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Sächsische Volkszeitung : 22.03.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-03-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192503228
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19250322
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19250322
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-03
- Tag 1925-03-22
-
Monat
1925-03
-
Jahr
1925
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 22.03.1925
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777- - ! MM ^ ^ ^ Eichendorss Ein Dichter unserer Zelt. Bo» Heinrich Zerkaulen. „Fotz das Steuer, latz das Zagen! Aufgerollt hat Gottes, hond diese Wogen zum Befahren, und die Sterne: Dich zu wahren!" Der dieses schrieb in seinem Buche „Dichter und ihre Ge sellen" hat längst Heimatrechte in Deutschland. Mehr noch, er ist zu einem Stuck Deutschland selbst geworden. Wie Beethoven es wurde, wie Nillzard Wagner, Hans Sachs, Bismarck, wie hun dert andere. Jeder verschieden in seiner Art, jeder ein Ausschnitt deutscher Seelenkullur. Eichendorfs aber, das ist der griine Wald, das ist Heimweh zur Liebsten, das ist Wandern mit Laute und Stecken, das ist ein Lied auf Gottcssternenhimmel gedichtet, das ist ein Winken vom höchsten Berg in der Runde, und das Waldhorn bläst die Melodie dazu: Grütz dich, Deutschland, aus Herzensgrund! „Es ist ein wunderbares Lied in dem Waldesrauschen un serer heimatlichen Berge. Wo du auch seist, es findet dich doch einmal wieder, und wäre es durchs offene Fenster oder im Traum. Keinen Dichter noch lieb seine Heimat los. Wer «inen Dichter recht verstehen will, mutz seine Heimat kennen; auf ihre stillen Plätze ist der Grundton geibannt, der dann durch alle seine Biicher wie ein unaussprechliches Heimweh fortlilingt." Also spricht der Dichter selber in diesem Roman seiner Heimat am weitzen Schlosse Lubowitz in Schlesien, ivo er am 10. März 1788 geboren wurde. Ein Paradies war seine Jugend, nicht nur äußerlich. Die Eichcndorffs, altem katholischen Adel entstammend, waren Her ren ausgedehnter Güter. Alle Miesen des Parmatzes knieten an seiner Wiege. Tanzen, Fechten, Reiten, so fing das Leben an. Theater wurde gespielt, es gab glanzvolle Feste mit Feuerwerk zum Schluß. Herrliche Ausfahrten in der offenen Kutsche wur den unternommen in Gottes schöne Welt hinein. Auch ein anderer an seiner Stelle wäre zum Dichter geworden! In Breslau besuchte Joseph von Eichendorfs mit seinem Bruder Wilhelm das „Konvikt", Gymnasium würde man heute sagen. Mit siebenzehn Jahren ging es dann auf die Universität »ach Halle, mitten in die Romantik hinein. Auch hier gab es unvergeßliche Ausflüge, auch hier, im be nachbarten Lauchstädt, waren die Musen immer auf Gastspiel reisen. Der Theaterdirektor Goethe und sein Freund Schiller gingen dazumalen leibhaftig noch durch die Gassen und der Gie- bichenstcin winkte wie eine Fahne ins Land hinein. Aber in all diese Freude brach jäh der Umsturz, di« preu ßische Armee wurde von Napoleon bei Jena geschlagen. Halle hatte aufgehört Universitätsstadt zu sein. Da lockte Heidelberg! Hier lebten Arnim und Brentano, hier fand Eichendorff den schwänneriscizen Freund seiner Jugend, den Grafen Otto Heinrich von Loeben. Und er bekennt: „Wie großartig im Vergleich mit anderen Studenten war namentlich der Heidelberger Kommers. Hoch über der Stadt aus dem Aliane des halbverfallenen Burgschlosses, wenn rings die Täler abend lich versanken und von dem Schlosse nun der Widerschein der Fackeln die Stadt, den Neckar und die