Volltext Seite (XML)
Sonnabend, 9. Juli. Inkml 4000 udlnii Itmiiiki. Rr. 15«. Master Jahraan, ß und Anzeiger iür das Erzgebirge Sprech stund« drr 8«daV--n mit Ausnahm« der Sonntag« nachmittags von 4—r Uhr. — Telegramm-Adrrff«: Lagrblatt Au«. — F«rnsxr«chrr Für unverlangt eingesandt« Manuskript« kann Gewähr nicht geleistet «erden. Verantwortlicher Redakteur: Mtz n »ksia. Für di« Inserate verantwortlich: Walter krau,. Beide in Au^ i. Lrzgeb. mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. m. b. Ls. in Aue i. Lrzgeb. Bezugspreis: Durch unser« Boten frei ins Haus monatlich 5» pfg. Lei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich 40 pfg. und wöchentlich >0 pfg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich l.so Mk. — Durch den Briefträger frei ins Haus vierteljährlich i.zr Mk. — Einzeln« Nummer 10 pfg. — Deutscher Postzeitung,, katalog. — Erscheint täglich ,n den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. Annahm« von Anzeigen bi, spätesten, Uhr vormittag». Für Aufnahm« von größeren Anzeigen an bestimmt« Stellen kann nur dann gebürgt «erden, wenn st« am Lag« vorher bei uns eingehen. Insertion,preis: Di« fiebengespalten« Korpuszeile oder deren Raum to pfg., Reklamen 2» pfg. Bei größeren Aufträgen entsprechender Rabatt. »lest Nmmtlrk umfäßt is Zeit«« Außerdem liegt das achtseitige illustrierte Sonntagsblatt bei. Amtliche Bekanntmachungen siehe 1. und 2. Beilage. Das Wichtigste vom Tage. Die heftigen Regengüsse der letzten Tige veranlaßten ein schnelles S teige n der MoseI, des Neckar» und des Rheins. Auch aus O b e r b a y e r n und Voral - berg laufen wieder Meldungen von gefahrdrohen dem Hochwasser ein. Der Erbprinz von Hohenlohe-Langenburg hat sein Amt al» zweiter Vizepräsident dssReichst ags niedergelegt. (S. Art. i. Hptbl. u. Tel.) » Wie zuverlässig verlautet, sei nicht zu befürchten, daß Oesterreich-Ungarn der Beseitigung der Abgaben freiheit der Elbschiffahrt zustimmen wird. In der Verhandlung gegen den französischen Mi ne n s p c k u l a n t e n Röchelte kam es zu Enthül lungen, durch die der frühere M i n ist e r pr ä s i dent Clemenceau schwer kompromittiert ist. (I.Tel) <" » Die kretische Krisis ist vorläufig dadurch ge lt) st, daß die Opposition in der Kammer den Ver tretern der Schutzmächte eiklärt hat, daß sie die musel- manisch en Abgeordneten der Kammer zu lassen würde. » .... Wie verlautet, arbeitet der p o r t u g i s i s ch e F i n a n z m i nl ster ein Projekt aus, das die Zahlung Her Zölle in Gold vorfieht. IM»- Mutmaßliche Witterung am 1«. Juli: Siidwestwind, wolkig, zeitweise Regen. "MU Die neue Wahlrechtsvorlage für Preußen X Kaum hat der Nachfolger de? Herrn v. Moltke in dem Ministerhotel Unter den Linden in Berlin seinen Einzug ge halten, so tauchen auch die Schatten der entschlafenen preußi ¬ schen Wahlrechtsreform aus ihrer Gruft wieder aus. Kommt sie oder kommt sie nicht? fragt der sozialdemokratische Vorwärts und die Berl. Pol. Nachr. antworten mit einem: Sie kommt. Das Blatt des Bundes der Landwirte dagegen sieht ihr mit Schrek- ken entgegen. Es hat darum nichts Eiligeres zu tun, als an die Regierung die Mahnung zu richten, die Frage der Wahl reform ja in ihrem vom schwarz-blauen Block gezimmerten Sarge schlafen und sie nie wieder den Tag der Auferstehung erleben zu lassen. Die tödliche Angst, die aus diesen Zeilen spricht, nimmt im Munde der Deutschen Tageszeitung nicht wunder. Die ein seitigen Jnreressenkreise, die sie vertritt, sind bei dem bisherigen Wahlmodus nicht schlecht gefahren, und schon aus parteiegoisti schen