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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.05.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-05-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020516025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902051602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902051602
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1902
-
Monat
1902-05
- Tag 1902-05-16
-
Monat
1902-05
-
Jahr
1902
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geflogen, und alsbald gemahnte der brenzliche Geruch an- brennendeu Papiers daran, das keimende Feuer zu unter drücken. Der Curat lachte auf. „Bravo! Eine gute Mahnung! In den Ofen mit dem Zeug, auf diese Weise wärmen mir die verrückten Weiber kostenlos die Stube!" Inmitten der Beschäftigung, brennende Papiere in den Ofen zu werfen, meldete die Domestica eine noble Dame, welche dringcndst Seine Hochwürden zu sprechen wünsche. Die beabsichtigte Abweisung ward unmöglich, weil die Dame der Wirthschafterin schier auf dem Fuße gefolgt war und bereits an der Schwelle stand, höchlichst verwundert ob der ärmlichen Einrichtung der Stube und der grenzen losen Unordnung. Corazza bot der Dame einen der wackeligen Stühle an, blieb selbst aber stehen und fragte nach dem Begehr. Ein ungeheurer Wortschwall floß der Dame von den Lippen über die klösterliche Einfachheit der Pfarrcrwohnung, die Dame jammerte über die Rücksichtslosigkeit der Behörden, wodurch ein so hervorragender Priester zum Verzicht auf den kleinsten Luxus gezwungen werde. Corazza's Stirn zeigte böse Falten, der seelengute Curat scheint nicht wenig über diese Apostrophirung erbost zu sein. „Gnädige Frau wünschen ?" „Eure Hochwürden wollen mich nur erst zu Wort kommen lassen!" „So?" „Ja, gewiß! Ich muß erst versichern, daß ich die Be richte aus Ronzo gelesen habe und eine glühende Ver ehrerin des Heldenpricsters geworden bin und darnach lechze, mit Eurer Hochwürden zu sprechen und Ihnen meine innigste Theilnahme zu Füßen zu legen!" „Sehr gütig, Signora, aber gar nicht nöthig! Ich habe in Ronzo nichts Anderes als meine Pflicht als Aushilfs priester erfüllt, darüber braucht kein Wort verloren zu werden. Gnädige Frau wünschen?" „vio mio! Lasten Sie mir nur etwas Zeit! In Gegen wart eines berühmten Helden kann man nicht so schnell denken, die Worte wollen überlegt werben! Die Ver ehrung ist zu groß, sie lähmt schier das Denken!" Corazza lächelte spöttisch und eine Handbervcgung drückte berechtigte Ungeduld aus. „Ich habe Eurer Hochwürden zwar schon geschrieben, konnte cs aber nicht erwarten, bis die erhoffte günstige Antwort kommt, und nahm mir daher die Freiheit, Eure geistliche Gnaden selbst aufzusuchen. Ein weltberühmter Mann gleicht dem König, der für jeden seiner getreuen Unterthanen ein offenes Ohr hat! Signor sind auch ein König im Reiche der Gedanken, ein Fürst und Held, der sein Leben cinsetzt zur Rettung der Armen, Schwachen und Kranken! Es ist schrecklich, daß Eure Hochwürden diese edlen Thatcn mit schwerer Krankheit und Zerstörung männ licher Schönheit belohnt erhielten!" „IvZvpportabilo!" flüsterte Corraza und sprach dann laut: „Signora wünschen?" „?er vio 8Lnto! Lassen Sie mir Zeit! Ich störe oder nicht? Oder sind Eure Hochwürden stark beschäftigt ? Ich würde ja gern ein andermal kommen, aber die Sorgen drücken mir das Herz ab. Meine Seele ist bedrängt, die innere Unruhe unerträglich geworden!" Wenn der Curat von Sorgen hörte, war er immer voll Geduld und zur Hilfe bereit. Auch jetzt verflog der Aergcr über die Schwätzerin augenblicklich, thcilnahmsvoll fragte er nach den Ursachen der Scclcnbcdrängniß. „O, Hochwürden sind sehr gütig! Ich