darauf hingleitenden Ölachen beleuchtete, die freudigen Burschenliedcr dann wie ein Friihlingsgruß durch die träumerische Stille hinzogen und Wald und Neckar wunderbar mitsangen." Hier reift der Dichter in ihm, der Sänger der Romantik. Und Eichendorff wird zur lebendigen Praxis auf die papierne Theorie! Ein Eigener steht er da, inmitten der Goethe-Anbeter. Nicht, als ob er ihn weniger liebte, aber er sagte doch: „Auf das Wohlsein der Poeten, die nicht schillern und nicht goethen, durch die Welt in Lust und Nöten segeln frisch auf eigenen Boetenl" Das Weltbild in ihm rundet sich. Brennpunkt bleibt die Religion, „wie der goldene, alles durchdringende Aelher". So wächst seine Dichtung aus, die, wie selten sonst, eine reine Har monie bildet zwischen Künstler und Mensch. Er hat eine Braut, ihm winkt die feste Anstellung im österreichischen Staatsdienst und doch wird er Soldat im Liitzowschen Freikorps, da die Be freiungskriege auslodern: „Wer in der Not nichts mag als Lauten rühren, des Hand dereinst wächst mahnend aus dem Gral'." Wir besitzen eine Briefstelle, die den Eichendorss jener Zeit ganz so schildert, wie wir ihn uns nach seinem .Handeln, nach seiner Auffassung von Welt und Kunst unwillkürlich vorstellen: „Auf dem schlanken, kräftig gebauten Körper von edelster Hal tung rnht das zuversichtliche, fast kecke Haupt, nach damaliger Sitle von reichen glänzend braunen Locken umwallt. Aus den belebten Zügen spricht Begeisterung, Kraft und männlich« Ent schlossenheit. Aus den tiefblauen, feurigen Augen zugleich ein herzliches Wohlwollen. Der äußere Lebensweg unseres Dichters ist der getade Weg eines rechten Mannes, der seine Arbeit im bürgerlichen Sinne einschätzt, dessen Kunst zugleich köstlichstes Ausruhen bedeutet. Läßt er doch den Dichter Lotliario ganz klar aussprechcn: „Pro session vom Dichten machen, das ist überhaupt lächerlich, als wen» einer beständig verliebt sein wollte, und noch obendrein aus offener Straße." Nachdem er seine Braut, die liebreizende Luise von Larisch, Heimfahrt, widmet er sich dem Staatsdienste, wird in Breslau Referendar und übernimmt 1820 die Geschäfte eines katholischen Konsistorial- und Schulrates beim Oberprüsidium und Konsisto- rimn der Provinz Westpreußen und den Regierungen Danzig und Marienburg. Aufenthalte in Berlin und Wien liegen dazwischen, Ver kehr mit den berühmtesten und ausgezeichnetsten Zeitgenossen be gleiten diese Stationen. Adam Müller, der Maler Philipp Veit, Schlegels Stiefsohn, Dorothea Schlegel, der Oberpräsident und nachmalige Staatsminister Heinrich Theodor von Schön treten in sein Leben. Zwischen dichterischen Arbeiten — in Danzig der unvergeß lich „Taugenichts" vor allem — liegen die vollendeten Abhand lungen von der Wiederherstellung des Ordenshauses zu Marien burg, vom deutschen Adelsleben am Schlüsse des 18. Jahrhun derts, vom Studentenleben in Halle und Heidelberg. Die erste geschlossene Sammlung seiner Gedichte erschien 1837 in Berlin. Dorthin, als Rat am Kultusministerium hatte ihn 1832 sein Weg wieder zurückgeführt. 