Gründen wird ihnen eine Vorlage auch in neuem Gewände jetzt ebensowenig willkommen sein wie vorher. Das kann aber für die Regierung keineswegs bestimmend sein, von ihrer einmal gegebenen festen Zusage abzugehen. Der Ministerpräsident hat es bei der Einführung der zu Falle gebrachten Vorlage im preu ßischen Abgeordnetenhause mit aller Deutlichkeit ausgesprochen, daß die Ankündigung einer die sich erwiesenen Mißstände elimi nierenden Reform des preußischen Wahlrechts kein leeres Wort gewesen ist. Herr von Bethmann Hollweg sagte damals: Man hat es so dargelegt, als sei es gar nicht die wirkliche Ueberzeugung der Staat^sregierung, daß das Wahlrecht geän dert werden soll, als habe sie diese Vorlage nur eingebracht, weil sie durch jenen Passus der Thronrede in eine Zwangs- und Notlage versetzt worden sei. Man hat zwischen den Worten der Thronrede und der Ueberzeugung der Staatsregierung, ja des Königs, einen Widerspruch konstatiert. Meine Herren, daran ist kein Wort wahr. Was die Thronrede ankündigt, ist die Willensmeinung Seiner Majestät des Kö nigs, und für diese Willen^meinung tritt die König liche Staatsrcgicrung geschlossen mit Ihrer Verantwortung ein. . , . . > Man sollte meinen, diese Worte seien deutlich genug, um jeden Zweifel von eimr Nichtwiedereinbringung der Vorlage von vornherein auszvschließen. Eine andere Frage ist freilich, wann ein neuer (oesttzentwurf zur Aenderung des Wahlrechts den: Abgeordnetenhar se vorgelegt werden wird. Die si eikon servative Post meint, :m Gegensatz zu Herrn Schmedding, der in einer Zentrumsversammlni g in Münster kürzlich eine neue Wahl reformvorlage schon für vie nächste Session in Aussicht stellt, m der nächsten Tagung würde der Versuch einer Wahl reform nicht wiederholt werden, und fügt zur Bekräftigung an, ihre Auffassung beruhe nicht auf Vermutung, sondern auf sicherer und tatsächlicher Unterlage. Aus welcher Quelle sie ihre Weis heit geschöpft hat, verrät sie natürlich vorsichtigerweise nicht. Aber immerhin mag sie mit ihrer Vermutung nicht ganz unrecht haben. In unserem parlamentarischen Leben ist ys Brauch, einem neuen Minister eine bestimmte Schonzeit zu gewahren, und es ist anzunehmen, daß Herr von Dallwitz, der ja, wie sein Vorgänger, die neue Wahlvorlage mit seinem Namen zu decken haben würde, wenig Lust hat, sich gleich mitten in den Strudel er regter Parlamentsdebatten zu stürzen. Wie dem aber auch sein mag: daß die Wahlreform wieder auflebt und wieder auf leben muß, untersteht keinem Zweifel. Und wenn man auf konservativer Seite die neue Form des Entwurfs als einen Prüfstein für den neuen Kurs des Bethmannschen Regiment betrachten will, so ist ihnen zu erwidern, daß, mag die Reform nun früh oder spät kommen, Herr von Bethmann sowohl wie sein Minister des Innern genug Gelegenheit haben wird, die Rich tung seines Kurses zu entschleiern. s Ernst von Hohenlohes Rücktritt nnd Absage Dor Erbprinz von Hohenlohe-Langen burg hat sein Amt als zweiter Vizepräsident des Reichstages niedergelegt und davon den Präsidenten Grafen Schwerin-Löwitz in einem längeren Schreiben unterrich tet, das die Gründe angibt, die ihn Lei seinem Entschlüsse bewogen haben. Der > Brief d«s Erbprinzen hat folgenden Wortlaut: Als bei der Neuwahl des Reichstagspräsidiums die natio nalliberale Fraktion es ablehnte, aus ihrer Mitte einen Kan didaten für das Amt des Weiten Vizepräsidenten zu bezeich nen, bestand an beachtenswerter Stelle die Anficht, daß die Wiederannäherung derjenigen Parteien, die bis zur Entschei dung über die Finanzlage in wichtigen politischen