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Ottendorfer Zeitung. Die „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen y20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Spiel und Sport" und „Deutsche Mode". Annahme »on Inseraten bis vormittag t« Uhr. Inserate werden mit zo Pf. für die Spaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif. Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Vkrilla. Nr. 114. Mittwoch- den 23. September 1903. 2. Jahrgang. Oertlichrs und Sächsisches. Gttendorf-Dkrilla, 22. September 1903. — Ein kritischer Termin erster Ord nung, verstärkt durch eine totale Sonnenfinsternis, war der heutige Montag. Der kritische Termin sollte der zweitstärkste veö Jahres sein, doch ereignete sich nicht besonderes. Das Wetter war schön. Von der Sonnenfinsternis wurden wir in unserem Erdteile allerdings nichts ge wahr; denn sie war nur sichtbar im südlichen Afrika, an der südlichen Küste Australiens, im südlichen Teile des Indischen Ozeans und in den südlichen Polargegenden. — Kalender-Zufälligkeiten. Seit dem 1. März 1800 bis zum 29. Februar 1804 treffen alle Kalendertage wieder auf denselben Wochentag wie in dem Jahrgange 40 Jahre vorher. Zum Beispiel: Wie der 16. Septbr. 1903 auf Mittwoch traf, so traf auch der 16. September 1863 auf Mittwoch. Alle vierzig jährigen Gedenktage in der genannten Periode fallen also wieder auf denselben Wochentag wie 40 Jahre vorher. — Der Fleischverbrauch im Königreich Sachsen hat im vergangenen Jahre bei Rind fleisch eine Steigerung von 14,8 Kilogramm auf 15,5 Kilogramm pro Kopf erfahren. Da gegen ist der Konsum von Schweinefleisch wiederum gefallen von 25,9 Kilogramm im Jahre 1901 auf 23,3 Kilogramm im Jahre 1902, während er in den Jahren 1889 und 1900 27,9 Kilogramm pro Kopf betrug. Der Verbrauch an Speisesalz blieb sich gleich. Er betrug wie im Vorjahre 5,6 Kilogramm pro Kopf der Bevölkerung Sachsens. — Der Kunenbrief dürfte bald, da er nur sehr wenig benutzt wird, auf den Aussterbe etat gesetzt werden. Er hat sich nie Freunde erwerben können und wird jetzt nur noch ab und zu einmal auf den Ämtern gefordert Ursprünglich war der Kartenbrief gedacht als ein für kurze Mitteilungen geeigneter Brief, der verschloßen ist, aber nicht des Briefbogens Und Kuverts bedarf und besonders im Nachbar verkehr zu verwenden sei. Nachdem das Porto im Nachbarverkehr aus 5 Pfg. für Briefe er mäßigt worden ist, wird der 10 Pfg. kostende Kaltenbrief kaum noch im Nachbarverkehr ver wendet. Man soll deshalb mit dem Gedanken umgehen, den Kartenbrief mit dem nächsten Etatsjahre (April 1904) abzuschaffen. — Vom 1. Oktober ab werden im Binnen verkehr der sächsischen Staatseisenbahnen unver packte einsitzige Zweiräder, die gegen Vorzeig ung von Fahrkarten aufgeliefert werden, gegen eine feste Gebühr von 50 Pf. befördert. Die Gebühr ist durch Löiung besonderer Fahrrad karten bei der Gepäckoerwallung oder au Nebenbahnen, wo der Zugführer das Gepäc abzuferttgen hat, bei diesem zu entrichten. — Von der sächsischen Staatsbahnverwaltux wird für ihre Linien frachtfreie Rück beförderung der ausgestellten Tiere und sonstigen Gegenstände von folgenden Aus stellungen gewahrt: Brouerei-Maschinen-Aus- stellung sowie Gerste- und Hopfen-Ausstellung in Berlin vom 10. bis 18. Oktober, Kaninchen- Ausstellungen in Thalheim am 25. Oktober, Rochlitz und Leipzig vom 31. Oktober bis 1. November, Markranstädt vom 31. Oktober bis 2. November, Jahnsdorf am 8. und 8. November und Gera vom 21. bis 23. Novbr., Ausstellung von Wirtschaftü- und Mustergeflügel in Schönewalde (Bezirk Halle) vom 7. bis 9. November, Geflügelausstellungen in München bernsdorf vom 8. bis 10. November, Reichen brand bei Siegmar und Chemnitz vom 21. bis 23. November, Geithain am 22. und 23. November und Augustusburg vom 28. bis 30. November. — FalscheFünfzig-Pfennigstücke von aus gezeichneter Prägung mit der Jahreszahl „1875" und dem Münzzeichen „H.