fühle bereits, wie meine Seele erleichtert wird, da Eure Gnaden so gütig und liebreich sich meiner anzunchmen geneigt sind. Meine Be unruhigung ist seelischer Art und betrifft das Ucbcrmaß von Sünden!" „Was? Ucbcrmaß von Sünden?! Ta wollen Gnädige sich doch bester an Ihren zuständigen Pfarrer wenden! Zu welcher Pfarre gehören Sie?" „Zu San Paolo! Aber zu unserem Pfarrer habe ich nicht das rechte Vertrauen! Ich möchte von einem be rühmten Geistlichen pastorirt sein!" „An ein Uebermaß von Sünden glaube ich nun auch, denn Signora haben ein gerüttelt Maß von Eitelkeit, Hoch muth, Mangel an kirchlichem Sinn und Unterwerfung! Gehen Sie zum Pfarrer von San Paolo!" Mit theatralischen Gesten, in der Pose einer Prima donna, beschwor die Dame Corazza, sie anzuhörcn und ihr die Seelenruhe wieder zu verschaffen. Um einem Kniesall vorzubeugen, bat Corazza denn, es möge die Dame weitersprcchen und fragte, ob nicht doch Ueberreizitng der an sich lebhaften Phantasie vorliege. „Nein, Signor! Ich lebe als Wittwc sehr zurückge zogen, habe keinen Sinn für weltliche Freuden, nur das wäre mein höchster Wunsch ans Erden, von Ihnen pastorirt zu sein. Ich gehe hänsig zur Beichte, immer mit gründlich erforschtem Gewissen, doch scheint die Erforschung nie voll ständig zu sein. Immer fällt mir ein, dies und daS, und wenn eS auch nur Unterlassungssünden sind, in der Beichte nicht angegeben zu haben; ich bin unfertig selbst im Augen blick der Lossprechung, in einem Zustande quälender Beun ¬ ruhigung und entbehre dadurch und deshalb der Gnade des heiligen Sacramentes!" Trocken sagte Corazza: „Also Skrupulantin?" „Wie meinen, Signor?" „Eine Zweiflerin sind Sie! Wenn Sie wirklich oft zur Beichte gehen, ist eine so peinliche Gewissenscrforschung nnd die viele hierauf verwendete Zeit nicht nöthig und des Guten zn viel! Bei Ihnen fehlt cs an Klarheit des Gc- dankengangcs und an nötlnger Kürze. Sind Sic absolvirt worden, so ist es Ihre heiligste Pflicht, Gott für diese Gnade zu danken. Das Verdienst des Beichtens hängl nicht ab von dein guten Gedächtnis! nnd peinlicher Ge- wisscnserforschung, sondern von der aufrichtig empfundenen Neue, von dem ehrlichen Willen der Besserung. In Ihrer Seele ringen Eigensinn, Zweifel, Hochmuth und Verblen dung untereinander, und bald siegt das Eine, bald das Andere!" „Impossibilo 8i^nor!" „Doch! Das ist meine Ucberzcugnng! Zu ,ihrer Beruhigung kann ich Jh?:en sagen, daß alle Moraltlieolvgen einig sind in Folgendem: Gesetzt den Fall, cs zweifelt Jemand, ob er eine Todsünde im Beichtstühle bekannt habe oder nicht, und der Zweifler will in seiner Befürchtung darauf zurückkommen, während der Priester bereits die Ab hörung geschloffen und durch ein Zeichen angedeutet hat, es möge davon nichts mehr gesprochen werden, so sündigt das Beichtkind in diesem Falle durch ein Verstummen nicht. Haben Sic das verstanden, Signora ?" „8i, Lipmor! Aber ich habe auch ost schwere Bedenken wegen der Reue! Ich fürchte immer, sic ist nicht gründlich genug, und meine Gebete bewirken nicht den völligen Seelenfrieden." „Wenn Sie am Werthc Ihrer Reue zweifeln, so heißt das so viel, daß Sie arrogant genug sind, eine Wieder holung des in der „Nachfolge Christi" erwähnten Falles für sich speciell zu verlangen. Ob derHcrrgott für die Sig nora eine besondere Ausnahme machen wird, ist zweifelhaft. Noch mehr bezweifle ich jedoch, daß Gott gerade Ihnen einen eigenen Sendboten vom Himmel hcrunterschickcn und Sie über dieses göttliche Geheimniß informircn lassen wird! Signora scheinen aber auf einen himmlischen Erpreß boten zu rcslcctircn, und diese Erwartung ist eine Ver messenheit! Auf besondere Offenbarungen harren, ist Gottversuchung! Sie wollen nicht vor Gott gerecht sein, sondern nur zur Befriedigung der Eitelkeit vor Ihren eigenen Augen! Sie wollen nicht der Gnade Gottes die Reue verdanken, sondern der eigenen Anstrengung, und >* »vk 6«. »ll »iod tll äer uiä 240, Leoä- LIV.Ulll 6ow.