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MsdmfferNgcblM I Nr. 185 — 91. Jahrgang Wilsdrusf-DreSden Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Postscheck: Dresden 2640 Dienstag, den 9. August 1932 Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt- erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— NM. frei Haus, bei Poflbestellung 1,80 AM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpfg. Alle Poftanstalten, Post- j^«^us- Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Fall« höherer DewaU, Krieg oder lonftiger Be- triedsstSrungcn besteht kein Amxrua ant Lieicrnno te> ?eiinng oder Kürzung den Bezugspreises. - Rücksendung eingelnndter Schriftstücke ersolgt nur, wenn Porto deilieg». für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Fernsprecher- Amt Wilsdruff Nr. 6 SW'WH durch Fernruj Anzeigen übern w.r keine ^rnnnr. Jede. Rnbniwmprnch .„„a^wenn d^A Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerat. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschatt Melken de« Amt«, gerichts und des Stod.ro,- zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und de- MnonzonL Nossen Hausbesitz und HündWert. Wohnungszwangswirtschaft — darauf patzt nur allzu treffend das Dichterwort: „Der ganzen Menschheit Jammer fatzt mich an!" Kaum eine einzige Maßnahme der Nachkriegszeit hat — schuldlos und schuldhaft — derart wie diese daran mitgearbeitei, die Kluft zwischen den Be hörden und den Staatsbürgern aufzureißen. Jetzt ist sie verschwunden oder ist im Verschwinden begriffen, aber nun hat sich riesenhoch die Gefahr der Zerrüttung und des Verfalls der deutschen Haus- und Grund st ü cksbewirtschaftung erhoben. Doch nein, nicht erst jetzt, sondern diese Verfallserscheinungen sind schon längst an ihrer Zerstörungsarbeit, und die allge meine Krise hat sie zu einem reißenden Tempo vorwärts gepeitscht. Ob Klein-, Mittel- oder Großstadt — überall ist es dasselbe: Leerstehende Wohnungen und namentlich Ge schäftslokale, steuerlich überlastete Eigentümer, verfallende Häuser, denen jegliche Baupolizeiordnung hilflos gegen- iibersteht. Dafür gelten aber z. B. in Preußen heute noch für die Grundvermögenssteuer die Veranlagungswerte des Abschnittes 1917/19! Wie katastrophal Haven sich seitdem diese Werte geändert! Dafür aber durfte der Hausbesitzer noch das angenehme Geschäft der Steuer erhebung z. V. für die Hauszinssteuer übernehmen! Sie wurde ja sowohl von den Ländern wie von den Gemeinden nur in geringem Umfange für den mit ihrer Einführung vorgesehenen Zweck verwendet: in Form von Hypotheken zur Wiederbelebung der Bauwirtschaft mitzuwirken. Wie sieht es dort aus? Um diese Frage zu beantworten, genügt ja Wohl die einfache Feststellung, daß vier Fünftel der deutschen Bauarbeiter seit längerer oder kürzerer Zeit arbeitslos sind. Und es ist fast noch optimistisch, wenn auf der Hamburger Tagung des Zentralverban des deutscher Haus- und Grundbesitzer vereine der Präsident äußerte, man stehe heute „am Vorabend eines Bankrachs", wie er in der Gründerzeit kein Gegenstück habe. Am „Vorabend" nur? Wir stehen doch schön mitten drin! Davon zeugt der hunderttausend fache Häuserverfall. Damit sich dieser nicht allzu rasch- fortsetze, sind ja im Arbeitsbeschaffungsprogramm auch 40 bis 50 Millionen für Hausreparaturen vorgesehen. Natürlich nur in Form von Krediten, und diese Reparatur- darlehcn müssen doch wieder, wenn auch allmählich, zurück gezahlt werden. Doch darüber zerbricht man sich heute noch nicht den Kopf, begnügt sich nur, eine Herabsetzung der Realsteuerbelastung in entsprechendem Umfange zu