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MchslscheUMszeitlmg >s Unabhängige, Lageblatt *°LL^LASurA'WiiS->rI Wahrheit, Recht und Freiheit «tr U«te»h«tt»«DMd«U«O« Di« iL»ßkN«»t« Sir. 223 Geschäftsstelle und Red^tio« ! Dresden«A. 16, Holbeinstratze 48 Dienstag den 28. September 1914 ^ Fernsprecher 21368 IS. Jahrg Dev europäische Arieg. Die Entstehung der Schlacht im Westen Seit mehr als 14 Tagen tobt fast ununterbrochen im Norden und Osten von Paris auf einer mehr als 300 Kilo meter langen Schlachtfront, die sich von Noyort* nördlich der Aisne und Reims über Parennes, Nancy und Lune- oille bis an die Vogesen und längs derselben bis in den Oberelsaff hineinzieht, eine der gewaltigsten Schlachten der Weltgeschichte, welche die Entscheidung über den Ausgang des gegenwärtigen Feldzuges in Frankreich bringen soll. An vielen Stellen unentschieden hin- und herwogend, hat sie bisher den deutschen Truppen zahlreiche Erfolge ge- bracht, freilich ohne die von Millionen ersehnte Entscheidung. Glänzende Waffentaten wurden rn diesen Kämpfen ver richtet, ungeheuer sind die Verluste an Toten und Ver wundeten, insbesondere auf Seite der verbündeten Fran zosen und Engländer und ihrer aus den Kolonien heran- gezogenen Hilfstruppen. Dennoch wogt die Schlacht weiter in heldenmütigem Widerstand der Millionen Streiter, welche sich bewußt sind, um welch hohen Preis hier gerungen wird. Die einen verharren in zähester Verteidigung, da sie wissen, daß das Schicksal Frankreichs vom Ausgange der Schlacht abhängt, die anderen stürmen unentwegt die Stel lungen des Gegners in dem Bewußtsein, daß der Sieg die endgültige Niederlage des Feindes bedeute. Wir wollen im folgenden an der Hand der vom deutschen Generalstabe ver sendeten amtlichen Berichte in Kurzem den bisherigen Ver lauf dieses gewaltigen Ringens im Westen wiedergeben. Hat auch die eigentliche Schlacht erst am 10. September begonnen, so muß doch der eigentliche Beginn derselben vom 5. September ab gerechnet werden, an welchem Tage die Einleitungskämpfe vor Paris begannen, die in den nächsten Tagen zu der großen Entscheidungsschlacht führten. An diesem Tage kamen die Vortruppen der gegen Paris über die Marne vordringenden deutschen Westarmeen am Flusse Grand Morin mit den Truppen des linken feindlichen Flügels in Fühling, wobei sich allmählich heftige Kämpfe entwickelten, die durch einen Ausfall größerer französischer Streitkräfte aus Paris einen immer größeren Umfang an- nahmen. In diesen Kämpfen, die auch in den nächsten Lagen fortgesetzt wurden, wobei am 7. September ein aber maliger Ausfall der Besatzung von Paris erfolgte, waren die deutschen Truppen zunächst derart erfolgreich, daß sie mehrere Tausend Gefangene und 50 Geschütze dem Feinde abzunehmen vermochten. Me Kämpfe, die, wie oben er wähnt, als Einleitung der großen bis heute währenden Entscheidungsschlacht anzusehen sind, fanden in der Linie zwischen Meaux und Montmirail statt und endeten infolge Anmarsches neuer starker feindlicher Kolonnen mit der Zurücknahme des rechten Flügels der deutschen Armee hinter die Aisne. Auch Reims, das von den deutschen Truppen bereits besetzt worden war, wurde einstweilen wieder geräumt und eine Stellung nördlich von dieser Stadt bezogen. Inzwischen hatte ein Tagesbefehl des französischen Generalissimus Joffrä den im Raume östlich und südöstlich von Paris versammelten französisch-englischen Hauptstreit kräften die Ergreifung der Offensive befohlen, um das durch die aus taktischen