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Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Braud. Veraatwortlicher Redakteur: Julis» Brau« io Freiberg. F26. Erscheint jeden Wochentag Nachmitt. Uhr für den I andern Dia. Preis vierteljährlich 2 Biark 25 Pf., " zweimonatlich 1 M. 50 Pf. und einmonatlich 75 Pf. «S. Jahrgang Mittwoch, de» 2. Februar. Inserate werden bis Vormittag 11 Ubr angenom men und beträgt der Preis für die gespaltene Zeile oder deren Raum 15 Pf. 1887. Nachbestellungen auf die Msnaie Februar und März werde« zum Preise wo« 1 Mk. 50 Pf. von alle« ?aiierlichen Postanstalten sowie vo« de« be- ?»««tm Ausgabestelle« und der unterzeichneten Expedition angenommen. Expedition des Freiberger Anzeiger. Die Italiener in Nordostafrika Ein eigenthümlicher Vorgang spielt sich jetzt in Ostafrika ab, wo ein Vasall des Negus Johannes von Abessinien, Ras Alula, die italienische Niederlassung Massauah am Rothen Meere hart bedrängt, während ein anderer Vasallen fürst dieses abessinischen Regenten, Könia Menelik von Schoa, auf Veranlassung Italiens die Waffen gegen den Emir von Harrar ergriffen. Bekanntlich wurde vor einiger Zeit der italienische Graf Porro mit mehreren anderen Mailändern von Kriegern aus Harrar meuchlerisch ermordet. Bei den Schwierigkeiten, welche ein Feldzug in der Tropen- zeaend für europäische Truppen darbietet, sah sich die italienische Regierung veranlaßt, dem allgemeinen Wunsch nach einer Züchtigung der Mörder von Harrar nicht zu willfahren, vielmehr von einer Absendung italienischer Truppen nach diesem ostafrikanischen Binnenlande völlig abzusehen. Die Züchtigung des Emirs von Harrar ist aber in allerneuester Zeit auf Umwegen erreicht worden. Der seit zwei Jahren in dem im Süden von Abessinien und westlich von Harrar gelegenen Lande Schoa verweilende italienische Reisende Graf Antonelli bewog den dortigen christlichen König Menelik zu einem Kriege gegen den Emir Abdullahi, versah den Ersteren mit Waffen und schloß sich selbst mit mehreren anderen Italienern dem Feldzüge an. Der Emir ließ darauf vergebens in den be nachbarten Galla- und Somali-Ländern den Krieg des Propheten gegen die christlichen Schaaren Meneliks predigen, da den geängstigten Gallas Unglaubliches von der Grausamkeit der Schoaner gegen die Anhänger des Emirs erzählt wurde. Der Letztere bedrohte hingegen die Fremden in Harrar mit dem Tode, falls sie sich außerhalb der Mauern der Stadt erblicken lassen sollten Es befanden sich übrigens in Harrar zur Zeit nur vier Europäer, der Italiener Sacconi und drei zum Islam übergetretene Griechen. In Folge der schlechten Durrah-Ernte herrschte in der Umgebung von Harrar eine Hungersnoth, welche den König Menelik ver anlaßte, den Angriff auf die Hauptstadt seines Gegners zu beschleunigen. Die Einnahme derselben erfolgte Mitte Januar. Der Emir, den seine berittene türkische Leibwache schon vorher treulos verlassen hatte, entkam noch rechtzeitig und soll zu dem Stamm der Bertirri-Somali geflüchtet sein, mit dem er verschwägert ist. Die Bevölkerung Harrars war mit dem geschaffenen Wandel sehr zufrieden, da der entflohene Emir wegen seiner Rachsucht und Grausamkeit überall verhaßt war, während dem König Menelik eine versöhnliche Gesinnung nachge rühmt wird. Professor vr. Paulitschke in Wien, welcher Schoa genau kennt, sprach sich dahin aus, daß zunächst in Harrar zwar nur die abessinische Halbbarbarei herrschen