Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.12.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-12-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021223021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902122302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902122302
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-12
- Tag 1902-12-23
-
Monat
1902-12
-
Jahr
1902
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs Preis In der Hauptexpedition oder deren Ausgabe stellen abgcholt: vierteljährlich 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins HauS 3.75. Durch die Post bezogen für Deutsch land u. Oesterreich vierteljährlich ./« 4.50, sür die übrigen Länder laut Zeitungspreisliste. Redaktion und Lrvedition: Johannisgasse 8. Fernsprecher 153 und 222. Filialerprditiouer»: Alfred Hahn, Buchhandlg., Universitätsstr. 3, L. Lösche, Katharinenstr. 14, u. Königspl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Strehlener Straße 6. Fernsprecher Amt I Nr. 1713. Hanpt-Filiale Berlin: Carl Duncker, Herzgl.Bayr. Hosbuchhandlg., Lützowstraße 10. Fernsprecher Amt VI Nr. 4603. Abend-Ausgabe. MipMerTagcdlaü Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Volizei-Amtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach» richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ofsertenaiinahme 25 H (excl. Porto). Extra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluk für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ZK 652. Dienstag den 23. Dezember 1902. 96. Jahrgang. Die Exekution gegen Venezuela. Beginn der Blockade. * Willemstad, 22. Dezember. Das einzige von den venezolanischen Schiffe» noch übrige Fahrzeug „Miranda'' liegt bei Maracaibo. Der deutsche Kreuzer „Panther" sperrt den Hafen. Der in Be schlag genommene „Restanrador" ist in Trinidad unter dentscher Flagge und Besatzung zum Tcpcschenboot um gewandelt. Die Engländer unterhalte» mit den Deutschen ein ungemein kameradschaftliches Ein vernehmen, zerstörten auch ein auf der Werft liegendes venezolanischcsKrirgSsahxzcug ouxchAxthicbe. Herr v.Pilgrim- Baltazzi nnd der deutsche Eonsnl sind wieder in La Gnayra eingctroffe». — Um ans die gegebenen Notsignale schnelle Hilfe zn bringen, war der „Panther" gezwungen, die gekaperte» venezolanischen Schiffe zum Sinken zu bringen. (Verl. Lok.-Anz.) Tie Vorschläge Nordamerikas. AuS London, 22. Dezember, wird der „Internat. Korresp." gemeldet: Durch Vermittelung einer mit der Londoner und nordamcrikaniichen Botschaft in engen Be ziehungen stehenden Persönlichkeit erhallen wir folgende Ans- schlösse: Die Negierung der Vereinigten Staaten wünscht nicht, daß das Schiedsgerichtsverfahren ein umständliches und zeitraubendes werde. Vieln. r hat dieselbe dem Präsidenten Castro mitteilen lassen, er könne nur dann auf die guten Dienste Nordamerikas behufs Einstellung Les Zwangsverfahrens der Großmächte rechnen, wenn er dem nordamerlkanischen Gesandten in Caracas, Herrn Bowen, uneingeschränkte Vollmacht zur Prüfung und zur Entscheidung über alle Forderungen der Mächte erteilen Wird. Zu dieser Arbeit werd.-- Herrn Bowen einige venezo lanische und nordamerikanische Beamte zur Seite gestellt werben; die Arbeit selbst aber dürfe nicht mehr als 4 Wochen Zeit in Anspruch nehmen. Alsdann sendet Herr Bowen die Akten und seine Vorjchläge dem Präsidenten Roosevelt, wel cher dre endgültige Entscheidung treffen wird. Bezüglich Aufbringung der Geldmittel billigt die nordamerika nische Regierung durchaus den Plan, die Mächte sofort durch ein Finanzkonforlium zu entschädigen, während dem Konsortium ein bestimmter Teil der venezolanischen Zoll einnahmen zur Sicherung der Zinsen und Tilgung zuerkannt