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ertung. Die „Vttendorfer Zeitung" erscheint Dienstag, Donners, tag und Sonnabend abends. Bezugspreis vierteljährlich , Mark. Durch die Post bezogen 1,20 Mark. Lokalzeitung für die Ortschaften Ottendorf-Okrilla mit Moritzdorf und Umgegend. Mit wöchentlich erscheinender Sonntagsbeilage „Illustriertes Unterhaltungsblatt", sowie der abwechselnd erscheinenden Beilagen „Handel und Wandel", „Feld und Garten", „Tpiel und Tport" und „Deutsche Mode". Annahme von Inseraten bis vormittag ;o Uhr. Inserate werden mit w Pf. für die Sxaltzeile berechnet. Tabellarischer Satz nach be sonderem Tarif, Druck und Verlag von Hermann Rühle in Groß-Gkrilla. Für die Redaktion verantwortlich Hermann Rühle in Groß-Dkrilla. Nr. 96. Mittwoch, den 12. August 1903. 2. Jahrgang. Oertliches und Sächsisches. Vttendorf-Vkrilla, ii. August 1903. —* Die am vergangenen Sonntag statt- fundene Fahnenweihe des Kgl. Sachs. Militär- Vereins Oltendorf-Okrilla erfreute sich trotz des in den Nachmiltagsstunden auftretenden Ge witters und kurzen Regenwetters eines sehr zahlreichen Besuches. Ausführlicher Bericht folgt in nächster Nummer. —* Kasfenbewegung bei der Sparkasse zu Ottendors-Moritzdorf im Monat Juli 1903: 4815,10 M. Vortrag vom vorigen Monat, 8748,28 „ neue Spareinlagen in 60 Posten, 163,11 „ vereinnahmte Zinsen von ausge liehenen Kapitalien. 13726,49 „ Se. der Einnahme. Hiervon ab: 559,76 M. zurückgezahlte Spar einlagen in 7 Posten, 2000,— „ ausgeliehene Kapitale 23.51 „ sonstige Ausgaben, 2583,27 M. 11143,22 M. Kassenbestand am Schlüsse des Monats Juli. Seit Bestehen der Kasse, 1. Noobr. 1902, sind insgesamt 66,093 Nik. 23 Psg. auf 258 Einlagenbücher eingezahlt worden. — * Im Gasthof zu Medingen findet am morgenden Mittwoch großes Militär-Konzert, ausgeführt von dem Trompeter-Korps der 1. Abteilung des 1. Königlich Sächsischen Feld- Artillerie-Negimenlü Nr. 12 aus Dresden, statt. Die vorzüglichen Leistungen des Trompeter-Korps, welche zur Genüge bekannt sind, lassen einen äußerst zahlreichen Besuch voraussetzen und sei hiermit auf das Konzert noch besonders auf merksam gemacht. — Wie auf Kommando find sie nun wieder erschienen und schweben an ihren langen dünnen Fäden in den Lüften. Unsere Jungen besitzen eine Meisterschaft ohne gleichen in ihrer Her stellung und Behandlung. Von der älteren Geileration tut es ihnen keiner gleich; wir meinen natürlich die Herstellung und Behand lung von sogenannten Drachen oder Sturm vögeln. Wie di« harmlosen Dinger eigentlich -u dem Namen des sagenhaften Ungeheuers ge- gekommen sein mögen. Wo die Drachensage beheimatet war, wie am Rhein, nennt man die papiernen Windfänger allerdings nicht Drache; in dem westlichen Deutschland dagegen hat man sie allgemein so getauft. Pardon! gelaust ist nicht der richtige ^Ausdruck; unsere Synoden protestieren gegen den Gebrauch des Wortes Taufe für bürgerliche Namengebung, sie pro testieren sogar gegen den Ausdruck „Schiffs taufe." Wir dürfen also nicht sagen, daß das luftige Spielzeug, welches unsere Jungen nach Einbringung der Ernte im Winde flattern und dis an die Wolken hinansteigen lassen, Drache getauft ist, sondern so genannt wird. Widrige Winde stürzen den mutigen Wolkensegler gar leicht um und die Prozedur des Steigens muß von vorn beginnen. Ist dann aber erst die ganze Fadculänge abgcnuckelt, schwebt der Drache in erdferner Höhe, dann ist die Ausdauer und die Geschicklichkeit auch mit dem höchsten Orden gekrönt, dann fehlt es nicht an Worten lauter Anerkennung und staunender Bewunderung für den kleinen Künstler, allerdings auch nicht an Empfindungen bitteren Neides seitens seiner zurückgebliebenen Konkurrenten. Immer und unter allen Umständen sind unsere Drachen, die im allgemeinen als harmlose Geschöpfe gelten können, fo ganz ungefährlich nun freilich auch Vicht; sie verwickeln