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WeOin-Enßhckr WW 51. Jahrgang. Nr. 173. Sonnabend, den 27. Juli 1901. Erscheint jeden Wochentag abends für den folgenden Tag und kostet durch die Austräger pro Quartal Mk. 1,55 durch die Post Mk 1,82 frei m'S Hau» Inserate nehmen außer oec Expedition auch die Austräger au! dem Lande entgegen, auch befördern die Annoncen- Exveditionen solche zu s>iginalpreisen. Hohenstein-Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Luga«, Hermsdorf, Kernsdorf, Zangenberg, Falken, Langenchursdorf, Meinsdorf, Rußdorf, Wüsteubrand, Grüna, Mittelbach, Ursprung, Erlbach Kirchberg, Pleißa, Reichenbach, Callenberg, Tirschheim, Kuhschnappel, Grumbach, St. Egndien, Hüttengnmd u. s. w, Mr das Königliche Amtsgericht «nd de« Stadtrath z« Hohenstein-Ernstthal. Organ aller Getneinöe-Verwcrltrrrlgerr der uinliegenöen Grtschcrften. Anzeiger für Konkursverfahren. Das Konkursverfahren über das Vermögen des Schneidermeisters Gottfried Gustav Zaretzke in Hohenstein-Ernstthal wird nach Abhaltung des Schlußtermine? hierdurch aufgehoben. Hohenstein-Ernstthal, am 24. Juli 1901. X. 10/00 Nr. 22. Königliches Amtsgericht. Grundsteuer. Der am 1. August lfdn. Js. fällige 2. Termin der staatlichen Grundsteuer ist mit 2 Pfg. Pro Einheit längstens bis zum 13. August er. bei Vermeidung zwangsweiser Beitreibung an die hiesige Stadtsteuereinnahme zu bezahlen. Hohenstein-Ernstthal, am 27. Juli 1901. Der Stadtrath. W. Zeisig. Gemriudeanlage». Am 1. August dss. Js. ist der 3. Termin der Gemeindeanlagen fällig und bis zum 15. August cr. an unsere Stadtsteuereinnahme abzusühren. Hohenstein-Ernstthal, am 27. Juli 1901. Der Stadtrath. W. Zeisig. Bekanntmachung. Die hiesige Gemeinde benöthigt zur Straßendeschleußung 15 Victor 25 cm weite, runde 150 „ 40 „ ,, , 50 „45 58 „ 25/37 „ „ , eiförmige Cementrohre. Reflectanten wollen ihre Angebote hierzu baldigst und spätestens bis zum 30. dieses Monats beim Unterzeichneten portofrei einreichen. Gersdorf Bz. Chemnitz, den 25. Juli 1901. Der Gemeindevorstauv. Göhler. Bekanntmachung. Aus Anlaß der am Sonntag, den 28. Juli, hier stattfindenden Kirchenvisitation werden: 1. die in den letzten 3 Jahren Eonfirmirten beiderlei Geschlechts andurch nochmals aufgefordert, zu der Nachm. 2 Uhr stattfindenden Katechismusunterredung vollzählig zu erscheinen und vornehmlich die Eltern, Lehr- u. Dienstherren gebeten, die jungen Leute hierzu anzuhalten, 2. die Hausväter herzlichst und dringend gebeten, an der um 3 Uhr in der Aula der Eentralschule stattfindenden Besprechung sich zahlreich zu betheiligen. Gersdorf, den 25. Juli 1901. Der Kirchenvo rstand. Böttger, Pfarrer. Die Industrie-Zölle im Zolltarif- Entwurf. Bis jetzt sind aus dem Zolltarifentwurf — er ist, nach der „Kreuzztg.", dem Bundesrath zugegangen — nu»- mehrere, allerdings wichtige landwirthschaftliche Zölle bekannt geworden, mit denen sich die öffentliche Diskus sion andauernd beschäftigt. Die landwirthschastlichen Zölle stehen aber an Zahl weit zurück hinter den Industrie- Zöllen, denn über Tausend von den rund 1400 Tarif positionen entfallen auf die Industrie. Wenn man die Frage aufwirft: „Wie wird der neue Zolltarif aussehen?" so ist darauf unzweifelhaft zu antworten: Star! schutzzöll- nerisch. Daß es in der Absicht liegt, den Zollschutz auch für eine Reihe von Industrien zu verstärken, acht schon aus der Eintheilung des Zolltarifemwurfs, des „Tarif- schemas", hervor. Bisher ist man mit 925 Tarisnum- mern ausgekommen: jetzt sind es um die Hälfte mehr ge worden. Aus der starken Zergliederung des neuen Tarifs hat ein sachverständiger Beurtheiler, Matlekovits, den Schluß gezogen, daß „die Tendenz des Entwurfs als eine kolossale Erhöhung der Zollsätze des gegenwärtig be stehenden Zolltarifs zu bezeichnen sei und als eine sorg ¬ fältige Arbeit, um jedem Zweige der deutschen Produktion zur beschützenden Fürsorge des Staates zu verhelfen." Die Interessenten bei der Vorbereitung des Zolltarifs haben sich natürlich möglichst wenig in die Karten sehen lassen. Aber das darf als Thatsache gelten, daß in be deutender Zahl aus der Industrie Anträge an die Regie rung gestellt worden sind sowohl für die Erhaltung, wie für die Verstärkung des Zollschutzcs. Diese Bestrebungen gelangten bereits zum Ausdruck in den Antworten auf die Fragebogen, die von der Regierung zu vielen Tausen den zum Zweck der „Produktioncstatistik" in Land hinaus» gesandt waren und worin die Industriellen ersucht wurden, ihre „Wünsche wegen Förderung des Absatzes darzulegen". Die Wünsche und Anregungen wurden von den Regie rungsstellen getreulich verzeichnet. In besonderen Denk- schristen sind ferner die Ergebnisse der Produttionsstatistik für die einzelnen Branchen zusammengestellt worden Be kannt ist daß anfänglich beispielsweise die Tabakindi.strie einiges Mißtrauen gegen die amtlichen Erhebungen hatte, dann aber, als mehrmals die Versicherung abgegeben war, es handle sich hier nicht um Steuerpläne, reichliches Ma- terial lieferte. Endlich fanden die Zoll-Wünsche noch eine persönliche und eifrige Vertretung durch die von den einzelnen Industrien nach Berlin entsandten Sachverstän ¬ digen. Wir greifen nur einige dieser Wünsche heraus So instruirten die westfälischen Walzwerke ihrer Vertreter, gegen eine Ermäßigung des Roheisenzolls, jedoch dahin zu wirken, daß in Zeiten der Roheisennoth der Eingangs zoll erlassen, bezw. zurückvergütet werden möge. Der Berg- und Hüttenmännische Verein für die Lahn-, Dill und benachbarten Reviere empfahl die Einführung eines Schutzzolles auf ausländische Erze. Ebenso sind die an deren Interessenten der Stahl- und Eisenindustrie, sowie die Interessenten der Kohlenproduktion aus Zollschutz be dacht gewesen. In diesen wie in anderen Branchen legte man befand-rs Werth darauf, gegen die Konkurrenz aus den Vereinigten Staaten besser gerüstet zu sein. Inter essant ist beiläufig im Hinblick aus den der Landwirth schäft zugestandenen Doppeltarif, Höchst- und Mindestzoll, daß seinerzeit der Vorstand der Nordwestlichen Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller er klärte, daß, falls für einen Theil der einheimischen Pro duktion der Doppeltarif aufgestellt werden sollte, die Eisen- und Stahlindustrie ihn auch für sich verlange. Um der amerikanischen Konkurrenz entgegenzutreten, ist ferner ein höherer Zoll für Roßhäute und für Cheveaux- leder zur Schuhfabrikation gefordert un) vermuthlich durchgesetzt worden. Der „Verein deutscher Werk- zeugmaschinensabriken beanspruchte ebenfalls wegen des starken amerikanischen Wettbewerbs „hinlänglichen Schutz in schlechten Zeiten." Vom „Verein der In- dustriellen" des Regierungsbezirks Köln wurde geltend gemacht, daß „einige Zweige, wie Fahrrad-Anfertig, ung und Werkzeug-Maschinenbau, angesichts des über wältigenden am-ükanischen Wettbewerbs