-L. a <to. 332 498 Stetie. «utr.-LeOilSV^ mrksvlücl — .5/1«. 174,25 98,70 102,80 89.40 16,28', Ivloo U»Mr. > veeil. «1r»Ib. )r<1oet >Id»du 91,— 87.— 66,75 104,10 100,70 94,15 110,— 18,— 154,50 45,10 129,— ILO,— IreäiUld 7u3 ab-; Ltesiiv. >. 1» rllLlsn. . — ..8<L»ni 100,10 Lvi. ! 10490 ». 90,25 5. tiellk UuSItV. 113,50 dstliik. (Irak. :LUNi 115,80 117,25 61,25 138.75 108,— 191.— 137.— 200,— 179,20 115,50 180,-- SO,00 133,50 174,25 323,75 107.IO 137,25 774,50 llk-L. 12-«,— llsv ! 78,— isslkd? 175.25 ülireli 781 25 »«.kV.! 30,50 irst.?r.i 20,— lov.I > 106,10 oiNi. 152.10 »dUisä rsaevii le«! Ul. ». 1^.-5 IV »Her La a üxv reuak. lelrkdr. IlötU. ineeel 167.50 'rsibr. 101,25 0. 156,90 !j-s I 85,15 riiets ! t 8 'Q 215,45 oilLto — ? '1>! 215,70 en<u. 85,20 «Io. 276,15 6sI4 ! — 8MI. Vlisv alvib >r s ioa Uso «rät Lott. v<t eeeb. 175,— 91,90 194,50 44,25 199,— 3«5,- 1 66,75 772,50 165,50 775,50 106,— 106,— 20350 toeseo 98,75 ieUU) la äsr oovortlis im i^reo -totix. iseix. k>«ter lis»eieieUeo oo. uisorieer. illtolx« äsr oädr.I ÜSllK 90,50 93,50 .8e,-o/8oUr Ur". L verboten.' o«ia! Uriel 5325 5370 2735 2785 3200 3800 — 5525 5600 2975 3025 410 440 1700 — 3925 14075 S2>.0 1150 11250 1875 11975 5275 3325 L550 — »100 — SoO 585 >250 1280 7025 2075 205 22, 950 1020 !000 2050 !475 — 1750 13875 925 975 2^0 220 925 2975 — 3600 850 650 3700 — 2075 710 160 —- 18500 460 Seo — 200i> — 375 600 8750 950 — 10 20 330 660 nOO 220 )50 16^0 ,50 — — 310 835 ipp kett- m<1 Leise- * r: ii oUarä ' Vsl-ier. , .HeiUe- »uk <!er 14 5) mit II4 5) von .IloNlio* >ou ooU » tNI.riU- l»* «15,5- BezugS« Preis s» der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich 4.50, — zweimaliger täglicher Zustellung ins HauS .Xl 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich vierteljährlichti, für die übrigen Länder laut Zeitungspreisliste. Nedaclion nnd Erpr-ition: JohanniSgaste 8. Fernsprecher 153 und 222. Filialrrprditionrn: Alfred Hahn, Buchhandlg., UuiversitätSstr.3, L. Lösche, Katharinenstr. 14, u. KönigSpl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Strehlenerstrabe 6. Fernsprecher Amt I Nr. 1713. Haupt-Filiale Berlin: Königgrätzerstraße IIS. Fernsprecher Amt VI Nr. S3SL. Abend-Ausgabe. MiMgcr TWclllalt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, des Nathes und Nolizei-Änttes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Prei- die 6 gespaltene Petuzeile 2S H. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderung 70,—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen. Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Spedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 246. Freitag den 16. Mai 1902. 96. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Meeting der Boerevführer, * Klerksdorp, 14. Mai. („Reuter s Bureau".) Steijn wird mit seinem Sekretär auf der Reise nach Vereeniging morgen hier erwartet. Aus Krüger's Umgebung wird berichtet: Wenn auch nunmehr durch die Abreise Louis Botha s und Wcssel's, eines Untercommandanten von De Wet, aus Harrismith feststeht, daß die Versammlung in Vereeniging thatsächlich stattfindet, glaubt man in holländischen Bocren- kreiscn doch nach wie vor, daß der Stand der Boerensache keineswegs zu unbedingtem Nachgeben berechtigen würde. Falls aber wirklich gute Aussicht auf das Zustandekommen des Friedens bestünde, dann müßten — so meint man — die Engländer weitgehende Zugeständnisse gemacht haben, sonst würde man es für unmöglich halten, daß Stcijn, De