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Sächsische Volkszeitung : 19.09.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-09-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192209199
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19220919
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19220919
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-09
- Tag 1922-09-19
-
Monat
1922-09
-
Jahr
1922
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 19.09.1922
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Dienstag oen it». September 1022 Nr. 214, Seite » Zum sächsischen Schulbedarfsgesetz Von Dr. Hermann Rolle, Bautzen >n> S. Juli hat der Sächsische Landtag das SchulbedarsS- gesetz verabschiedet. In der sächsischen Lehrerpresse wird dieser Lag als ein Markstein in der Geschichte unseres Schulwesen» ge- feiert, ja die Leipziger Lehrerzeitung meint (Nr. 24, S. 442), dieser Tag koinine an Bedeutung dem 26. April 1873, dem Tage der Veröffentlichung des sächsischen VoUsschulgesetzes, gleich. Diese Bewertung ist schon darum übertrieben, weil das Schu l- bcdarfSgcsetz nur die wesentlich äußeren Angelegenheiten dcS Schulwesens regelt: es enthält Bestimmungen über die Schul- lasten und ihre Verteilung, über die Anstellungs- und Rechts- »erhältnisse der Lehrer, sowie über die Stunden- und Kinderzahl der Klassen der Volksschule. Die innere Neuordnung der Volks, schule kann erst nach Erscheinen des vielumkämpften Ncichsschul« gesetzes von den einzelnen Ländern in Angriff genommen werden und wird iwch geraume Zeit auf sich warten lassen. Trotzdem muß anerkannt werden, daß das neue Schul- bedarfsgcsetz auf d e »i Teilgebiete des Schulwesens, das es zu regeln unternimmt, eine Reihe beachtlicher Fortschritte bringt oder richtiger gesagt: in Aussicht stellt. Wieviel von dem, was jetzt auf den, Papiere als Fortschritt erscheint, unter den er- s^verenden Verhältnissen unserer gegenwärtigen Lage Wirklich keit werden wird, wird die Zukunft lehren. Man rühmt cs als bedeutsamsten Gewinn, den das neue Gesetz brii^t, daß cs den Grund zur Staatsschule lege. Wenn es auch noch nicht die Staatsschi.'lc selbst bringe, so sei es doch ein entschiedener Schritt vorwärts auf dem Wege zur vollen Verstaatlichung der Volksschule. Dies ist gewiß richtig. Es fragt sich nur, ob die Art und Weise, wie die Verstaatlichung der Volks- fchule eii^icleitet wird, nach jeder Richtung hin ein begrüßens werter Fortschritt ist. I» dem Maße, in dem die Befugnisse des Staates über das Schulwesen erweitert werden, werden diejeni gen der Gemeinden und Schulbezirke eingeschränkt. Der Staat übernimmt dasür zwar auch höhere Leistungen für das Schul wesen, die aber, wie der Nl>geord»ete Dr. Herrmann (D. V.) bei der Schlußbcratung über das Gesetz im Landtage auSfnhrte, nicht dem entsprechen, was er den Gemeinden an Rechten ent zieht. Wenn man, wie es jetzt schon gelegentlich zu lesen ist, die Verteilung der Lasten zwischen Staat und Gemeinden so formu liert: der Staat trage die persönlichen, die Gem.ind'ii und Schulbezirke die sachlichen Aufwendungen für das Schulwuc», so trifft das nicht genau zu. Denn der Staatskasse werden wohl die Dicnstbczüge der Lehrer aufgebürdet, die Schulbezirke aber haben außer den Kosten für die Errichtung und Unterhaltung »er Schulen wie für die Beschaffung der Lehrmittel auch ferner einen Teil der persönliche» Lasten zu tragen, so die Kosten des wahlfreien Unterrichtes, die Bezahlung der Schulärzte, außerdem in gewissen Fällen auch die Aufwendungen für Ucberstunden. UmzugSkoste» und Tagegelder und Reisekosten bei amtlichen Ver sammlungen der Lehrer. Der Staat läßt sich aber weiterhin für die Uebcrnahme des zwn'e.los größten Teiles der persönlichen Losten von den Geme>>w''n n'.'wc ^ wieder entschädigen. 