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MochcMM für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebentel)» und die Umaeqenden. Amtsblatt für die König!. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das König!. Gerichtsamt nnd den Stadtrüth zu Wilsdruff. Achtunddreißigster Jahrgang. Diese- Blatt erscheint wöchentlich zweimal (DienStag u. Freitag) und kostet vierteljährlich 1 Mark. — Annoncen-Annahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag 12 Uhr 43. Dienstag, den 28. Wai 1878. Die Sozialdemokratie und die Gesetzgebung. Dem Attentate Lehmanns oder Hödel ist das Heilmittel der Ge setzgebung auf dem Fuße gefolgt. Wie konnte es auch anders sein? Durch das ganze deutsche Volk ging beim Bekanntwerden der ver ruchten That ein Schrecken, er konnte nicht am geringsten auftreten bei denen, die sich verantwortlich fühlen müssen für das Wohl des Staates und für die Aufrechterhaltung seiner Ordnungen, bei den Regierenden. Und sie haben alsbald Schritte gethan, um nach ihrer Weise der sozialdemokratischen Ausschreitung zu steuern. Die preußische Regierung hat dem Bundesrathe einen Gesetzentwurf vorgelegt, der hauptsächlich gegen die Socialdemokratie und deren systematische Auf hetzerei gerichtet ist. Schon längst sind in Privatkreisen wie in öffentlichen Blättern die Fragen laut geworden, ob denn der Staat gegen diefe Wühlereien und Hetzereien ganz wehrlos sei? ob der Staat warten wolle, bis ein Theil seiner Angehörigen die Saumseligkeit der Gesetzgebung mit ihrem Blute bezahlt habe? Nicht blos Reactionäre, nicht allein Reiche, die „für ihren Mammon zittern", fragen so, sondern auch der arbeitsame, friedliebende Bürger, der fleißige Landmann, dessen Tage werk oft saurer ist als das des socialistischen „Arbeiters". Es muß ja die Wüstheit und Unsittlichkeit des socialdemokratischen Treibens jeven ehrenhaften Menschen empören. Es ist daher die Bekämpfung der auf Umsturz sinnenden Partei außer bei dieser selbst überall populär. Aber es werden ernste Bedenken laut gegen eine Abhülfe durch die Gesetzgebung. Einmal ist es sehr fraglich, ja au der Hand der Geschichte fast unglaublich, daß die Gefahr der Sozialdemokratie durch Strafgesetze und Polizeiverbote beschworen werden könne. Das französische Kaiserreich und das Königthum unter Louis Philipp haben trotz scharfer Gesetze, trotz eines Heeres von Polizeileuten weder zahl reiche Attentate noch communistische Aufstände verhindert; in den Ar beitssälen, den Werkstätten, in den Herbergen und Wirthshäusern würde doch weiter gewühlt und gehetzt, wie es damals auch geschehen ist, und die Polizeispione eines Napoleon wollen wir nicht herbei wünschen, diese Verderbniß ist fast schlimmer als die Sozialdemo kratie. Zum anderen aber ist eine Gesetzgebung, welche die Presse, d. h. das freie Wort fesselt, ein zweischneidig Schwert, sie kann sich unter Umständen etwa in einer reactionärcn Zeit als das größte Uebel, als der Feind des öffentlichen Wohles erweisen. Auf der andern Seite dürfen wir nicht vergessen, daß die so zialistischen Agitatoren zum Theil mit einer Bevölkerungsschicht ver kehren, die wohl mit Phrasen gefüttert, aber nicht ehrlich belehrt fein will. Wer das Leben ernstlich und klar ansieht, muß zu dem Resultat kommen, daß nur Arbeit, Redlichkeit und Sparsamkeit den Menschen vorwärts bringen. Aber der leidenschaftliche Lotteriespicler rechnet nicht die Tausende von Nieten, er denkt nur an das große