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itlwoch, 1. April 1925 Im Fall« höherer Gewalt erlischt ,ede Verpflichtung .. Anzeigen übernehmen „ Wortung. Unverlangt eingesandte und mit Rückporto nicht versehene Manuskripte werden nicht ausbewahrt. Sprechstunde der Redaktion 5 bis 6 Uhr nachmittag». Hauptschriftleiter: Dr. Joses itllbert. Dresden, Nummer 76 — 24. Jahrgang 0mal wöchtl. Bezugspreis: für April 2,50 .«'einsckl Bestellgeld, «nzc grnprrise: Tte lgesp.-zjeiilre'le:!» Stellengeluche 2V Ti« PetU-ReNamezeile 89 Millimeter breit, 1 ^ Ofsertengebühr sür Selbst abholer 20 bet Uebersendnng durch die Post außerdem Portozuschlag. Einzel-Nr. 10. SonntagS-Nr. 15 H. veickäktlielier Teil: Joses Kohmann, Dresden. '»>>!»» in »«mx!»SW»»«»' ?> kl Mklg.zg I I«l,I 1ZS5Z II. 7MI , Mitten U>»slviis«»fte»« der S«chsls-r«u Volkszettuna und Drin« und Perlon i Suxonia-Buchdruiicrei GmbH. Dresden.«»». IS. Holbetnstrake 46. gernnif 327.-2. PostlchcrkkoiNo Dresden 147S7. Für christliche Politik und Kultur Red.'kUvn der Tächsifchen PolkSzettuns ! Dresden-Allst. IS. Holbcmslrnhe Ul. gernn» 3-1A, und 33öS-« I Was wir- nun? Die letzte Wahl vom 29. März sollte grundsätzlich eine überparteiliche Wahl sein. Dieser Charakter der Ueberparteilichkreit aber kam in Wirklichkeit nicht zu stande. Zwar suchten die Iarres-Parteien ihrem Kan didaten dieses Merkmal auf alle mögliche Art und Weise beizulegen, aber es war doch allzu bekannt, daß gerade sie die eigentlichen Vereitler jener Sammelkandidatur Geß- ler gewesen sind. So half alles Vertäuschen nichts, aller Aufwand an propagandistischen Reden. Pressefeldzügen und farbenreichen Bannern war vergebens. Gerade die Kandidatur Iarres war und blieb die einseitigste Parteikandidatur, die zu denken war. Man ist sich heute im Lager der Iarresleute voll ständig darüber klar, datz ihr Kandidat ein Fiasko erlitten hat. Verschiedene Stimmen, die vorige Woche noch mit peinlichster Gewissenhaftigkeit sich für die überragenden staatsmännischen Fähigkeiten Dr. Iarres erwärmten, er teilen diesem Manne heute bereits den Rat, doch nicht taub und verschlossen sein zu wollen, wenn er dem Vater lande ein Opfer bringen müsse. Mit anderen Worten: wenn er im Interesse des Vaterlandes oder man kann auch sagen, des Rechtsblockes, einem anderen „besseren" Manne Platz machen müsse. Wir wollen uns hier nicht weiter darüber den Kopf zerbrechen, ob Iarres nun wirk lich weichen wird, ob man ihn zwar zunächst ausstellt sum den Schein zu wahren), ihm aber gleichzeitig nahelegt, nicht anzunehmen, oder ob Iarres letzten Endes doch blei ben wird — das alles sind vorläufig noch Kombinationen. Es kommt hier zunächst auf die Feststellung an, datz Iar res bereits im ersten Wahlkampf versagte, und datz er im zweiten gegenüber den geschlossenen übrigen Parteien (Die Radikalen sind natürlich nicht mitzunehmen) aber mals auf das Bestimmteste versagen wird. Die überwäl tigende Mehrheit des deutschen Volkes wendet sich mit aller Entschiedenheit gegen diese Kandidatur. Das mutz ein deutlicher Fingerzeig bei den Neu beratungen für die zweite Wahl sein. Es steht offenbar ein Doppeltes in Frage. Erstens: schnellstes Han deln. Zweitens: die Auswahl der geeignetsten Persönlichkeit. Bekanntlich erringt beim zweiten Wahl gang derjenige Kandidat den Sieg, der einfachhtn die mei sten Stimmen hat. sEr braucht nicht mehr über die Hälfte aller abgegebenen Stimmen zu haben). So kann unter keinen Umständen eine Zersplitterung der Parteien in Frage kommen, weil sie sonst mit absoluter Sicherheit dem Rechtsblockkandidaten zum Siege verhelfen würden. Denn über 10—11 Millionen Stimmen, wie der Iarresblock sie aufbrachte, verfügt keine einzige einzelne Vartei. Wo liegt denn heute die I n i t i a t i v e? Wo ist die Par tei, die auf Grund ihrer bisherigen