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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.02.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000222029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900022202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900022202
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1900
-
Monat
1900-02
- Tag 1900-02-22
-
Monat
1900-02
-
Jahr
1900
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Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich >t 6.—. Tirccte tägliche Krcuzbandicudung ins Ausland: monatlich 7.50. —«<«*>«— Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/.7 Uhr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 5 Uhr. Ne-action und Expedition: JobanniSgaffe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Alfred Hahn vorm. v. Klemm'» Lortim. Universitätsstraße 3 (Paulinnm-, LoniS Lösche, Katharinenstr. 14. part. und Königsplatz 7. Abend-Ausgabe. MiWgrr Tageblatt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Mathes und Volizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigerr-Preis die 6 gespaltene Petitzeile Li) Pfg. Reclamen unter dem Nedactionsstrich (4g- spalten) 50^, vor den Fainiliennachrichtru (Lgripalten) 40/^. Größere Schriften laut unserem PreiS- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffrrnsatz nach höherem Taris. -o—cx— Extra-Veilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poslbesördrrun- 60.—, mit Poslbeförderung 70.—. ——q—«X— Aunahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ei» halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an die Gxpeditia» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 9t. Jahrgang. 97. Donnerstag den 22. Februar 1900. Politische Tagesschau. * Leipzig, 22. Februar. Daß der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe, der den Konservativen nicht stark genug ist, recht fest und energisch auftreten kann, wenn er will und zu müssen glaubt, das hat er in der gestrigen Sitzung des Reichstags bewiesen. Seit langer Zeit hat er nicht so lange und entschieden gesprochen, als bei der Bertheidigung des für Elsaß-Lothringen geltenden sogenannten Diktatur - Paragraphen, der u. A. Ausnahmebestimmungen zur Abwehr der französisch gesinnten Hetzpresse und der über die französische Grenze her eindringenden Agitation enthält und dessen Aufhebung von den elsässischen und den Polnischen Abgeordneten wiederum bean tragt war. Aber diese Entschiedenheit nützte ihm nichts; selbst der einzige konservative Redner des Hauses, der Abg. v. Le- vetzow, unterstützte ihn nur lau und der sreiconservative Abg. vr. Arendt stellte sich sogar auf die Seite der Antrag steller, die denn auch die Genugthuung erlebten, den Antrag mit erheblicher Mehrheit in erster und zweiter Lesung an genommen zu sehen. Das wird ihnen freilich ebensowenig helfen, wie dem Reichskanzler seine Rede half, denn auS dieser geht unzweideutig hervor, daß der Bundesrath dem Beschlüsse des Hauses nickt beitreten wird. Und das zu beklagen, sind wir, obgleich ein Theil unserer politischen Gesinnungsgenossen im Reichstage für die Aufhebung deS Paragraphen stimmte, nicht optimistisch genug. Sind auch, wie der Reichskanzler versicherte, die Beziehungen der deutschen Regierung zu der französischen zur Zeit die denkbar besten, io kann doch, wie er gleichfalls betonte, Niemand eine Gewähr für die Dauer dieses Verhältnisses geben. Sehr weite und sehr einflußreiche Kreise in Frankreich haben ihre Nevaiichegelüste noch nicht aufgegeben und werden sie, nachdem die Pariser Ausstellung vorüber sein