Erwägungen erfolgte Zurücknahine der deutschen Front gewonnene Gebiet, „koste es. Was es wolle", zu behaupten. (9. September.) Auf Grund dieser Offensiv- bewegung der französischen Armee entwickelten sich allmählich auf der ganzen Front die noch gegenwärtig andauernden er bitterten Schlachten, in denen die Franzosen bis zum 17. September in der Offensive waren. Nicht lange ver mochten sich aber die Franzosen und Engländer ihrer durch die Taktik der deutschen Avmeeleitung selbst herbeigeführtcn „Erfolge", die sie bereits als große Siege in alle Welt hinausposaunten, zu erfreuen. Schon am 13. vermochte der große Generalstab zu berichten, daß die Schlacht für die deutschen Truppen günstig stehe und namentlich die Armee des deutschen Kronprinzen südlich von Verdun Erfolge er zielt habe. Ein von den Franzosen versuchter Durchbruch wurde siegreich zurückgeschlagen, und bei Svisson erlitten die Verbündeten bei dem Versuch, die Aisne zu überschreiten, ungeheuere Verluste. Am 15. September wurde die Ausdehnung -er Schlacht auf die nach Osten anschließenden Armeen bis Verdun und Teilerfolge der deutschen Waffen gemeldet, Welche die Zurückweisung der französischen An- griffe und erfolgreiche Gegenangriffe der Deutschen in den Nüchsttagen zur Folge hatten. Me Front der Kampflinie zwischen der Oise und Maas hatte sich inzwischen auf die Linie Noyon, nördlich <Anssons und Reims sowie von Ver dun verschoben, wobei die Mitte der deutschen Armee lang- ^sam aber sicher an Boden zu gewinnen begann, was u. a. darauf schließen Naß die Widerstandskraft des Gegners bereits zu erlahmen begann. (17. September.) Ausfälle aus Verdun am rechten Maasufer wurden'mit Leichtigkeit zurückgewiesen und ein neuerlicher Durchbruchsversuch der Franzosen brach in sich selbst zusammen. Südlich von Noyon wurden das 13. und 4. französische Armeekorps und Telle einer weiteren Mvision entscheidend geschlagen und verloren einige Batterien. Bei Reims wurde das Fort Chateau Avrimont erstürmt und 2500 Gefangene gemacht. Damit war in der großen Schlacht im Westen ein entscheidender Wendepunkt eingetreten. Die bisher offensive französische Armee, deren Widerstandskraft, wie oben erwähnt, bereits am 17. erlahmt war, wurde nunmehr in die Defensive ge drängt (19. September) und damit die Offensive der deut schen Armeen begonnen. Mittlerweile war auch die Be schießung der zwischen Toul und Verdun liegenden Sperr sortlinie eingeleitet und ein feindlicher Angriff am Vogesen kamm im Breuschtal zurückgewiesen worden, desgleichen auch am Donon bei Sonones und Saales. Reims, das in der Kampffront der Franzosen lag, wurde in Brand ge schossen, die Höhen von Craonelle und der Ort Betheny bei Reims genommen (21. September), ebenso Varennes. An der Maaslinie wurden bei Verdun, über die Maas und aus Toul erfolgte Gegenangriffe mit Erfolg abgeschlagen und das Feuer gegen die Sperrforts Troyon, Les Paroches, Camp des Romains und Lionville eröffnet. Auch in Fran- zösisch-Lothringen und an der elsässischen Grenze haben die deutschen Truppen Erfolge aufzuweisen. Eine wirkliche Entscheidung ist freilich noch nirgends gefallen, wenn auch die Lage für die deutsche Armee durchaus günstig ist. Hoffen wir, daß uns die nächsten Tage bereits den end- gültigen Sieg der deutschen Waffen zn künden wissen. Unsere Ostgreuze Uebcr dieses wichtige Thema sprach am Donnerstag im Leipziger Kristallpalast Geheimrat Dr. Josef Partsch, der ordentliche Professor der Geographie an der Universität