8 6 des neue» Gesetzes bestimmt, daß dem Staate ein Drittel seiner Aufwendungen bei der Verleitung der Re.chSenik'mmensteuer i.ud Körperschaftssteucr von den Gemeinden z» irstatten ist. So bleibt doch, wenn man auch jene '„seren den Gemeinden üler wiesenen persönlichen Aufwendungen h'n; l uniuit. -in gut Stück, daö heißt ein Drittel und noch einig-s mehr so» den nersZiüichen Lasten a»^ den Schultern der Schulbezirk ruhen Gerade m.ur- lalb der Lehrerschaft hatte man ans 'ia> reinlichere Scheidung gehofft. Aber man scheint in z Missen Kruse» dem Staate diese teilweise Abwälzung der Verpilichtungen gnädg zu tcr- zeilien, weil man ans der ander::, Se,t: den ^!aat recht erfolg reich seine Rechtsansprüche auf das S h uwes-in erwei tern sicht. Das Recht der Anstellung der Lehrer geht fast ganz i» die Hände des Siaalcs über, de» Schulgemeinden ist „er noch e>,.e bescheidene Mitwirkung gestattet. Die oberste Schulbehörde be nennt (»ach tz 10 dcS Gesetzes) für jede zu besetzende Stelle drei Bewerber, aus denen der SchiilauSschuß einen Bewerber aus- mählcn », u ß, wenn er nicht will, daß die Stelle ohne seine wei tere Mitwirkung unmittelbar durch die oberste Schulbehörde be setzt wird. Die Mitwirkung der in ersten Linie an der Persönlich keit des Lehrers interessierten Schulgemeinde ist damit bis auf einen kleinen Spielraum, der ihr aber lureb gewährt wird, a„s- geschaltct. Noch deutlicher kommt diese Machterwciierung dcS Staates bei der Stellcnbcsctzuiig in 8 11 zum Ausdruck. Dieser gibt der oberste» Schulbehörde das Recht, in jeden, Kalenderjahre >0 durch Tod, Stellenwechsel oder Pensionierung ständiger Lehrer frei werdenden Stelle» unmittelbar ohne jede Mitwirkung des Cchulausschusses zu besehen. Zu welchem Zwecke dem Staate diese weitgehende Befugnis eingcränmt wird, das blickt deu:lich durch den Bogrüiiduiigsvcrsnch hindurch, mit den, die Sächsische Schulzeitung diese Neuregelung begleitet, wenn sie schreibt: „Damit ist die Gewähr gegeben, das; das Interesse der Schule und die Selbständigkeit und die staatsbürgerliche Freiheit des Lehrers gewahrt und nicht unterdrückt wird durch parteipolitische, loiifcsiionelle oder »och engere Wünsche." (Nr. 24, S. 440.) Eine Begründung, die seltsam anmutet angesichts der Stellenbe- sctzungstechnik, die beispielsweise im Bereiche des sächsischen Schulaufsicbtswesens seit einiger Zeit in ttekmug ist! Abgeord neter Dr. Hcrrmau» hat die in den 88 0, 10 und 11 des Gesetzes niedcrgelcgte Neuregelung der Besetzung der Lehrcrstellen bei de» Landtagk-beratiiiigc» als ..ein Zeichen von SlbsolutismuS auf den, Gebiete der Schule" bekämpft und ihr gegenüber die An schauung vertreten: „Auch in Zukunft werden die Gemeinden, naiiienllich die Elter», ein Interesse daran haben, was für Leh rer ihnen geschickt werden." Wenn „ach der Sächsischen Schnl- -'eitung das »e»c Verfahren die Berücksichtigung „konfessioneller Wunsche" a'Sschlicßt. so wird damit kcutlich. das; man schon jetzt Iwfst, das Gesetz gegen die Bekenntnisschule gebrauchen zu kön nen, — ein Zeichen zugleich, wessen wir uns z» versehen haben, wenn einmal nach Verabschiedung des Rcichsschulgesctzc? mich in Sachsen über die Schicksale der Bekenntnisschule entschieden wer den wird. Eine Probe dcS Verständnisses für die religiösen Bedürf nisse der Volksschule gab die LaudtagSmehrheit mit der Strei- ckuina