fordern. Auch dies nicht mit Unrecht, denn in allzu vielen Gemeindeverwaltungen erschöpfte sich in finanziellen Not zeiten die gesamte steuerliche Weisheit darin, daß man den Hausbesitzer die Grundsteuer und dem Gewerbetreibenden und dem Geschäftsmann die Gewerbesteuer erhöhte. Vor erst freut man sich der Bereitwilligkeit des Reiches bzw. der Reichsbank, im Rahmen des Ärbeitsbeschaffungspro- grammes die Reparaturdarlehen zur Verfügung zu stellen. Gewiß ergibt sich damit keine „Ankurbelung" der Bau wirtschaft, so sehr sie für diese als eine der wichtigsten deutschen Schlüsselindustrien zu wünschen wäre. Wohl aber zeigen sich für einen Teil von ihr, für den kleineren und mittleren Bauunternehmer, ferner für das Handwerk gewisse Beschäftigungsmöglichkeilen. Hier hat das fast völlige Aufhören staatlicher und kommunaler Aufträge zu zahllosen Zusammenbrüchen geführt, und die geringen Reste, die übriggeblieben, kämpfen verzweifelt ums Dasein. Wie eine nnübersteigbare Mauer hat sich zwischen den Reparaturbedarf verfallender Häuser und dessen „Deckung" durch Handwerk und Baugewerbe die Kredit- und Kapital not gestellt, eine Mauer, die nur mit geradezu selbstmörde rischen Kosten und mit größtem Risiko überstiegen werden konnte. Es ist als zeige sich mit tragischer Drastik an diesen verfallenden Häusern nach außen hin das Sinken unseres ganzen Lebensniveaus. Mag auch jener Kreditzuschuß von 40 bis 50 Millio nen nur wie ein Tropfen auf den heißen Stein wirken, so ist er doch immerhin ein Anfang und bedeutet für das Bauhandwerk eine gewisse Erleichterung in ihrer heute hoffnungslos erscheinenden Lage. In Hamburg haben Hausbesitzer und Vertreter des Handwerks gemeinsam getagt und gemeinsam das Ersuchen an die Reichsregierung gerichtet, aus dem Stadium des „Programms" zur — Ausführung überzu gehen. Daß sich bei dieser Gelegenheit der Präsident des Deutschen Handwerks- und Gewerbekammertages scharf gegen die „Schwarzarbeit" wandle, ist durchaus zu verstehen und zu billigen, zumal diese Beschwerde andererseits dadurch ergänzt wurde, daß er namens des Handwerks die Zusage geben zu können glaubte, bei den Reparaturarbeiten wirklich nur angemessene Preise und Kosten einzustellen. Denn mit dem „Handwerk hat einen goldenen Boden" ist es längst vorbei, und dieses Handwerk hat jetzt nur noch das Ziel, einen neuen Boden zu ge winnen, der es wenigstens vor dem weiteren Versinken bewahrt. » Fördert die Ortspreffe » lliMuug der RWregiemg. Me Verhandlungen mit den Nationalsozialisten. Reichskanzler von Papen ist am Montag von seinem kurzen Urlaub im Saargebiet wieder nach Berlin zurückgckehrt. Am Dienstag trifft der Reichspräsi dent aus Neudeck in Berlin ein, um am Donnerstag an den Vcrfassungsfeiern teilzunehmen. Man erwartet nun in politischen Kreisen, daß die Verhandlungen über die Umbildung der Reichsregierung in dieser Woche in Fluß kommen. Viel beachtet wird eine Er klärung, in der die Auffassung der Reichs regierung zum Ausdruck kommt. In dieftr Erklärung, die von maßgebender Seite stammt, wird eine Heran ziehung von Persönlichkeiten aus derNatio - nalsozialistischen Partei zur Negierung als durchaus nützlich bezeichnet. Das Neichskabinett soll jedoch als sogenanntes Präsidialkabinett bestehcn- bleiben, die Auswahl der neuen Männer soll n i cht unter parteipolitischen Gesichtspunkten erfolgen. Das ist, wie gesagt, die Auffassung in Regierungs kreisen. Auf dieser Grundlage will Herr v. Papen mit den Nationalsozialisten verhandeln, nachdem er dazu die Zu stimmung des Reichspräsidenten erhalten hat. Ob der Reichspräsident selbst Parlamentarier