sich mit Vorliebe in den Telegraphen- und Telephonleitungen, die das deutsche Land engmaschig umspannen, und hindern den elektrischen Funken an seiner Reise. Da heißt es also, Acht zu geben. In den höheren Regionen herrscht dagegen für die pa- piernen Drachen volle Freiheit. — Tintenstifte amtsfähig. Bereits seit einiger Zeit sind zur Probe bei einzelnen Bahn- Psstämlern im Betrieb Tintenstifte zwecks Aus füllung der Dienstpapiere und zur Quittungs leistung im Betrieb gewesen, die sich so bewährt haben, daß die Tintenstifte bei allen Bahn postämtern zum Dienstgebrauch eingeführt worden sind. Den nun aus den Bahnpostwagen ver schwindenden Tintenfäßern und Federhaltern werden die Beamten sicherlich keine Tränen nachweinen. — Zum diesjährigen Manöver werden von den Infanterie-Reserven eingezogen die Jahr gänge 1898 und 1899, sowohl die sächsischen als die nichtsächsischen, der Jahrgang 1900 je doch überhaupt nicht. Königsbrück. Soinabend vormittag 9 Uhr ertönten die Alarmsignale der hiesigen frei willigen Feuerwehr; da jedoch zur selben Zeit die Breslauer Kürassiere in unserer Stadt ins Quartier rückten, wurden viele Einwohner daran irre, ob es wirklich Feuersignale waren, die er tönten. Zur Gewißheit, daß Feuer ausgebrochen war, wurde es erst, als auch vom Turm herab Alarm geschlagen wurde. Ausgebrochen war das Feuer in dem Schuppen des von dem Ar beiter Pofandt bewohnten Grundstückes am Kunathsberge. Die zur Bekämpfung des Feuers Herbeigeeille Reutersche Fabrik-Feuerwehr und die hiesige freiwillige Feuerwehr konnten das anstoßende Wohngebäude retten, sodaß nur der Schuppen ein Raub der Nammen wurde. Die Entstehung des Feuers hat der zu dieser Zett allein im Hause anwesend- 7jähnge Sohn Ser Pofandtschen Eheleute verschuldet; nach seiner Aussage hat er gefroren und um sich zu wärmen, zündete er Stroh im Schuppen an und wollte dasselbe in den Schuppen tragen, das Feuer griff jedoch schnell um sich, da sich im Schuppen noch anderes Brennmaterial, wie Holz, Kohlen und zwei Fäßer Teer befanden. — Der Vor fall lehrt wieder, wie vorsichtig man Zünd hölzer verwahren muß, damit die Kinder sich nicht das Feuerzeug aneignen können I Radeberg. Eine Meinungsverschiedenheit war im März d. I. zwischen den beiden hie sigen Kollegien infolge der Ausleihung von 30 000 Mark als Hypothek auf die Turnhalle des Turnvereins hier entstanden. Der Rat halte diese Summe, die von der Sparkasse nicht gegeben wurde, da die mündelmäßige Sicherheit fehlte, freihändig aus der Pensionskasse gegeben. Diese Beleihung hatte das Stadtverordneten- Kollegium verurteilt, da sie statutenwidrig und ohne bas Wißen der Stadtverordneten geschehen war. Der darauf abgegebenen Erklärung des Rates, daß er sich für berechtigt halte zu der artigen selbständigen Ausleihungen und auch fernerhin so verfahren werde, folgte ein Gesuch des Stadtverordnetenkollegiums an die Kreis hauptmannschaft um Rechtsbelehrung in diesem Differenzfalle. Die von der vorgesetzten Be hörde jetzt eingegangene Antwort spricht sich dahin aus, das die Kreishauptmannschaft sich zu einer Entscheidung nicht veranlaßt gesehen habe. Es dürfte aber für den Stadtrat zu empfehlen sein, bei derartigen, ihn mit erhöhter Beranlworltichkcit belastenden Ausleihungen sich der Zustimmung der Stadtverordneten zu ver sichern. Dresden. Heute beginnen die Regiments- Übungen der beiden hiesigen Feldartillerie-Regi menter Nr. 12 und 48 und die Bcigadeübungen der 23. Feldartillerie-Brigade mit einem Scharf schießen in dem von den Ortschaften Ober- und Niederrödern, Freitelsdorf, Thiendorf und Lötzschen umschloßenen Gelände. — Bei dem hochherzigen Begnadigunsatte Sr. Majestät des Königs aus Anlaß seines Geburtstages, durch welchen 70 Verurteilten die Freiheit geschenkt wurde, befinden sich auch >rei von den zu schweren Zuchthausstrafen am 3. Februar 1899 verurteilten