Loos — so rechnet auch der Sozialdemokrat nicht, er denkt nur an das große Loos, das nach der Verheißung der Agitatoren mit dem Umsturz für ihn kommen soll. Mit dergleichen Köpfen gibt es keine ehrliche Auseinandersetzung, sie wollen nicht belehrt sein. Nun, dann hat allerdings der Staat die Verpflichtung, zu sorgen, daß sie nicht mit dem Feuer spielen. Aber wir meinen, dazu bedarf eS keiner neuen Gesetzgebung, höchstens in den Einzelstaaten, die das noch nicht haben, eines Vereinsgesetzes. Die Sozialdemokraten sind nur bis daher immer sehr glimpflich behandelt worden, weil man meinte, daß ihr Geschwätz nichts schade; die schärfere Anwendung der bestehenden Gesetze wird nunmehr schon kommen. In Wahrheit hat der Sozialismus seinen Höhepunkt bereits hinter sich; die philosophischen Köpfe, die im besten Wohlmeineu seine Berechtigung nachzuweisen suchten, die gutmüthigen Leute, die gern die Armuth abschaffen möchten, ohne daß sie das practische Leben recht begriffen, welches das Gegengift gegen die Armuth schon in sich trägt — diese ehrlichen Naturen haben sich bereits von der Sozial demokratie losgesagt: auf die Kathedersozialisten sind bereits die christlichen Sozialisten gefolgt. Der anderen Gesellschaft gegenüber muß die Abwehr eine zweifache sein, erstens scharfes Aufpassen nicht allein von den Augen der Polizei, sondern jedes ehrlichen Mannes und rückhaltloses Auftreten den Hetzern gegenüber; zum zweiten aber eine ernstere und strengere Erziehung der Jugend. Die Schulen und Fortbildungsschulen wissen von der Unbotmäßigkeit und Rohheit zu erzählen, welche im Hause, bei Eltern und Lehrmeistern Unterstützung finden; die Wirthshäuser, die wie Pilze aus der Erde wachsen — doch wohl nicht ohne Genehmigung der Behörden — werden viel zu häufig von den jungen Leuten besucht, die Gelegenheit bietet sich so oft, die Lust und Neigung ist da, der Trieb aber zum Sparen und Zusammenhalten wird immer geringer — so ziehen wir selber die Sozialdemokraten groß; soll's anders werden, so müssen wir das Uebel bei der Wurzel anfassen — wo die zu suchen sei, davon ein andermal; H. D. Tagesgcschichte. Berlin, 24. Mai. Der Kaiser hat bekanntlich die Entlassung Falk's abgelehnt. Das Schreiben soll in verbindlichster Form abgefaßt sein. Falk möge nicht auch fahnenflüchtig werden in so schwerer Zeit, sondern auf dem Posten bleiben, um dem Vaterland zu dienen. Der deutsche Reichstag ist Freitag den 27. Mai durch den Reichs kanzleramtspräsidenten Hofmann geschlossen worden, nachdem er noch nach langer Debatte das Gesetz gegen die Socialdemokraten abge lehnt hatte. Die Gestaltung des Ende Juli in Breslau abzuhallenden all gemeinen deutschen Turnfestes scheint wahrhaft großartige Dimensionen zu erhalten. Bereits über 6000 Theilnehmcr sollen sich schon gemeldet haben. Der sächsische Turntag hat beschlossen, auf Risiko der Kreiskasse einen besonderen Extrazug von Dresden nach Breslau zu veranstalten. Der Geschäftsführende Ausschuß hat bei dem Handelsministerium und bei den Eisenbahndirektionen Deutsch lands und Oesterreichs für die das Fest besuchenden Turner Fahr preisermäßigung nachgesucht. Aus dem Handelsministerium ist der Bescheid ergangen, daß nach den maßgebenden Grundsätzen dem Ge suche keine Folge gegeben werden könne, doch ist in entgegen kommender Weise darauf hingewiesen worden, daß die Direktion der Staatsbahnen und der unter Staatsverwaltung stehenden Privat bahnen befugt sind, bei Fahrten