Einstellung, und auf Grund ihres politischen Ansehens einen Mann zu stellen vermöchte. dernachallenSeitenzum Sammeln rufenkönnte? Es nützt nichts, daß wir mit großen Umschweifen um diese Frage herumgehen. Diese Partei istohneZweifeldasZentrum. Schnell st esHandeln ist erforderlich. Es mutz unter allen Umständen vermieden werden, daß erst alle möglichen Experimente gemacht werden, daß erst alle möglichen Namen lang und breit in die öffentliche De batte geworfen werden; ein einziger Name muß die Pa role sein. Es geht nicht an, daß man allerkostbarste Zeit ver säumt und sich vielleicht von neuem in aussichtslose Ver handlungen einlassen wollte, wie sie das letzte Mal der Löbellausschuß „so ausgezeichnet" geführt hat. Oder soll schließlich wieder das Zentrum von einer verantwor tungslosen Gruppe als der Zerschlager irgendeiner „rein theoretisch ausgestellten Sammelkandidatur" hingestellt werden? Nur mit ehrlich Wollenden ist eine Verhand lung möglich. Wenn das Zentrum heute von sich aus M ar x als den Sammelkandidaten aller verfassungstreuen Deutschen « aufstellen würde, so wäre eine Richtung gewiesen, in der sich alles übrige orientieren könnte. Unzweifelhaft ist ja heute Marx von allen, die für den Präsidentschaftsposten in Frage kommen — mögen sie nun bereits im ersten Wahlgang genannt sein, mögen sie noch irgendwo in der Reserve gehalten werden — der beste und auserlesenste, den das deutsche Volk nominieren kann. Die Person Marx bietet also grundsätzlich in keiner Weise eine Schwie rigkeit. Nack keiner Richtung hin kann sie grundsätzlich anstoßend gedeutet werden. Wo es geschieht, sind nur allzu engherzige Partei- oder persönliche Gründe (siehe Stresemann) maßgebend. Man wirft so gern von rechts her jetzt das Schlag wort von der Wiedervereinigung der Weimarer Koalition in die Debatte. Es ist als Brandmal gedacht für ein Zu sammengehen des Zentrums, der Demokraten und der Sozialdemokraten gegen den Iarresblock. Dieses Schlag- wort ist eine jener volksverhetzenden Lügen, die in letzter Zeit so überaus häufig die Rechtspresse füllten. Es entspricht ganz dem Geist, aus dem die „Einheitskandi datur" Iarres entstanden war. Nämlich der Betrachtung M M» »MiWllMN »UWM! Don den führenden Blättern des Zentrums, der Demokra ten und Sozialdemokraten wird einmütig betont, datz eine Sam melkandidatur der verfassungstreuen Parteien im zweiten Wahl- gange notwendig ist. Die „Germania" schreibt: Der 29. Mär.; l>at gezeigt, datz die Mehrheit des deutschen Volkes Herrn Iarres nicht ni seinem ersten Vertreter haben will. Der 26. April mutz die Möglichkeit schaffen, diesen Willen in die Tat umzusetzen. Gestern sind die Parteien der verfassungstreuen Mitte gesondert vor gegangen. Im zweiten Wahlgang müssen sie vereint schlagen. Es gilt, unverzüglich einen gemeinsamen Kandidaten der ver fassungstreuen Mittelparteien aufzustellen, um so dem deutschen Volke Gelegenheit zu geben, seine vorgestern bekundete Willens meinung praktisch wirksam werden zu lassen. Der Rechtskandi datur Iarres mutz im zweiten Wohlgong ein verfassungs treuer Volks Kandidat gegenübergestellt werden. Dann kann keinen Augenblick zweifelhaft sein, welchen Bewerber das deutsche Volk am 26. April auf den Präsidentenstnhl heben wird. Dazu bemerkt das „Berliner Tageblatt": „Die „Germania" scheint damit zu rechnen, datz die republikanischen Parteien sich aus Herrn Marx einigen werden. Man darf annehmen, datz keine der drei Verfassungsparteien die revublikanische Eini gung an der Personen frage scheitern lassen wird." Der „Vorwärts" betont heute nochmals, datz er es ebenso ivie die „Germania" für unbedingt notwendig halte, für den zweiten Wahlgang einen einheitlichen Kandidaten aller- aufrechten Republikaner oufzustellen. MW m w WWMUtzl Für heute ist eine Sitzung des