Leipzig, der als geborener Schlesier und langjähriger Pro fessor an der Breslauer Universität ein besonderer Kenner unserer Ostgrenze ist. Die Sächsische Volkszeitung berichtete in diesem Som mer von einem anderen Geheim rat Partsch, Karl, den, Bruder Josefs, ebenfalls einen, Universitätsprofessor: König Friedrich August ließ ihn sich bei seinem Besuch des Brüderhospitals in Breslau vorstellen, dessen Chefarzt Karl Partsch ist. Unsere Ostgrenze ist 1200 Kilometer lang; sie ganz zu schützen, ist unmöglich. Infolge der „schwierigen" Erörte rungen des Wiener Kongresses 1816 verläuft sie ungünstig, fast ohne natürlichen Schutz. Von der Ostsee nördlich der Stadt Meine! geht sie im Bogen um Ostpreußen herum, das wie einb Halbinsel nach Osten vorspringt, geht an West- prcußen, Posen und Schlesien entlang bis zur Dreikaiser, ecke in Oberschlesien, wo drei Kaiserreiche Zusammenstößen: das Deutsche Reich, Oesterreich und Rußland. Drei Ströme schneiden sie rechtwinklig: Memel, Weichsel und Warthe; sie bilden bequeme Eingangstore ins Mutsche Reich. Nur wenige Festungen sichern die Grenze: die Landesverteidi gung wollte statt eines Schwarmes kleiner Sperrfesten wie die der Franzosen lieber einige große Festungen; es sind Breslau, Posen, Lhorn. Ostpreußen hat seine Seen. Und was die für die Verteidigung wert sind, hat Hinden- bürg, der Sieger, gezeigt. Diese Seen stammen aus der letzten Eiszeit der Erde, in der die skandinavischen Gletscher ihre Endmoränen in Norddeutschland aufhäusten; diese Erhebungen nennt man den baltischen Höhenrücken: erreicht nur wenige hundert Meter Höhe, hat aber wie in Mecklen- bürg so zumal in Ostpreußen eine Unmenge Seen; manche davon sind ganz lang gestreckt; sie füllen die Täler ehe- maliger vorweltlicher Flüsse aus. Diese Seen geben der Landschaft einen eigenen Reiz. Wer allein schon die Bilder jener masurischen Gegend sieht, ist überrascht von den, an mutigen Wechsel von Wasser und Land; Städte und Dörfer schmiegen sich ordentlich im Schutze -er Wälder an die Seen und breiten Rinnen an. Die herrlichen Burgen der Deutsch- ordensherren, jener stolzen geistlichen Ritter -es Mittel alters, die dieses Land dem Christentums erobert haben, ragen noch als hehre Zeugen jahrhundertealter Kultur; meist sind es Ruinen; die Stürme der Zeit haben ihre Opfer gefordert. Napoleon War fast der einzige in den letzten Jahr hunderten, der den strategischen Vorteil jenes Seengebietcs nnt scharfem Blick erkannte; er schickte seine Genie-Offiziere hierher, dmnit sie -aS Land genau aufnehmen sollten. Nun hat sich unser Hindenburg noch größer erwiesen. Eine Welt- geschichtliche Schlacht hat er hier geschlagen und so gezeigt, daß der überlegene Geist auch die schwierigsten Gelände zum eigenen Nutzen verwenden kann. — Dagegen ist Russisch- Polen mit seinen gewaltigen modernen Festungen Warschau, Lodz, Lublin nach Partschs Meinung ein schier uneinnehm bares Land, wenn das polnische Volk nicht etwa innere Schwierigkeiten den Russen bereitet. Und so schloß Partsch mit ernsten Worten über die harte Kriegsarbeit, die unseren tapferen Truppen trotz aller Siege i», Osten noch bevor stände. B Wir holte« durch! - Berlin, 28. September. Die heutige gemeinsame Sitzung des Deutschen Handelslager, des Deutschen Land- wirtschaftSrateS, deS Kriegsausschusses der deutschen In- dustrie, sowie des Deutschen Handwerks- und Gewerbe- kammertageS nahm bet überaus starkem Besuche einen er- hebenden Verlaufe. Einmütig wurde folgende