184t wurde er zum Geheimen Rat ernannt und schied dann drei Jahre später vom Staatsdienste aus. Wiederum trat alle Geisteszufuhr des da maligen Berlin in sein Schaffen. Er kam in das Mendelssohn- sche Haus, lernte Felix kennen, den Maler Franz Kugler, bei dessen erstem Kinde, der nachmaligen Gattin Parst Heyses, er Pate wurde. Reisen nach München, Wien folgen, er arbeitet wieder in Berlin 5 Jahre lang ganz seiner Kunst und am 26. November 1857 stirbt der Dichter in Neisse bei der Familie seiner Tochter. Deutschland betrauerte seinen größten Liedersänger! „Und buhlt »rein Lied, auf Weltkunst lauernd, um schnöden Sold der Eitelkeit: Zerschlag' mein Saitenspiel und sä-audernd schweig ich vor dir in Ewigkeit!" — Aus dem Jahre 1833 gibt es eine Briefstellc Eichendorffs, in der dem Freunde von Schön zum ersten Male über den Roman „Dichter und ihre Gesellen" berichtet wird: „Was meine Poesie betrifft, so schreibe ich jetzt an einem größeren Roman, der die verschiedenen Richtungen des Dichterlebcns darstellen soll." GoeKzes „Wilhelm Meister" hatte Schule gemacht. Schon einmal war Eichendorff dem hohen Vorbild gefolgt in „Ahnen und Gegenwart". Jetzt aber tritt die Verherrlichung des Schau spielerstandes hinzu, die verschiedenen Auffassungen des Dichter berufes spiegeln sich in den handelnden Personen wieder, aber der Rahmen wird noch weiter gesprengt. Kunst, Religion, Freundschaft, Liebe, sogar Politik treffen sich zu wiederholten Aussprachen. Und manchmal, so wenn Eichendorss redet von der Zeit, die „Prügel haben muß", dann horchen wir unwillkürlich auf. Ist es nicht ein Wort aus unseren Tagen, wenn wir stau nend vernehmen, wie da der Amtmann zu Fortunat xspricht: „Unsere ganze Zeit ist gerade wie ein verrücktes Frühlingswetter. Die Schwüle brütet und treibt alles vorze'lig hervor und ich fürchte, es schießt mehr ins Kraut, als in die Blüte. Unsre Iun- gens wissen schon jetzt mehr, als wir jemals erfahren haben, und recken sich und sehnen sich aus allen Gelenken heraus, während wir in unserer gesunden Jugendzeit ohne besondere Sehnsucht! hinreichend dumme Streiche machten und erst die fatalen Lüm meljahre überstehen muhten. Man möchte sich gern bequemen, fröhlich und auf die Dauer einzurichten, wie in der guten, alten lronk!rmsiiüell.UIireii svliä / preiswert nss IiVliLUr. Dreien /V. fpsiuenxttxSs 1 Zeit, aber der ferne Donner verkündet überall den unheimlichen Ernst. Und so sitzen wir verwirrt, ungewiß und in banger Er wartung vor dem dunklen Vorhänge, hinter dem fortwährend Gott weiß was unruhig und gräulich zuckt." Aber der Frühling lacht aus diesem Buche, wie dennoch auch aus unseren Tagen. Wehmut über die fortschreitenden Ge sellen überkommt den Dichter. Aber in tiefstem Herzen weiß die Sehnsucht: sie kommen doch wieder! So nehmen denn auch wir keinen Abschied von dem Dich ter, den Deutschland heule mehr denn je braucht. Wir wolle» ihn grüßen, wie Herbert Eulenberg es einmal lat, in der Ge wißheit. daß unsere Liebe zu ihm nie rosten wird: Und springt mein Herz ein Ringlein, einst entzwei, so klingt es noch in seiner Melodei: 0 schöner deutscher Wald, 0 blaue Blume! wer sang wohl süßer je zu deinem Ruhme! Dichtung als Lebensgeslallung Bon Friedrich Schreyvogl. Auf einer Straße wandert ein langer Zug. Mühsam ver suchen die größer Gewachsenen den Weg durch den Nebel zu er kennen, jeder drängt vorwärts. Aus allen lastet das gleiche Er lebnis: der Weg ist schwer. Da beginnt aus einmal Musik — und alles wird anders. Musik ist mehr als Freude, mehr als spielerisches Springen über den Abgrund der Traurigkeit. Musil, ist höheres Leben, sie weiß schon etwas von dem Dunkel, durch das gewandert wird; sie saßt die Bewegung in Rhythmus und gibt in scheinbar zufälligem Takt eine Ahnung vom ewigen Auf und Ab des Lebens. Die Wandernden werden zu Gruppen, ihr Schritt wird sicher, die Bewegungen sinnvoll. Die Musik gibt dem Zuge alle nötigen Parolen aus. Fanfarenstöße, wenn Ge fahr in Verzug ist, Aufmunterung, wenn die Müden erlahmen, Ermahnungen, wenn sich die Unbedachten in Wagnisse stürzen. Sie