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4 Erscheint jeden Wochentag Nachmm. '/,6 Uhr für den andern Täg. Preis vierteljährlich 2 Mark 2b Ps., zweimonaMH 1 M 50 Ps. und ein«onatlich 7ü Pf J-25 89. Jahrgang. ! Dienstag, den 1. Februar. MöerzerA^ei^ und Tageblatt. Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zn Freiberg und Brand. Verantwortlicher Redakteur: Julius Braun in Freiberg Inserate werden bis Vormittag 11 Ubr angenom- O men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile I GUI» « oder deren Raum 1S Pf. s » Rachbestellunge« ,«s di- Monat- Februar uns März Werden znm Preis- von 1 Mk. 50 Pf. von alle« kaiserlich-« Postanstalt-» sowie von ve« be kannte« Ausgabestellen und der unterzeichnete« Expedition angenommen. Expedition des Freiberger Anzeiger. Die neue Reichsraths-Sesfion iu Wien In ziemlich düsterer Stimmung trat der österreichische Reichsrach nach einer dreimonatlichen Pause am Freitag wieder in Wien unter Verhältnissen zusammen, welche heftige Stürme fast unvermeidlich erscheinen lassen Die verhÄtniß- mähig lange Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Abschnitt der ReichSrahts-Session war keineswegs geeignet, die Gemüther zu beruhigen, vielmehr ereignete sich gerade in den letzten Monaten so Manches, was sowohl auf die innere wie die auswärtige Politik des österreichischen Kaiser staates düstere Schatten zu werfen geeignet war. Die Haft, mit der alle europäischen Staaten neuerdings an der Vervollständigung ihrer Rüstungen arbeiten, zeigt sehr deut lich, daß man dem Weltfrieden nirgends mehr recht traut und daß auch Oesterreich mit der Eventualität rechnen muß, bei kriegerischen Verwickelungen in Mitleidenschaft gezogen zu werden Was Fürst Bismarck im deutschen Reichstag mit rückhaltloser Offenheit über das Verhältniß Deutsch lands zu Oesterreich gesagt hat, mußte Diejenigen ent täuschen, welche eine weitere Verstärkung der österreichisch ungarischen Wehrkraft im Hinblick auf die Bundes- genossenschast des starkbewehrten deutschen Reiches bisher fiir überflüssig erachteten. Die österreichisch-ungarische auswärtige Politik, über welche in den Delegationen seinerzeit so zuversichtliche Aufschlüsse gegeben wurden, be schäftigt zum Glück den österreichischen Reichsrath nicht, denn Mst würde bei den jetzt obwaltenden Verhältnissen zur Vermeidung ernster Verwickelungen mit Rußland der Ton sehr herabgestimmt werden müssen. Auf dem Gebiete der inneren Politik, welche die eigentliche Domäne des österreichischen Reichsrathes ist, sieht es aber kaum erfreu licher aus. Wie zu erwarten war, hat die ungarische Re gierung bei den Ausgleichsverhandlungen sich kraftvoll da gegen gesträubt, ihre ungarischen Raffinerien durch einen höhere» Rohpetroleumzoll zu Gunsten der galizischen Petroleum-Produzenten zu schädigen. Die von dem öster reichischen Abgeordnetenhaus an den Vereinbarungen über den Zolltarif vorgenommeuen Abänderungen wurden von dem ungarischen Minister als unanehmbar bezeichnet und es ist nun wieder nothwendig, von dem österreichischen Reichsrath eme Rücknakme seiner den Ausgleich hemmenden Beschlüsse zu verlangen. Heftige Auseinandersetzungen werden bei dem schroffen Gegensatz der Interessen dabei kaum zu ver meiden sein. Besonders schlimm ist es, daß die Vorgänge in den meisten der soeben erst zu Ende gegangenen Einzellandtage ein großes Maß von Verstimmung in den Gemüthem zurückließen und daß die langgehegte Hoffnung auf eine Versöhnung der Nationalitäten