Wet, Botha und Delarey für die Waffenstreckung zn haben wären. Soviel weiß man jedoch, daß die Bocrenführer jedenfalls einen bestimmten, mit Sicherheiten verbürgten Zeitpunkt für die Einführung der Selbstverwaltung und die feste Zusicherung einer allgemeinen Amnestie für die Rebellen ver langen werden. Im Laufe dieser Woche wird ein neuer Bericht des Generals I. C. Smuts (Staatspro- eurcur des Transvaal) erscheinen über dessen Operationen in der Capcolonie. Wie cs heißt, beschreibt der General in diesem Bericht die Lage der Commandos von der Ein nahme Pretorias im Juni 1900 ab bis auf den Tag der Vollendung des Berichts im Januar 1902, um nachzu weisen, daß die allgemeine Lage der Commandos durchaus günstiger und ihre Aussichten bestimmt hoffnungsvoller seien, als in der zweiten Hälfte des Jahres 1900. Eine interessante Schilderung der Verhandlungen in Pretoria, welche den Berathungen der Boercngeneralc mit ihren Commandos voraufgingen, bringt der Londoner „Daily Telegraph". Der Bericht ist nicht frei von Ausdrücken, die gegenüber Männern wie Delarey nnd Steijn als in hohem Grade rcspeetlos bezeichnet werden müssen: man kann aber Tactlosigkeitcn dieser Art wohl nachgerade auf sich beruhen lassen, da sie dem unbefleckten Rufe dieser Hel den bisher nicht den geringsten Schaden zufügen konnten. In dem Bericht heißt es: „Die Delegtrten hatten verschiedene Documente aus gestellt, von denen nicht wenige in aufgeblasenem Ton verfaßt waren. Während Schalk Burger und die übrigen Mitglieder der Transvaalregicrung thatsächlich für Friedensschluß unter allen Umständen waren und Louis Botha ihren Ansichten beistimmte, waren Steijn, De Wet und Delarey von Anfang bis zn Ende dafür, unmögliche Bedingungen zu stellen. Das erste Protokoll erklärte, daß England für den Krieg ver antwortlich sei u. s. w. Nach einer Weile und nach einem Disput untereinander verstanden sich die Bocren zu der Anfertigung eines weniger Anstoß erregenden Protokolls. Wie alle primitiven Völker, sind auch die Boeren in steter Furcht, daß sie zu wenig vcrlaügen könnten. Der Boere acht von der Ansicht aus, daß bei Abmachungen auf der anderen Seite stets niedrige und selbstsüchtige Motive im Spiele seien. In der Unterhaltung zeigten die Boeren nur für die einheimische und auswärtige Politik Interesse. Sie waren sehr höflich, aber schweigsam und offenbar miß- Feitilletsir. i3i Der Militarcurat. Roman von Arthur Achleitner. Nachdruck «erboten. „Nur etliche Stücke Holz, Hochwürden, und der Ofen glüht!" meinte Frau Benatti, welcher das treue Ausharrcn beim geistlichen Herrn in Ronzo keinen Schaden gebracht hatte. „Unsinn! Habe meiner Lebtage keinen Ofen gehabt und brauche ihn auch jetzt nicht! Wenn aber Dir kalt ist, koche Dir Th-e und setze Dich an den Herd, dort kannst Du meinetwegen Geld verbrennen!" „Wollen der hochwürdige Herr auch ein Täßchen warmen Thec zu sich nehmen?" „Danke, nein! Die Nase wird schon von der Cigarette erwärmt, das genügt!" Der hochwürdige Herr sollen aber doch schon etwas Rücksicht auf sich selbst nehmen! Nach so schwerer Krank heit!" „.Vila portal" knurrte Corazza. Frau Benatti schüttelte das ergraute Haupt und ver schwand. Aus dem Inhalte zahlreich cingelaufener Briefe konnte der Curat erkennen, daß er durch sein opferwilliges „Handeln" in Ronzo gewissermaßen als Geistlicher „in Mode" gekommen sein müsse, denn verschiedene Damen wünschen bet ihm zu beichten, ihn zum Seelsorger zu er halten, kündigen Geschenke und Handarbeiten an, bitten nm Empfang in seiner Betstube, wollen wissen, wo nnd wann er künftig die Messe celcbrirc und so weiter. Die Briefe triefen von überschwenglicher Begeisterung nnd Ver ehrung für den Helbenpricster, und