und viele Millionen eingebracht haben wird, wieder eben so offen wie früher nicht nur äußern, sondern auch zu be friedigen suchen. Und wenn die jetzige Regierung in Frank reich einer anderen weichen muß, ist die Gefahr einer völligen Veränderung der Beziehungen zwischen uns und unseren westlichen Nachbarn durckaus nicht ausgeschlossen. So „kern deutsch" sind die Reichslande denn doch noch nicht wieder geworden, als daß man voller Vertrauen ihrem Verhalten gegen französische Hetzer entgegensetzen dürfte. Wären sie schon so, wie ihre parlamentarischen Vertreter sie schildern, so würden sie die Beseitigung der „Warnungstafel", wie der Reichskanzler den Dictaturparagraphen mit Recht nannte, weil dieser Paragraph nur höchst selten und nur dann sich fühlbar macht, wenn trotz aller Warnung antideutsche Bestrebungen zu Tage treten, nicht mit solcher Hartnäckigkeit fordern. Sie würden die kleine, dem ruhigen Reichsbürger nur durch Agitatoren zum Bewußtsein kommende Belästigung gern als Sicherung vor schwerer, vielleicht ganz plötzlich anflauchender Gefahr gern hinnehmen. Wenn man in Altdentschland diese Gefahr jetzt unterschätzt und deshalb dem Sturmlaufe gegen den Dictaturparagraphen sich an schließt, so kommt das wahrscheinlich daher, daß man sich durch die „Liebenswürdigkeiten" einer anderen Macht, mit der wir gleichfalls in den „denkbar besten Beziehungen" leben, zu sehr von der Wacht an der Westgrenze ablenken läßt. Hoffentlich bleibt uns der Beweis dafür erspart, daß Fürst Hohenlohe gestern mit vollstem Rechte einmal den „starken Mann" zeigte. Bei der ersten Lesung der Alottenvorlage im Reichstage I ist von agrarischer Seite bekanntlich u. A. die Behauptung I aufgestellt worden, daß die vorgeschlagene Verstärkung unserer Kriegsmarine eine Vermehrung der ohnehin brückenden Leutenoth zur Folge haben müßte. Ganz abgesehen davon, daß bei einem jährlichen Bevölkerungszuwachs von mehr als 800 000 Köpfen, wie er sich schon gegenwärtig darstellt, eine Bemannungserhöhung der kaiserlichen Marine um l 7 000 Mann nach Ausführung der Flottennovelle gar nicht ins Gewicht fallen kann, wird jene Behauptung durch die Statistik widerlegt. Wenn man nämlich die Mannschaftslisten unserer Marine einmal durchstudirt, dann wird man finden, daß höchst selten ein Bauer bei der Marine dient. Aber auch die Besorgniß, daß unsere seefahrende Be völkerung zu stark zum Marinedienst herangeholt und ihrem bürgerlichen Berufe dadurch entzogen würbe, ist gegenüber den Thatsachen vollkommen hinfällig. Die Bemannung unserer heutigen Kriegsschiffe Hestedt höchstens zu einem Drittel aus Leuten von der Wasserkante, Seeleuten und Fischern; die übrigen zwei Drittel sind der Natur der Sache nach Handwerker und Industriearbeiter, in erster Linie Eisenarbeiter, und daß an solchen kein Mangel ist, weiß fast jedes Kind. Aber noch eine andere Seite der Sache ist Werth, beleuchtet zu werden. Bei der englischen Marine ist die Besatzung der Schiffe überwiegend aus Berussseeleuten zusammengesetzt und auch die Maschinisten und die auf den Schiffen beschäftigten Eisen arbeiter, Kohlenzieher und dergleichen gehören von Beruf der Marine an. Bei uns ist das anders. Die Leute dienen ihre Zeit ab und kehren nach dieser Zeit in ihre bürgerlichen Berufe zurück. Gerade an diesen Leuten kann man den außerordentlichen Einfluß beobachten, welchen die Dienstzeit in der Marine auf den Theil der Bemannung auSübt, die aus dem Binnenlanve oder aus Berufen stammt, welche im Allgemeinen mit der Seefahrt direct nichts zu thun Haden. Die Leute bringen von der großen Auslands reise, die jeder