Erklärung angenommen: Ein frevelhafte Krieg ist gegen uns entbrannt. Eine Welt von Feinden hat sich verbündet, um das Deutsche Reich politisch und wirtschaftlich zu vernichten. Voll Zorn und voll Begeisterung hat sich, um seinen Kaiser geschart, das deutsche Volk einmütig erhoben. Jeder unserer Krieger in Heer und Flotte weiß, daß es sich um Sein oder Nicht sein des Vaterlandes handelt. Daher haben unsere Waffen ihre glänzenden Erfolge errungen, daher wird ihnen der Sieg beschieden sein. Hierfür bürgt auch die Stärke und Gesundheit unserer Volkswirtschaft, der beispiellose Erfolg der mit fast 4^ Milliarden gezeichneten Kriegsanleihen! Wohl hat der Krieg unS schwere wirtschaftliche Lasten auf erlegt; freudig sind sie sür das Vaterland übernommen. Zu jedem wetteren Opfer bereit sind alle Teile des deutschen Wirtschaftslebens, Landwirtschaft, Industrie, Handel und Handwerk, einmütig entschlossen, bis zu einem Ergebnis durchzuhalten, das den ungeheueren Opfern dieses Kriege» entspricht und dessen Wiederkehr auSschließt. Dann wird die gesicherte Grundlage gegeben sein für neue Blüte, neue Macht, neue Wohlfahrt des Deutschen Reiches. — Hieraus wurde beschlossen, folgendes Telegramm abzusenden: Seine Majestät dem deutschen Kaiser, Großes Hauptquartier. Eurer Majestät bringt eine vom Deutschen Handelstag, Deutschen LandwirtschastSrat, Kriegsausschuß der deutschen Industrie und Deutschen Handwerks- und Gewerbekammer, tage veranstaltete große Versammlung ehrfurchtsvolle Hul digung dar. Einmütig im Zorn über den frevelhaft gegen unS entflammten Krieg, einmütig in der Zuversicht auf den Sieg unserer Waffen, einmütig im Gefühl unserer Wirt- schaftlichen Kraft, bekunden die Vertreter aller Teile des deutschen Wirtschaftsleben» von Landwirtschaft, Industrie, Handel und Handwerk die feste Entschlossenheit, durchzu halten bis zu einem Ergebnisse, das den ungeheueren Opfern diese» Kriege» entspricht und dessen Wiederkehr auS- schließt. Dann wird unter seinem glorreichen Kaiser da« Deutsche Reich aus sicherer Grundlage zu neuer Macht und Wohlfahrt gelangen. Dr. Kämpf, Graf v. Schwerin-Läwitz, Rötger» Friedrichs, Plate. Deutsche Bomben auf Pari» Berlin, 28. September. Aus Mailand wird gemeldet: Ein deutscher Eindecker hat unter dem Schutze des Nebel« über Paris in der Umgebung des Eiffeltürme» Bomben geworfen. ES wurden ein RrchtSanwalt getötet und eine Frau verletzt. Man glaubt, daß die Bomben der Telefunken- station deS Eiffelturm» galten. Allgemeine Wehrpflicht i« England Haag, 28. September. Lloyd George kündigt die allgemeine Wehrpflicht sür England an. ES ist kostspielig, sagte er in seiner letzten Agitationsrede, eine große Flotte zu unterhalten, aber wir müssen auch ein große» Heer haben, und, wie auch der Krieg enden mag, wir müssen diese Aufgabe durchsühren. 42. Zentimeter - Hanbitzeu vor Antwerpen? Amsterdam, 28. September. Dem „Nieuw Roller- damschen Courant" zufolge bringen die „Time«" eine aus- eine ausführliche Beschreibung von der Ankunft schwerer deutscher 42-Zentimeter-Kanonen, und suchen zu beweisen, daß der Angriff auf Antwerpen bevorstehe. Zepprltnfahrte« Ostende. 27. September. (W. T. B.) Ein Zeppelin- luftschiff unternahm in der letzten Nacht «ine neue Streif- fahrt, ohne über Ostende zu kommen. E» überflog Almost. Gent und Deynze, wo e» um 1*/, Uhr fünf Bomben warf. Daraus wandte sich da» Luftschiff nach Thourout in der Richtung aus Courtrai und Tournai und schlug schließlich die Richtung nach Osten ein.