werde, daß aber trotzdem die Eroberung dieses bisher un abhängigen Landes sich als ein großer Gewinn für die Kultur erweisen könne. König Menelik sei zwar nicht gerade den Reisenden und Missionären gewogen, wisse aber die europäischen Praktiker, die Handels- und Gewerbsleute, wohl zu schätzen und werde vor Allem den lange unter brochenen, aber doch sehr erschwerten Verkehr zwischen Harrar und der Küstenstadt Zeila wieder anbahnen und sichern, während der Emir Abdullshi die Handelsleute sehr hart bedrückte. Auch in Italien erachtet man den Fall von Harrar für einen wesentlichen Gewinn und ist davon überzeugt, daß diese Krise im Innern Nordostafrikas eine voriheilyafte Rückwirkung auf die europäischen Ansiede lungen am Golfe von Aden und am Rothen Meere üben werde. Während aber unweit von der italienischen Nieder lassung Assab die Ausbreitung und Stärkung der abessini schen Macht in Ostafrika als heilsam angesehen wird, finden die in der weiter nördlich an der Küste des Rothen Meeres gelegenen Kolonie Massauah hausenden Italiener einen Anmarsch zahlreicher Abessinier sehr bedrohlich. Seit dem Jahre 1885 ist der Hafenplatz Massauah im Besitz der Italiener, die sich der kleinen, auf einer öden Saudinsel gelegenen türkischen Stadt deshalb bemächtigten, um einen Stapelplatz für den Handel mit dem an Natur erzeugnissen reichen Abessinien zu erhalten. Außerdem ist dieser Küstenort, der an der großen Bölkerstraße liegt, die von dem Mittelmeere nach den ostasiatischen Gebieten führt, auch als Stützpunkt für die Kriegsmarine und Handelsschiffsahrt Italiens von hoher Wichtigkeit. Dem Negus von Abessinien mißfiel die Art, wie sich die Italiener des Schlüssels zu seinem Reiche bemächtigten, ganz unge mein, weshalb er alle Versuche freundlicher Verhandlungen zurückwics. Die von dem General Pozzolini geleitete italienische Gesandtschaft konnte gar nicht zu dem Herrscher Abessiniens gelangen und mußte unverrichteter Sache um kehren und ebenso erwies es sich als vergebliche Mühe, ein freundliches Zusammentreffen des Königs Johann mit dem jetzt den Orient bereisenden junge« italienischen Kron prinzen anzubahnen. Zu einem eigentlichen Bruch zwischen dem Negus Johannes von Abessinien und Italien ist es trotz der unfreundlichen Haltung der Unterthanen des Ersteren bis heute noch mcht gekommen, vielmehr scheint Johannes den offenkundigen Bruch möglichst vermeiden zu wollen. Ls ist ihm aber scheinbar gar nicht unwillkommen ge wesen, daß sich die wilden Banden seines tapfern Vasallen Ras Alula zu einem Pi retten Angriff gegen die italienische Besatzung von Massauah rüsteten. Von Rom aus liegt heute noch keine Bestätigung der am 25. Januar dem Londoner „Bureau Reuter" aus Suakin zugegangenen telegraphischen Nachricht vor, wonach bei einem Angriff auf Massauah bereits fünf Italiener und zweihundert Abessinier gefallen sein sollten. Noch am 22. Januar hatte General Genö von Massauah aus eine De pesche an die italienische Regierung gerichtet, in welcher er um eine kleine Verstärkung bat, um gegen den sich feind seliger gebehrdenden Ras Alula eine militärische Kundgebung wagen zu können. Eine solche Kundgebung könnte das in dem Reuter-Telegramm ebenfalls erwähnte Vordringen italienischer Truppen bis Makullah gewesen sein. In Rom ist man auf alle Fälle entschlossen, sich von den Frei schaaren der Abessinier nicht einschüchtern und von Massauah verscheuchen zu lassen. Der italienische