mehr und mehr schwindet. Empört über den Mißbrauch der Gewalt der Kammer mehrheit bei der Abweisung des Plenerschen Antrages, stellten die deutschen Abgeordneten im böhmischen Land tage ihre Arbeit ein und richteten an die deutsche Bevöl kerung Böhmens einen Ausruf, der mit seinen Flammen- zügcn das Mißlingen aller bisherigen Versöhnungsver- suche nur zu grell beleuchtet. Der Oberstlandmarschall Fürst Lobkowitz zeigte zwar in der von ihm in der Prager Landtagsstube gehaltenen Schlußrede, daß er die ver- hängnißvollen Folgen des Auszugs der deutschen Abge ordneten nicht unterschätzt und deren Wiedereintritt selbst durch Opfer erkauft sehen möchte, aber die Deutsch-Oester reicher sind durch manche Erfahrung belehrt worden, daß zwischen versöhnlichen Worten der Czechen und entsprechenden Thsten noch immer ein wesentlicher Unterschied vorhanden ist. Die Reichsrathsmehrheit, welche jetzt wieder den Deutschliberalen in Oesterreich entgegensteht, enthält so viele Elemente, welche der böhmischen Landtagsmehrheit gleichen, daß der Versuch der Deutschen, mit ihren For derungen zu Wabrung deutscher Sprache und Art sich an den Reichsrath zu wenden, nicht viel Erfolg verspricht. Vielleicht läßt man dabei die deutsche« Abgeordneten in Wien ebenso wenig zu Worte kommen wie in Prag. In den beiden oppositionellen Klubs war man bisher noch gar nicht recht einig, in welcher Form die Fragen, welche den Austritt der deutschen Abgeordneten aus dem böhmischen Landtage veranlaßten, vor das österreichische Abgeordneten haus zu bringen sind. Wahrscheinlich wird zunächst vom Deutschen Klub eine Jnterwellatton in Betreff der Sprachen verordnung des österreichischen Justizministers vr. v. Prazak eingebracht werden. Da dabei sehr eigenthümliche Dinge zur Sprache kommen könnten, dürste die Reichsrathsmehr heit ebenso wenig geneigt sein, darüber eine Debatte zuzu lassen als die Regierung, die Interpellation zu beant worten. In solchem Falle würde möglicherweise nach dem Muster des Prager ÄusMgs auch in Wien eine Arbeits einstellung der deutschen Abgeordneten erfolgen. Auf die Dauer kann die österreichische Regierung die moralische Wirkung dieses passiven Widerstandes der sich für unterdrückt haltenden deutschliberalen Minderheit nicht iqnoriren. Der Sprachenverordnung des auf seine czechischen Landsleute in Mähren besondere Rücksicht nehmenden Justiz ministers ist erst der Antrag des Präsidenten von Schmerling im österreichischen Herrenhause und dann der Auszug der Deutschen aus dem Prager Landtage gefolgt, ohne daß das Kabinet Taaffe eingesehen hätte, daß die Sprachen verordnungen die nationale Bewegung schürten. Die Lage Oesterreichs ist keine solche, daß man es weiter auf solche Mißhelligkeiten unter den verschiedenen Nationalitäten ruhig ankommen lassen könnte. Auch in den anderen Theilen des Kaiserstaats ist Zündstoff angehäuft. In Galizien klagen die Ruthenen immer lauter über die Herrschsucht der Polen; in Dalmatien fühlen die Italiener und Serben ihre nationale Gleichberechtigung beeinträchtigt. In Tirol hat die immer anspruchsvoller werdende klerikale Partei durch Ablehnung der Schulvorlagen dem Ministerium eine große Enttäuschung bereitet. Durch diese Verstimmungen erscheint die Herstellung des noch ausstehenden Ausgleichs mit Ungarn wesentlich erschwert und doch ist die österreichische Regierung durch den Ablauf der zehnjährigen Ausgleich s- penode gezwungen, vom Reichsrath eine beschleunigte Lösung dieser Aufgabe zu