werden müsse. Zweckmäßig sei es, daß dieses Konsortium wenigstens rn seinen führenden Personen ein nordamerika- nischeS sei, da ja Nordamerika am leichtesten einen mora lischen Druck auf Venezuela zur Erfüllung feiner Verpflich tungen ausüben könne. Die Einsetzung einer internatio nalen Zollverwaltung halte der Präsident nicht sür ge eignet, da das damit verbundene dauernde Eingreifen aus wärtiger Mächte die Lösung der Streitfragen erschweren würde. Zahlungsfähig aber nicht zahlnngswillig. Die Frage, ob b,e venezolanische Regierung in der Lage gewesen wäre, ihre Verpflichiungen gegen Deutsch land, England and andere Staaten zu erfüllen, muß entschieden bejaht werden. Nach zuverlässigen Bcrech. nungen, die aus eingehenden, von einem englischen Blatte übernommenen Angaben des amtlichen Organs der republikanischen Regierung basiert sind, betrugen in den letzten 11 Jahren die staatlichen Einnahmen durchschnittlich 40 Millionen Bolioares oder nahezu 32 Millionen Mark, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, daß in den Re- volutionSjabren die Eintünste erheblich, 1893/94 auf 29,4 Millionen, 1899/l900 sogar auf 24 Millionen BolivareS sanken. In dem letzten am 30. Juni 1902 abgeschlossenen Jahre beliefen sich nach den amtlichen Ver öffentlichungen dre Einnahmen auf rund 29,6 Millionen Mark, wovon über 17 Millionen auf die Zölle ent fielen. Diesen Eingängen stehen gegenüber die englische dreiprozenlige Anleihe im Betrage von 52,7 Millionen die Forderung der Diskonto - Gesellschaft mit 37,5 Mil lionen, Zahlungsverpflichtungen an Belgien über 8 Millionen, an Frankreich und Spanien 5,2 Millionen, an die Vereinigten Staaten 1 Million, die Zinsbeträge sür diese Anleihe und Schuldbeträge ca. 16,2 Millionen, außerdem rückuändige Zah lungen aus den Eisenbahn-Unteruebniungen im Betrage von 27,7 Millionen Mark, sodaß sich die Gesamtsumme der Passiva aus diesen Verpflichtungen aus rund 150 Millionen Mark belief. Bringt man nun von den durchschnittlich erzielten staatlichen Einkünften 6 Millionen Mark als den Betrag einer vierprozenligen Verzinsung der Staatsschuld sowie ca. 7 Mill. Mark zur Deckung der Verwaltungskostcn in Abzug, so ver bleiben ca. l9 Millionen Mark, aus denen die allmäblige Ablösung der auswärtigen VeibinLlichkeilcu hätte besinnen werden können. Angesichts dieser Finanzlage der Republik muß daher die Art, wie die Neaierung sich ihren Verpflich tungen entzogen hat, zum wenigsten als Mangel an gutem Willen bezeichnet werben. Rudyard Kipling. * London, 22. Dezember. (Ausführliche Meldung) Tie „Times" veröffentlicht ein Gedicht von Rudyard Kip ling, das „Die Ruderer" überschrieben und in alt nordischem Kolorit gehalten ist. Es diückt den Unwillen der Ruderer eines Kriegsschiffes aus über ein ge heimes Gelübde mit einem offenen Feinde (Deutich- land. Red.), dem sie zu folgen haben. Die Toten, über die der Feind getpotlet habe, seien kaum kalt und die Wunden bluteten noch und jetzt habe man sich dem Feinde verkauft, um eine Schuld einzulreiben. Hätte man denn unter allen Fla^ >n der Menschheit, die auf dem Meere weben, keine andere Flotte finken können, als die, mit der man sich jetzt verbündet? So sei jetzt eine betrogene Mannschaft von neuem verbündet mit den Goten und schamlosen Hunnen. Dazu bemerken die „Timcö" im Leitartikel: Dieses Gedicht brücke ein Empfinden aus, baö zweifellos in der ganzen Nation vorherrsche, obwohl gegen den Ausdruck .offener Feind" Einwand zu erbeben sei. „Wir haben", fährt das Blatt fort, „aus gemilchten Motiven der Polini und des Gejühls den allerstärkstcu Widerwillen gegen jeden Schrill, der dazu angetan ist, die billigen oder unbilligen Empfind lichkeiten unserer amerikanischen