und der dies seitigen niedrigen Zollsätze erheblich höhere Zollsätze verlangen". Die rheinische Industrie, die Musik-Jn- strümenten-, die Spielwaaren - Industrie usw. werden, wie viele andere Industriezweige, mindestens die Bei behaltung des gegenwärtigen Zollschutzes als wün- schenswerth bezeichnet haben. Nach dem, was in einem früheren Stadium der Vorbereitung des Zoll- larifkntwurss die „Franks. Ztg". erfahren hat, beziehen sich sogar öic Anträae auf Zollerböhunaen. Andererseits giebt es manche Emsuhrwaar^ ü'be'l deren Zollbehandlung die Industrie geteilter Meinung ist, indem von der einen Jnteressentengrüppe womöglich Zollfreiheit, von der anderen ebenso entschieden ein „wirksamer Zoll" empfohlen wird. Alles in allem hat der neue Zolltarifentwurf die Tendenz einer Ver stärkung des Schutzzollsystems. Entsprechend dieser Tendenz, die freilich auf vielen Gebieten vom Auslande schon früher befolgt worden ist, dürften die Handels vertragsverhandlungen bedeutend schwieriger und kom- plizirter sich gestalten, als bei den geltenden Ver trägen. Die Angabe« über den Kartoffelzoll in Der „Deutschen Gärtnerztg." nennt die „Nat. - Ztg." so phantastisch, daß sie glaubt, es handle sich richt um Mittheilungen aus dem Regierungsentwurf, sondern um Forderungen. Nach der „Deutschen Gärtnerztg." soll die Kartoffel. Einfuhr vom 1. Aug. bis 14. Febr. frei bleiben, in der ganzen Zwischenzeit aber einem Zoll von 12 M. für 100 Kilo ramm unterliegen. 100 Kilogramm Kartoffeln kosteten im letzten Jahre nach der amtlichen Statistik 3—4,50 M., in frühem Jahren sogar nur 2—3 M. „Ein nothwendiges Nahrungsmittel, ein Hauptgegenstand des Massen kon sums sollte demnach," so schreibt die Nat.-Ztg., „für die Hälfte des Jahres mit einem Zoll belegt werden, dec bis auf das Sechsfache des Preises geht. Da man nachgerade das Staunen über die Höhe der geplanten Zölle verlernt, würde es kaum mehr über raschen, auch noch auf einen Heringszoll von 50 oder 100 oder mehr Mark für die Tonne zu stoßen. Die Presse des Bundes der Landwirthe freilich wird auch die denkbar höchsten Zugeständnisse immer noch als „lächerliche" Erhöhung auslegen, wie sie es schon ge genüber dem Weizenzoll gethan hat. Ueber englische Hoffnungen auf einen Zollkrieg gegen Deutschland wird den „Münch. Neust. Nackr." aus London berichtet: Londoner Handels- und Industrie-Kreise schmeicheln sich mit der Hoffnung, daß der deutsche Zollkrieg mit Amerika und anderen Staaten absolut sicher sei. Berlin, 26. Juli. Die „Kreuzztg." will wissen, daß der Entwurf des Zolltarifgesetzes heute oder morgen im Reichsanzeiger veröffentlicht werde. Lachfisches. Hohevstetv-Eruftthal, 26. Juli 1901 SiitlbkNu.igen von allgemeinem Interest« werden dankbar ent- gegengenommen und eventl. honorirt. — Theater. „Wen da- Schicksal verderben will, den schlägt es vorher mit Blindheit," d. h. nicht mit der leiblichen Blindheit, sondern es giebt ihm irgend eine Idee ein, die er beharrlich verfolgt, ohne auf das zu achten, was ihn außerdem umgiebt. Diesen Satz möchte man fast als Thema des gestern aufge- führten, wahrhaft gediegenen Lustspiels „Der Groß kaufmann" von Walther und Stein bezeichnen, denn trotz Allem, was die Autoren sonst noch einge- flochten, zieht sich durch die Handlung wie ein rother Faden das Schicksal einer Person, auf die das ein gangs zitirte Wort mit Berechtigung anzuwenden wäre. Ludwig Schneppke ist lange Jahre