Fragen zu- sammengegangen waren, durch die Bildung eines parteipoli tischen, einseitigen Präsidiums bei Neuboginn der parlamen tarischen Arbeiten von vornherein ernstlich gefährdet sein würde. Um solche Gefahr zu verhindern und den Eedanken einer Wiederannäherung zu unterstützen, ent schloß ich mich, einem von verschiedenen Seiten an mich gerich teten Wunsche entsprechend, die Kandidatur für das Amt eines zweiten Vizepräsidenten anzunehmen. Der Entschluß wurde mir dadurch erleichtert, daß die Partei, deren" Hospitant ich bin, während der vorangegangenen Kämpfe im mer eine vermittelnde Stelle eingenommen hatte.- Jnzwiichen haben die Vorgänge bei einer Reihe von Reichstagsersatz vah, len und die jüngst veröffentlichten Erklärungen der national liberalen Partei eine erhebliche Vertiefung der Gegen- Die Madonna von Haslwand. Humoristische Skizze von Emil Peschkau. Nachdruck verboten. Ein paar hundert Schritte vor Haslwand steigt das Sträß- lein neben der Haslbachschlucht noch einmal steil an, und es sieht aus, ass ob die zwei Schneehörndln mit ihrem Mantel von dunk lem Fichtengriin nicht eine Stunde weiter am Talende, sondern mitten aus den altersgrauen, mit Felstrümmern beschwerten Holzdächern de- Dörfchens emporragten. Der Kunsthändler Max Danziger — in Lodenjacke und Kniehosen, mit Rucksack und Bergstock — blieb stehen, wischte sich den Schweiß von der Stirn, betrachtete wohlgefällig das schöne Bild, bedauerte, daß es nicht gemalt war, und wandte sich dann um, da er plötzlich Schritte hörte. Er sah einen jungen Mann in städtischer Kleidung, ver mutete den Schulmeister des Ortes und b «nutzte sofort die Ge legenheit, sich nach einer guten Unterkunft zu erkundigen, worauf der Gefragte merkwürdig verlegen wurde und erwiderte, es gäbe nur. eine einzige Unterkunft, das Gmoanwirtshaus. „Na und —?" fragte Herr Danziger, mißtrauisch geworden. „Ich will ja noch heute weiter über den Paß, möchte nur einiger maßen gut futtern —" „Die Zenzi kocht guat," war die wieder recht verlegen abgegebene Antwort. „Aber Vorräte sind halt nit da, und jetzt wird auch kei' Zeit sein, 'was z'samm' zu suach'n, weil unser' Madonna an'kommen is. Deswegen hab i' mi' za auch heut frei g'macht und bin a bisserl pressiert." Herr Danziger verstand den Wink und bemühte sich, dem Schritt des jungen Mannes zu folgen. Eine Madonna — das interessierte ihn. „Sind Sie nicht von hier?" fragte er weiter, um nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. „Ja und nein. Auf d' Welt 'kommen bin i' in Haslwand, aufg'wachsen im Waisenhaus, und jetzt hab' i's halt bis zum Schreiber beim Amts gericht 'bracht." „Aslo Dienstsache Lei der Madonna?" unter brach Herr Danziger mit wachsender Spannung. „Aa na! Aber wznn mn' a Madel gern hat, und ihr Vater mag nit, weil er a Reiche braucht — da schaut ma' halt zua, wenn a G'legenheit is —' „Das Madel heißt Zenzi?" „Mol, wol! 'n Emoanwirt sei' Zenzi! Und bei uns gibt's do' keine Reichen! Wenn aber a mal a Fremder bei uns bleibt, dann is' do' nur so a armer Patsch, wie der Maler, der uns die Madonna g'malt hat, weil's mit der Unterkunft und mit'm Futtern gar zu schlecht ausschaut." „Ich dachte, die Madonna wär vielleicht so'n wertvolles altes Bild. Wie heißt der Maler?" Herr Danziger hörte einen ganz unbekannten Namen und machte eine Handbewegung, als wollte er sagen: Ich danke!" Er sagte es aber doch nicht, sondern fragte weiter: „Noch ein junger Mann?" „A na. Hat scho' a Glatzen und malt a nix mehr, weil d' Leut' seine Bilder nit kaufen woll'n. Nur der Hochwürden hab'n Lberred't, weil