Preußischen Landtages ange setzt, auf deren Tagesordnung „Neuwahl des Ministervräsldentvn" steht. ES ist kaum zu erivartc», datz dieser Punkt der Tagesord nung i„ letzter Minute adgcsetzt werde» wird. Andererseits hat sich bis zur Stunde noch keine Möglichkeit einer positiven Lösung gezeigt, da Rechtsparteien nnd Kommunisten in ihrer Ob struktion verharren. Als Führer eines Bcamtenkabinctts wurde vorübergehend der Landeshauptmann von Westfalen, Dieck mann, genannt, doch gilt diese Möglichkeit heute als erledigt. Unter diesen Umständen ist es begreiflich, datz sich die Stimmen mehren, die »ach einer Auflösung des Preußischen Land tages rufen. Tie Zahlen, die sich bei der Präsidentenwahl am 29. Mürz ans dem preußischen Gebiete ergehen haben, gewinnen vo» diesem Gesichtspunkte aus grosses Interesse. Tie sämtlichen preußischen Wahlkreise mit Einschluß von Weser-Ems, zu dem antzerpreutzische Gebietsteile gehören, und mit Ausschluß des Wahlkreises Thüringen, der preußische Ge bietsteile umfaßt, zeigen folgendes Ergebnis: Zentrum 3 074 900 Demokraten 918 000 Sozialdemokraten 5 063 099 9 055 000 Nechtsblock 6 664 000 Bayerische Volkspnrlei 112 00« Ludendorss 146 000 „Für den Neichsblock, der bisher den Oberbürgermeister Dr. Iarres an seine Spitze gestellt hat. liege» die Dinge so. datz er gegenüber einer Einigung der Weimarer Parteien wenig Aussicht für einen Erfolg im zweiten Wahlgang hat, selbst wenn ihm die Stimme der Bayerischen Volkspartei und der Hitleraner sowie eines Teiles der Aufwertungssanatiker zu fiele, die im ersten Wahlgang zum Teil sich der Stimme enthiel ten, zum Teil den Sozialdemokraten gewählt haben. Es wird sich für den Reichsblock die Notwendigkeit ergeben, zunächst einmal seine innere Geschlossenheit zu bewahren und zweitens sofort mit den anderen bürgerlichen Parteien, insbesondere dem Zentrum in Verbindung zu treten, um alle Möglichkeiten einer bürgerlichen Sammelkandidatur aus breiterer Grundlage durchzusprechen." Demgegenüber kennzeichnet die „Kölnische Volkszeitung" die Stellungnahme des Rheinischen Zentrums solgendermatzen: „Es mutz der Versuch gemacht werde», eine Versassungs- und Volkskandidatur aufzustellen. Die Parole kann nicht anders lauten als dahin, datz die verfassungstreuen Parteien gemeinsam die verfassungstreue Per sönlichkeit Herausstellen, von der man annehmen mutz, datz sowohl sie selbst als auch die hinter ihr stehenden Parteien, Gruppen und Kreise das Werk von Weimar im aufbaucnden Sinne des Friedens und der politischen Versöhnung fortsetzen und vollenden — und worauf es ankommt — richtig vollenden." NS «W MM MM-W München, 31. März. Ter Landesmisschuß der Bäuerischen Bolksvnrtei ist zum 4. April nach München zu einer Timing einbernfen worben, in der zu dem zweiten Mahlgang des Reichs präsidenten Stellung genoinmrn werden soll. In ihrem Kommentar zu dem Ausfälle der Relchspräl-i- dentenwahl schreibt die „Bayr. Polk-sp.-Korresp." u. a., es gib« nur eine Lösung, und zwar ,.S a m m e l k a n d i d a t n r". Man müsse dort anfangen, wo man auigehört habe, als die beinahe Einigung sämtlicher bürgerlichen Kräfte an der Taktik der un entwegten Iarresleute scheiterte. Es werde schimr sein, das Zentrüin zu einer gemeinsamen Schlachtfront zu bringen: doch werde sich die Bayerische Volkspartei vorbehaltlos in den Tienst der Einignng-sidce stellen. Amerikanische Urieile Nenyork, 31. März. Tic Zeitungen nehmen vorläufig nur wenig Stellung zum Ausfall der Präsidentenwahl. Sie unter streichen die Tatsache, daß die radikalen Flügelparteie,, sehr schlecht abgeschnitten haben. Tie „Nenyork Sn»" ist die An sicht, daß dis republikanischen Parteien gewonnen hätten, wenn sie nur einen Kandidaten aufgestellt Hallen. K. Der Arbeitsplan des Reichstages Berlin, 3l. März. Ter Aeltestenrat des Reichstages soll heute eine Stunde vor der Plenarsitzung, die ans 3 Uhr anbwanmt ist, zusammentretcn, um die Geschäftsdispositionen lür die nächste Zeit zu trefse». In Aussicht genommen ist vorläufig, datz der Reichstag diese ganze Woche Plenarsitzungen abhaltcn wird und dann in die Osterserien geht, die sich aber diesmal nicht auf die üblichen zwei Wochen beschränken, sondern mit Rücklicht auf den zweiten Mahlgang für die Präsidentenwahl bis zunr 26 April dauern werden. 