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Nummer L39 — 23. Jahrgang Smal wöchentl. NezugSprelS: für Juni 2 R.-M. ausschl. vesteNgeld. Berechnung der Anzeigen nach Rent.-Mark. Preise: Die eingespaltene Petitzeile 39 s. Familien« u. VereinSanz., Gesuche 20 H. Die Petit-Reklamezeil« 89 mm breit, 1 »K. Offertengebühr für Selbstabholer 29 H, bei Uebersendung d. d. Vost außerdem Porto« zuschlag. Preis f. d. Einzelnummer 19 Sienten-Psennig. iLeschästlichkr Teil: Josef Fohmaun. Dresden. ÄüctisiMe Dienstag, den 17. Juni 1924 Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anz.-Austrägen u Leistung v. Schadenersatz. Für undeutlich u.d. Fernspr übermittelte Anzeige» übernehmest wir keine Ver antwortung. Unverlangt eingesandte u. mit Nückpork nicht versehene Manuskripte werden nicht aufbewahrt, Sprechstunde der Redaktion 5 bis 6 Uhr nachmittags, Hauptschriftletter: Dr, JosesAlbert-Dresden, volHMung Tageszeitung für christliche Politik und Kultu Geschäftsstelle der Lächflschen VolkSzettmig und Druck und Verlag, Saronla-Bachdrnckerei GmbH., ^ Drcsdeii-A. IS, Solbetnstrabe es, Fernrus L2722, Post- ^ schecklonIoDreSden 147M M Mn' Ae Weil »kl Nnn' M nene Mn' DreSde Medaltton der Sächsischen Volks,eituug Ldeu-ki. 18 LolboinNrane <v. gcrimii 3 Das Rätsel des fernen Ostens hat China dierussische S o w jet - R ep nb li k anerkannt. Von unserem außenpolitischen Mitarbeiter wirb uns ge- schrieben: China und Japan sind gegenwärtig die großen Rätsel der Weltpolitik. Was sich gegenwärtig dort vorbereitet, ist dem europäischen Festlande fast völlig undurchsichtig. Das aber dürfte sicher sein, daß das Ziel aller dortigen Vorkehrungen eine große Neuorientierung um die Macht im Stillen Ozean bedeutet. In Japan ist, hervorgerufen durch die amerikanische AuswauderungSpolitik, eine neue nationalistische Bewegung ent facht worden. Tie Beziehungen zwischen Japan und den Ver einigten Staaten haben sich in der letzten Woche unmittelbar verschärft. Der unbekannte Japaner, der zum Protest gegen die Japan durch das amerikanische EinwandernngSvcrbot angetane Schmach sich den Bauch aufschlitzte, also Harakiri beging, ist mit den höchsten staatlichen Ehren und unter dem Geleit von vielen Zehntanscndcn Menschen zu Grabe getragen worden. Dieser Japaner ist zu einem Shmbol und zu einem nationalen Mär tyrer geworden, und man muß die Psyche der Japaner, deren Macht und Nationalitätsgefühl gerade durch den Weltkrieg außer ordentlich gestärkt worden ist, kennen, um zu wissen, lvie auf die Massen dieser Vorgang wirkt. Die jetzt vorgenommenc Um- bidnng de japanischen Kabinett ist nicht etwa aslss eine Ent spannung, sondern als eine Verschärfung der Situation zu be werten. Anderseits sehen wir in China einen nicht inehr ver hüllten Drang, in der Weltpolitik eine Rolle zu spielen. Jetzt Der Kriegsminister Rollet Das Kabinett Keniat Paris, 16. Juni. Hcrriot hat den ihm vom Präsidenten der Republik erteilten Auftrag zur Kabinettsbildung angenommen. Er hat sich am Sonntag mittag 12 Uhr zum Ministerpräsidenten Francois Marsal begeben und von ihm offiziell dir Rcgicrungs- geschüste übernommen. Das Ministerium setzt sich wie folgt zu sammen: Vorsitz und Aeußeres: Herriot, Justiz: Senator Renault, Krieg: General Rollet, Marine: Dnmesnil, Kolonien: Da lädier. Befreite Ge biete: Dal dies, Pensionen: Bovier-Lapierre, Inneres: Chautemps, Finanzen: Senator Clementel, Unterricht: Senator Albert, Oeffentliche Arbeiten: Senator P e y t r a l, Handel: Naynaldi, Arbeit: Justin Go dart, Landwirtschaft: O u e n i l l e. ES sind ferner vier UnterstaatSsekretäre eingesetzt worden, und zwar Pierre Ronert für Post, Leon Meyer für die Handelsmarine, Laurent Eynac für die Luftschiffahrt und de Moro Giafferi für daS technische Unterrichts-Wesen. Paris, 16. Juni. Die Ernennung des Generals Rollet zum Kriegsminister erläuterte Ministerpräsident Herriot den Journalisten wie folgt: General Rollet, der Deutschland gut kennt, hat den sehr klaren Eindruck, daß es sich unter den gleichen Be dingungen wie Preußen nach 1806 wieder organisiert. Ich bin entschlossen, gegenüber der deutschen Demokratie eine liberale Politik zu treiben, aber eS ist nötig, daß eS im guten Glauben die Nationalisten verhindert, ihre Propaganda und ihre Organi sation weiter zu bctretben. Wenn wir keine Befriedigung erlangen könne», seien Sie überzeugt, daß wir viel schärfer gegenüber Deutschland 'sein werden, als andere. Tic Teilnahme des Gene rals Rollet a» der Negierung ist für die Nationalisten und alle Deutschen daS sichtbare Zeichen, daß wir ihnen nicht gestatten werden, nnS zu täusche» n»d dc„ Frieden zu kompromittieren. sDiese Acnszerunge» HerriotS sollten manchen Deutsche» zur Bcschanlichleit dienen. Die Red.) Paris, 16. Juni. Die Presse drückt im allgemeine» ihre Befriedigung darüber aus, daß Herriot die politisckw Krisis so schnell beendet hat. Im übrige» verhalt sie sich abwartend, soweit sie nicht die Erneimnng des Generals Rollet zum KriegS- miuister sympathisch begrüßt. Paris, 16. Juni. Hcrriot hat den Posten eines General sekretärs beim Ministerpräsidenten geschaffen und dieses Amt dem ehemaligen radikalen Abgeordneten Alexandre Israel übertragen. Rußland legt einen ganz auffallend großen Wert auf diese An erkennung, und es gewährt dafür Konzessionen» die nach Lage der Dinge ganz außerordentlich erscheinen müssen. Es räumt den von Sowjet-Truppen besetzten Teil der Mongolei, der wieder als ein unantastbarer Bestandteil Chinas anerkannt wird. Gleich zeitig steht Japan mit Rußland in Verbindung wegen der Anerkennung, und man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß ditz russischen Machthaber gerade um deswillen so kon- zessionSbercit gegen China sich zeigen, umdie englischen Kreise, die sich um Japan bemühen, zu schlagen. Japan wehr! sich gar nicht gegenüber diesen! Entgegenkommen Rußlands, denn es hat ein Interesse daran, nun den amerikanischen Schlag ouccli einen Gegenzng zu parieren, der nach Lage der Dinge nur in einer Annäherung an Rußland bestehen kann. Daß Japan bei dieser Aktion ans zwei Schultern Wasser trägt, ist klar, es kann ihm ganz gewiß nicht mit einer Stärkung ge bient sein. Aber es sieht sich für jetzt doch z» dieser Anlehnung ge- nötigt, da England gegenwärtig nicht imstande ist, die japanische» Interessen gegenüber Amerika wahren. So stehen wir im fernen Osten vor Entwicklungen, die wir, wie gesagt, zwar noch nicht ganz zu durchschauen vermögen, die wir aber in ihren Endzielen und damit in ihren Wirkungen auf die internationale Politik nicht anS den Augen verlieren dürfen. Die ReglcriWsnIiliiiMil Paris, 16. Juni. Herriot hat gestern vormittag dem un- bekannten Soldaten seine Huldigung dargebracht. Heute vormittag 10 Uhr hält das neue Kabinett die erste Sitzung ab, der um 4 Uhr nachmittags ein Ministerrat unter dem Vorsitz des Präsidenten der Republik folgen wird, um die Regierungs erklärung sestzulegen. In der Regierungserklärung, die Herriot am Dienstag vor der Kammer und im Senat zur Kenntnis bringen wird, wird er sich gegen die Durchführung der Dekrete, welche Poincare von der Kammer verlangt hatte, aussprcchen. Ferner wird er für die Durchführung der Amnestie in bcstinimtestec Weise eintreten, ebenso für die Herabsetzung der dreijährigen Dienst zeit und für die Organisierung einer nationalen Armee. Aus dem Gebiete der Steuerpolitik wird er sich im allgemeinen gegen neue indirekte Steuern aussprechen, dafür aber eine stärkere Besteuerung des Kapitals Vorschlägen. Aus dem Ge biete der äußeren Politik wird sich die Erklärung Herriols in der Hauptsache über folgende Fragen erstrecken: Eintritt aller Nationen in den Völkerbund, sofern sie bereit sind, die Satzungen des Bundes zu befolgen. Ferner: Ausrccht- erhaltung der R u h r b e se tz u n g, bis Deutschland mit dee praktischen