Angehörige der Marine macht, einen außer ordentlich erweiterten Gesichtskreis von selbst mit. Das ist ausnahmslos der Fall. Der Pulsschlag deS Weltverkehrs hat sie berührt. Die gewaltigen Verhältnisse des Uebersee- handels und der überseeischen Beziehungen, wie sie erst bei der Anwesenheit im Auslande erkannt werden können, üben ihre Rückwirkung aus und jeder einzelne der Leute, der nach dem Dienste bei der Marine in seinen bürgerlichen Beruf zurückkehrt, bringt das Bestreben mit, diese Erweite rung seines eigenen Horizontes auf seine Umgebung zu über tragen; er bringt das Verständniß für den Antheil Deutsch lands an den Weltinteressen mit und versucht dieses Ver ständniß entweder selbst oder durch seine Söhne auch in seinem eigenen Berufe ins Praktische zu übersetzen. Es ist selbstverständlich, baß dieses Moment nicht für eine Ver stärkung der Reichsmarine herangezogen werden soll und kann, aber ist es Werth, erwähnt zu werden, weil es bester als alle Reden und Broschüren das Verständniß für die Flotte und für die deutschen Ueberseeintereffen in die weitesten Schichten des Volkes zu tragen geeignet ist. Schon in früheren Jahren hatte sich Kaiser Fra»; Joseph wiederholt mißbilligend über die Jungtschcchcn und ihr Treiben ausgesprochen und sie insbesondere vor zehn Jahren als ein Element der Zersetzung be zeichnet. Als solches haben sich die Jungtschcchcn in der Thal gezeigt, nachdem sie immer zahlreicher gewählt wurden, und jetzt verkündigen sie als Ziel ihrer Politik die Vernichtung des Reichsrathcs und der bisher geltenden Verfassung. In diesem Sinne äußerte sich im böhmiscken Landtage unter Anderm der jungtschechische Abgeordnete Ör. Bara und zwar in Verbindung mit so starken Ausfällen gegen den Kaiser, daß man nicht begreifen kann, wie Fürst Lobkowitz, der Vorsitzende Oberstland marschall, dies ohne jedes Einschreiten seinerseits passiren lasten konnte. Selbstverständlich sprach vr. Baxa in tschechischer Sprache, und so konnte erst jetzt deutscherseits der Wortlaut seiner Auslassung aus den kürzlich er schienenen stenographischen Berichten festgelegt werden. In einer der letzten Sitzungen deS böhmischen Land tages machte sich, wie dem „Hamburg. Corr." berichtet wird, der Abgeordnete vr. Baxa lustig über die Worte deS Kaisers, mit staatsmännischer Weisheit die Lage zu er wägen, und meinte, diese Worte werde Niemand aus die Waagschale legen. Als der Kaiser zu den Manöver» nach Böhmen reiste, halten die tschechischen Städte in Loyalität gewetteifert, aber da der Kaiser auch in den deutschen Gegenden Böhmens herzlich und loyal empfangen worden sei, so habe er als Entgelt für die tschechische Loyalität in eine Beleidigung der Tschechen, in die Auf hebung der Sprachenverordnungen gewilligt. Man sehe daraus, daß man nickt allzu sehr von Loyalität überfließen möge. Ein Gesinnungsgenosse deS Or. Baxa, der Abgeordnete Breznowsky, batte dazu gerufen: „Was haben wir uns an dem „Gott erhalte!" müde gesungen." Auch andere ungehörige Zwischenrufe wurden vernommen. Allein der durch und durch tschechisirte Fürst Lobkowitz wagte eS nicht, den Redner zu unterbrechen, obwohl er in durchaus un gebührlicher Weise die Person des Kaisers in die Erörterung zog. Man ersieht daraus, wie es mit der Loyalität der Tschechen bestellt ist. Diese Loyalität wird in die Brüche gehen, wenn die Tschechen von Wien nichts mehr erwarten oder aber auch wenn sie von Wien nichts mehr zu fordern haben sollten. Vorläufig hat der Tschechenclub, wie an anderer Stelle mitgetheilt wird, beschlossen, in die Oppo sition zu treten, ev. die Obstructivn aufzunehmen. Der