortschreitenden Entwickelung -er Häresie in dieser heiligen Stadt zuzusehcn." Hier klagt der Papst darüber, daß ihm die weltliche Macht fehle, nm der Ketzerei in Rom mit weltlichen Zwangsmaßrcgcln den Garaus zu machen, die „Ketzereien auSzurottcn". Welche Formen diese Ausrottung annehmen würde, wenn der Batican in die Lage käme, seine Wünsche verwirklichen zu können, das muß dahingestellt bleiben. Die Traditionen der römischen Kirche deuten in dieser Beziehung sehr ver nehmlich ans den Weg, den der ^hesnttenpater de Luca in seinen „Institutionen deS öffentlichen Kirchenrechtes" mit so dankenswerthcr Klarheit empfiehlt. A Berlin, 14 Mai. iDte we r ich t s s p r a ch e n n - da« Polen 1 hu m.) Die Gertchtlffprache tm deutschen Reiche ist bekanntlich nach ß >84 des Ger.-Verf.-Gef. die deutsch«. In den Landesthkilen, in denen eine gemischt sprachige Bevölkerung lebt, macht die Durchführung dieser Bestimmung freilich mancherlei Schwierigkeiten, zumal in neuester Zeit, in der da» Bestreben de» Volenthumt daßiA geht, die deutsche Sprache demonstrativ zu verleugnen. Vor dem Danziger Schöffengericht erschien am Sonnabend eine Frau Helene Kvbiella aus Kl.-Kleschkau, welche des Diebstahls angeklagt war: sie hatte sich in größerem Um fange au den Kartoffeln des Gutes Kl.-Kleschkau ver griffen. Bei ihrer Vernehmung erklärte sie, kein Deutsch zu verstehen, uud es mußte deshalb ein Dolmetscher geholt werden. Aus ihrem Gebühren im weiteren Verlause der Verhandlung ersah aber der Amtsanwalt, daß der An geklagten von der deutsch geführteu Zeugenvernehmung kein Wort verloren ging: sie bethciligtc sich mit Zwischen rufen und Fragen ganz unmittelbar an der deutschen Ver handlung, so daß der Amtsanwalt Wulff sich veranlaßt sah, den Richter auf diese Wahrnehmungen aufmerksam zu machen. Der Richter gab jedoch zunächst diesen An regungen keine Folge. Es trat sodann der Oberinspektor Zoch aus Kl.-Kleschkau als Zeuge auf, dem der Amtsauwalt die Frage vorlcgte, ob er polnisch spreche, was dieser leb haft verneinte. „Nun, wie haben Sie sich denn mit der Angeklagten verständigen können?" etzaminirte der Ver treter der Anklage weiter. „Sic spricht ja deutsch! Ich habe seit elf Jahren nie anders als deutsch mitihrgcsp r v ch e n ", so lautete die prompte Antwort. — Nunmehr beantragte der Amtsanwalt gegen die An geklagte wegen Ungebühr vor Gericht eine sofort zu voll streckende Haftstrafe von drei Tagen, weil sic die Gerichts sprache wider besseres Wissen verleugnet und dem Gerüchte die Verhandlungen durch Forderung eines Dolmetschers unnvthig erschwert habe. Der Vertheidiger widersprach dem Anträge und der Gerichtshof lehnte ihn nach kurzer Berathung mit folgender Begründung ab: Es sei fest gestellt, daß die Angeklagte besser polnisch — ihre Muttersprache — als deutsch spreche, man könne sic daher nicht zwingen, hier deutsch zu sprechen. Die „Danziger Zeitung", der wir obige Darstellung entnehmen, bemerkt sehr treffend zu diesem Vorgänge: „Die gleiche Feststellung wird mau voraussichtlich bet Jedem machen können, der in polnischen Landcsthcilen von polnischen Eltern geboren ist. Da aber inzwischen die deutsche Volksschule durch fast ein halbes Jahrhundert ihre deutsche Culturarbeit au den Kindern der polnischen Gebiete Preußens hat vollziehen können, so steht ebenso unbestritten fest, daß ein jeder Be wohner dieser Gegenden im Alter bis zu etwa 50 Jahren ausreichende Gelegenheit gefunden hat, die deutsche Sprache zu erlernen nnd sich in ihr vollkommen zu ver ständigen. Wenn das zum unumstößlichen Princip werden sollte, daß mau Niemanden zur Anwendung der Gerichts sprache zwingen könne, auch wenn uachgewiescn ist, daß er sie versteht und beherrscht, daun ist