Durchführung des Sachverständigengutachtens be gonnen hat und schließlich Durchführung der Abrüstungs kontrolle unter weitestgehender Uebertragung der Ab rüstungskontrolle und der Frage der Sicherheiten aus den Völkerbund. Paris, 16. Juni. Es besteht kein Zweifel, daß Herriot so- wohl in der Kammer wie im Senat eine dcträchliiche Mehr heit bei der Abstimmung über seine Regierungserklärung er zielen wird. In der Kammer rechnet man mit 12(1 bis 140 Stimmen Mehrheit. Die Mehrheit der Kammer wird alles daran setzen, die Regierungserklärung vor Freitagabend zur A b- stimmung z» bringen, damit Herriot seinem Wunsch gemäß den Sonnabend und Sonntag frei hat, um seine Zusammen kunft mit Macdonald zu verwirklichen. Herriot und Maedonald Paris, 16. Juni. Der Korrespondent des „Temps" meldete gestern abend ans Brüssel, daß man in politischen Kreisen daran fcslhalte, daß Herriot vor seiner Zusammenkunst mit Macdonald eine Besprechung mit dem belgischen Minister präsidenten und dem belgischen Außenminister habe. Macdonald, der gestern nach London abgefahren ist, er klärte i» einer Rede in Elgin: Ich hoffe, daß wir bald den Tee Jubeljahre. --- Die Feier ihrer Verkündigung. — Die päpstliche Bulle. Von unserem ständigen römischen Vertreter Rom. 16. Juni 1924. Die feierliche Zeremonie, mit der das Jubeljahr für 1923 Sngcsagt wurde, weckt die Erinnerung an andere derartige Zere monien, die in früheren Zeiten die Verlesung der päpstlichen Ver- lündignngsbulle begleiteten. Das Jubeljahr, bas soeben ver kündigt wurde, ist das 22. Das erste war jenes im Jahre 1300, -als Papst Bonifazius VIII. aus dem päpstlichen Stuhl saß und an dem der göttliche Dichter Dante Alighieri, teilnnhm; bas zweite war im Jahre 1350 unter Klemens VI. in der traurigen Periode des päpstlichen Exils in Avignon; bas dritte fand statt zur Zeit Urbans VI. im Jahre 1389 beim Beginn des Schis mas. Das vierte folgte schon zehn Jahre darauf am Anfang des 15. Jahrhunderts, als Bonifazius IX. regierte; das sünstc wurde von Martin V. im Jahre 1423 verkündigt, das sechste im Jahre 1450 unter Nikolaus V., das siebente im Jahre 1475 unter Sixtus V. Im Jahre 1500 verkündigte Papst Alexänder VI. ans Hause Borgia das Jubeljahr und führte zugleich den Brauch ein, die Flügel der heiligen Pforte zu öffnen; im Jahre 1525, bei nahe am Vorabend der Plünderung Roms, erösfnete Klemens der Siebente das neunte Jubeljahr. Und so wurden weiterhin Jubeljahre verkündigt wie es die Wechselfälle des SchisfleinS Petri mit sich brachten und zwar: Im Jahre 1650 von Paul lll., im Jahre 1575 von Gregor XIll., im Jahre 1600 von Klemens dem Achten, 1625 von Urban VIll., 1650 von Innozenz X., 1675 von Klemens X., 1700 von Innozenz XIII., 1725 von Bene dikt Xlll., 1750 von Benedikt XIV., 1775 von Pius VI. Tie politische Lage in Europa hinderte PinS VII., der in der Kirche des heiligen Georg auf der Lagune zu Venedig zum Papst gewählt worden war, bas Jubeljahr zu verkünden, das dafür im Jahre 1825 von Leo Xlt. eröffnet wurde. Von da ab bis zum Jahre 1900 blieb infolge der Ereignisse der Jahre 1850 und 1875 die Heilige Pforte geschlossen. Leo Xlll. wollte nicht in da? neue Jahrhundert eintreten, ohne die Katholiken der ganzen Welt nach Nom zu rufen zur Feier des Jubeljahres. Die feierlichen Festlichkeiten spielten sich mit der ganzen Pracht des römischen Ritus ab, als der neunzig jährige Greis am 24. Dezember 1899 zur Oefsnung der heiligen Pforte schritt. Nom war dainals das Ziel etwa einer Million von Pilgern, ohne baß der kleinste Zwischenfall die öffentliche Ordnung ober die Erhabenheit des Festes gestört hätte. Es wurden bei jener Feier der Gründer der Bruder schaften der christlichen Schulen, Johann Baptist de la Salle, ^ sowie die Nonne Augustine Rita da Cassis kanonisiert, 67 ana- mitische Märtyrer wurden selig- und 6 ehrwürdig gesprochen. Nach einem Zeitraum von 25 Jahren bereitet sich nun