hindurch beim Großkaufmann Commerzienrath Schwandorf „Magazinier" gewesen. Eines Tages aber fühlt er sich von sein-m Chef beleidigt, er schreibt diesem einen Brief, worin er ihm feinen „Rücktritt" aus dessen Geschäft anzeigt, er (sein Chef) möchte sich nun, nach- dem ihn Schneppke aus seine Höhe „gedrungen" habe, „ungestört gesälligst weiter entwickeln", und unter zeichnet wird der Bries von ihm mit „Ludwig Schneppke, Colonial- und Materialwaaren, Oele, Fette usw. cn §ro8." Er hat sich also über Nacht zum Großkauf mann aufgeschwungen, und ist, wie er selbst sagt, ein gemachter Mann. Die Handlung des. nächsten Aktes setzt ein Jahr später ein. Allmählich sind die An gehörigen des Pseudo-Großkaufmanns dahinter ge kommen, daß es mit seinem Geschäft recht schlecht stehen muß. Nur er selbst ahnt nichts; freilich, wie soll er das mit seiner komplizirten Buchführung auch wissen. Hierzu erläutert er, daß er nur ein Buch habe: Wenn jemand etwas nicht bezahlt, wirds einge schrieben, und erfolgt die Zahlung: durchaestrichen; das Laaer babe er im Erst kurze Zeit daraus, als Äechsel praseNult werden unk kein Äeld flüssig ist, geht ihm ein Seifensieder auf, „in f-inrr Angst rennt er herum, um Außenstände einzukassiren, aber kaum die Halste der Wechselsumme kann er auf treiben." Jetzt ergreift er di: helfende Hand, die er früher zurückgewiesen, er tritt seine frühere Stellung wieder an, und der Commerzienrath Schwandorf regulirt die Verpflichtungen seines ehemaligen „Konkurrenten". „Ende gut, Alles gut", das Stück ist ja ein Lustspiel, folglich muß auch der Schluß be- friedigen. Die Verfasser lassen ihre Personen eine mit herzerfrischendem Humor gewürzte Sprache führen, dennoch aber ist es eine ernste Lehre, die sie ertheilen, und die sich in die Worte zusammenfassen läßt Unternimm ja nie etwas, wovon Du nichts ver- stehst. — Erfreulich ist es, daß sich auch diesmal von der Darstellung nur Gutes berichten läßt. Besondere Worte des Lobes mögen Herrn Aurich gelten, der den alten Schneppke in unnachahmlicher Treue wiedergab. Ihm galt auch in der Hauptsache der Applaus im Zuhörerrauni. Herr Gerday ist uns ebenfalls als routinirter Akteur bekannt, und auch er führte gestern Abend die Rolle des Commerzienrathes Schwandorf musterhaft durch. Und wenn ich noch Herrn Cham- lodt (Kunstmaler Hübner), sowie die Damen Gusta Schleichard (Lucie von Heidingsfeld) und Amalie Brasch (Fränze, Tochter des Commerzienrathes) nenne, dann sind die Mitwirkenden angeführt, welche sich gestern Abend besonders auszeichneten. — Der Besuch der Vorstellung war etwas besser, hoffentlich können wir ihn heute Abend zur Aufführung dec „Regiments- tochter" (Musik von der Stadt-Capelle) als vorzüg lich bezeichnen. IA. — Die Preise von Steinkohlen fangen an, eine weichende Richtung anzunehmen. Die nächste Ver anlassung dieser Thatsache ist in dem Umstande des Darniederliegens der Industrie, besonders der Montan- Jndustrie und in der Stockung des Absatzes zu suchen. In Westfalen hat das Kokssyndikat eine mehrmalige Produktions - Einschränkung angeordnet. Aus Böhmen kommen eine Unmasse Braunkohlen, besonders auf dem Wasserwege der Elbe, die der Be darf nicht aufnehmen kann und die an den großen Elb-Umschlagshäfen Dresden, Riesa, Torgau, Wall- witzhaven, Wittenberg, Aken, Magdeburg, Hamburg u. s. w. aufgespeichert werden. Wie enorm diese Zu fuhren sind, geht aus den Mittheilungen der König!.