des 8 l0 der Regierungsvorlage. Dieser lautete: „Fehlt eS der Schule an Lehrer,,, die bereit sind, planmäßigen Religions unterricht >.u übernehmen, so bat der Schulbezirk für Einstellung i o» Fachlehrern Sorge zu tragen." Damit zeigte die Negierung i.nmerbii, einiges Verständnis für die Verpflichtung, die Ailikel I!0 der Rc-chsverfassiing den Schulverwaltungen der Länder auk- erlcal, wen» er de» Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach der Schule» <»,it Ausnahme der bekennt,,isfreie» Schulen) er klärt. Nur wurde hier die Erfüllung dieser Verpflichtung sofort d.n untergeordnete» Instanzen zugeschoben, statt das; man selbst bereit gcwelcii wäre, mit der Autorität de§ Staates sich für die Aiissiibruug jenes Verfassungsartikels einzusetzen. Es ent sprach dar»,,, mir dem Wese» der Sache, wen» die beiden Rechts parteien, denen sich der ZentrumSabgcordneie anschloß, die For- deriing vertraten, daß die oberste Schulbehörde gegebe nenfalls für Einstellung von ReligionSfachlebrcrn Sorge zu tra ge» bgbe. Aber der Landtag brachte i» seiner Mehrheit nicht einmal das Verantwortlichkeitsbewußtsei» der Negierung auf und Orich den 8 16 aus dem Gesetz. Dasür soll die Angelegenheit des Religionsunterrichtes auf de», V c r o r d »>, n g S w c g e ge regelt werden, durch ei» Verfahren also, daß gewiß sür die Re gierung de» Vorzug der Bequemlichkeit hat, das jedoch gerade in Sachsen schon mehrfach in einer Weise »„gewendet worden ist, daß die an der Erhaltung des religiösen Geistes in der Schuler- ziehuiv, Interessierten allen Gvnnd z„ allerlei Bedenken über die Tanglichkeit dieses Weges haben. Erst in den letzten Tagen haben mir ja ein neues Beispiel dafür erlebt. EiumS eigenartig nimmt sich mitten unter diesen Bestim mungen über PfOchtstundenzahl der Lehrer, Ileberslunden, Stell vertretung usw. 8 28 des Gesetzes aus, mit de», ganz unver mittelt ei» Einariss in die Regelung des inncrei, Lebens der Schule verfrüht wird, der in ein Sch ulbedarfsye setz nicht so recht passen will, g 28 bestimmt n-mlich: »Bet Handhabung der Ähulzucht ist jede» Mittel zu vermeiden, das den Zivecken der Erziehung zuwiderläuft. Körperliche Züchtigung der Schüler ist unzulässig." Damit hat man, wie aus den «usschußberatun- gen bekannt geworden ist, dem Fortschritt moderner Srziehungs- weiSheit eine gesetzliche Grundlage geben wollen, die an dem Punkte angelanift zu sein glaubt, wo sie in allen Fällen, auch in denjenigen, wo eS sich um auSgesprochenermaßen schwer er- ziehbare Kinder handelt, auf eine vernünftige Anweisung einer körperlichen Strafe verzichten zu können imstande ist. Es ist heute beinahe gefährlich, an solcher pädagogischen Weisheit Kri tik zu üben, weil man dabei nur allzu leicht in den Verdacht kommt, der Prügelpädagogik das Wort zu reden. Es gibt aber auch eine falsche HumamtätSpädaEik; die aber scheint in der Schule, wo ihr eine hochklingende Theorie mit schönen Worten den Weg bereiten kann, mehr beheimatet zu sein als in der Fa milie. Diese handelt denn doch noch nicht nach dem Grundsätze, der jener Bestimmung des SchuIbedarfSgesehes zugrunde liegt, daß jede körperliche Züchtigung „den Zwecken der Er ziehung zuwiderläuft". Die Schule aber arbeitet, mit dem Hause verglichen, unter bedeutend erschwerten Bedingungen. Und ein Zeitalter, das widerhallt von Klagen über Verrohung der Jugend, sollte sehr vorsichtig prüfen, ob eS klug ist, von den Zuchtmitteln dasjenige, das bei gewissen Naturen allein noch der. fängt, geradezu gesetzlich zu verbieten. Hier hätte die Gesetz- gebung auch ein größeres Vertrauen