Verwandten zu ver letzen, und vieler Widerwille wird verstärkt, wenn wir uns ru lolchem Schritte veranlaßt sehen in einer Allianz mit der Negierung eines Volkes, das seit Jahren keine Freundschaft lür uns zur Schau getragen bat." * Nour, 22. Dezember. Wie die „Agenzia Stesani" meldet, wird Vie Antwort der italieniichen Regierung, betreffend den SchiedS- spruch des Präsidenten Rooievelt, die gleichlautend mit der Antwort Deutschlands und Englands ist, morgen dem hiesigen Bot schafter der Vereinigten Staaten übergeben werden. Politische Tagesschau. * Leipzig, 23. Dezember. „Mnndtot-Machung". Tie letzte ReichStagsrede des Abg. vr. Paa sche hat der Obstruktion die heuchlerische Maske abgerissen, in der sie vor die Oessenilichkeit hinauölchrie: Weil große vaterländische Interessen mit dem Zolltarif verknüpft seien, verlange sie gründliche Beratung. Wer aber von Anbeginn erklärt batte, niemals werde sie den Zolltarif zu stände kommen lassen, war die obstruierende Sozialdemokratie, die in allen Stadien der Beratung durch ihre Verschleppungspolink eine sachgemäße Behandlung deS Zollicufts im Reichstage unmöglich machte. WaS bei ernstem Willen zur sachgemäßen Beratung geleistet werden kann, beweist der Zolltarif vom Jabre 1879, ber, obwohl er eine grundsätzliche Aenderung unseres wirt schaftlichen Systems, den Uebergang vom Freihandel zlini Schutzzoll, herbciführle, dennoch innerhalb sieben Wochen in 35 Sitzungen erledigt werden konnte. Der fttzige Zolltarif hat eine Vorarbeit erfordert und er- lavren, wie sie wohl kaum je einem Gesetzentwürfe zu teil ge worden ist. In der Kommission, an die ter Entwurf nach der ersten Lesung vom 2. bis zum 12 Dezember vorigen Jabres gelangte, haben in 1l2 Sitzungen die sozialdemo- kraliichen Mitglieder nicht weniger als 722, die der kleinen Gruppe der Freisinnigen Veieiuigung angehörigen Mitglieder nicht weniger als 421 Reden gehalten. Und nun erst im Plenum! Die amtlichen stenographischen Berichte liegen jetzt vollständig vor; sie weilen über die einjährige Beratung nicht weniger aiö rund 2650 Spalten auf, von denen weitaus die größere H ä l f t e auf die Redner der sozial demokratisch en Fraktion (rund 1240)und der Freisinnigen Vereinigung (400) kommen. Die Reden ter gesamten u a t ion a ll ib er a le n Partei reichen in ihrer Zahl und Länge Mil etwa 170 Spalten nickt an die des einzigen wiialtemvkratischcn Abgeordneten Stadthagen heran, ter 234 Spalten lpiach und mit diesem Rekord auch das ge samte Zentrum lotredete, dcss.n Reden nur 224 Spalten aussüllcu. Bebel mit ungefähr 210 Spalten allein hielt dem Zentrum so Ziemlich die Rede-Wage, wie Singer und Gold ein jeder für sich der gesamten national liberalen Partei! Und daö nennt die Obstruktion „Mundtot-Machung"! Den end- und uferlosen Rede- e-güssen der Stadthagen und Genossen mußte aber endlich ein wirksamer Damm vorgeschoben werden; an ihnen allein liegt die Schuld, wenn schließlich ein verkürztes Verfahren cingeschlagen werden mußte; die von ihnen erhobene Anklage aber, sie feien nickt zu Wort gekommen, weiten die statistiicken Daten aus der Kommission und den ossizwllen Sitzungs berichten alS eitel Heuchelei zurück! Tic katholisch-theologische Fakultät in Strassburg. Tas Abkommen über die Errichtung der Straßburger katholisch-'.heologiscken Fakultät Hal folgenden Wortlaut: Art. 1. Die wissenschaftliche Ausbildung der angehenden Kleriker der Tiözeft Straßburg wird durch eine katholisch theologische Fakul'ät erfolgen, welche an der dortigen Uni- vcisilät zu errichten ist. Gleichzeitig wird das bifchöftlche große Seminar foribeslehen und in Tätigkeit bleiben in bezug aufdiepraktischeErziehungdergenanntenKleriker, welche dort die erforderliche