Krieg in Südafrika. -p. Die „guten Nachrichten" der guten Königin Victoria können nur aus Hoffnungen, Erwartungen und Schluß folgerungen bestanden haben. Ein großer, vernichtender Schlag ist gegen die Beeren weder im Osten noch im Westen gefallen und eS fragt sich noch, ob er überhaupt fällt. Noch gestern galt es in London als sicher, daß der Boerengcncral Cronje östlich vom Modderflusse umzingelt und abgeschnitten sei und daß Kelly Kenny ihm eine Frist gestellt habe, zu capituliren, heute weiß man, wie aus unserem inzwischen durch andere Meldungen bestätigten Privattele grammen hervorgeht, daß im Gegentheil Cronje den „ver folgenden" Engländern einen heiften Kampf geliefert hat — zwischen Paardebcrg, dem Hauptquartier Roberts' und dem östlicher (nicht westlich vom Modder, wie erst gemeldet) gelegenen KoodooSrand. Hier wurde von General Macdonalv an der Spitze der Hochländerbrigade mittelst eines Gewaltmarsches von 20 Meilen am 20. Februar der Versuch gemacht, Cronje zu umgehen und abzmckneiden. aber — vergeblich. Er wurde mit erheblichen Verlusten zurückgeschlagen, nachdem bercits am 18. und 19. Februar für die Boeren siegreiche Zusammenstöße stattgefunden, und auch die unter General Knox eintreffenden Ver stärkungen konnten das Schicksal des Tages nicht wenden. Die mitgetheiltcn Verlustlisten sind unvollständig, namentlich was die Mannschaften betrifft. Unter den Osficieren haben die sicher treffenden Kugeln der Boeren wieder mächtig aufgeräumt (9 tobt, 39 verwundet). Von boerischer Seite wird über Len Kampf, der noch nicht beendet zu sein scheint und aller Voraussicht nach mit einer Nieder lage der Engländer endet, des Weiteren berichtet: * London, 21. Februar. Dem „Rentcr'schcn Bureau" wird über Lonren^o Marques aus Pretoria von gestern telegraphirt: Präsident Steyn meldet, er habe gestern in der Röhe von KoodooSrand mit englischen Truppen, welche das Lager Cronje'S zn umzingeln ver suchten, ein Gefecht gehabt nnd Sie Engländer znrück- geschlagen. — General Tew et berichtet über die Kämpfe, welche zwischen PaarSebcrg nnd KoodooSrand statt gefunden haben nnd bei denen die Boeren mehrere von den Engländern besetzte Kopses nahmen. Ans englischer Leite betrugen Sic Pcrlnste mehrere ToSte nnd Verwundete, sowie 40 Gefangene, die Boeren halten 2 Todte nnd 4 Verwundete. Das englische KriegSamt will noch nichts über Einzel heiten der Kämpfe erfahren baden. Sie sind ein starker Guß nüchternen Wassers in den Becher Les aus schäumenden Weines neuerwachter Krieges- und Siegesbegeiste rung Albions. Der Feind mit seiner Hauptmacht entwischt und der erste Versuch, ihn auf der „Flucht" zu fassen, mißlungen! Auch Roberts scheint also kein besonderes Glück zu haben. AuS den in den letzten Tagen eingegangenen Depeschen kann schon festgestellt werden, daß die Boeren bereits den „kleinen Krieg" eröffnet haben. Es ist wohl selbstverständlich, daß die Engländer als die Stärkeren das Operationsziel, die Niederwerfung deS Gegners, durch große entscheidende Schläge zu erreichen trachten, während die Boeren als die numerisch Schwächeren den englischen Eindringling durch kleine Unternehmungen im Einzelnen zu schädigen suchen und großen Entscheidungen sorgfältig ausweichen. In der Ver- theidigung ihres Landes ist der Kampf, den die Boeren führen, Notbwehr und daher begreiflich, daß sie gegen Flanke nnd Rücken des Gegners zu wirken suchen. Das Hauptziel der englische» Offensive ist allerdings die Ver nichtung der Hauptmacht der Boeren, doch werden sie, wo sich ihnen eine gute Gelegenheit dazu bietet, auch Neber- fälle ausführen und den