Bauarbeitern, die sich in Löbtau des Landfriedensbruch, der schweren Körperverletzung usw. schuldig gemachl hatten. Es sind dies die Zimmerer Karl Moritz, Johann Gedlich und Karl Wobst, denen 3^/, beziehungsweise 2'/r Jahre ihrer Strafe ge schenkt wurden. Von den damals Verurteilten befinden sich nur noch die Bauarbeiter Zwahr und Schmieder im Zuchthause, die zu 10 bezw. 9 Jahren Zuchthaus verurteilt wurden. Durch den Begnadigungsakt wurde den jetzt Begna digten auch der 10 jährige Ehrenrechtsverlust ge nommen. — Die Erziehung der Kinder des Kron prinzen von Sachsen ist nach der „Allg. Ztg. für Münchenb." der Oberhofmeisterin v. d. Gabelentz in Münchenbernsdorf (Weimar) über tragen worden. Leipzig. Bezüglich des Gaövergiftungs- falles ist noch zu berichten, daß der Rechts anwalt Dr. Neubert seit längerer Zeit an Ischias schwer leidend war, sodaß auch nachts in seiner Wohnung ständig die Gaslampe brannte. Infolge des vielen Gebrauchs war nun in der Nacht zum Sonnabend die vom Gasrohre mach der Lampe führende Gummi röhre geplatzt, sodaß der Leitung viel Gas ent strömen und das Unglück (den Tod des Rechts anwalts und die schwere Erkrankung seiner Gattin, deren Ehe kinderlos gewesen) herbei führen konnte. — Frau Rechtsanwalt Dr. Neubert ist in vergangener Nacht im städtischen Krankenhause zu St. Jakob gestorben. Meerane. Ein schweres Unwetter ging am vergangenen Sonntag mittag über unsere Stadt und Umgegend nieder- Von heftigem Sturm und starken elektrischen Entladungen begleitet, setzte ein wolkenbruchartiger Regen mit Schloßen wetter ein. Die Schleusten vermochten die Waßermassen nicht zu faßen, sodaß letztere in den niedrig gelegenen Stadtteilen in die Häuser drangen. Arge Verwüstungen richtete das Wetter auch in den Gärten, sowie auf den Feld- und Wiesengrundslücken an. Schwarzenberg. In der hiesigen Stadt- oertretung kam die gewünschte Errichtung einer Reichsbanknebenstelle am hiesigen Platze zur Beratung. Man wollte den darauf gerichteten Bestrebungen keinesfalls entgegentreten; im Hin blick auf die vorliegenden beachtlichen Proteste aus Interessentenkreisen war aber zum Be dauern des Rats zu einer Subventionierung des Unternehmens aus städtischen Mitteln nicht zu gelangen. Aus der Woche. Die Wahl des neuen Papstes ist auf eine Persönlichkeit gefallen, die dazu von der öffent lichen Meinung nicht ausersehen war; Ram- polla, Vannutelli und Gotti waren die Männer, unter denen nur die engere Wahl stattzufinden brauchte, wenn man die vorsichtige Meinungs äußerungen der großen Tagesblätter als auf wirklicher Kenntnis der Sachlage beruhend hin- nehmen wollte. Nun ist es aber kaum die Tatsache der Wahl an sich und die Persönlich keit des neuen Papstes, die das meiste Interesse in Anspruch nehmen, sondern der Kleinkram der mehr oder minder beglaubigten Anekdoten, der sich breit macht und in widerspruchsvoller Weise Streiflichter auf die Absichten des neuen Papstes fallen zu lassen beflissen ist. — Das Wiederaufflackern des bulgarischen Banden unwesens in Macedonien belebt zwar die stille Zeit in unerfreulicherweise, aber irgend einen Erfolg mißt niemand dem Treiben bei. Be denklicher ist schon, daß gleichzeitig die Kurden im Kaukasus unruhig werden und die türkischen Armenier wieder zu belästigen anfangen. Ruß land Hal aber mit seinen kolossalen Streiks im Süden und Südosten seines europäischen Be sitzes so vollständig mit beiden Händen zu tun, daß der Verdacht kaum aufkommen kann, es habe bei der Kurdenbewegung seine Hände im Spiel. Man kennt die Behutsamkeit und Zähigkeit der russischen Politik, die sich jetzt besonders wieder in der Mandschurei zeigt: In der Sache hart wie ein Diamant; in der Form das Lämmchen, das niemand zu nahe tritt und kein Wässerchen trüben kann. Aalglatt und zuvorkommend, aber dabei immer nur die eigenen Interessen im Auge und alle anderen rücksichtslos