Unterweis ungaufall en Gebieten erhalten, die sich auf die Ausübung de» priesterlichen Amtes beziehen. Art. 2. In der Fakultät werden namentlich folgende Fächer vertreten sein: 1) Philo sophisch-theologische Propädeutik; 2) Dogmatik; 3) Moral; 4) Apologenk; 5) Kirckengesckickte; 6) Exegese Les Alten Testa ments; 7) Exegese des Neuen Testaments; 8)KanonischesRccb!; 9) Pastorallhevlogie; lO) Kirchliche Archäologie. Art. 3. Tie Ernennung der Professoren erfolgt nack vorherigem Einvernehmen mit dem Bisckof. Tie Professoren haben, bevor sie in Funktion treten, die prokesmo tülei, den Formen und Regeln der Kircke entsprechend, in die Hand deö Dekans abzulegcn. Art. 4. Für daö Verhältnis der Fakultät und ihrer Mitglieder zu der Kirche und den kirchlichen Autoritäten sind die Bestimmungen maßgebend, welche sür die katholisch-theologischen Fakultäten in Bonn und Breslau gelten. Art. 5. Wird Lurch die kirchliche Behörde der Nachweis erbracht, daß ein Professor wegen mangelnder Recktgläubigkeit oder wegen gröblicher Verstöße gegen die Erfordernisse priesterlichen Wandels zur weiteren Ausübung seines Lehramtes als unfähig anzusehen ist, so wird die Regierung sür einen alsbaldigen Ersatz sorgen uud die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, daß seine Beteiligung an den Geschäften der Fakultät aufhört. — Tie „Germania" erläutert dieses Abkommen folgender maßen: „ES ist unter den Fachleuten wohl unbestritten, daß eine theolo- giiche Universiiütsfakultät den wissenschaftlichen Betrieb ber Theologie in viel vollkommenerer Weise handhaben kann, als ein Seminar. Jeder wahre Freund der Kirche wird dringend wünschen müssen, daß namentlich im 20. Jahrhundert, zumal gegenüber den mannig fachen Angriffen auf die Kirche, ihre Lehre und Einrichtungen, die Geistlichkeit mit den scharfen Waffen der Wissenschaft aus gerüstet werde, um nicht bloß positiv den Schatz der geossenbarten Wahrheit zu verkündigen, sondern denselben auch wissen- jchaftlich zu begründen und apologetisch gegen die Einwürfe der Gegner zu verteidigen. Nach allem, was man ouS dem Elsaß hörte, hat das bisherige Priester- seminar diese durchaus notwendigen Anforderungen nicht erfüllt. Hierzu kam noch ein weiterer Umstand. Seit Alters konnten ins Pricsterjeminar zu Straßburg Studierende ausgenommen werden, welche nicht einmal ein Gymnasium mit Erfolg absolviert hatten. Es war unausbleiblich, daß die soziale Stellung des Klerus und besonders das Ansehen desselben bei den akademisch Gebildeten unter solchen Umständen empfindlich leiden mußte. Tie Geistlichkeit konnte nicht Len Einfluß gewinnen und diejenige Tätigkeit entfalten, die im höchsten Grade wünschens wert gewesen wäre. Mit der Errichtung der Fakultät ist diesem Mangel in Zukunft mit einem Schlage abgcholfen. — Die Fa kultät bietet noch andere Vorteile vom kirchlichen Standpunkte; wir verzichten jedoch darauf, dieselben darzulege», da das heute zu weit führen würde. Jeden falls ist die Angliederung der katholisch-theologischen Fa- kullät an die Universität mit großer Freude zu begrüßen. Wenn die zwischen der Regierung und Rom unter der opferwilligen Vermittlung LeS Herrn Prof. Itr. v Hertling geschlossene Verein barung dazu beitragen wird, die Bewohner des Reichslandes der deutschen Wissenschaft und dem deutschen Bolkstume näher zu Feuilleton. Nhenania jel's panier! Roman aus dem Studentenleben von Arthur Zapp. 