Gegner durch Erbeutung von Pro viant- und Munitionstraius zu schädigen suchen. Für die Boeren hat aber der Verlust einer oder der anderen Pro- viant-Colonne nicht jene Bedeutung wie für die Engländer denn die Boeren näbern sick mit jedem Schritte, den sie in der Richtung aus Bloemfontein macken, ihren Hauptmagazinen, während die Engländer sich immer mehr von denselben entfernen. Für jedes Stück Zwieback, für jedes Kilo Hafer, für jede Patrone, welche die Boeren erbeuten, muß auS Capstadt Ersatz berbei- geschafft werden. Nun ist aber Modderriver von Capstadt I 623englischeMeilenentf«rnt. BiSdahin werden dieVorrätheauf I der Dahn befördert, von Modderriver bis Bloemfontein sind aber I neue NO englische Meilen und auf dieser Strecke können nur FeirNletsn. "i Hans Eickstedt. Roman in zwei Bänden von Anna Maul (M. Gerhardt). 3!a<tk»uck veidoun. Elftes Capitel. Den ganzen Vormittag hatte es mit Gewitter gedroht, ein paar Mal auch gedonnert. Leichte Regenschauer waren nieder gefallen, während die Sonne wieder vorbrach und sich in jedem sollenden Tropfen spiegelte: einmal, als der Dreibund in leichtem Nahne von Glienicke nach dem Babelsberger Pari übersetzte, ein zweites Mal, als er soeben die Höhe des Pfingstberges erstiegen hatte. Es war in der Mittagszeit und die Hitze groß. Auf Eickstedt's Nerven wirkte der elektrische Spannungszustand der Luft; er hatte etwas Kopfweh, fühlte sich matt und gleichzeitig erregt. Ger trud, die seit einigen Wochen an Herzklopfen und Schlaflosigkeit litt, war müde. Man war schon fünf Stunden unterwegs, hatte das Babelsberger Schlößchen nebst Park, das Marmorpalais und den neuen Garten in aller Gründlich»!! besichtigt, denn Gertrud und Irmgard, die Beide zum ersten Male in Potsdam waren, wollten sich nichts entgehen lassen. — Hans folgte eraebungsvoll, mit Jrmgard's Regenmantel über dem Arm, wünschte innerlich alle Marmorsäle, Jaspissäulen und aufgeblasenen plappernden Faselhänse von Schloßdienern zum Teufel und gönnte sich zu weilen die kleine Erholung, einen dieser Ehrenmänner durch eine perfide Zwischenfrage aus dem Concept zu bringen. Leichtfüßig eilte Irmgard den beiden Anderen voran, die Steintreppen zur Plattform des Aussichtsthurmes auf den Pfingstberg hinan. Hitze und Gewitterluft fochten sie nicht an, ihre Wangen waren nicht einmal höher gefärbt; ihre Augen lachten fröhlich und unternehmungslustig. Die schlanke Gestalt im weißen Wollrnkleide mit dem runden gelben Strohhütchen auf dem blonden Haar hob sich leicht und frei von dem grauen Ge mäuer der Balustrade und von dem Hintergründe stahlblauen Ge wölks, saftgrünen Laubes und fallender Regentropfen ab. Gertrud bemerkte, daß HanS den Schritt hemmte und die Farbe wechselte, als dies anmuthige Bild vor ihm auftauchte, daß ein fieberischer Glanz in sein Auge kam und ein Ausdruck innerer Unruhe in seine Züge. Sie lehnte erschöpft an der Balustrade, während er auf Irmgard zueilte, und eS war ihr. als drehe sich Nähe und Ferne in Verschwimmenden Kreisen um sie herum. Fast schmerzhaft drang die Schönheit diefts Rundbildes auf ihre Sinne ein. In Maiengrün gekleidet, aus dem hier und da ein Blüthenbaum in rosig angehauchtem Weiß wie ein Sträuß chen am Busen einer jungen Schönheit hervorlugte, lagen die sanft geschwungenen Höhen, umschlungen von den vielgestaltigen Armen der Havclseen, deren glatte Wasserfläche das sich auf lösende Gewölk und das strahlende Blau des Friihlingshimmels wiederspiegelte. „Kinder, giebt es hier nichts zu essen?" rief Irmgard, als Gertrud herankam. „Ich habe einen kannibalischen Hunger." Hans, der sich inzwischen bemüht hatte, sie zum Anlegen ihres Regenmantels zu bewegen, versetzte vorwurfsvoll: „Wie, schon wieder Hunger, trotz unseres opulenten Frühstücks vom Brau hausberge? Mein Ei haben Sie gegessen und mein Bier ge trunken, und wieder verlangen Sie nach Nahrung?" „Nur die Blume habe ich Ihnen weggetrunken!" vertheidigie sich Irmgard entrüstet. „Pfui, schämen Sie sick. mir Ihre Wohl- thaten vorzuwerfen. Gertrud hat mir ihre Stulle gegeben und würde ohne Besinnen ihre letzte Brodrinde mit mir theilen und kein Wort darüber verlieren, das weiß ich." „Es übe sich die Jugend früh in Entbehrungen", predigte Hans. „Bedenken Sie die verzweifelte Lage Ihres zukünftigen Gatten. Fräulein Irmgard, wenn eines Tages diese Ihre uner sättliche Genußsucht sich ihm schreckensvoll enthüllt." „Bedenken soller ! " rief Irmgard. „Kann er mich nicht er nähren, so suche er sich eine andere Frau, Taschenformat mit einem Sperlingsmagen. — Ach, Gertrud, sehen Sie doch in Ihrem Körbchen nach! — Sie haben gewiß noch eine trockene Brodrinde für den Nothfall verwahrt!" Sie bemächtigte sich des Körbchens mit Strohgeflecht, in dem Gertrud einen kleinen Frühstücksimbiß getragen hatte, und stieß ein kindisches Jubelgeschrei aus, als sie eine Chocoladentafel und ein paar kleine Kuchen darin entdeckte. „Theilen, theilen!" rief Hans. Er entriß ihr die Ehocolade, brach kleine Stückchen davon ab und steckte sie zwischen die begierig aufgesperrten weißen Zähn chen Irmgard'», die nach jedem Bisten ein Schnurren der Be friedigung hören ließ, wie ein Kätzchen Uber der Milchschüssel. Gertrud hob ihr Körbchen auf, da» in diesem albernen ver liebten Gezerre zu Boden gefallen war, und ermahnte trocken: „Es kommen Leute herauf! Ich denke, wir gehen!" Sie wandte sich achselzuckend ab, da Niemand sie beachtete. Wie konnte ein geist reicher Mann an derlei Kindereien Geschmack finden und ein wohl erzogene» Mädchen sich dazu hergeben. Tie ding voraus, und die beiden Anderen folgten, Hand in Hand, wie Gertrud bei flüchtigem Zurückblicken gewahrte. Es reizte und wurmte sie und versetzte sie in Unruhe. Wie hatte sie sich der sprunghaft wachsenden Vertrautheit dieser Beiden gegenüber zu verhalten? Bis vor Kurzem hatte Hans sich tadel los betragen. Bei gemeinsamen Spaziergängen hielt er sich meist an Gertrud's Seite und führte längere Wechselgespräche mit ihr, besonders über ernste Dinge, während Irmgard zuhörte und manchmal sich beleidigt zeigte, nicht beachtet und wie ein Kind behandelt zu werden. Mischte sie sich ins Gespräch, so sprang dies freilich bald über Gertrud hinüber und fiel in eine ganz andere, lebhafte, feurige Tonart. Der Gegenstand wurde gl^ich- giltig, gab nur Anlaß zu Neckereien, Plänkeleien ganz persönlicher Natur, bei denen der Tonfall wichtiger war, als die Worte. Welche Verpflichtung hatte Gertrud denn eigentlich, die Beiden zu bewachen? Irmgard war erwachsen, ihre eigene Herrin in der Wahl ihres Umganges, in ihrem Thun und Lassen. Ihre Eltern schienen sich wenig um sie zu bekümmern oder ihr weitgehendes Vertrauen zu gewähren. Hätte Gertrud sich zurückgezogen, so hätte Irmgard wahrscheinlich ohne das geringste Bedenken den Verkehr mit Eickstedt allein fortgesetzt. Sie bekannte sich ja mit Stolz zu den Grundsätzen der modernen Frauenbewegung: Gleichwerthigkeit und Gleichberechtigung von Mann und Weib, und ein kameradschaftlicher Verkehr zwischen Künstlern und Studiengenossen beiderlei Geschlechts war in Berlin, nach dem Beispiele des Auslandes, beliebte Sitte. Nur daß Irmgard ganz kindliche Vorstellungen von der Tragweite dieser Pnncipicn hatte, über die sie mit