verlangen. Bei der jetzigen un sicheren Weltlage kann es die österreichische Regierung nicht auf einen wirthschaftlichen Zwiespalt der beiden Reichs- hälsten ankommen lassen. In der ersten Reichsraths-Sitzung fand zunächst eine Reihe lange hinausgeschobener erster Lesungen statt, z. B. diejenigen des Nachtragskredits zur Deckung des bei dem Brande von Stry entstandenen Schadens,' des Antrages auf Entschädigung unschuldig Verurtheilter, des Antrages auf Errichtung eines kaiserlichen Gesundheitsamtes, des Antrages auf Errichtung und Organisirung von Arbeiter kammern u. s. w. Ein ernster Zusammenstoß der wider strebenden Elemente wird wohl erst erfolgen, wenn die dem Deutschen Klub angehörigen Abgeordneten den Kampf gegen die Sprachenverordnungen eröffnen. Vielleicht geben aber schon früher Finanzfragen die Veranlassung zu heftigen Debatten, da der Landesvertheidigungs - Minister dem Reichsrathe sofort die Vorlage unterbreiten will, welche einen Kredit für die Ausrüstung der Landwehr und des Landsturmes verlangt. Der Minister wird die Dringlich keit für die Vorlage beanspruchen. Tagesschau, Freiberg, den 31. Januar. Dem deutschen Kaiserhause wurde Sonnabend ein neuer Sproß geboren. Die Frau Prinzessin Wilhelm von Preußen ist von einem Prinzen entbunden worden. Der Letztere ist der vierte Knabe aus der Ehe des Prinzen Wilhelm und der Prinzessin Augusta Viktoria, somit der vierte Urenkel des deutschen Kaisers. Von den drei älteren Knaben ist Prinz Wilhelm 1882, Prinz Friedrich 1883 und Prinz Adalbert 1884 geboren. Wie bei jedem Anlaß, der das Kaiserhaus betrifft, so wurden auch bei dieser Gelegenheit dem greisen Monarchen von den Berlinern stürmische Huldigungen dargebracht. Als Vormittags die reitende Abtheilung des 1. Garde Artillerie-Regiments unter den Klängen der „Wacht am Rhein" am kaiserlichen Palais in Berlin vorübcrzog, fanden sich dort viele Taufende zusammen, die den Kaiser bei seinem Erscheinen am Fenster mit endlosen Jubelrufen begrüßten und dann in mächtigem Chor die Nationalhymne sangen. Kurz darauf erschien die Generalität zur Grakulation. Viele Ge bäude hatten geflaggt. — Mit großer Absichtlichkeit wird von den leitenden deutschen Blättern behauptet, die Einbe rufung der Reserven zur Einübung mit dem neuen Repetirgewehr habe in keiner Weise überrascht und nur in Folge der ohnehin vorhandenen KriegSbesürchtungen Aussehen erregt. Die Reserven sollen auch nicht länger bei der Fahne behalten werden, als Zeit für ihre Einübung mit dem neue« Gewehr erforderlich ist; angeblich nur zwölf Tage. Selbst verständlich werden aber, bis die Einübung durchgeführt ist, immer neue Einziehungen von Reservisten folgen. Daneben nehmen die Vorbereitungen zur Durchführung der Militärvorlage dergestalt ihren Fortgang, daß nach der Annahme des Gesetzes im deutschen Reichstage sofort seine Ausführung ermöglicht wäre. Die vom Rhein bereits ge meldete Aufforderung an die im letzten Herbst überzählig ge bliebenen Dienstpflichtigen, sich für den 1. April zur Ein ziehung bereit zu halten, ist überall ergangen. Es handelt sich dabei bekanntlich um eine außerordentliche Rekrutlrung be hufs der vorgeschlagenen Erhöhung des Präsenzstandes, resp. behufs der beabsichtigten Neu-Formationen. Was die Einziehung von Reservisten für die Uebung mit dem neuen Gewehr angeht, so ist noch zu erwähnen, daß man von wohlunterrichteter Seite den 7. Februar als den Termin der ersten Einberufung bezeichnet. — Von offiziöser Seite wird