empfangen wird, wie dieses früher der Fall war, ist bis jetzt nicht bekannt und unwahrscheinlich. Der Kanzler wird die Ver handlungen führen. In Verbindung mit den Verhand lungen mit den Nationalsozialisten werden die Namen Gregor Strasser, Dr. Frick und Oberst Hierl ge- nannt als die Persönlichkeiten, die nach dem offiziellen Ausscheiden aus ihrer Partei für die Übernahme von Reichsministerien in Betracht kämen. Immer noch erhält sich das Gerücht, daß die Nationalsozialisten die Füh rung im Kabinett, also das Kanzleramt, verlangen und daß Hitler Kanzler werden soll. Nach der augenblicklichen Lage ist nicht anzunehmen, daß die Auffassung des Reichs präsidenten einer solchen Forderung entgegenkommt. Während die Verhandlungen über die Umbildung der Neichsregierung geführt werden, muß sich das Kabinett sehr schnell darüber schlüssig werden, was es zur wirk samen Unterdrückung der blutigen Ausschreitungen tun will. Wie man hört, bestehen zwischen den zuständigen Stellen immer noch Meinungsverschieden, heiten über einzelne Punkte der geplanten Notverord nung, insbesondere soll das Reichsjustizministerium gegen die Androhung der Todesstrafe auf unbefugten Waffenbesitz sein. Es ist geplant, zunächst einmal durch eine Verordnung Sondergerichte zur schnellen Ab urteilung der Täter einzusetzen. Der Reichskanzler hat sich nach feiner Rückkehr fofort über die Untersuchung der Terrorfälle berichten lassen. Zu den Verhandlungen über eine Umbildung der Neichsregierung wird von deutschnationaler Seite erklärt: Ein Kabinett Hitler wäre nur auf parla mentarischem Mehrheitswege, also mit Billigung des Zentrums möglich. Bei einem solchen Rückfall in über- lebte Methoden würden die Deutschnationalen nicht nur entbehrlich, sondern auch — uninteressiert sein. Sicherheit und Freiheit. General von Schleicher über deutsche Politik. Reichswehrminister General von Schleicher gewährte dem Berliner Vertreter der „New York Times" eine Unterredung, in der der Minister hochaktuelle politische Fragen streifte. Herr von Schleicher wies zunächst noch einmal daraus hin, daß er jeder Militärdiktatur abhold sei. Er betonte weiter, daß die Reichstagswahlen von neuem gezeigt hätten, wie schwer Deutschland heute zu regieren sei. Die radikalen Parteien hätten wieder den größten Erfolg gehabt. In Deutschland seien Partei organisationen entstanden, die sich gegenseitig gewaltsam bekämpften. Das sei nur dadurch möglich gewesen, daß die Autorität des Staates durch den Versailler Vertrag untergraben worden sei. General v. Schleicher forderte sodann in seinen weiteren Ausführungen die Gleichberechtigung Deutschlands und betonte, daß die deutsche Regierung entschlossen sei, diese Frage in der nächsten Zeit zu lösen. Der Neichswehrministe-beschäftigte sich weiter nochmals eingehend mit der Abrüstungs frage, die für ihn im Mittelpunkt der Außenpolitik stehe. Auf der Abrüstungskonferenz in Genf sei Deutschlands selbstverständliche Forderung nach Gleichberechtigung nicht berücksichtigt worden. Deutschland werde seine Vertreter nicht wieder nach Genf schicken, bevor nicht die Frage der Gleichberechtigung im deutschen Sinne gelöst werde. In dieser Frage gäbe es in Deutschland keinen Unter- schied der Parteien. Keine deutsche Negierung werde eine Abrüstungskonvention unterzeichnen können, die Deutsch land nicht in allen Dingen dieselben Rechte gebe wie den anderen Staaten. Entweder müßten die Entwaffnungsbestimmungen des Versailler Vertrages aus alle Mächte angewendet wer den, oder man müsse Deutschland das Recht zubilligen, sein Wehrsystem so umzubauen, daß seine nationale Sicherheit gewährleistet sei. Deutschland denke weder daran, ein stehendes Friedensheer von 600 000 Mann anf- zustellen, wie es Frankreich heute unterhalte, noch Woll? es den großen Seemächten Konkurrenz machen. Aber es verlange Sicherheit, Gleichberechtigung und Freiheit. Militärbündnisse um Deutschland herum. General von Schleicher verglich sodann das deutsche Heeresbudget mit den Ausgaben, die andere Mächte für ihre Armeen aufbringen. Frankreich habe im letzten Jahre für sein Heer die Nicscnsumme von 2,3 Milliarden aus gegeben, d. h. viermal soviel Ivie Deutschland, Polen opfere jährlich 500 Millionen Marl, die Tschechoslowakei 260 Mil- lionen Mark, Belgien 160 Millionen Marl für die natw- nale Sicherheit. Diese vier durch Militärbündnisse ver- bundenen Nachbarstaaten Deutschlands geben also für Rüstungszwecke jährlich nahezu vier Milliarden Mark, also fast das Sechsfache des deutschen Wehrbudgets, aus. Der Reichswehrminister verwies daraus, daß Deutsch land der Gebrauch jeder neuzeitlichen Angrifsswaffe unter sagt sei. Deutschland habe keine Flugzeuge, keine Tanks und keine schweren Geschütze, keine U-Boote, keine Flug zeugträger und großen Schlachtschiffe. Unter Hinweis aus die neuen deutschen lO-Tonnen-Panzerschiffe betonte Gene ral Schleicher, daß Frankreich in den letzten drei Jahren so viele Neubauten vom Stapel gelassen habe, wie die ganze deutsche Marine an Schiffsraum umfasse. Deutsch land habe unter allen Großmächten das weitaus niedrigste Wehrbudget. Schluß mit dem Terror! Sondergerichte — Todesstrafe wird angedroht. Der Reichskanzler, der sich nach seiner Rückkehr so gleich von den zuständigen Stellen der Rcichsrcgicrung und des preußischen Staatsministcriums Vortrag über die in den letzten Tagen vorgekommcncn Terrorakte halten ließ, hat sämtliche Reichsminister zu einer Mi nist er- bcsprcchung am Dienstag nach Berlin berufen. Der Reichskanzler ist der Auffassung, daß den gegen wärtigen Zuständen unterbrutalerAnwendung aller Machtmittel des Staates ein sofortiges Ende gesetzt werden muß. Für Dienstag ist mit einer neuen Notverordnung zü rechnen, die verschärfte Strafbestimmungen zur Bekämpfung des Terrors enthalten wird. In unterrichteten Kreisen weist man in diesem Zusammenhang daraus hin, daß sich die Bestim mung, wonach u. a. mit der Todesstrafe bedroht wird, wer mit der Waffe in der Hand angetroffen wird, auch im Jahre 1919 notwendig gemacht habe. Neben der Notverordnung zur Verschärfung der Strafbestimmungen ist eine Durchführungsverordnung zu einer früheren Notverordnung des Reichspräsidenten zu erwarten, die u. a. die Einrichtung vonSonder gerichten vorsieht. Selbstschutz an Stelle von Silfspollze! in Braunschweig. Im Braunschweiger Staatsministerium fand eine Besprechung des Vorstandes der Landtagsfraktion Bürgerliche Einheitsliste mit Minister Klagges in der Frage der Aufstellung einer Hilfspolizei statt. Nach ein mütiger Auffassung über die Notwendigkeit eines aus reichenden Schutzes der Bevölkerung in Stadt und Land Braunschweig wurde volles Einverständ nis über die zu ergreifenden Maßnahmen erzielt. Das weitere wurde dem Staatsministerium überlassen. Die Aufstellung einer Hilfspolizei in der ursprünglich geplanten Form soll nicht mehr in Betracht kommen. Lediglich die Schaffung von Sclbstschutzorganisationcn soll genehmigt werden. Prügelknabe Deutschland. Die Autonomistcnbcwegung in der Bretagne. Der Pariser „Matin" veröffentlicht auf seiner ersten Seite eine Zuschrift, in der niemand anders als Deutsch land für die autonomistische Bewegung in der Bretagne verantwortlick acmackit wird.