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Handels jene alten und bewährten Grundlagen sichern helfen mögen«. Anders vielleicht steht ein Teil des Publikums zur Sache, welches in der Freiheit, seine geistigen und leiblichen Bedürfnisse nach Gefallen zn befriedigen, eines seiner kostbarsten Rechte zu erblicken und gegen jede Beeinträchtigung desselben entschieden Front zu machen geneigt sein dürfte. Dem Publi kum Schranken für seinen Warenbezug auferlegen wollen, hieße unser ganzes heutiges Verkehrs- und Kulturleben auf den Kopf stellen. Der Privatmann, welcher seine Bücher in Leipzig oder Berlin einstweilen billiger einkauft, als in Tübingen oder Heidel berg, mag dies immerhin thun, wenn er anders nicht durch diese Zeilen belehrt sein sollte, daß die Umgehung des lokalen Buchhandels dessen Vernichtung und diese eine schwere Schädi gung nicht nur sozialpolitischer, sondern auch geistiger Interessen unsres Volkslebens bedeutet. Aber vielleicht trägt diese Dar legung doch dazu bei, in ernsteren Naturen Bedenken über die Richtung wachznrufen, welche durch eine derartige, lediglich mit einem augenblicklichen Nutzen rechnende Gleichgiltigkeit des Publi kums befördert wird. Darüber, daß nach Beseitigung des Provinzialsortiments mit seiner mühevollen, dem Publikum in tausend Dingen dienenden Arbeit die Bücher nicht billiger, sondern teurer sein würden, daß der jetzigen Preisunterbietung alsbald eine erhebliche Preiserhöhung folgen würde, sollte ohne hin jeder Zweifel ausgeschlossen sein. Zunächst sei hier noch ein Wort über die Organisation des deutschen Buchhandels angefügt, welche dem größeren Publikum wohl ini ganzen ziemlich unbekannt ist. Die Gesamtheit der deutschen Buchhändler gliedert sich in Verleger (Büchererzeuger) und Sortimenter (Büchervertreiber), wobei das Wort »Bücher erzeuger« in dem Sinne gebraucht ist, daß der Verleger es dem Schriftsteller erst ermöglicht, sein Werk herzustellen und dem Publikum zugänglich zu machen; in unendlich vielen Fällen geht von dem Verleger wohl auch die erste Anregung zu der schrift stellerischen Leistung aus. Verleger und Sortimenter haben sich zum »Börsenverein der Deutschen Buchhändler« zusammenge schlossen — einem Verein, der keine Jnnungs- noch sonstige staatliche Zwangsrechte hat, sondern zur Förderung des Wohles des Buchhandels und seiner Angehörigen geschlossen ist und in der Absicht dieser Förderung seinen Mitgliedern die Verkehrs- nnd Verkaufsbedingungen vorschreibt. Scheinbar stellt dieser Börsenverein mit einer Mitgliederzahl von 2300 nur eine Minderheit des deutschen Buchhandels dar, da in Wahrheit sich etwa 7000 Geschäfte in Deutschland mit dem Verkauf von Büchern befassen. Unter diesen 7000 sind jedoch 5000 Buch binder, Papier- und sonstige Händler, also mehr Bücherhändler, aber nicht Buchhändler, die eigentlichen Buchhändler dagegen, Verleger wie Sortimenter, gehören nnt geringen Ausnahmen sämtlich dem Börsenverein an, der also als maßgebend für den deutschen Buchhandel angesehen werden darf und in dessen Namen zu sprechen berechtigt ist. Neben der Regelung des Verkehrs betrachtet der Verein namentlich die Wahrung des Standesinteresses seiner Mitglieder als seine Aufgabe; das vornehmste Standesinteresse ist die Er haltung des Standes selbst und damit verbunden die Erhaltung eines über ganz Deutschland verbreiteten Netzes leistungsfähiger Sortimentsbuchhandlungen. Dieses Bestreben wird auch von den Verlegern aufs wärmste gefördert; denn ein solches Netz ist der Unterbau des gesamten deutschen Buchhandels in seiner ver schiedenartigsten Bedeutung für unser nationales Leben. Wie Herr