ist ein Programm, dem keiner widerspricht, weil er in den Gliedern, die sich willig danach fügen, von selbst die Richtigkeit empfindet. Das ist nur ein Gleichnis. Aber es gibt niemand, der nicht wenigstens einmal wirklich so ein Wandern auf einer Straße und die plötzliche Verwandlung der Musik erlebt hätte. Wenn ich dieses Erlebnis beschwöre, löse ich jede Definition über das Wesen der Dichtung in Wirklichkeit auf und darf sagen: Dich tung ist die Musik aus der unendlichen Straße des Lebens. Gerade die grandiose Veränderung des undichterischen Weltbildes ist, richtig verstanden, eine Verheißung, die unmittel bar auf unseren Gegenstand abzielt. Ich erwarte von ihr, — die Dichter! Wenn nur einmal die Ewigkeit sichtbar geworden ist, ivenn durch die Mauer des Materialismus nur einmal mit denselben Kellen, die sie aufgerichtet haben, Breschen geschlagen sind, durch die wieder Unendlichkeit scheint, dann bleibt cs auch nicht mehr beim Sprechgesang der technischen Erfindung. Dann stellt sich der von der Gnade Berührte schon wieder. Freilich muß unsere Gegcmvart sich hierzu mit der Frage auseinander gesetzt haben, wie der Titel dieser Darstellung ist: mit der Lcbens- gestaltung der Dichtung. Musikant aus der Straße des Lebens kann richtig nur der sein, der bewußt auf ihr marschiert und weiß, daß die andern deswegen auf ein Lied hören, weil sie Freude, Sinn und Ord nung von ihm erwarten, was eigentlich nur drei Worte sür ein und dasselbe sind. Hier sind große Unterlassungssünden began gen worden. Man muß sich den Sinn der Erlösung vergegenwärtigen. Vor der Menschwerdung Jesu Christi ist Geist und Stoff. Ewig keit und Endlichkeit durch den qualvollen Abgrund getrennt, den die ersten Menschen aufgerissen haben. Christus setzt alles in wunderbare Einheit. Seine Menschwerdung ist das unver gängliche Zeugnis für die Würde alles Lebendigen. Es ist, als ob von allem Irdischen ein Schleier weggezogen, als ob alles Geschaffene plötzlich von innen Izer zu leuchten beginnen, als ob jedes Wort heimlich zu Gesang würde. Seither ist sozusagen der Weg jedes Dichters vorgezeichnet: Er muß die Gegenwart Gotte- deutlich machen! Dieser Tage ist in einem nur ahnungsweise an den wahren Sachverhalt herangerückten Stück des Franzosen Ienormand am Wiener Burgtheater der Einsall eines Bühnenmalers zu sehen gewesen, der mich wirklich ergriffen hat. Um das Traumhafte, Unwirkliche, Allgemeine des Stückes anzudeuten, waren die Wände keine wirklichen, undurchsichtigen Scheidungen von der Sie Sme nach Sein „kksola" Ser Neuer Madeniilierlagm Sollen wir die Essener Tagung die bedeutendste der bis herigen nennen? Das dürfte nur aus größerer Distanz ge schehen und sicher nicht allein auf Grund von Maßstäben, wie Zahl der Teilnehmer, Besuch höchster Stetten (diesmal 4 Mini sterien), hervorragende Persönlichkeit der Redner und dergl.; einstweilen finden wir die Höhe der Heidelberger Tagung nicht mehr erreicht. Aber wenn nicht die bedeutendste, so ist sie doch die „reprä sentativste"? Dies gute Wort hat ein geschätzter und urteils fähiger Sprecher der Jüngeren geprägt. Wir greifen es aber mit Bedacht nicht aus. Denn in dem Zusammenhang, in dem Dirks es brauchte, schwingt ein gar zu starker Ton -er Anklage oder doch einer Klage mit, zu der wir im Falle Essen doch nicht Anlaß finden. Aus diesem Wort und manch anderem in der diesmal fast mehr müde resignierten als frisch zupackendcn kri tischen Randglosse sprach der Geist unserer katholischen Jugend bewegung mit seiner sympathischen Offenheit und das rigovisti- sche Ethos