'Kaci>l.iuu ven» >l' u. Paul Verger senkte schuldbewußt die Augen und starrte, verlegen an seinem noch spärlich sprossenden Schnurr bärtchen zupfend, zu Boden. „Daß du auch auf Gravenhorst eifersüchtig bist", fuhr Hildegard Hellwig fort, „ist geradezu kindisch, denn wir alle haben -och gesehen, daß er sich, seit er Fräulein Wredenkamp tennen gelernt hat, aus Klara gar nichts mehr macht." „Meinst du wirklich?" rief er lebhaft. Ein Lächeln zuckte um die Mundwinkel des jungen Mädchens. „Du hättest gar nicht nötig gehabt", sagte sie mit scharf spähendem, strengem Blick, „dich eines so häßlichen Mittels zu bedienen, um ihn bei Klara anzuschwärzen." Den Studenten durchfuhr ein sichtbarer Ruck. »Ich — ich hätte Gravenhorst angeschwürzt?" rief er, seine Hände jetzt auf den Tisch stemmend und sich vornüber beugend. Hildegard nickte. „Wir haben deine Handschrift wohl erkannt, wenn du dich auch bemüht hast, sie zn verstellen. Uebrigens, warum hast du denn den Brief nicht gleich an Klara gerichtet, an statt ihr das Gift -er Verleumdung auf indirektem Wege einzuflößen?" Paul Berger reckte sich mit jäher Bewegung in die Höhe. Seine Augen flirrten verständnislos, und jetzt grtsf er mit aufgereater Geberde an seine Stirn. „Ich verstehe dich nicht", stieß er heftig hervor. „Was soll denn das heißen? Gift ber Verleumdung —? Ich weiß ja gar nicht, wovon du überhaupt sprichst." „Also du leugnest den Brief an Else Wredenkamp ge schrieben zu haben?" Der Student stieb stürmisch den Atem aus. „Ist mir gar nicht eingefallen — ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht an Fräulein Wredenkamp ge schrieben. Wie sollte ich denn dazu kommen?" „Und darauf kannst du mir dein Wort geben?" „Ja. Darauf gebe ich dir mein Ehrenwort als KorpS- stubent." Dabei sah der junge Manu sciucr Cousine so fest und bestimmt, ohne mit den Wimpern zu zucken, ins Auge, daß sie ihren Verdacht immer mehr schwinden fühlte. „Um was handelt es sich denn eigentlich?" nahm Paul Berger ungeduldig wieder das Wort. „Willst du mir nicht endlich erklären —?" Hildegard Hellwig deutete auf die Bank, auf welcher der Student, dem Winke folgend, sich rasch nicderließ, und berichtete von dem Briefe und seinem Inhalte. „Du gibst also zu, daß die Mitteilung wahr ist?" schloß sie. Der Student machte eine heftig abwehrende Be wegung. „Gar nichts gebe ich zu." Sic sah ihn mit einem malitiöscn Blick an. „Sage 'mal, solltest du vielleicht der Anstifter sein?" Paul Berger sprang in ungestümer Bewegung von der Bank auf. „Ich? Der Anstifter? Wieso denn?" „Jawohl. Klara meint auch, du habest wahrscheinlich Gravenhorst durch deine Reden und Sticheleien erst zu der Wette veranlaßt." „Nein, daS war ich nicht", schrie der Student außer sich. „Wie kann Klara so etwas von mir denken! Das war —" Bestürzt, über sich selbst erschreckend, brach er ab. „Also, wer war's?" fragte Hildegard Hellwig trium phierend lächelnd. Der Gefragte schluckte und würgte; ein heftiger Kampf schien sich in seiner Brust abzuspielen. Endlich zuckte er mit den Achseln und starrte finster zu Boden. „Du willst cs also nicht sagen", fuhr Hildegard Hellwig fort. „Na, schließlich liegt uns ja auch nichts daran, zu erfahren, wer den Brief geschrieben hat. Ich freue mich, daß du es nicht gewesen bist." Der Student erhob sein Gesicht. ,Mie konntest du — wie konntet Ihr nur glauben!" murmelte er gekränkt. „Wir glaubten's allerdings. Aber ich sehe, wir haben dir unrecht getan. Verzeihe!" Die Sprechende griff in ihre Tasche und brachte ein zusammengefaltetcS Blatt Papier hervor. — „Vielleicht kennst du die Handschrift?" Sie reichte ihm den Brief; er überflog ihn mit raschen, neugierigen Blicken. Sein Gesicht rötete sich dunkel — aus jeder Miene sprach die aufrichtigste Entrüstung. „Pfui!" rief er. „Gemeiner Denunziant!" „Kennst dn die Handschrift?" Ter junge Manu betrachtete das Acußcrc des Briefes mit spürender Aufmcrtsamleit. „Nein", sagte er endlich. „Aber wir werdcn's schon herausbekvmmen." „Wer?" „Na, ich und Gravenhorst. Solch