hintenansctzend. — Die europäische Diplomatie bereitet sich auf die Handelsvertragskampagnen vor. In Petersburg hat man schon mit den Beratungen begonnen. Die Schweiz hat auch schon ihre Vertreter bestellt; der Kuhhandel kann also beginnen. Einer möchte immer den andern über das Ohr hauen und zwar geschieht das in den denkbar höflichsten Formen. Im Grunde genommen ist es doch der wirtschaft liche Kampf aller gegen alle, den man in früherer Zeit offenherzig oft genug mit dem Schwerte ausgefochten hat und der in der napoleonischen Kontinentalsperre gegen England seinen bedeutendsten Ausdruck fand. Die neuere Zeit hat ihm nur den englischen Opiumkrieg gegen China und den Feldzug gegen die Buren enlgegenzusetzen. — Von den in diesem Jahre noch bevorstehenden Reisen der europäischen Monarchen kommen alle Tage neue Nachrichten, die dem gestern Gemeldeten widersprechen. Die selbstverständlichen Besuche als Erwiderung auf frühere fallen dabei weniger auf, als deren fortwährende Hinauszögerung. Außerdem aber wußte ein Berichterstatter über einen in Darm stadt bevorstehende» Fürstenkongreß zu berichten. Ganz so großartig wird cs ja wohl nicht werben, denn schon wird mit Bestimmtheit ge meldet, daß König Edaard nicht kommt. Dieser wird zwar von Marienbad aus dem Kaiser Franz Joseph seine Antriltsvisite machen, von da aus aber nach Potsdam gehen und dort an großen Hofjagdcn teilnehmcn, die ihm zu Ehren gbgchaltcn werden sollen. „Ruhig mag ich Euch erscheinen, ruhig gehen sehn." In Eng land ist das Königtum ein Paradestück ohne tiefere Bedeutung und König Eduard mag noch so aufrichtige Sympathien für seinen kaiserlichen Neffen empfinden (was noch nicht einmal fest steht), er wird das unangenehme Verhältnis, in das Deutschland zu England durch Chamber lains Schnoddrigkeit geraten ist, nicht verbeßern können. Ja, wenn König Eduard seinen Neffen überreden könnte, den Flottenbauplan aufzugeben, dann würden sich auch die lieben Engländer zum Aufspannen gelinderer Saiten gegen Deutsch land bequemen. Aber jeder Fonschritt der deutschen Flotte beleidigt den englischen National stolz. In Nordamerika ists mit der Liebe zu Deutschland nicht viel besser bestellt und wenn auch Herr Roosevelt unseren Gesandten Speck von Sternburg mit gewinnender Vertraulichkeit, aber von oben herab, als seinen lieben „Specky" behandelt und mit ihm Ausflüge macht, so ge schieht dies offenkundig nur, um in der Form alles, in der Sachs nichts zu gewähren. Deutsch land hat keine Freunde in der Welt und kann der Natur der Sache nach keine haben. Dazu ist das aufstrebende neue Deutschland zu jung. Nur soll es sich auch keine Freundschaft durch übergroße Liebenswürdigkeiten erzwingen wollen; dam.t wird man es überall kühl abfallen laßen. Seine Würde mit Nachdruck behaupten und Festigkeit in seinen Zielen und Absichten zu zeigen, das imponiert der Welt weit mehr. — Oesterreich-Ungarn hat unter der Budapester Bestechungsaffäre schwer zu leiden. Graf Khuen- Hedervary ist bei der Wiener Regierung nicht sehr beliebt, seitdem er, um sich in seiner neuen Stellung als ungarischer Ministerpräsident zu befestigen, den Wiener Herren in der Ausgleichs frage so energisch den Daumen aufs Auge ge drückt hat. Man gönnt ihm in Wien den scheußlichen Remfall und ist selbstverständlich auch von seiner Mitschuld an den plumpen Manöver» des Grafen Szapary überzeugt. Die Worte Oxenstiernas: „Du glaubst gurnicht, mein Sohn, mit wie wenigem Verstände die Welt regiert wird," sind ja wohl heute noch zutreffend, aber gar zu deutlich darf die Sache nicht werden; dazu übt überall die nichtswürdige Opposition zu scharfe Kritik und über Dumm heiten, wenn di:se gar zu klar an den Tag treten, stolpern die mächtigsten Minister. Oesterreich-Ungarn aber ist innerlich so sehr zerzaust, daß seine Staatsmänner alle Mühe haben, den Karren im Gang zu erhalten.