harmloser Wichtigthuerei philosophirte. Um die gefährlichen und unheimlichen Dinge, die den Kernpunct des Ver hältnisses von Mann und Weib bilden, ging sie natürlich stets in weitem Bogen herum und behielt immer Recht, weil man sie nicht widerlegen konnte, ohne ihr mädchenhaftes Zartgefühl zu verletzen. Wenn sich Irmgard aber einbildeie, ein Hans Eickstedt gäbe einen Kameraden ab, wie die beiden jungen Musiker, die sich früher au sie angeschlossen, sie angebetet und bedient hatten und sich von ihr hatten begönnern und hänseln lassen, so würde sie sich wohl gründlich irren. Die beiden jungen Leute hatten sie ein mal in Charlottenhof begrüßt und sich zu dem Dreibund an den Tisch setzen dürfen. Irmgard hatte «in paar gleichgiltige Worte an jeden von ihnen gerichtet und sie dann ihrem Schicksal — das heißt dem Mitleid Gertrud'» überlassen. Auf dem Rückwege hatte man sie ohne Erbarmen abgeschüttelt. „WaS soll man mit ihnen reden", sagte Irma achselzuckend. „Für sie ist die ganze Welt nur eine große Philharmonie." * * * Unten am Fuße des Pfingstberges wartete der Einspänner. Zusammengeschmiegt, unter dem aufgeschlagenen Verdeck und Jrma's ausgebreitetem Mantel gegen den kräftigen Abschieds schauer geschützt, den die vor einem frischen Winde fliehenden Wolken niedersandten, langten die drei Gefährten in Sanssouci an und stärkten sich vorerst in einem außerhalb des Parks ge legenen Restaurant an einem frugalen Mittagessen. Da die Beschaffenheit desselben ein Gefühl reiner Befried» gung nicht aufkommen ließ, so gcrieth Irmgard auf den Einfall, heimlich eine Flasche Sect zu bestellen, eine Ausschweifung, die mit mißbilligendem Kopfschütteln von Hans, mit ernstlichem Pro test von Gertrud ausgenommen wurde. „Natürlich ein bösartiges Zeug und drei Mal so theuer, als es Werth ist", kritisirte Hans, mit argwöhnischer Miene Etikett und Bleihülle prüfend. Sect trinkt man nur aus wohlberufener Quelle, Kamerad." Man trinkt ihn überhaupt nicht, wenn man sich auf gleiche Gefahr und Kosten mit Anderen zusammengethan hat, deren Eltern keine Millionäre sind", fügte Gertrud in schärferem Ton hinzu, als sie wußte und wollte. Irmgard schmollte und hatte die Augen voll Thränen. „Ist recht, verderbt mir das Vergnügen, laßt mich gehörig fühlen, daß ich nur die Geduldete unter Euch bin! Laßt mick büßen für meines Vaters Millionen! — Ich bilde mir ja so un geheuer fiel darauf ein! Ich kenne ja nichts Höherer, als das Klingen der Goldstücke! — Alles soll ich nehmen, nichts geben, sogar über den elenden Tropfen Worte zu machen, ist Euch nickt zu gering." „Ja wohl, Gertrud ist kleinlich", bestätigte Hans. „Sie hat einen Stick ins Philisterhafte, das muß sic oblegen. Millionen und Sect sind zwar statutenwidrig, aber an sick keine verwerf lichen Dinge." Er ließ den Pfropfen knallen. Der Wein schäumte in den Gläsern — was das Beste war, das sich von ihm sagen ließ. Es wurde angestoßen auf gute Kameradschaft, auf ein freies, stolzes Künstlerthum, auf festes Zusammenhalten für alle Zu tunst. Der unbefangene Frohsinn wollte sich jedoch nicht wieder einstellen. Hans blieb einsilbig, Irma batte heiße Wangen und von zurückgehaltenen Thränen getrübte Augen. Gertrud ordnete die Rechnung und mahnte zum Aufbruch. Mit geringerer Aufmerksamkeit, als seine historische und künstlerische Bedeutung verdiente, wurde der Ruhesitz des großen Königs in Augenschein genommen. Unterließ hatte sich dos Wetter vollständig aufgehellt, und als die jungen Leute auf die Terrasse vor dem Schlößchen hinaultraten, athmeten sie mit
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