eine gemeine In diskretion!" Tas junge Mädchen lachte. „Na, endlich gibst du die Tatsache der Wette zu?" Er blickte jie verdutzt an. Tann zuckte er die Achseln uud biß sich ärgerlich auf die Lippen. „Na, laß nur gut sein", begnügte sie. „Ich verrate dich nicht . . . Dem Gravenhorst haft' ich das wirklich nicht zugetraut." Ter Student schluckte und würgte wieder eine Weile, uud stieß darauf, in der Erkenntnis, daß doch nichts mehr in Abrede zu stellen war, halb unmutig, halb entschuldi gend hervor: „Mein Gott, — in der Bierlaune. Er hat's doch überhaupt nicht ernst gemeint." „Tas werden wir ja sehen . . . Gib her!" Sie griff nach dem Briefblatt, das er immer noch in seinen Händen hielt. ,/Willst du'S mir nicht für einige Zeit überlassen?" fragte er. Sie verneinte sehr entschieden. „Nein! Es ist nicht mein Eigentum. Uebcrhaupt, daß du nichts darüber sprichst, horst du! Ucbrigeus liegt das in deinem eigenen Interesse — Gravenhorst gegenüber." Sie lächelte ein wenig boshaft. Er machte eine auf fahrende Bewegung, ließ aber gleich darauf beschämt sein Gesicht sinken. „Was geht mich überhaupt die ganze Geschichte an!" äußerte er brummend. „Nicht wahr? DaS sage ich auch . . . Und nun setz' -ich und trink' deinen Kaffee." Er fügte sich, immer noch ärgerlich und beschämt, daß er ihr in die Falle gegangen war. Als sic ihm den Kuchen mit schelmischer Miene reichte, lächelte auch er. „Ihr seid doch eine furchtbar raffinierte Gesellschaft, ihr Weiber", sagte er mit dem Ausdruck tiefer Ncber- zcugnng. „Ihr vcrsteht'S, einen Menschen um und um zu krempeln." Achtes Kapitel. Die jungen Mädchen hielten Kriegsrat. Klara Hellwig heftete ihren Blick in fieberhafter Spannung auf Else Wredenkamp. Diese war ganz bleich; im übrigen nahm, sie Hildegard Hellwigs Bericht mit äußerlicher Ruhe auf. Nur ihre Naseuflügel zuckten nervös. „Sie werden sich doch natürlich nichts anmerkcn lassen?" fragte die ältere der Schwestern. Else Wredenkamp starrte die Sprechende erstaunt, fast verständnislos an. „Sie meinen -—?" „Ich meine: Sic werden ihm doch nicht zeigen, daß Sie von der Wette wissen?" Else Wredentamp zog ihre Augenbrauen in die Höhe und reckte sich in den Schultern. „Ich werde überhaupt nicht mehr mit ihm sprechen", erwiderte sic kühl. „Der Herr existiert für mich nicht mehr." In Klara Hellwigs Wangen schoß dunkle Glut, ihre Augen blitzten und sie nickte mit lebhafter Genugtunng. „Recht hast du!" rief sie. „Ich an deiner Stelle würde ebenso handeln. Mit keinem Blick mehr würde ich ihn ansehen." Hildegard lächelte ungläubig, ein wenig boshaft. „Wirklich, Klara?" „Ganz gewiß!" erwiderte diese heftig, mit stürmischem Atem. „Was denn sonst? Einfach den Rücken kehren würde ich ihm, wenn er es wagte, mich anzurcdcn." „Daun würdest du sehr töricht handeln", meinte Hilde gard. „Ich bin der Ansicht, dem Herrn gebührt eine gan; exemplarische Strafe für seine Vermessenheit." „Eine Strafe? Was denn für eine Strafe?" erkun digte sich Klara, während Else Wredenkamp stumm, au scheinend teilnahmlos vor sich hinblickte und im stillen mit ihren Gefühlen rang. „Na, einfach", beschick» die ältere der Schwestern, „ich würde mir ruhig von ihm den Hof machen lassen, als wenn nichts geschehen wäre, Und würde ganz freundlich zu ihm sein nnd ihn eher ermuntern, als —" Eine heftige, auffahrende Bewegung Else Wreden- kamps unterbrach sie. „Sie sind zn stolz dazu?" fragte Hildegard. Tie Gefragte nickte und die Andere subr fort: „Gerade Ihr beleidigter Stolz sollte Sic veranlassen, nach einer Sübne zu streben. Wenn Sie ihm nun einfach den Rücken kehren, was dann? Glauben Sie, daß ihm daS so beton- dcrs nahe gehen würde?" (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite