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1358 Vas Geld bet den verschiedenen Völkern > der Erde. (Tin kulturhistorische- Bild.) lSchlub.) Die Silberausfuhr nach Indien ist weit bedeutender als nach China. Von Singapora gehen die Summen al-dann weiter nach Siam und Hinter-Jndien. WaS ist nun die Ursache dieser unge heuren Silberverschiffungen, welche die gesammte jährliche Silber- gewinnung der Erde um mehr als zwanzig Millionen Thaler übersteigen? Diese Ursache ist nicht der hohe Stand der Wechsel- course in Shanghai, Canton, Calcutta und Bombay, wie es Ansicht eines Theils der Handelswelt ist, denn der Wechselkurs ist nur ein Symptom von andern Ursachen, wie der Stand des Barometer- von der Eigenschaft der Luft; die Ursache ist nicht die erhöhte Goldmünzung in England und Frankreich, wodurch aller dings viel grobe- Silbergeld disponibel und naturgemäß nach dem silberarmen Indien und China verschifft wurde, die Ursachen sind noch andere. Die Edelmetalle haben die Eigenthümlichkeit, daß überall eine starke Nachfrage nach ihnen stattfindet, namentlich aber bei commerciell zurückgebliebenen Völkern. Sobald düse Völker dem Welthandel sehr gesuchte Waaren bieten können, wer den sie stet- zuerst ibre Produkte gegen die Edelmetalle, namentlich aber Silber, die billigere, allgemeiner verbreitete Münzsorte, Um tauschen. Die Hauptursachen dieser mächtigen Silberströmungen nach Ost-Asien während der letzten Jahre sind: 1) die außerordentliche Zunahme des Verbrauchs indischer und chinesischer Erzeugnisse in Europa und Nordamerika und die dem entsprechende Ausfuhr aus Indien und China; 2) die Stabilität oder doch nur geringe Zunahme des Ver brauchs europäischer Fabrikate im östlichen Asien; 3) die herkömmliche Vorliebe der orientalischen Völker für Silber und die bei ihnen in hohem Grade — wie bei allen rohen oder mittelalterlichen Völkern — herrschende Sucht der Ansamm lung und Aufbewahrung baaren Geldes. Die Ausfuhr aus Indien betrug vom Jahre 1853—1854 im Durchschnitt 133,000,000 Thlr. Werth, im Jahre 1836 — 1837 erst 83,000,000 Thlr., namentlich von Indigo, Baumwolle, Kaffee, Seide, Reis. Im Jahre 1845 wurden gegen 51 Mill. Pfund Thee importirt, im Jahre 1855 schon gegen 83 Mlll. Pfund. Wie gering stellt sich dagegen der Handelsausweis über die Ausfuhr europäischer Artikel nach Indien und China heraus, welche zwischen den Jahren 1845 — 1854 im Durchschnitt höch stens gegen 70 Millionen Thaler betrug. Der Absatz unserer Erzeugnisse wird sich auch kaum bald sehr vergrößern, da die Starrheit des Orientalen im Festhalten alter Gewohnheiten, so wie seine Genügsamkeit in der Lebensweise Charaklerzug ist. Dahin gehört jene Vorliebe, Schätze anzusam meln, wozu sich das Gold wegen seiner verhältnißmäßigen Selten heit weniger darbietet. Die große Masse der Bevölkerung ist beispiellos arm, und die Goldmünzen stellen schon deshalb zu hohe Preise dar, um im Verkehr anwendbar zu sein. Wo bleibt also nun die Masse des Silbers, wo kommt sie hin? Es sind in dem Zeitraum vom 1. Mai 1835 bis 30. April 1854 in Calcutta, Bombay und Madras dem Werth nach über 440 Mill. Thaler an Silbermünze geprägt und in Circulation gesetzt worden. Wie ist es möglich, daß immer neu Millionen um Millionen aus Europa und Amerika dahin jährlich verschifft und in Umlauf ge setzt werden können? Die theilweise Erklärung liegt eben in jener Sucht de- Schätzesammelns beim Asiaten. Als der chinesische Gouverneur Keschen in Ungnade fiel und sein Vermögen confiscirt wurde, fand man bei ihm einen baaren Silberschatz von 40 Mill. Thaler. Indien, Hinter-Jndien und China hat eine Bevölkerung von einigen Hundert Millionen Menschen, innerhalb welcher der Einzelne ebenfalls, wenn auch nach seinen Verhältnissen, spart und ansammelt, der Eine vielleicht nur einige Rupien, der Andere ebensoviel Tausende. — Was ist für die Millionen silbersüchtiger Menschen jene eingeführte Silbermasse von 232 Millionen inner halb fünf Jahren. Ein Reisender theilte in der Revue äs» äeur mouäe» mit: Es giebt in Calcutta, Bombay, Madras und Benares ein? geborne BanquierS, deren Geschäfte und Vermögen den ersten in Europa nicht nachstehen. Mancher derselben, der vor dem euro päischen Beamten sich tief beugt, ist im Stande, Wechsel im Betrage von Millionen auf die entferntesten Plätze zu ziehen. Dennoch vertraut man keinem eingeborenen Banquier Summen an und wie im Verkehr, so ist auch im Grundeigenthum hier in diesem Lande der Chicanen, der falschen Dokumente und er kauften Zeugen, welche fast jeder Proceß aufzeigt, die Unsicherheit eine allgemeine. Da< Geld liegt deshalb, anstatt als Credit den Unternehmungen zu Hilfe zu kommen, todt und meist heimlich vergraben, nach der barbarischen vom Alterthum auf die Gegen wart vererbten Sitte. Die Liste der königlichen Schätze, welche die englischen Bajonette unter dem Schutte der indischen Festungen, zu Seringapatnam, Burtpur u. A. hervorgewühlt haben, ist eine lange. Der Indier verräth erst bei der Furcht für sein Lebm seinen Schatz und Mancher stirbt oder kommt um, ohne ihn ve^- rathen zu haben. Depositen kommen nur bei RegierungScassen vor und der in kleinern Städten oder auf dem Platten Lande wohnende Indier verheimlicht nicht bloS au- Grille, sondern au- berecktigter Furcht vor Räuberhand und Dolch seinen Reichthum. Wunderbar, daß da- alte Aegypten keine ausgeprägten Münzen, sondern nur abgewogene Metallbarren besaß und zwar noch über mehr als ein Jahrtausend, nachdem Jacob- Söhne bei ihrem Getreidegeschäft von ihrem Bruder Joseph „Gold von demselben Gewichte" (wie das an ihn gezahlte) in ihre Säcke gethan erhalten hatten. Die alten Phönizier verrichteten in ihrer Zeit dieselben Dienste wie die Spanier vom 16. — IS. Jahrhundert in Herbeischaffung der Geldmetalle; ihre Schiffe holten da- Kupfer au- Cypern, da- Silber aus Spanien, da- Zinn von den brittischen Inseln. Bei den aztekischen Mexikanern cursirten kleine Ainnstückchen in der Form eine- 1, Goldstaub in durchsichtigen Federspulen bei größeren Zahlungen. Jede Federspuke sollte 400 Körnchen ent halten. In Pucatan waren Metallglöckchen in Umlauf; die MuyScas oder Chilecha- aber, ein hochstehende- Culturvolk Süd- Amerika's, hatten wirkliche runde Edelmetall-Münzen, jedoch ohne Prägung. Ihr Werth wurde daher nach der Größe de- Durch messers mit einem Maß auS einem Baumwollenstreifen bestimmt oder mit dem Zeigefinger gemessen, indem man ihn bi- zur Basis de- Daumen- einkrümmte und die Münzen in diese Oeffnung hineinpaßte. Welches Volk zuerst Münzen prägte, ist unentschieden. Im heutigen Birma coursirt Silber in Barren, in Kuchen und über haupt jeder beliebigen Form, im kleinen Marktverkehr dient als dann Reis als Scheidemünze, wie die Cacaobohne in Mittel amerika oder Korn an der Ostküste Afrika'-. Die höher cullivirten Völker haben jederzeit gemünzte Edel metalle als Tauschmittel gebraucht. Diese besitzen wegen der früher erwähnten Eigenschaften einen hohen GebrauchSwerth als Schmuck- gegenstände für den Menschen selbst oder al- Prunkgeräthe in Kirche und Haus. Hierin liegt auch ein Grund, daß ihre Preis schwankungen nicht sehr groß sein können; denn bei bedeutender Entwerthung de- Geldes würde viele- in Gerätschaften umge schmolzen werden und umgekehrt. Die Verarbeitungsfähigkeit der EoelniktnUe ist bekannt, die Dehnbarkeit de- Golde- so groß, daß mit einer Unze Gold sich ein Silberdraht von 13,000 engl. Meilen vergolden laßt, Goldblättchen zur Dünne von 0,o^>ooors Zoll, Silber blättchen zur Dünne von 0,<xxxu Zoll geschlagen werden können. Die Dauerhaftigkeit der Metalle reicht hin, um die Annahme gerechtfertigt erscheinen zu lassen, daß manche- Silber und Gold, wenn auch oft schon umgeschmolzen, noch umläuft, welche- einst mals unter Philipp von Makedonien aus den thrakischen Gold gruben, zu HannibalS Zeit aus den spanischen Silbergruben ge fördert worden sein mag. Die in der Gegenwart auS der unermeßlichen Ausbeute der amerikanischen Gruben gewonnenen Summen sind zwar im Ver- hältniß zu den durch die Jahrtausende angesammelten Geldmassen nicht dlos ein Tropfen im Eimer, wohl aber im Verhältniß zum Geldbedarf des ganzen Menschengeschlecht-. Unser Jahrtausend kann jährlich Millionen um Millionen Gold und Silber dem Schoße der Erde entringen, die Millionen Menschen der niedrig cullivirten, an Edelmetallen armen und bisher mit allerhand Gegenständen bezahlten Völker werden nach und nach immer mehr sich an die metallenen Zahlungsmittel gewöhnen und sie be gehren, wenn der Welthandel ihre Produkte verlangt. Deshalb ist die Furcht vor einer großen Entwerthung der Edelmetalle durch die jetzt riesenmäßige Ausbeute eine Thorheit. Die große specifische Schwere läßt Gold und Silber leicht transportiren; das Verhältniß de- Golde- zu Weizen ist wie 1 : 447,772, de- Silber- zu Weizen wie 1 : 15,554. Es läßt sich kaum denken, daß von den jetzt gekannten Metallen eines unserer Edelmetalle verdrängt und ersetzt werden wird. Die Platina ist zwar von großer specifischer Schwere und dauerhaft wie jene, dagegen zu wenig formbar, zu wenig schön und zu selten. Als vor wenig Jahren das neuentdeckte silberähnliche Metall, Aluminium, auS Thonerde von Wähler dargestellt, sich bei den Proben in hohem Grade verarbeitungsfähig und fast eben so un zerstörbar wie Gold und Silber zeigte, hoffte man schon ein neue- Geldmetall gefunden zu haben, doch macht e- seine Karbe, weiß blau, sein Klang wie Eisen und vorzüglich sein geringe- specifische- Gewicht dazu untauglich. Dagegen hat man <S neuerdings zu einer Unzahl von Luxusgegenständen verarbeitet und e- ist seitdem ein bedeutender Handelsartikel geworden. Der Gesammtreichthum oder nur die Gesammtsumme de- um laufenden Geldes -auf unserer Erde läßt sich kaum annähernd bestimmen, doch sind über einzelne Länder und Handel-gebiete Schätzungen vorhanden. Die täglichen Geschäfte beliefen sich im J«hre 1839 in England auf 3 Mill. Pfd. Sterling, wobei etwa 200,000 Pfd. Sterl. wirklich umliefen, alS Jahre-geschäft aber wurden im Londoner Clearinghouse 954,401,600 Pfd. Sterl. von den Banquier- gegenseitig aü-geglichen. Die Gesammtmasse der au-gegebenen Wechsel soll in diesem Jahre 528 Mill. Pfd. Sterl. gewesen sein und sich von 1832 jährlich um etwa 24 Mill. ver, - EW — —