zu dem Verantwortungs- bewutztsein und dem pädagogischen Takt der Lehrerschaft zeigen können, die im allgemeinen nicht ohne zwingenden Gvund zu der ultimo ratio des Stockes greift. Die Lehrerschaft bekommt dafür nun die Kehrseite dieser Bestimmung zu fühlen, wie sie in der «Begründung der Regierungsvorlage zum Ausdruck kommt: „Das Verbot der körperlichen Züchtigung ist sür die Lehrer inso fern bedeutsam, als künftig jede Ueberschreitung dieses Verbote» eine Dienststrafe nach sich ziehen kann/ Uns scheint in dieser Frage der Standpunkt der richtige zu sein, den der Katholische Lchrerverband im Freistaat Sachsen in seiner Erklärung zu der GesehcSvorlage ei,genommen hat und auf den sich bei den Landlagsberatmngcn der Abgeordnete Heßlein berief, indem er erklärte: »Die völlige Beseitigung können die meiner Partei nahestehenden Lehrer (der Katholische Lehrerverband) nur dann zugeben, wenn für schwer erziehbare Kinder besondere Maßnah men vorgesehen werden." Nach diesen mancherlei kritischen Bemerkungen zu dem neuen Gesetze wollen wir aber mich nicht verschoeigen, daß es in gewisse» Dingen einen dankenswerten Fortschritt bedeutet. Das gilt vor allem von den Bestimmungen über die Kinderzah, in den Klassen, über die Wochenstundenzahl der einzelnen Klassen und über die Pflichtstundenzahl der Lehrer (88 31, 30, 26). Die Kin derzahl wird in Klaffen mit nur einem Jahrgang auf 35, in Klassen mit zwei oder mehr Jahrgängen auf 30 festgesetzt, was sogar der Regierungsvorlage gegenüber eine weitere Verminde rung um je fünf Schüler bedeutet. Damit wird die Schularbeit gegenüber der Erziehung und Unterricht schwer beeinträchtigen, den Uebersüllung der Klassen aus wesentlich günstigere Bedin- gui«gen gestellt, vorausgesetzt, daß diese Verminderung der Klas senstärke auch wirklich allgemein zur Durchführung kommt. Wem, auch die einschränkende Bemerkung des RegierungsentwurfeS: „wo es die Verhältnisse gestalten" (die für zahlreiche Abweichun gen von dieser Forderung Anhalt bieten würde) in der eudgülti- gen Fassung des Gesetzes durch die etwas vorsichtigere Wendung: „in der Regel" erseht worden ist, so wird doch die Praxis des Schiillebens der Durchführung dieser Bestimmung oft Hindernisse bereite», aus denen man, so fürchten wir, nur zu gern durch die Berufung auf jene eiiischränkende Bemerkung einen Ausweg suchen wird. Die Bestimmungen über die Wochenstundenzahl der ein zelnen Klaffen bringen sür die weniger gegliederten Schulen eine Erhöhung gegenüber den, bisherigen Stande. Die mit den Bestimmungen der Regierungsvorlage gegebene Gefahr einer Herabzichung der besser gegliederten Schule» auf ein für das ganze Land verpflichtendes Durchschnittsstundenmaß ist in dem Gesetz vermieden worden, dadurch, daß den Ortsschulorduungen ein Spielraum nach oben gewährt wird, bis zu de», sie die Durch- schnittsstundcnzahl überschreiten dürfen. So bleibt den größeren Gemeinden auch ferner die Möglichkeit eines weiteren Ausbaues ihres Schulwesens gewahrt, und die Gefahr einer allgemeinen staatlichen Nivellierung, die mit der Regierungsvorlage ernstlich drohte, ist beseitigt. Freilich folgt diesen erhöhten Forderungen bezüglich der Stundenzabl auch wieder eine Ernüchterling. „So lange es in einzelnen Schulbezirken nicht möglich ist, die Be stimmung in 8 30, Abs. 1 durchzuführen", läßt 8 36, Abs. 3 auch eine wesentliche niedrigere Stundenzahl zu, die beispielsweise die vorgesehene wöchentliche Gesamtstnndenzahl von 188 in acht- klaffigcn Schulen bis auf 128 ermäßigt. Daraus wird ersichtlich, wieweit es mich hier auf den guten