der Paragraph des Gc- richtS-Verfassnugs-Gesetzes illusorisch, dann werden wir aber bald im deutschen Vaterlaude die Fehde gegen deutsche Art und Sitte zur gleichen Heftigkeit entbrannt sehen, wie in unserem lieben Nachbarlande Oesterreich. Wir haben eigentlich keinen Anlaß, solche Zustände hcrbei- zusehncn." Ganz unbegreiflich, aber der Aufmerksamkeit der obersten Justizbehörde würdig, erscheint uns der Be schluß des Gerichtshofes, welcher der Angeklagten, obwohl sic der deutschen Sprache vollkommen mächtig ist, vor G c r i ch t den Gebrauch des Polnischen gestattete! Das werden sich die Herren Polen acuau merken nnd in jedem einzelnen Falle danach zu handeln wissen! /?. Berlin, 14. Mai. l Ei n neuer „ C o n f l i c t ". i Das hannöversche Welfenvrgau erfreut seine Leser durch die Entdeckung eines neue», höchst eigenartigen Conflicts. Veranlaßt ist diese Entdeckung durch das „Gutachten" des welfischen Parteigängers Dedekind über den bekannten Bericht der Iuslizevmmissivn des braunschweigische» Land tags, insbesondere durch Dedekind s Behauptung, daß die nichtpreußischen Reichsaugchörigcn gegenüber Kaiser und Reich nicht die Unterthancnpflichten der Treue und des Gehorsams hätten. Befruchtet durch die gedachte, ganz unhaltbare staatsrechtliche Spiegelfechterei, deelamirt das Welfenorgau: „Dem Kaiser und dem Reiche, auch Preußen, dient man schlecht, wenn mau das legitime Landcsfürsten- recht dadurch schädigt, daß man eine neue Unterthauen- pflicht der Reichsbttrger ausstellt, die in allen nichtprcußi- schcn deutschen Staaten einen Cvnflict mit dem Treueide der L a u d c s e i u w v h n c r heraufbc- schwören würde." — Also der Gehorsam gegen Reichs gesetze, Reichsgerichte und Rcichsverwaltungsvrgane, so wie der Verzicht ans Landesverrat!) im Reiche und auf Hochverrat!) gegen den Kaiser soll die uichtprenßischen Rcichsangehörigen in einen Conslict mit dem Treueid, bringen, den sie ihren Landesfürsten geschworen! Ma : dürfte über die Sinnlosigkeit dieses Standpnnctes höchst erstaunt sein, wenn einem welfischen Gemüthe nicht von altcrsher der Gedanke inncwohntc, daß welfisches Fürstcninteresse nnvereinbar sei mit der Trenc gegen Kaiser und Reich. O. II. Berlin, 14. Mai. lUnlautcrer Wett bewerb.) Der Ausbau des Gesetzes gegen den un lauteren Wettbewerb ist bekanntlich der Zweck einer Be wegung, die vom Verbände katholischer kaufmännischer Vereinigungen ausgcht. In einer an den Reichstag ge richteten Eingabe verlangt der Verband eine Erweiterung des Gesetzes in mehreren Punctcn, so u. A. Bestrafung in denjenigen Fällen, in denen wissentlich fehlerhafte Waaren verkauft werde«, ohuc daß beim Verkaufe auf die Fehler aufmerksam gemacht worden ist; strafrechtliche Verfolgung an Stelle der bisher bloS zulässigen Civtlklage wegen un richtiger, bczw. wegen Unterlassung der uothwcndigen Angaben >8 1 deö Gesetze«): Bestrafung, wenn falsche An gaben auch im mündlichen Verkehre gemacht werden iss 4). Solche Aendcrnugen sind, wie der Bericht der Barmer- Handelskammer bemerkt, nicht ohne Gefahr, denn falsche Angaben im mündlichen Verkehre können leicht auf Irr- thum beruhen nnd dann vou schlechten Schuldnern aus- genutzt werden, die sich um die Zahlung-Pflicht herum- drücken möchten. In klaren Fällen würden falsche münd liche Angaben schon nach dem heutigen Gesetze als Betrug bestraft werden können. Zu ß 8 wird Schutz gegen Onalität-verschlechterung verlangt und zu ß >2 eine Aen- dcrung dahin, daß die Verfolgung regelmäßig im Wege der öffentlichen Klage zu geschehen habe. DiBe letztere Ergänzung wird allgemein gewünscht, weil die Erfahrung gelehrt hat, daß die angerufene Hilfe der Gtaatöanwalt-
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