Ministerrath er kannte es vielmehr als eine Nothwendigkeit, Truppenver stärkungen nach dem bedrohten Küstenort am Rothen Meere zu entsenden, wohin zunächst zwei Korvetten abgehen, ferner zwölf Kompagnien Infanterie, eine Gebirgsbatterie und eine Genie-Kompagnie abgesendet werden. Wie das mili tärische Fachblatt „Esercitio" meldet, hält man in Rom die Besatzung von Massauah auch ohne solche Verstärkung für keineswegs gefährdet. General Gene verfügt jetzt schon über 3500 Mann regulärer Truppen und über tOoO Baschi- bozuks. Er will jetzt die Gelegenheit ergreifen und die Hochebene von Bogos besetzen, wo gute Sommerquartiere bezogen werden können. Für Massauah selbst ist kaum etwas zu fürchten. Die Landforts Abdelkader und Gherara können, dank der neu ausgeführten Arbeiten, jedem Geschütz angriffe widerstehen. Das Fort Arafali kann auch von der Flotte vertheidigt werden. Die Forts Monkullo und Otumlo sind für Abessinier uneinnehmbar. Der Damm, welcher Massauah selbst mit dem Festlande verbindet, kann durch Batterien auf der Halbinsel Gherar und die Flotte vertheidigt und von den schweren Geschützen des Forts Paulud förmlich reingefegt werden. Um nicht den Beherr scher Abessiniens unnöthig zu reizen, wurde der General telegraphisch angewiesen, nur solche Maßnahmen zu treffen, welche zur Wahrung der Ehre Italiens unumgänglich nöthig seien. Gens wird sich deshalb darauf beschränken müssen, die angreifenden Abessinier mit blutigen Köpfen heimzuschicken. Der Negus Johannes hat keine rechtlichen Ansprüche auf die von Italien besetzten Punkte, welche ehemals der Türkei gehörten, die allein das Recht hätte, ihre ehemaligen Be sitzungen am Ostrande Afrikas zurückzufordern. Wenn Frankreich die Hand auf Tunis legte, England Cypern nahm und sich in Egypten einnistete, mußte Italien der wachsenden Macht seiner Konkurrenten im Mittelmeere gegenüber militärische und merkantile Stützpunkte an der Welthandelsstraße nach Ostasien zu erringen suchen Es hat dafür schon große Opfer gebracht und wird sich sicher die Früchte seiner Mühen von abessinischen Bandenführern nicht rauben lassen. Für die deutsche Kolonialpolitik er wächst aus den Versuchen Italiens, in Ostasten Boden zu gewinnen, sicher kein Nachtheil. Das deutsche ostafrikanische Gebiet reicht hart bis an die Somali- und Galla-Länder heran, in denen Italien, wie der Fall von Harrar zeugt, Einfluß gewonnen hat. In dem Kampfe gegen die Barbarei ist das Interesse der europäischen Staaten ein gemeinsame» was in Ostafrika Deutschland, Italien oder England zu fällt, wird nicht einem einzelnen Staat, sondern der Kultur und dem Welthandel erschlossen. Besonders ist die Art der deutschen Kolonialpolitik nicht geeignet, die Kultur staaten durch Neid und Mißgunst zu entzweien, sondern zu einem gemeinsamen friedlichen Kulturwerk zu vereinigen. Tagesschau. Freiberg, den 1. Februar. Die mehrfach angekündigte Proklamation des deutsch»« Kaisers, in welcher sich derselbe über die Gründe aussprechen wird, welche ihm zu dem gewichtigen Staatsakt der Auf lösung des Reichstages Veranlassung gegeben, ist spätestens in den letzten Tagen dieser Woche zu erwarten. In unter richteten Kreisen ist man der Ansicht, daß die Proklamation die Form einer kaiserlichen Botschaft haben wird und dazu bestimmt ist, allen den falschen Auffassungen die Spitze zu nehmen, welche man als Gründe für die Auflösung des Reichs tages der Reichsregierung und besonders