gewisser Gruppen der Kommenden, an deren Be rufung wir glauben. Aber in alle Sympathie mit diesem kriti schen Erwachen und dem neuen Wollen will sich öfters ein Unbe hagen einschleichen und zu mahnendem Einspruch reizen: Ihre starke, vielleicht aber doch oft mehr stimmungsmäßige Auflehnung gegen überlebte Formen bürgerlicher Borkriegskultur, gegen ein nur auf Macht und Technik gegründetes Kultursystem, das die Seele vergaß, darf nicht Selbstzweck werden und nicht uncAeuch- tet ins Ungebärdige und iNaßlose gehen, sonst würde sie in un fruchtbare Nörgelsucht um jeden Preis ansarten und einen un erfreulichen unfruchtbaren Iugendtypus schassen, der wieder grei senhaft aus seinem gefrorenen Iugendstandpun-Kt verküm merte, ober sie gemahnte an das Gebaren von Stürmern und Polterern, di« mit derben Händen zugreifen im wohl etwas ver staubten Heiligtum! So muß das Repräsentative einer Tagung nicht von vorn herein eine Wertminderung bedeuten. Wenn Tausende zusam- menkommen, und Tausende ans einem an Zahl kleinerem Bolks- teil, und Tausende aus kulturtragenden Oberschichten, dann wird solche Tagung unvermeidlich repräsentativ, ja sehr repräsentativ, und erst recht, wenn als Redner wirklich Führende von de» Spitzen hergcbeten werden, und wenn der festlich-kirch liche Rahme» noch die kirchlichen Würdenträger zu uns führt! Diesen „Brokatmantel der Repräsentation" dürfen wir haben und können ihn ertragen, wenn wir ihn nur mit Würde, d. h. im rechten Geiste, getragen sehen! Wurde er im rechten Geiste getragen? Ans dieser Tagung ja! Und damit stehen mir am entscheidenden Maßstabe der Bewertung. Diese repräsentative Schar war einig in ihrem starken Ver antwortungsgefühl und schaffenssroh entschlossen, mit Ernst und Konzentration an ihre Aufgaben heranzugehen. Bei einer solchen seelischen Bereitschaft kann die Wirkung nicht ausbleiben, wenn im übrigen die eigentlich bildnerische Arbeit im Rahmen der Tagung nach Zielrichtung und Methode geradlinig auf das los steuert, was überhaupt von „Tagungen" erwartet werden darf. Sind das „Taten"? Ja und nein. Nein sollen wir sagen, sofern wir uns Uber dem Talfanatismus halten sollen, der gegen wärtig literarische Mode zu werden beginnt — -ie Psychologisten werden jetzt von den Energisten und Aktivisten abgelöst . . . Wir müssen uns vergewissert bleiben, baß eine Tagung für Bolks- gemeinsä-aft sie nicht herstellt und auch kein Allheilmittel demon striert. Dann bleiben wir auch bewahrt vor einer gewissen unter den Jüngeren modisch werdenden apriorischen Voreingenommen heit gegen die Einrichtung der „Tagungen" überhaupt. Können sie jemals himveggedacht werden ans dem seelisch-kulturellen Leben eines Volkes, ohne eine nie wieder zu schließende Lücke in seinem innerlichen Löbenszuwachs? Und doch, wenn wir das Problem der „Tagung" tiefer nehmen, zielt eine Tagung, die fruchtbar werden will, aus die Tat hin. Sofern sie seelische Vor aussetzungen neu stiftet oder aufs neue prüft und reinigt, und so die Keimfelder für kommende Taten bereitet. Die Psycho logie zeigt, daß der äußeren Tathandlung die innere Tat der Wittensbildung und -Entscheidung vorangeht, daß die Schlachten geschlagen und die letzten Siege erfochten werden müssen auf dem Kampffeld der Gesinnung. Und da liegt das ewige Problem jeder Tagung, daß sie unseren inneren Menschen immer aufs neue weiter problematisch macht, uns aufstört aus der Ruhe der Satte» und Gedankenlosen, uns aufriittelt aus Selbstgerechtigkeit und Selbstzufriedenheit und herausreißt aus der Atmosphäre der Selbstverständlichkeit und