Willen der Beteiligten an- konimt, wenn eS gilt, den Fortschritt tatsächlich zu verwirkliche», den das Gesetz als Zielforderung aufstellt. Nicht die Fertig stellung de? Gesetzes verbürgt scbon den Schulfortschritt, sondern erst seine Durchführung. Daß in rein wendischen und in gemischtsprachigen Schulen die wöchentliche Mindeststuudciizahl auf jeder Stufe uili 3 Stunden erhöht wird (8 36, Abs. 4), ist als verständnisvolle Würdigung der schwierigen Arbeitsverhättniffe dieser Schicken freudig Au begrüßen. Wenn endlich die Pflicht- stmiideiizahl der Lehrer auf 28 herabgesetzt wird, worüber hinaus die Lehrer bis zu vier wöchentlichen Ueberstunden herangezogen werden dürfen, so wird jeder, der in die Eigenart ihrer Arbeit Einblick hat, die nicht bloß als eine gerechte Entlastung, sondern vor allem als einen Gewinn für die Schule würdige». Im einzelnen ist Wohl noch manche Unebenheit in den neuen gesetzlichen Bestimmungen enthalten. Namentlich erscheint die Verteilung der persönlichen Lasten auf die beiden Schulinteressen- ten, Staat und Gemeinden, als keine vollbefriedigcnde Lösung der finanzielle Seite. Vor allem aber wird die Durchführung der Bestimmungen über Herabsetzung der Klaffen stärke und Er höhung der Wochenstundenzahl oft auf das schwer besiegbare Hindernis des Raummangels stoßen und manche erstrebte Ver besserung^ wird daher ans dem Papier stehen bleiben. Das vorliegende Gesetz ist, da eS sich wesentlich mit den äußeren Fragen des Schulwesens beschäftigt, ei» verhältnis mäßig ueuiralcs Gesetz. Wo cs im Vorbeigehen doch einmal an die eigentlichen Streitobjekte des gegenwärtigen SchuIkampfcS rührt, wie in der Frage der Ncligionsfachlehrcr, da ward sofort deutlich, auf welches Maß von Objektivität und gerechter Be handlung eine solche aus der Ncichsverfassiiiig sich ergebende For derung bei »„iS in Sachsen rechnen kann. Uns mag das eine erneute Mahnung sein, alle Kräfte zu sammeln für den Zeit punkt, da einmal die gesetzgebenden Körperschaften Sachsens über ein Gesetz zu beschließen haben werden, das über den inneren Geist der Volksschule entscheiden wird! Hilfe für das Handwerk Bei de», Reichskanzler haben dieser Tage Besprechungen stattgcfundcn, z» denen führende Persönlichkeiten dcS deutschen Handwerks und der Handwerkerbewegung hinzugezogen waren. An der Spitze der Deputation stand der Generalsekretär Hermann dcS Reick>ßvcrba>ides dcS deutschen Handwerks. Der Reichskanzler bat sich über die Notlage des Handwerks, über seine Wünsche und Forderungen unterrichten lassen »nd erklärte, daß unverzüglich mit den beteiligte» RcichSstellen und den Vertretern des deutschen Handwerks eine Aussprache über die notwendigen Maßnahmen hcrbeigcsührt werden soll. Die bezüglichen Verhandlungen wer» den auf Wunsch des Reichskanzlers unter seiner persönlichen Leitung stehen. — In ähnlicher Weise sollen Besprechungen mit den Vertreter» anderer notleidender Stände stattfinden. So wird der Reichskanzler mit den Kleinrentnern und Pensionären 'Fühlung nehmen, um mit ihnen die durch grundstürzende Ver änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse geschaffene Lage zu beraten. Auch von seiten der Parteien werden bestimmte par lamentarische Maßnahme» zur Linderung der Not dieser so hart betroffenen Bcpölkcrlingsschichtcn unseres Volkes vorbereitet. Entschließung! Der Geschäftsführende Ausschuß der sächsischen Zen trum spartet erhebt aufs entschiedenste Einspruch gegen die Verordnungen des sächsischen Kultus. Ministeriums, wonach an staatlich nicht anerkannten Feier, tagen Lehrern und Schülern künftig in