dem Reichskanzler unterschoben hat. — Der „Reichsanzeiger" bringt folgende halbamtliche Mittheilung : „Die deutschen Behörde« und na mentlich das Auswärtige Amt in Berlin erhalten fortgesetzt aus den verschiedensten Theilen des Reiches und auch aus dem Auslande zahlreiche Gesuche um Anstellung, Verwendung oder Ansiedelung in den unter deutschem Schutze stehen den überseeischen Gebieten, um kostenfreie Beför derung nach denselben, um Zulassung zum Militärdienst da selbst, bezw. um Belehrung und AuSkunftSertheilung über die dortigen Verhältnisse. Es ist wiederholt darauf aufmerksam zu machen, daß daS Reich Stellen in den Schutzgebieten nicht mehr zu vergeben hat, und daß Unterstützungen zur Ueber- siedelung dorthin um so weniger gewährt werden können, als überhaupt nicht die Absicht besteht, eine Auswan derung nach jenen Gebieten zu lenken. Auch steht in den Kolonien kein Militär und bietet sich daher auch keine Gelegenheit, daselbst der Militärpflicht zu genügen. Die Behörden befinden sich somit nicht in der Lage, den Ge suchen der erwähnten Art irgend welche Folge zu geben." — In der gestrigen Sitzung des preußischen Abgeord netenhauses veranlaßte der Etat der indirekten Steuern die Abgg. Kanitz, Meyer (Breslau) und Mithoff zu Erör terungen über die Waarenstatistik. Der preußische Finanz minister erblickte in dem Zugeständniß, daß die Kapitalkraft vermehrt erscheine, ein Zugeständniß, daß die WirthschaftS- politik günstig gewirkt habe. Abg. Meyer führte jedoch daS Steigen der Kapitalkraft auf die Entwickelung der Technik und der Verkehrswege zurück. Betreffs Vermehrung der Kaufkraft habe die neue Wirthschaftspolitik verlangsamend gewirkt. Der Etat wurde sodann unverändert genehmigt. Der Etat für Handel und Gewerbe und der Etat des Finanzministeriums führten zu wenig erheblichen Erörterungen über den gewerk- lichen Unterricht. Die Forderungen für das Institut für Glasmalerei wurden unverändert genehmigt. Beim Justizetat wiederholte Abg. Seyffarth die Bitte um Errichtung eine- Landgerichts in Krefeld; ;Abg. Schmieding bat um Er richtung eines Landgerichts in Bochum. Dem Abg. Munckel gegenüber erklärte der Regierungskommissar, über die beabsichtigte Gebührenrevision seien die Anwälte gehört worden. Die Prozeßakten Jhring-Mahlow (gegen welchen der Abg. Munckel die Anklage erhoben wissen will) hätten dem Justiz ministerium niemals vorgelegen. Von der Aufforderung eines Gerichtspräsidenten an einen Rechtsanwalt, der sich um da» Notariat beworben habe, daß er aus dem liberalen Verein austrete, sei dem Ministerium nichts bekannt. Anlangend die von dem Abg. Munckel erwähnten Versetzungen von Juftizbeamten, sei eine solche durch die Lage der Verhältnisse bedingt gewesen. — In dem Ausruf des Berliner notionalliberalen Zentral- wahlkomitos heißt es, eine Kriegsgefahr sei seit dem deutsch französischen Kriege niemals so nahe gewesen, wie heute, wo kein Staatsmann die Zukunft auch nur für wenige Wochen vorauszuberechnen vermöge. Die Aufrechterhaltung des europäischen Friedens beruhe nur noch auf der Stärke und Schlagfertigkeit der moralischen Zuverlässigkeit des deutschen Heeres und auf dem Vertrauen zu dem allgemeinen gleichen Stimmrecht, daß es die rechte Entscheidung treffen werde. Ein unheilvoller Ausfall der Wahlen würde einen Krieg mit allen Schrecken und mit schweren Verlusten herausbejchwören. In demselben Sinne äußert sich die Berliner sreikonservative