ausruft zu neuem Anfang, nachdem wir den verkrusteten alten Menschen abgetan! In diesem Geiste hat die Essener Tagung, als Ganzes ge nommen und mit all ihren Teilen, durck-aus starke und konkrete Anregungen gegeben: Sowohl die Kirchenfürsten und Theologen wie die Laienredner sahen, daß seelische Probleingem«insä>aft nicht gemacht wird, sondern sie muß wachsen aus Bereitschaften und Kräften der Seele, Gemeinschaft ist Berivachsensein der See len und wird dann zur Tatsache, wenn ich weiß und mich mühe um meinen Bruder im Volk . . . Und daß -lese Sympsychie nicht aus reinme»schlici>en Erwägungen und Stimmungen heraus allein dauerhaft und standhaft sich behaupten kann gegen die ewig lauernden Iclmewalte». der Selbstsucht, des Dünkels, der Herzensverhärtung, sondern nur aus religiösen Motivkrästen gespeist werden kann, haben dieselben Interpreten katholischer Lebensweisheit aufs neue festgestellt und dabei die Starke der katholischen Position dargetan (besonders tief Przywara). Und alle Redner, wobei Ioos der Nichtakademiker und Lerchenfeld der Aristokrat, Seite an Seite, haben die nüchternste Verweisung auf die Lebe ns Praxis nicht verschmäht und die Klein- weit des alltäglichen Wirkens als den eigent lichen Schauplatz der Entscheidungen und das Feld der Probe aus gelebte Volksgemeinschaft gekennzeichnet. Dieser Punkt erscheint uns für die Bewertung dieser Ta gung als ausschlaggebend. In der Tat, gerade das Kleinste und Winzigste ist im Leben und in der Lebensführung das Wichtigste: im Reiche des Sittlichen gibt es keine Kleinigkeiten. „Säe einen Gedanken und du erntest eine Tat: säe eine Tat und du erntest einen Cl-arakter: säe einen Charakter und du erntest ein Schicksal!" Darum heißt es, im Kleinen beginnen, nur so ge lingt «s mehr und mehr hineinzuwachsen in die sittliche Ver pflichtung des Guten. Im Kleinsten liegen die Keime des Guten wie des Bösen. Moderne Einstellung und ein verantwortungs loses Literatentum verfehlt es anscheinend immer mehr an die sem Punkte: man liebt und lobt die „entführenden hohen Aspekte" den hinreißenden Rausch, und bangt innerlich vor dem dauernden Nachhall im aufgewühlten Gewissen, an dos der nn- l^queme Mahner unliebsam zu pochen verstand. Und die so ver fahren, werden neben dem gewiegten Rhetoriker als nüchtern« Klarheitsbanaüsen verschrien . . . Wir kommen aber nicht vor bei an der Urivichüigkeit des Alltäglichen! Ii» Alltäglichen sehen wir die Tatsache der Riss« im Volk, und im alltäglichen Anders und Besserwerden müssen wir die Anknüpfungspunkte ehrlich suchen und ehrlich nützen, um wieder Brücken schlagen zu lernen zum Nächsten und Fernsten im „anderen Bolksteil", damit wir in seelischer Verbundenheit wieder das „einschichtige wirk liche Volk" werden! Tänscizen wir uns doch nicht: Da ist keine Volksgemeinschaft, ivo die ökonomischen „Gesetze der Produk tivität" vorgehen vor den Mensäienrechten der Arbeitnehmer aus auskömmliche und menschemvürdige materielle und geistig« Le benshaltung, wo wir „Distanz Wien" gegenüber de nen, -ie nicht „von unserer Schicht". wo die bunte Mütze schon früheste Jugend scheidet aus kleinstem Nest, ivo die Haustüre „nur für Herrschaften" reserviert bleibt, wo die Lieseranten an die Nebenpforte und die sonst in allem un entbehrliche Haushilfe an den Nebentisch vermiesen wird, wo in der Kirche der Mietplatz beansprucht wird, ivo der Bedrängte mit der Adresse des nächsten Karitasbüros verabschiedet wird, wo man dem Bruder nicht zinslos aushelfen kann. Kurz — da wird
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