keinem Falle mehr Un. terrtchtsbcsreiung zum Zwecke der Teilnahme an religiösen Feier. tagshandluiHen erteilt werden soll. Der Geschäftsführende Aus. schuß der sächsischen Zentrumspartei erblickt in dieser Verordnung einen Verstoß gegen Artikel 135 der Reichsvcrfassung vom 11. August 1919, wonach alle Bewohner des Reiches volle Glau» bens- und Gewissensfreiheit genießen und wonach ferner die ungestörte N c ligi on s übu >ig durch die Ver. fassung gewährleistet wird. Die zweite Verordnung des Kultusministeriums, wonach Andachten, Gebete und Kirchenlieder nur in den Neligionsstunden zulässig sind, und wonach die allgemeinen Veranstaltungen der Schule, wie Schulferien, Aufnahme und Entlassung von Schülern usw. keinen kirchlichen oder religiösen Charakter tragen dürfen, widersprechen ebenfalls der Reichsverfassung vom 11. August 1919 und zwar dem Artikel 146, Absatz 2, der die Berück sichtigung des Willens der ErziehungsbercchUgten Vorsicht und den Schutz der Bekenntnisschule bezweckt. Es wird daher auch gegen diese Verordnung aufs schärfste Einspruch er. hoben. Kein ErziehungSbcrechtigler wird gezwungen, seine Kin der in eine Bekenntnisschule zu schicken; kein Lehrer gezwungen, an einer Bekenntnisschule zu unterrichten. Um so mehr müsse», aber die christlichen Erziehungsberechtigten das Recht für sich bl Anspruch nehmen, daß die konfessionellen Schulen auch wirklich im Geiste ihres Bekenntnisses geleitet werden. Der Geschäftsführende Ausschuß der sächsischen Zentrums. Partei richtet an die deutsche Neichsregicrung das Ersuchen unverzüglich dasür Sorge zu tragen, daß der durch die Verordnungen 155 und 156 des sächsischen Kultusininisteriums vollzogene Bruch der Reichsverfassung aufgeho ben wird. Aus dem Wege zur Verständigung? Man schreibt uns aus Berlin: Der politische Horizont hat sich offenbar wieder etwas aufgeklärt. Wenn auch die Lage sich bedrohlich ansah. so hatte man doch in Negieruiigskreiscn immer die Hoffnung noch nicht aufgegeben, daß eine Verständigung noch möglich sei. Man mutz damit um so eher rechnen, als die belgischen Vertreter bei ihren Besprechungen mit der Reichsregicrmng volles Verständnis für die Lage Deutschlands, seiner Wirtschaft und seiner Negierung an den Tag legten. Ter diesen auch ausgesprochenen Eindrücken völlig zuwiverlausende Bescheid der belgischen Regierung mutzte daher rätselhaft erscheinen. Man komite zu der belgischen Ent schließung nur dann die richtige Einstellung gewinnen, wenn man wußte, was während der Verhandlung schon hinter den Kulissen vorgegangen war. Diese belgische Antwort stellt keine ultimative Forderung dar. Sie läßt ai.ch die Frage offen, ob das sogenannte Gold» depot wirklich in deutschem gemünzten Golde oder in Bürg schaften und Garantien gegeben werden soll, die einen Gsldersatz bedeuten würde». Nachdem die Neparationskommission durch ihren Bescheid ausdrücklich die Zahlungsunfähigkeit, ja sogar die Kreditunwürdigkeit Deutschlands offiziell notifiziert hatte, mußte das Hauptgewicht der Verhandlungen darauf gelegt werden, ob von außen her eine Stützungsaktion des deut schen Kredits unternommen würde. Bemühungen nach die- ser Richtung hi» wurde» vielfältig in die Wege geleitet,, aber immer und immer wieder stieß man bei den ausländischen Fi nanziers auf das Bedenken, das; innerhalb einer nur auf 6 Mo- nate begrenzten Lauffrist Deutschland seinen Verpflichtungen nicht Nachkommen könne. Die belgische Antwort kann daher auch von der Seite betrachtet werden, daß sie den Weg freiinachen wollte vo» Bedingungen, die der starre Wortlaut der Entschei