6 896000 . Kommunisten ' 1200 000 Wenn also am 29. März für den preußischen Landtag ge wählt worden wäre, so hätten die jetzigen Regierungsparteien, Demokraten, Sozlaidemokraten und Zentrum, eine überlegene absolute Majorität erlangt. MMllMMW Laut „Germania" tritt der Reichsparteivorstand der Zentrumspartei heute mittag 12 Uhr zu einer Sitzung mit der Tagesordnung „Präsidentenivahl" zusammen. Der Rcichs- parteiausschutz der Zentrumspartei ist, wie wir bereits meldeten, für Donnerstag nach Berlin berufen worden. Der Ausschluß des Reichsblocks (der unrühmlich bekannte „Löbell-Ausschutz) tritt ebenfalls heute und zwar schon um 10 Uhr zusmmnen, um sich mit der Kandidatenausstellung sür den zweiten Wahlgang zu befassen. Absage -es Rheinlan-es an Iarres Köln, 3t. März. Während die Berliner Blätter des Nechts- blockes das Gesicht zu wahren, missen und von den gewaltigen Erfolgen der Kandidatur Iarres erzählen, gibt die „Kölnische Zeitung", das Organ der Deutschen Bolkspartei im Rhein land, offen ihrer Enttäuschung Ausdruck. Sie betont, datz Iarres als Kandidat für den zweiten Mahlgang nicht mehr in Frage kommt und schreibt: Iufammenarbeik -er -eulfchen un- engttschen Stu-enlenfchaft London, 31. März. „Taily News" melden "aus Oxford, daß auf dem Kongresse der nationalen Studentcnvereinignng und aus der ersten Session der akademischen BölkerbundSver- einiguug Reden gehalten wurden, in denen die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit mit den deutschen Studenten :-ecvor« gehoben wurde. Eröffnung -er Kolonialen Woche in Berlin Berlin, 31. März. Anläßlich der Eröffnung der Ber liner Kolonial wache sprach Reichskanzler Dr. Luther namens der Reichsregierung einige Geleitworte. Er sagte unter anderen: Sechs Jahre bereits entbehrt Deutschland seine Kolo nien. In angespannter Arbeit weniger Jahrzehnte haben deutsche Ansiedler. Kaufleute, deutsche Beamte und Aerzte, deutsche Missionare die Schutzgcbicte derart entwickelt, das; ihre Wirtschaft und Verwaltung mit den Kolonien der größten Kolo- nialvölkcr nicht nur wetteifern konnten, sondern sie in mancher Beziehung übertrafen. Meinem Wunsch und meiner Hoffnung gebe ich in den Worten Ausdruck: Deutsches Volk, gedenke deiner Kolonien! Dr. Stresemann erklärte: Die Kolonialfrage ist sür unser, auf ein zu enges Gebiet zusammengedräiigtcs Volk von größter Bedeutung. Dem festen Zukunstswillen des geeinten Volkes zu kolonialer Betätigung kann aus die Dauer der Erfolg nicht versagt werden. der Präsidentenwahl als eine P a r t e i angelegenheit. Von oer Errichtung einer Weimarer Koalition oder eines sog. „Linksblockes" kann überhaupt nickt die Rede sein. Die Sachlage ist einfach diese: Das Zen trum steht in der Mitte aller politischen Parteien. Und weil es den Mann besitzt, der als der geeignetste und fä higste aller Präsidentschastsanwärter bezeichnet werden muß, so hat es ein Recht, ja sogar die Pflicht, diesen Mann zu präsentieren. Ein anderer Weg käme nur in Frage, wenn von vorherein fest stände, daß Marx nicht die genügende Unterstützung anderer Parteien ans irgendwelchen Umständen fände). Ist dieser Mann, den wir hier ruhig Marx nennen können, aufgestellt, so ist es Sache der anderen Parteien, sich in aller Oeffentlichkeit für oder gegen ihn zu entscheiden. Wir nehmen hier keine Partei, weder rechts noch links, aus.