—-H" sind zur Zeit in Halle im Umlauf. Zu erkennen sind die Falsifikate nur am leichten Gewicht. Seifcrsdorf. An Milzbrandvergiftung, die er sich beim Schlachten einer Kuh zugezogen hatte, starb am Sonnabend im Johannstädter Krankenhause der Gutsbesitzer Gustav Frenzel von hier. Dresden. Sonntag nachmittag in der 5. Stunde wurde ein etwa 10 jähriges Mädchen in Plauen vor der Bienertmühle von einem elektrischen Straßenbahnwagen überfahren. Das Kind, dem ein Bein vollständig abgefahren vurde, war sofort tot, es wurde von der laut ammernden Mutter, welche in der Nähe wohnte, ortgetragen. Den Wagenführer soll keine Schuld treffen; das Kind lief direkt vorn in den Wagen hinein. — Der Delegierte für Teltow-Beeskow- Charloltenburg zum sozialdemokratischen Partei- ag Hermann Meiling ist in der Nacht zum Montag hier plötzlich verstorben. Bei seiner Heimkehr in die Wohnung glitt er auf der Treppe aus und verletzte sich so schwer am Kopfe, daß er infolge Schädelbruchs bald sein Leben aushauchte. Laubegast. Am Donnerstag nachmittag havarierte, wie gemeldet, ein mit Braunkohlen beladener Deckkahn oberhalb Laubegast derart, daß es der Schiffsmannschaft nicht möglich war, das eindringende Wasser zu bewältigen, und der Kahn in den Grund zu gehen drohte. Mit Hilfe einer der Sächsisch-Böhmischen Dampf- schiffahrts - Gesellschaft gehörigen, auf dem Dampfer „Karlsbad" schnell montierten Pulso- mcteranlage, die im stände ist, 125 Kubikmeter Wasser stündlich zu fördern, gelang es, den Kahn in kurzer Zeit leer zu pumpen und über Wasser zu halten, sodaß er nach erfolgter Stopfung des Leckes seine Ladung am Laube gaster Ausladeplätze löschen konnte. Schwepnitz. Hier tränkte der Arbeiter Johann Sacha aus Jassen sein Wohnungs- Inventar mit.Pctroleum, versah an verschiedenen Stellen sogar den Fußboden mit Bohrlöchern, füllte diese mit Petroleum, fügte leicht brennende Stoffe hinzu, zündete sodann das Ganze an und verließ die Wohnung. Der Brand wurde alsbald bemerkt. Die rasch zur Hilfe herbei eilende Feuerwehr unterdrückte das Feuer, ehe es größeren Schaden anrichten konnte. Dec Brandstifter hatte sein Mobiliar sehr hoch ver sichert und Vorbereitungen getroffen, Schwepnitz zu verlaßen. Er wurde festgenommen und an das königliche Amtsgericht Königsbrück einge liefert. Radebeul. Auf hiesigem Bahnhof ist gestern abend gegen «/i8 Uhr eine Schmalspur- lokomotive zur Entgleisung gekommen. Hier durch war das Hauptgleis für die Züge nach und von Moritzburg-Eisenberg—Radeburg ge sperrt; es konnten daher die Sonntagspersonen züge abends 8 Uhr 30 Min. von Moritzburg- Eisenberg nach Radebeul und abends 9 Uhr 20 Min. von Radebeul nach Radeburg nicht geführt werden. Bei dem Unfälle ist niemand verletzt worden. Großenhain. Dementiert wird vom „Leipz. Tageblatt" die bezüglich des hier am Freitag verhafteten verdächtigen jungen Menschen auf. getauchte Vermutung, daß es sich eventuell um einen an dem räuberischen Überfalle auf die Lehrersfrau Mader in L.-Neudnitz Mitbeteiligten handeln könne. Auffällig ist trotzdem das Zu sammentreffen verschiedener Momente, die ge eignet waren, den Verhafteten mit der Affäre in Verbindung zu bringen. Der Verdacht, die Tat begangen zu haben, hat sich auf einen jungen aus L -Volkmarsdorf stammenden Mann gelenkt, der auf beiden Oberarmen Tätowier ungen tragen soll. Der hier Inhaftierte hat nun bei seiner Vernehmung angegeben, aus L.