fast jede Epistel hat ein Pestscriptum, worin um Corazza's Photographie, eine Locke oder um sonst ein persönliches Andenken des „Helden von Ronzo" gebeten wird. Corazza hatte bei der Lectürc der ersten Briese noch ge lächelt über weibliche Einfalt nnd Ucbcrtreibungslust, dann aber ward der Curat doch ernstlich böse und wünschte die Weiber ins Pfcfferland. „Für verrückte Weibsen werd' ich mein Naebcngesicht photographircn lassen, mich an den Pranger stellen und angaffen lassen!" brummte Corazza und warf den Pack Briefe in den Papierkorb. Aus Ver sehen war auch die glimmende Cigarette mit in den Korb iranisch, wie Indianerhäuptlinge, an die sic mehr als ein mal erinnerten. Officierc und Civilisten, die sie aus Freundlichkeit in ein Gespräch zu ziehen versuchten, gaben diesen Versuch bald als vergeblich auf. Der arme Mr. Stcijn schien in sehr viel schlechterer Verfassung zu sein, als die Anderen. Er war nervös und verlor mehr als einmal seinen Hut, als er aus dem Zuge stieg. Leine Augen sind sehr schlecht, schlechter, als ich dachte. Es handelt sich nicht um eine einfache Erkältung oder Ent zündung. Delarey war eifrig bemüht, die wirkliche Sachlage zu erfahren, und zu hören, ob Unterstützung vom Auslande zu erwarten sei, und was die Engländer be willigen würden. Er erklärte, daß sie darauf bestehen würden, die Vierkleur zu behalten. Er sprach auch von seinen letzten Erfolgen. „Ich könnte mich im westlichen Transvaal noch zwei Jähre halten", sagte der Boeren- gcneral, der mir etwas an Größenwahn zu leiden scheint,.. aber Delarey ist trotzdem vor allen anderen Boercncom- Mandanten ein echter Mann." Der Correspondent er zählt sodann, wie Kitchcncr in dem Versammlungs zimmer alle Karten wcgräumcn ließ und eine große holländische F a m i l i e n b i b c l auf den Tisch legte, damit die Boeren einen angenehmen Eindruck empfingen. Die Delegirten, vor allen Dingen Louis Botha, Lukas Meyer nnd Schalk Burger, hätten sich sehr sreimüthig mit ttitchencr unterhalten. Auch mit Milner hätten sie sich gut vertragen. Der Correspondent fährt so dann fort: „Die Transvaaler waren mit einer oder zwei Ausnahmen für sofortige Einstellung der Feindselig keiten, ja, selbst dafür, die Freistaatcr sich selbst zu über lassen. . . . Stcijn, der in körperlicher Auflösung begriffen scheint, stimmte für die Fortsetzung des Kampfes, aber sein Einfluß war nur gering gegenüber dem des kampf lustigen, derben, dunkeln nnd mürrischen De Wet, der in Wirklichkeit als der Führer des Freistaates angesehen werden kann. Delarey war thatsächlich der einzige Trans vaaler, der für den Krieg stimmte. Man muß ihm aber Gerechtigkeit zu Thcil werden lassen, denn er verdient daö Lob ehrenhafter Männer. Er sagte: „Wenn die Comman dos oder die Rurghcrs die englische Flagge annchmcn, so werde ich mich ihrem Nrthcil beugen und mich ergeben, denn ich habe meine Schuldigkeit gcthan. Nehmen die Commandos die englische Flagge nicht an, so will ich im Felde für die alte Regierung nnd für die alte Flagge kämpfend sterben."" politische Tagesschau. * Leipzig, 16. Mai. Die Aufhebung des Dictaturparagraphen in Elsaß-Lothringen erfährt in der nationalsocialen „Hilfe" des Herrn Pfarrer Naumann eine Nutzanwendung, die nur als ironisch anseheu müßten, wenn sic nicht einen Gedanken zum AuSvruck brächte, dem wir schon wiederholt in diesem Blatte begegnet sind. Um nicht in den Verdacht zu gerathen, als ob wir den Gedaukengang des national socialen Organs in tendenziöser Zuspitzung wiedergäben, müssen wir der „Hilfe" selbst daS Wort ertheilen; sie schreibt: „Die Aushebung des Dictaturparagraphen ist der Entgelt für die erheblichen Beiträge des Reichslandes zur Wiederherstellung der