berichtet, daß die chinesische Regie rung mit deutschen Bankfirmen eine Anleihe abgeschlossen hat. Diese Thatsache ist für den deutschen Handel bemerkenSwerth, da dieselbe als das erste positive Ergebniß langjähriger Be strebungen zu betrachten ist, welche darauf abzieltrn, den imter günstigen Verhältnissen begonnenen Beziehungen Chinas zur deutschen Industrie d.e unerläßliche finanzielle Grundlage zu verschaffen. In diesem Jahre gelangen noch zwei von der Stettiner Maschinenbau-Gesellschaft „Vulkan" für China ge baute Kriegs-Korvetten zur Ablieferung. — In der klerikalen Presse sträubt man sich gegen die Annahme, daß eine gegen das Zentrum gerichtete Acußerung des Papstes vorliege. Die „Schles. Ztg." meint, daß die Angabe, welche Aeußerungen des Papstes zu zwei hervorragenden Zentrumsmitgliedern be haupte, nicht ganz unrichtig sein möge, aber eine weitere Ein mischung des Papstes in die innere Politik Deutschlands werde nian nicht veranlassen können. Die Existenz des Zentrums sei eine Bürgschaft des Friedens Fordere der Papst die Partei auf, für das Septennal zu stimmen, so wäre dieselbe ruinirt und das könne der Papst nicht wollen. Die „Germ." schreibt: „Diese Aeußerung unserer Breslauer Kollegin ist richtig: würde Papst Leo XIII. bezüglich des Septennats einen Befehl er- theilen, so wäre das Zentrum sofort gesprengt. Durch eine solche Handlung des Papstes wäre Alles Lügen gestraft, was wir feit 1b Jahren unaufhörlich der preußischen Regierung und ihren Parteien gegenüber über die kirchliche Kompetenz verkündet haben, als unsere heilige Kirche verfolgt wurde eben unter dem Vorwande, wir seien auch politisch die zu „Kada ver-Gehorsam" verpflichteten „Knechte" des Papstes! Wir haben das stets als unwahr bezeichnet, unser ganzes katholisches Volk lebt in voller Klarheit und Entschiedenheit in dem Grund sätze : die kirchlichen Dinge werden von den kirchlichen und die staatlichen Dinge von den staatlichen Organen geordnet. Würde das Zentrum von Rom aus zerstört, dann wäre die katho lische Kirche in Preußen und Deutschland schutzlos, wie z. B. in Frankreich, wo die Kirche mit Füßen getreten werden kann, ohne daß die Mehrheit der Katholiken sich noch zur Verthei- dlgung erhebt! Dahin kommt es aber nicht bei uns in Deutsch land und Preußen! Rom zerstört, seinen Schutzwall nicht!" Mit dem auf die deutschen Wahlen bezüglichen Briefe des Papstes soll es folgende Bewandtniß haben: Der Brief wurde nicht an den Kaiser, sondern an den Münchener Nuntius ge schrieben. Der Brief, den der Nuntius den Bischöfen mit- theilte, ist von friedlichem Geiste durchweht, jedoch in ganz all gemeinen Ausdrücken gehalten. Das Gerücht, daß Leo XIII. dem Abgeordneten Windthorst zu dessen Geburtstage den Segen verweigert hätte, ist unrichtig. Der Papst vermied wohl auS politischen Rücksichten die Ertheilung des feierlichen Segens, ließ jedoch dem Führer der deutschen Zentrumspartei seine herzlichen Glückwünsche zukommen. Fast alle österreichische« Blätter sprechen sich neuer dings dahin aus, daß zwar die Orientsrage eine recht gün stige Wendung genommen habe, die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich aber sich ziemlich ernst gestalteten. Gleichwohl will man in Wien an keinen Krieg glauben. — Die ungarischen Minister sind wieder in Wien eingelroffen, um die Ausgleichsverhandlungen noch einmal auszunehmen. Die obschwebkndcn Differenzen betreffen den Petroleumzoll, die Zucker- und die Spiritussteuer. Die neuerlichen Verhanü-