größerer Gesellschaften den tarif mäßigen Fahrpreis nach ihrem Ermessen bis auf 50 Prozent zu er mäßigen. Von den Eisenbahn-Direktionen hat bereits eine große Anzahl das Gesuch des Ausschusses in günstigem Sinne beantwortet. Eine sehr umfangreiche Thätigkeit hat insbesondere der Wohnungs- Ausschutz zu entfalten, um für die große Zahl der Festtheilnehmer die genügende Zahl von Quartieren bereit zu stellen. Der Festord nungs-Ausschuß hat sich in 6 Unterausschüsse getheilt: die Lokal - u. Dekorations-Kommission, welche für die gesellschaftlichen Zusammen künfte die Lokale und die Ausschmückung derselben zu besorgen hat; die Theater-Kommission; die Musik-Kommission; die Volksfest-Kom mission, welche das Programm für das am 29. Juli stattfindende große Volksfest anfzustellen und auszuführen hat; die Kommission für die Festfahrt nach dem Ricsengebirge und die literarische Kom mission, welche einen Festführer herausgeben wird. Der Bau-Aus schuß hat für künstlerische Ausschmückung des Festplatzes eine Kon kurrenz für Breslauer Architekten ausgeschrieben. Eisenach, 23. Mai. Gestern wurde das weimarische Stäbchen Osthei m v. d. Rhön, durch seine vortrefflichen Zwcrgkirschen weit hin bekannt, von einem schweren Brandunglücke heimgesucht: 80Hof- raithen wurden ein Raub der Flammen und 122 Familien obdachlos, auch die Kirche ist abgebrannt. Graf Schuwa 1 off, der russische Botschafter, ist aus Peters burg nach London zurückgekehrt, man sagt, mit den Gegenvorschägen des Kaisers Alexander, die geeignet seien, doch noch einen Kongreß herbeizuführcn. Außerordentlich ausgefallen ist, es, daß die Königin Viktoria am Tage vor der Ankunft des Friedens-Unterhändlers un erwartet nach Schottland reiste, obgleich es in London schon kalt ge nug war und auf den schottischen Bergen vollends noch Schnee liegt. Die Türken spekuliren, wie schon mehrfach erwähnt, auf den Krieg; so wird der „Pol. Korresp." aus Konstantinopel, 16. Mai, geschrieben: „Die Sicherheit, für den Fall, als sich der Kampf gegen Vie Russen erneuern sollte, die mächtige Unterstützung Englands zu genießen, hat die Türken mit einem Vertrauen erfüllt, welches fast an Enthusiasmus grenzt. Die Türkei schickt sich an, alle Kräfte, die ihr noch geblieben sind, für den letzten und verzweifelten Kamps, der sich jetzt vorbereitet, zusammenzuraffen. Ein förmliches Massenaufge bot findet in Asien statt. In den muselmännischen Städten werden alle waffenfähigen Männer zwischen 18 und 50 Jahren ausgehoben. Unter den neuformirten Bataillonen, welche gegenwärtig in und um Konstantinopel einexerzirt werden, sicht man neben jungen bartlosen Gesichtern Männer mit ergrautem und weißem Haar. Alle scheinen von dem gleichen Eifer beseelt. In Konstantinopel brach am 23. d .M. auf der Hohen Pforte ein Brand aus, die Ministerien der Justiz, des Innern und des Unterrichts sowie die Staatsrathsgebäude wurden zerstört. Deutliches «nd Sächsisches. Burkhardswalde, 21. Mai. Heute hatten wir hier den lang ersehnten Tag der Weihe unserer 3 neuen Glocken. Früh 8 Uhr versammelten sich auf dem hiesigen Marktplatze die Glieder der Ge meinde, um, geführt von weißgekleideten Jungfrauen, unter festlichen Musiklängen durch viele Ehrenpforten den neuen Glocken bis Btunzig entgegenzuzieheu. Als dieselben', geleitet von einer Anzahl stattlicher Reiter, von Miltitz her ankamen, wurden sie vom Ortspfarrer, k. Ficker, in feierlicher Rede begrüßt und, von den Jungfrauen reich