Hohkönigsburg. Unter der monarchischen Einkleidung eines Vertrauensbeweises versteckt sich ein solides Handelsgeschäft. Wir gratnliren den Elsaß-Lothringern zu diesem billigen Kuh handel, der zeigt, daß auch der Kaiser auf ComPrämisse ange ¬ wiesen ist. Tie Socialdemokratie sollte an solchen Vorgängen endlich einmal politisch denken lernen. Würden die deutschen Arbeiter offen zugeben, daß Erhaltung und Stärkung von Heer und Flotte die Grundbedingung ihrer Wohlfahrt ist, dann könnten sie gegen das Zugeständniß monarchischer Führung billiges Brot und Socialreform einhandeln." Daß eine äußere Möglichkeit besteht, eine solche Empfeh lung der Kubhandelspolitik an die Voraussetzung zu knüpfen, die Aufhebung des Dictaturparagraphen sei der kaiserliche Entgelt für die reichsländische Geldbewilligung zu Gunsten der Hohkönigsburg, ist umsomehr zu beklagen, je tiefer die Folgrrungen greifen, welche die „Hilfe" aus ihrer Voraussetzung zieht. Denn diese Folgerungen besagen nicht mehr und nicht weniger als: Die Zollpolitik und die Socialpolitik des deutschen Reiches richtet sich nicht nach der sachlichen Abwägung der natio nalen Gesammtinteressen, sondern sie ist die Strafe dafür, daß die socialdemokratische Arbeiterschaft die Forderungen für Heer und Marine verweigert. Die Socialdemokratie wird dem nationalsocialen Organe von Herzen dafür dankbar sein, daß es Lurch diese an Demagogie nichts zu wünschen übrig lassende Darstellung die socialdemokratische Agitation nach Kräften unterstützt. Ebenso willkommen darf der Socialdemokratie dis irreführende Gleichsetzung des politischen „Kuhhandels" mit dem politischen „Com- promiß" sein. So lange das staatlich - constitutionelle Leben sich in Compromissen vollzieht, braucht cs an seiner Gesundheit nickt den geringsten Schaden zu erleiden. Denn bei Compromissen zwischen der Regierung und den Parteien bandelt cS sich darum, daß beide Theile in Bezug auf die Streitpunkte einer gesetzgeberischen Frage aus Gründen, die nur in der Sacke selbst liegen und bloß auf die streitige Frage Bezug nehmen, einander entgegenkommen. Beim politischen Kuhhandel dagegen werden Fragen, die ihrer Natur nach mit einander gar nichts zu schaffen haben, zusammengekoppelt und Abänderungen unter Gesichts- puncten unterworfen, die aus der Natur der Sache selbst sich nicht ergeben. Wie leicht demnach im Falls des politischen Kuhhandels die Gesundheit des staatlichen Lebens geschädigt werden kann, leuchtet ohne Weiteres ein. Indem das nationalsociale Organ sowohl die Kuhhandelspolitik proclamirt als auch das persönliche Moment so unbedenklich in den Vordergrund zieht, erweist es der nationalen Sache und dem monarchischen Gedanken den denkbar schlechtesten Dienst. Wir können uns daher zu der Annahme nicht entschließen, daß die „Hilfe" in diesem Falle der Ansicht auch nur eines namhaften Theiles der Nationalsocialen Ausdruck gebe. Um so mehr würden wir cS bedauern, wenn nickt einer oder der andere der Parteigenossen dcS Herrn Pfarrers Naumann Einspruch gegen die Nutzanwendung erhöbe, welche daS Parteiorgan von der Aufhebung des Dictaturparagraphen in Elsaß- Lothringen macht. Die Führer des BuuVcS der Landwirthe haben sich dem Ceirtrum so oft gefällig erwiesen, daß dieses sich nunmehr berechtigt glaubt, unbedingte Gefolgschaft nicht nur von diesen Führern, sondern vom ganzen Bunde zu fordern und ihm entrüstete Vorwürfe zu machen, sobald er der Forderung sich nicht fügt. Nachdem die „Germania" sich schon neulich den Bund „vorgebunden" und die „Deutsche Tagesztg." zu der Erklärung gezwungen hatte, daß der Bund der Landwinde „alle confessionelle Hetze grundsätzlich verschmäht und aufs Schärfste verurtbeill", unterzieht jetzt daS