-VolkmarSdorf zu stammen, auch weist er au seinen Armen Tätowierungen auf. Weiter kommt hinzu, daß der Verhaftete ein blutbeflecktes Hemd trug. An dem Überfalle sollen zw Personen beteiligt sein; es ist nun deiner worden, daß an dem Tage, als hier die Ver haftung des Obengenannten gelang, sich noch m anderer verdächtiger junger Mann hier auf gehalten hat, der aber während der Verhaftung des anderen verschwunden ist. Mitteln darf. Bei der im hiesigen Forst revier abgehaltenen königlichen Jagd ereignete sich ein Vorkommnis, das leicht zu einem Un- all Veranlaßung geben konnte, von dem auch Se. Majestät betroffen werden konnte. Als bei Beginn des ersten Triebes der Leibjäger Sr. Majestät das geladene Gewehr gereicht hatte, 'teilte es der König noch einmal weg. Hierbei entlud sich nun das Gewehr und konnte der Schuß leicht das Leben des Königs gefährden. Großröhrsdorf. Am Donnerstag wurde hier in einem Wasserlache des Großmannschen Steinbruches aus dem ehemaligen Adolf Bodenschen Gute der Arbeiter G. tot aufge- unden. Er war schon vor einigen Tagen von einer Familie vermißt worden. Neusalza. Aus Eifersucht erhängt hat sich hier ein Schuhmacher. Seine Frau tanzte bei einem Vergnügen mit einem anderen Mann, was den Schuhmacher derart in Erregung ver setzte, daß er seiner Frau mit Erstechen drohte. Kurz darauf ging er nach Hause und machte seinem Leben durch Erhängen an der Türklinke ein Ende. Oybin. Der vormalige Besitzer des hie sigen Gasthofs zum Bad, Herr Gerth, der in Berlin bei Verwandten weilte, ist, wie ver lautet, dieser Tage freiwillig aus dem Leben aeichieden. Über das Motiv und die näheren Umstände der Tat ist bisher nichts bekannt geworden. Leipzig. Der Millionär Friedrich, welcher im Juli dieses Jahres vom hiesigen Schwur gericht wegen schwerer Urkundenfälschung und Meineidsverbrechens zu 6 Jahren Zuchthaus und zehnjährigem Ehrverlust verurteilt wurde, stand am Freitag vor dem Kgl. Landgericht, angeschuldigt des Diebstahls, des Betrugs, der Wechselstempel-Hinterziehung und der Fälschung von Hauslisten. Nur die beiden letzten Delikte konnten ihm nachgewiesen werden, sodaß der schmutzig-geizige Mensch mit einer Zusatzstrafe von drei Monaten Zuchthaus und 1625 Mark Geldstrafe wegkam. Leipzig. Als Schlußtermin im Konkurs verfahren der Leipziger Bank wurde am Mon tag die letzte Gläubigerversammlung vor dem Amtsgericht abgehalten. Einwände gegen den Schlußbericht und die Rechnungslegung des Konkursverwalters wurden nicht erhoben; die Zahlung der Restdividende von 17 Prozent wird infolgedessen in den nächsten Tagen ihren Anfang nehmen. Meerane. Ein peinlicher und für die Be teiligten recht unangenehmer Vorfall, der eine geplante Hochzeitsfeier vereitelte, bildet hier das Stadtgespräch. Am Sonnabend wollte die Tochter eines hiesigen Einwohners, Fräulein E., die Ehe mit ihrem Erwählten, einem Herrn St-, Sohn aus einer hiesigen Bürgerfamilie, ein gehen. Die letzten Vorbereitungen zu dem Feste waren getroffen. Das Hochzeitsmahl war bereitet, die Braut stand fertig da und wartete klopfenden Herzens der Dinge, die da kommen sollten. Die Gäste erschienen, aber wer nicht kam, das war der Bräutigam. Man suchte und wartete, aber vergebens- Eiligst mußte sowohl die standesamtliche wie die kirch liche Trauung abbestellt werden. Der Bräutigam ist dann in seinem Hochzeitsstaate in einem hiesigen Gasthause am Biertische gesehen worden. Das Brautpaar hatte bereits eine Wohnun für sein zukünftiges Heim gemietet. Annaberg. Einer größeren Wechselfälschung ist man in unserer Stadt auf die Spur ge kommen. Ein junger Mann in Sehma hat sogenannte Keller-Wechsel ausgestellt, die Namen der Giranten gefälscht und diese Wechsel be hiesigen Firmen in Zahlung gegeben. Durc die jetzt eingetretene Fälligkeit des einen Ak zeptes ist man hinter den Schwindel gekommen Durch die Fälschung hat der junge Mann sich einen Vorteil von