Pius der Neunte darauf vor, die Schätze der Jndulgenz wieder zu öffnen und hat deshalb vor wenigen Tagen die Bulle zur Wiederkehr des Jubeljahres verlesen lassen. Im Thronsaal der päpstlichen Gemächer hat der Papst in einer ganz kurzen und einfachen Feier die Bulle an Monsignore Wilpert, den Dekan der päpstlichen Protonotare, ausgehändigt, der sich daraufhin in die Vorhalle der vatikanischen Basilika begab, um die Bulle dort zu verlesen. Es nahmen an dieser Zeremonie zwei päpstliche Notare in ihren historischen Kostümen teil, sowie alle höheren Würdenträger des päpstlichen Hofes. Während der Zug sich in die Vorhalle hincinbcwegle, er klangen die Glocken des größten Tempels der Christenheit dem Ereignis, mit dem für die Kirche ein neuer Abschnitt ihrer Hohen geistigen Macht beginnt. Um eine kleine Kanzel herum, die vor der Statue Karls des Großen errichtet war, hat Monsignore Wilpert mit lauter Stimme in Anwesenheit sämtlicher Prälaten und des ganzen vatikanischen Kapitels die päpstliche Bulle ver lese», die er hieraus an Monsignore Capotosti übergab, um sie in den übrigen Pfarreien Roms zu veröffentliche». Mit diesem feierlichen Akt ist der ganzen katholischen Welt das nächste Jubel jahr verkündigt. ^ Was nun den Inhalt der Bulle betrifft, so läßt sich dieselbe zunächst darüber aus, was das Jubeljahr für eine Vedentuiig hat, indem sie aus die besondere Spende von Ablässen hinweist, die nur bei wichtigen Gelegenheit gewährt werden und die in diesem besonderen Falle für die ganze Zeit verlängert sein sollen, während die Flügel der heiligen Pforte offen sind (vom 24. Dezember 1924 bis zum 24. Dezember 1925). Die Bulle erinnert sodann daran, daß die Pilger, die in Nom erwartet werden, eine Handlung des Glaubens und der Demut voll bringen müssen, wie die christliche Religio» es von ihnen vcr- langt, und sie hofft, daß so der Frieden und die gegenseitige Liebe unter den Völkern befördert wird, soviel ihrer auch hier zusaminenkommen und zu welchen Nationen sie auch gehören mögen, wenn sie am Grabe der Apostel für das Heil ihrer Seelen beten. Das kommende Jubeljahr hat auch den besonderen Zweck, in den Gläubigen den Wunsch rege zu machen, daß alle Menschen unter einem einzigen Hirten sich sammeln mögen, ein Wunsch, der nicht verfehlen wird, einen heiligen Eifer zu entzünden, um auch die Fernsten mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zur Mitarbeit aufznrufen an dem Werk, das berufen ist, seine wohltätige Wirkung ausznnbcn ans alle, die noch ohne Erlauben sind. Ter Papst drückt schließlich den Wunsch ans, die Pilger mögen demütigen Sinnes nach Rom kommen und die Beschwer, lichkciten, die die Reise ihnen anferlegt, mit Geduld tragen. Tie päpstliche Bulle für das Jubeljahr spielt so, wenn auch versteckt, auf die Ereignisse an, die im gegenwärtigen Augenblick Negie rungen und Völker mit Sorge erfüllen. Der Frieden und die gegenseitige Liebe sind in der Tat die beste Grundlage für die Gerechtigkeit, auf die sich die zukünftige menschliche Gesell schaft gründen muß, wenn wir uns für immer von dem Ge spenst des prieges entfernen wollen. Nach der Weissagung des Malachias wird der vorletzte Potifex den Wappcnsprnch führen: „unnS Pastor et nimm Ovile", d. h. ein Hirt und eine Herde, und in diesem Zustand wäre jede Trennung und jede Spaltung aufgehoben und alle Christen wären im Schoß der katholischen Kirche vereinigt. Dieser Wahr- Iprnch fordert alle ans, in der wirksamsten Weise »ntznwirken bei der Ausbreitung de-Z Glaubens auch in den fernsten Ländern. Tie große Ausstellung der Missionen will gerade in dieser Hinsicht einen glänzenden Beweis geben von ihrem un sichtbaren und unermüdlichen Wirken nnter Aufopferung und Ent- bchrnng, um die Glaubenslosen zu der Reinheit der Lehre Christi hcranznsührcu, die Lehre, auf die sich die Kraft und die Macht der Kirche gründet- und die nie und nimmermehr ver gehen wird. Tr. Z.