führende bayerische Centrumsorgan diese Erklärung einer Untersuchung. DaS CentrumSblatt deutet ziemlich unumwunden an, daß es diese Erklärung für eine haltlose Phrase halte, da sie mit den Tbaten deö Bundes im Widerspruch stcbc. Wie könne es sonst kommen, daß der Bund sogar eher für einen Gegner der Landwirthschaft stimme, als für einen Centrumecandidaten? Ganz besonders scheint das bayerische Centrumsorgan darüber erbittert zu sein, daß der Bund der Landwirthe sogar in dem geheiligten Wahlkreise des ver storbenen I)r. Lieber den dort aufgestellten nationalliberaleu Candidaten zu unterstützen sich bereit erklärt haben soll. Auch wenn das wahr ist, so ist das CentrumSorgan doch sicherlich im Unrecht, wenn cs darin Mangel an „confessioneller Unbefangen heit" erblickt und erbittert aussührt, die Katholiken würden vom Bunde „mit Fußtritten regalirt". Diese Haltung des Bundes ist sicherlich nicht aus con- fessioncllen Gründen zu erklären, sondern aus der Erkenntnis; der Unzuverlässigkeit des CentrumS. Im gegenwärtigen Augenblicke steht ja bas Centrum, dessen große Mehrheit über den Tarifentwurf der Regierung binausgehen will, dem Bunde sicherlich näher, als die nationalliberale Partei, deren große Mehrheit auf dem Standpuncte der Regierungs vorlage sich befindet. Die Haltung des CentrumS aber kann sich jeden Augenblick ändern, wenn Fulda und Rom — um ein Wort des On. Lieber zu brauchen — es wollen. Der Bund der Landwirthe ist also zweifellos im Rechte, wenn ihm eine Partei, die in der Zollfrage nicht völlig mit ihm übereinstimmt, immer noch lieber ist als eine solche, die sich ihre Parole gegebenenfalls vom Vatican holt, dessen Interesse für daö Wohlergehen der deutschen Land- wirlhschaft ja sicherlich ein außerordentlich beschränktes ist. Abgesehen aber davon, ist eS nur natürlich, daß der Bund der Landwirthe cs als politisch unklug anseheu muß, eine Partei, die ohnehin schon über mehr als 100 Reichstags mandate verfügt, noch weiter zu verstärken. Die Frage, wie es mit der vielgerühmten „Toleranz" deS Centrums verträglich ist, wenn dieses von einer Vereinigung, deren Mitglieder zum größeren Theile Protestanten sind, unbedingte Unterwerfung unter daS Centrum fordert, braucht man gar nicht aufzuwerfeu, denn cS ist bekannt genug, daß das Cen- trum Toleranz nicht einmal gegen alle Katholiken, sondern nur gegen die ultramontanen fordert. Die Bundesführer haben das, wie es scheint, zu spät erkannt. Um so energischer werden sie sich nunmehr gegen das Ansinnen wahren müssen, den Bnnd einer politisch und wirthschaftlich durchaus unzu verlässigen, im letzten Grunde nur einseitigen confessionellen Zwecken dienenden Partei zu unterwerfen und ihm dadurch das Vertrauen seiner protestantischen Mitglieder zn entziehen. Im österreichische» Ab geordnet en Hause gab gestern bei der fortgesetzten Berathung des Ackerbaubuvgets der Ackerbaum in ister Frhr. von Giovanelli ein um fassendes Bild sämmtlichcr Gebiete der Land- und Forst- wirthschaft unter Anführung der theils bereits eingeleiteten, theils bevorstehenden Maßnahmen der Regierung zur Förde rung der in kritischer Lage befindlichen Landtvirth schäft. Letztere müsse unbedingt erhalten werden, ihre Niedcrringung dürfe umsoweniger stattsindcn, als die Mon archie in der Lage sei, nicht nur den eigenen Bedarf des Landes zu decken, sondern auch einen Theil der heimischen Producte an das Ausland abzugeben. Hierzu bedürfe eS des Schutzes der heimischen Production und einer thunlichsten Entwickelung der Productions-, sowie der Absatzsähigkeit. Die Monarchie dürfe sich in handels politischer Beziehung nicht auf den Jsolirschemel stellen, noch
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