er für unser Kircher! halt gar zu gern a andächtige Malerei möcht'. Und heut' habn wir's kr'agt! I große Kisten ss schon! I'hab's no'auf'n Bahn hof g'seh'n." In diesem Augenblick wurde plötzlich wildes Durcheinander schreien männlicher und weiblicher Stimmen hörbar, der Schrei ber blieb erschrocken stehen, horchte und rannte dann mit einem „Verzeihung! Da is was los!" davon. Aber auch Herrn Dan zigers Neugierde war wieder erregt worden, und so folgte er so schnell, als es ihm bei seinem stattlichen Bäuchlein und der noch immer ansteigenden Straße nur möglich war. Dabei wurde das Geschrei immer lauter und wilder, allmählich verstand er ein zelne Worte, und dann sah er ein Bild vor sich — „A! Wenn man das malen könnte, das gäbe wieder mal 'ne Sensation für meine Ausstellung!" Er bewunderte übrigens nicht lange, denn alsbald verstand er und beeilte sich, nun mitten hinein in da» Bild zu kommen. Verhältnismäßig ruhig, stimmungsvoller Hin tergrund waren dabei nur die Mei braungefleckten, vor einen Leiterwagen gespannten Küche, die auf dem Platz vor dem Kirch lein das Gras aus dem holprigen Steinpflaster zupften. Aber sogar die würdige Gestalt des weißhaarigen Pfarrers rang die Hände, und die Weiber sprangen wie toll Mischen den lebhaft gestikulierenden Männern hin und her, von einem zum andern, und endlich zogen ein paar Burschen ihre Messer und stürzten auf ein großes, rahmenloses Oelbild los, das an der Wand de» Pfarrhauses neben einer geöffneten Kiste lehnte. Und hätte jetzt nicht die Stimme des Herrn Danziger wie eine große Ueber- raschung gewirkt, die schöne Leinwand mit dem rührend lieblichen Frauengesicht wäre sicher in Fetzen gegangen. „Männer! Män ner! Seid's denn narrisch?" schrie er auf, gleich bemüht, sich durch die Annäherung an den Dialekt populär zu machen. „Wenn ihr das Bild nit hab'n wollt, ich geb' ein Goldstück bar dafür, und das könnt ihr vertrinken. Vorausgesetzt, daß Hochwürden —" Aber der Pfarrer, zu dem er sich jetzt wandle, zuckte traurig die Achseln, als wüßte er kein Mittel mehr, die Wildgewordenen zu zähmen. „Das schöne Gemälde gehört ja der Gemeinde!" er klärte er. „Ar ist es gestiftet. Ich habe kein Recht darauf. Brauchen könnt' ich's ja freilich auch nicht, denn der Künstler hat sich leider arg verirrt. Er versprach uns eine Madonna zu malen und tat's ja auch, aber das Gesicht ist das der Zenzi!" „Und viel schöner hat «r's g'malt," schrien die Weiber, auf» neue er bittert. „Der hat was g'habt mit ihr! Mer wir leiden's nit! Was gafft ihr's denn noch an? Hat keiner a Kurasch — ?" Und schon hob sich wieder ein Messer, da schob der Gmoanwirt den Burschen beiseite und stellte sich schützend vor das Bild. ,Mahr is', daß es die Zenzi is. Und deswegen g'hört das Bild mir, denn ich Lin der Vater und Emoanvorstand dazu«! Aber für a Goldstück geb' i's nit her!" „So geb' ich zwei!" lächelte Herr Danziger. Wer nun erhob sich der Sturm aufs neu«. „Geben S' drei, dann g'hör'n zwo« dem Gmoanwirt und oan» vertrinken wir Lei ihm." „Seid's narrisch, Männer? Unter hundert Mark! geL'n wir das Bild nit her." „A, warum nit gar! Zwoahundert kost'»!" „Dreihundert! Nit ein Pfennig weniger!" „Vierhundert!" „Und fufz'g zum Vertrinken!" „Fünfhundert!" „Sechshundert is' wert. Dann laß 1' mein« Küah ang'spannt und führ'» dem Herrn glei' für a Trinkgeld auf d' Station. Da zog Herr Danziger seinen Hut vor dem Priester und wandte sich eilig nach der Straße, seinen Weg fort setzend. „Na, so geb'n S'fünfhundert!" „Vierhundert!" „Drei hundert!" „Zweihundert!" Und schon hielt ihn einer, der ihm