dung der Neparationskommission ihr auf den Weg gab. Die Verständigung ist auch jetzt noch nicht aussichtslos. Auf der Grundlage der Marschrute der Ne- parationSkomMission freilich kann sie nicht zustande kommen» Deutschland kann ein Golddepot nicht auslicfcrii und eS kann sich unmöglich verpflichten, die noch fällige Summe von 270 Mil lionen Mark in einem halben Jahre zu leisten, noch dazu unter Umstanden, die ihm ohnehin die Beschaffung der dringendsten Kapitalien für die Ernährung der Bevölkerung erschweren. An diesem Punkt der Verlängerung der Schatzwechsel muß einge griffen werden,^ und wer die Dinge nicht politisch, sondern wirt schaftlich und nüchtern geschäftsmäßig betrachtet, mich zngeben, das; die kaufmännischen Geflogenheiten gar keine andere Lösung zu- laffen können. Von ganz besonderem Interesse ist zu beobachte,,, wie gegenwärtig immer mehr und mehr in den wirtschaftlich orientierten Kreisen die Neigung für eine wirklich nur geschäft liche Behandlung dieses Problems wächst. Diese Neigung ist in den letzten Tagen noch gefördert worden, daß die englischen Banken mit einem Mal französische Franken in gewaltigen Men gen auf den Markt warfen und dadurch den Fraiikcnkurs emp findlich drückten. Hier hat die internationale Finanzwclt Mittel in der Hand, ui» sehr bald die politische Hitze -:uch die kaus- luäiinische Kühle zu vertreiben. Die sozialistische Einigung ist inzwischen nun auch fornial von de» beiden Parteien, den Mchrheitssozialdemokrate» und den Unabhängigen dermaßen vorbereitet worden, daß an einem Zustandekommen dieser Eini gung nicht mehr gezweifclt werden kann. Auf sozialdemokratischer Seite ist man fast geschloffen für diese Einigung. Bei den Un abhängigen macht nur noch die Richtung Lcdebour Schwierig keiten. Ledebour kämpft gegen die Aufgabe des Prinzips des proletarischen Klaffenkampfes, insbesondere der Diktatur de-S Proletraiats, und er ist der Meinung, daß die Einigung einen Verrat am wirklichen Sozialismus darstelle. Er versucht, seinen Anhang für die Schaffung einer neuen, zum »lindesten sür die Beibehaltung der bisherigen unabhängigen sozialistischen Partei zu gewinne». Dieser Anhang Ledebours ist aber nicht besonders groß, und es ist außerordentlich bemerkenswert, das; bisher ganz radikal orientierte Persönlichkeiten innerhalb der Unabhängigen nicht auf Ledebours Seite stehe», sondern die Einigung mit. machen. Es verdient weiter hervorgchobcn zu werden, das; gerade der Führer der Unabhängigen Partei, Crispien, der noch in Leip zig eine so schroffe Rede gegen jede Konzession an die MehrheitS- sozialdem^ratie gehalten hat, auch in der Einigungsbewegung die Führerschaft übernommen hat und nun Seite an Seite mit dem von ihm ganz besonders heftig bekämpften Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei, dem Abg. Wels, schreitet. Die sozialistische Einigung hat also nur noch formell geschlossen zu werden, was aus den Parteitagen in Augsburg und Gera der Fall sein wird, wobei vielleicht in Gera einige lebhaftere Ausein andersetzungen zu erwarten sein werden. Der EinigungSpartci- tag der Sozialdemokratie wird dann unverzüglich in Nürnberg stattfinden und zwar soll er von je 150 Delegierten der Mehr heitssozialdemokraten wie der Unabhängigen beschickt werden. Neben den Führern der Leiden bisher getrennten Parteien werden als Ehrenvorsitzende Hermann Molkenbuhr und Fritz Geier fun. gieren, die schon dem im Jahre 1876 in Gotha abgehaltenen Eini- gnngSkongreß der Laffalleaner und Eisenacher beigewohltt haben.
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