Wilhelm Ruprecht, Doktor der Staatswissenschaft und Verlagsbuchhändlcr zn Göttingen (Vandeuhoeck L Ruprechts Verlag), in einer kleine», recht lehrreichen Schrift: »Der Ladenpreis im deutschen Buchhandel. Seine volkswirtschaftliche Bedeutung und Berechtigung«, näher ausführt, ist ein Netz leistungsfähiger Sortimentshandlungen das billigste und wirksamste Vertriebs mittel für den Verleger und daher die Vorbedingung einer wirklichen Ermäßigung der Buchpreise. Daran ändert auch die Thatsache nichts, daß ein Buch bei einem Provinzialbnchhändler jetzt 5 Prozent teurer ist, als bei einem Berliner oder Leipziger Schleuderen Der Preis eines Buches richtet sich nach den Herstellungs kosten und dem zn erwartenden Absatz. Zum Beispiel ein Buch, welches bei einer Auflage von 500 Exemplaren mit 5 Mk. Ver kaufspreis angesetzt werden muß, kann bei einer Auflage vou 1000 Exemplaren zn 4 Mk. oder 3 Mk. 50 Pf. verkauft werden. Um aber diese 1000 Exemplare abzusetzcn, ist die Vertriebsart der Provinzialsortimenter erforderlich; denn die Berliner »Grossisten« können eben nur den Rahm abschöpfen und nicht die intensive Arbeit der draußen ansässigen Sortimenter thun, welche mit dein Publikum selbst in Berührung treten, demselben Bücher zur Ansicht vorlegen und zusenden. Diese Sortimenter zu Gunsten der »Grossisten« zu Grunde gehen lassen, hieße also, die Bücher für die Folge verteuern — ohne daß der Schriftsteller etwa einen Nutzen davon hätte. Denn wenn der Grossist bei direktem Bezug von 5 Mk. 10 Prozent Rabatt giebt, so kostet das Buch immer noch 4 Mk. 50 Pf., während bei größerem Absatz — durch die Sortimenter — ohne jeglichen Rabatt ein Verkaufspreis von 4 Mk. oder 3 Mk. 50 Pf. möglich ist. Gerade auf diesen Punkt wäre die Aufmerksam keit der Behörden, Bibliotheken, Schulen u. s. w. zu richten. Daneben fällt sodann noch die ganze geistige Thätigkeit des Sortimenters in das Gewicht, welcher die Neigungen ^seiner Kunden, des Publikums, studiert, danach seine Ansichtssendungen bemißt, nach jeder Richtung mit Rat und mit Aufschluß zu Diensten steht, stundenlang ohne Aussicht auf irgend erhebliche» Gewinn nach Titel und Bezugsquelle eines Buches sucht, um seinen Kunden gefällig zu sein. Dieser ganze geistige Verkehr zwischen Buchhandel und Publikum, auf welchen namentlich Wohl kein Gelehrter verzichten möchte, würde mit dem Sortiments buchhandel zusammen vollständig aufhören. Ohne diese Thätig keit der Sortimentsbuchhandlungen, die sich den Vertrieb auch des kleinsten geistigen Erzeugnisses angelegen sein lassen, würde daher auch die Büchererzeugung in Deutschland ganz erheblich eingeschränkt bleiben müssen. Gewiß würde infolgedessen auch sehr viel Unnötiges ungedruckt bleiben; aber Hunderten von jungen Gelehrten, die sich durch ein tüchtiges Buch ihre Lauf bahn erschließen, der Wissenschaft nützliche Bausteine liefern, bliebe dieser Weg in Zukunft versagt. Es genügt dieser knappe Hinweis, um daran zu erinnern, in welch' engem Zusammenhänge der deutsche Sortimentsbuch handel mit dem gesamten Geistesleben der Nation steht. Hiefür vermögen die Berliner und Leipziger Versandgeschäfte keinen Ersatz zu bieten. Ihr Ueberwiegen würde mithin nicht nur einen sozialpolitischen, sondern auch einen geistigen Rückgang unsres Volkstums, eine schwere Schädigung unsres Kulturlebens bedeuten. Dagegen anzukämpfen ist Recht und Pflicht aller, die diesen Dingen mit Sachkenntnis und Verständnis gegenüber stehen — und der Staat, welchem salub publica suxrewa lex ist, wird die Mitwirkung nicht versagen, welche gleichmäßig seinem Interesse, seiner sittlichen Pflicht und seiner Würde ent spricht.