einigen tausend Mark verschafft. Aus der Woche. Das „große" Ereignis der Woche ist das Entlaßungsgesuch Chamberlains. Dieser Mann, der, obwohl er nicht Premierminister ist, der englischen Politik seit reichlich fünf Jahren den Charakter gibt, der den Hauptanteil des Fluchs auf sein Haupt geladen hat, den die ganze Kulturwelt gegen die glorreichen Besieger der ?uren geschleudert hat, der nun sein Werk rönen und das englische Weltreich mit einer Schutzzollmauer umgeben wollte, — er sieht ich jetzt von seinen eigenen Ministerkollegen verlaßen und hat nun getan, was er tun mußte. Wahrscheinlich mit dem Hintergedanken von seiner Unentbehrlichkeit. König Eduard weilt fern im Norden, in Balmoral, das seine Mutter sechzig Jahre lang alle Sommer auf- üchte, und es muß ihm peinlich sein, sich durch Joes Gesuch vor eine so schwierige Entscheid ung gestellt zu sehen. Aufregungen schaden orpulenten Leuten und darum ist Chamberlains Gesuch eine Rücksichtslosigkeit sondergleichen einem Souverän gegenüber. Kaiser Wilhelm veilt zur Zeit, da wir dieses niederschreiben, in Wien. Der „herzliche Empfang" daselbst st keine Formsache. Aber Kaiser Franz Joseph hat den Kopf voller Sorgen. Die Kundgebung eines unerschütterlichen Willens, an der Ein- >eit der Armee festzuhalten, haben die oppo sitionellen Ungarn mit der Androhung der Steuerverweigerung beantwortet. Die ungarische Krisis ist ihrer Lösung ferner als je. Und für wen arbeitet und sorgt der 73 jährige Kaiser, der jetzt lächelnd seinen deutschen kaiserlichen Freund umarmt und geküßt hat? Der Sohn, der einzige, ist durch eigene, die Gattin durch Mörderhand gefallen und der Thronfolger ist morganatisch verheiratet sodaß er gleichfalls keinen leiblichen Thronfolger hat. Dazu kommt, daß die staatsrechtliche Stellung Ungarn gegen« über nicht so klar ist, als es wünschenswert wäre und wenn auch der bisher noch uner« klommene Gipfel des Blödsinns von einem Londoner Blatt glücklich erstiegen ist, daß Prinz Eitel Fritz zum König von Ungarn ausgerufen werden würde, so wird jene Zeitung wohl nicht einen einzigen Leser finden, der ihr das glaubt. — Aus Mazedonien ist nichts Neues zu be richten; denn das wütende Morden Baschibozuks, das Niederbrennen christlicher Dörfer, das Zu sammentreffen mit den bulgarischen KomitatschiS — das wiederholt sich von Tag zu Tag schon seit Monaten und verlangt als Selbstverständ liches keine besondere Registrierung. Es ist begreiflich, daß sich diesen von aller Welt be klagten Ereignissen gegenüber die Ungeduld des bulgarischen Volkes kaum noch zügeln läßt, und daß Fürst Ferdinand jetzt in Sofia ebenso un ruhige Tage verlebt, wie sein neuer Kollege in Belgrad. Ist es schon schlimm genug, daß dieser sich von seinen Meuchelmordenden Offi zieren tyrannisieren laßen muß, so ist eS noch schlimmer, daß ihm der versuchte Pump im Auslande nicht gelingt, obwohl König Peter von seiner ursprünglichen Forderung von einer Million schon auf 300 000 Frank herunter gegangen ist. Auch sein Bruder Arsen, der in Serbien weder eine paßende Generalsstelle — die Verschwörer erlauben das nicht — noch eine anständige Apanage finden konnte, ist „auf einige Tage" nach seinem früheren Wohnsitze Paris zurückgekehrt. Mut gehört dazu, denn Prinz Arsen, der edle Ritter, hat dort mächtig viel Schulden und seine Kreditfähigkeit hat sich durch seine enge verwandtschaftliche Beziehung zu dem nominellen Herrscher Serbiens nicht verbessert. Aber immerhin: Beßer in Paris lustig leben, als vielleicht in Belgrad ermordet werden! Und auch Genf ist noch immer als ein vergnüglicher Ort im Vergleich zu Belgrad zu nennen. König Peter wird wohl schon manchmal so etwas wie Heimweh empfunden haben, aber wer einmal A gesagt hat, der muß auch B sagen.