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Nummer 299 — 24. Jahrgang »mal wöch. Bezugspreis: für Dezbr. S — elnschl, Bestellgeld. Anzeigenpreife: Die Igesp. Petitzeile 80^, Stellengesuche 20 Die Petitreklamezeile. 8S Milli, rrcter breit. 1 Offertengebühren für Selbstabholer »0 bei Uebersenbung durch die Post außerdem Portozuschlog. Einzel-Nr. 10 L. Sonntags-Nr. IS L. Geschäftlicher Teil: Ioles Fohmann. Dresden. SöMsüie Donnerstag, 31.Dezeulder 1925, Im Falle höhe'- Geivalt erlischt jed-c Besps.'ichtunz auf Lieferung oie Erfüllung v.Anzeigenausträgen u. Leistung v. Schadenersatz. Für unüeutl. u. S. Fern, ruf üdermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Lrr> antwortung. Unverlangt eingesandte u. m. Rückport; nicht versehene Manuskripte werd. nicht cusbcwohrt Sprechstunde d. Redaktion b bis 6 Uhr nachmittag», Hauptschristleit.: Dr. Iofeph Albert. Drecoen, vonsmiung Geschastoftelle. Druck und Verlag, Saronia- «uchdrttckcrei«,„bH..Dre»den.«.lS,Ho!beInstrah««S. ltürnrnf M72S. Postscheckkonto Dresden IE BanNonto: Baffenge S- gsrisfche, Dresden. Für christliche Polilik und Kultur Redaktion der Sächsische» VolkSzettnng Dresden-Altst. lv, Holbeinstratze SS. gernnn W722 lind 83538. Die letzte Jahressensation Das Ende -er Äaken- kreuzlerei in Oesterreich Aon unserem Wiener Korrespondenten. Zek Wien» 29. Dezember. Dreimal in der Nachkriegszeit wurde Oesterreich mit Flüchtlingen aus dem Reiche beglückt: nach dem Kapp-Putsch, nach der Nuhrbesetzung und nach dem Hit ler-Putsch. Jedesmal kamen allerlei junge Leute, gewe sene Offiziere, Abenteurer und Stellenlose über Salz burg nach Oesterreich, wo eine kleine Gruppe exaltierter Jünglinge, teils Oesterreicher, teils Reichsdeutsche, auf eine sonderbare Art den Anschluß organisieren woll ten. Sie gründeten eine Nationalsozialistische Partei und wollten das Hakenkreuz zur Geltung bringen, entfachten eine antisemitische Bewegung, die an die Zeiten Schö- nerers und Karl H. Wolfs erinnerte und wollten Oester reich von der Sozialdemokratie befreien. Bei ihren Be ziehungen zu den monarchistischen Völkischen im Reiche gaben sie sich natürlich als ausgesprochene Anhänger der monarchistischen Staatsform. In Oesterreich ist allerdings der Monarchismus komplizierter als in Deutschland. Als streng nationale Partei entschieden sie sich anfangs für die Hohenzollern, für die es seit dem Umsturz wenig Sympathien in Oester reich gab: cils dann die bayrischen Putschisten kamen, da begeisterte man sich plötzlich für Rupprecht von Wittels bach, für den man an der mittleren Donau und in den östlichen Alpenländern wo möglich noch weniger übrig hatte. Zuerst, als das Hakenkreuz etwas neues war und unter seinem Zeichen alles bekämpft wurde, was seit 1918 entstanden war, gab es eine Zeit, in der sich alle jene Elemente um die Nationalsozialistische Partei zu gruppieren begannen, die mit den neuen Dingen unzu frieden waren Da waren es die verschiedenen öster reichischen Monarchisten, die Legitimisten und die Front kämpfer, die unter dem Hakenkreuz zum Siege zn kom men glaubten. In der ersten Zeit, da die Verwirrung noch größer mar, schob man den Sozialdemokraten nach dem Muster der deutschen Dolchstoßlegende alles in die Schuhe, ob wohl diese in Koalition mit der christlich-sozialen Partei and den christlichen Bauern in den Alpen die Republik gegründet hatten. Als dann Bundeskanzler Seipel, ge stützt auf die großdeutsch-christlichsoziale Koalition, die Genfer Sanierung Oesterreichs in die Wege leitete, be gannen die Nationalsozialisten Oesterreichs auch die große christliche Partei eifrig zu bekämp- s e n. Durch die schwankende Haltung in der Frage der Dynastie, für die sich die Hakenkreuzler entscheiden soll ten, stießen sie sogar zahlreiche monarchistische Anhänger vor den Kopf, die nur von den Habsburgern etwas wis sen wollten. Dann gab es noch einmal einige Monate politischer Bewegung, als in den Tagen des Ludendorff rummels größere Geldbeträge aus dem Deutschen Reich in die Kassen der Nationalsozialisten flössen. Das letzte Mal konnten sie eine starke Bewegung Vortäuschen, als iin vergangenen Sommer in Wien der Zionisten kongreß tagte und als sie auf gewisse antisemitische Reminiszenzen bei einem Teile der Wiener Bevölkerung spekulieren zu können glaubten. Es kam zu den bekann ten Krawallen am Wiener Ring, welchen die Wiener Polizei mühelos ein Ende machte. Seither ist es ruchbar geworden, daß sich die interne Lage der Nationalsozialistischen Partei immer schwie riger gestaltete. Noch während der Kundgebungen gegen den Zionistenkongreß wurde eine Ueberschwem- niung Oesterreichs mit völkischen Zeitungen aus dem Reiche versucht. Hunderte von Kolporteuren, die unge heure Stimmittel anwandten, durchströmten die Straßen von Wien, ohne auch nur einen minimalen Bruchteil ihrer Preßprodukte absetzen zu können. Die Wiener bewiesen wenig Interesse für den „Eisernen Besen" und für antisemitische Radaulitsratur. Zuerst brach die Mas senkolportage zusammen, als sie die Partei nichtmehr finanzieren konnte und das Geld aus Deutsch land ausblieb, da der Geschäftserfolg ausblieb. In der Hakenkreuzlerpartei selbst kam es zu einer offenen (Spaltung, nachdem ein Teil der besonneneren Ele mente schon lange ausgeblteben war. Jetzt wird bekannt, daß die große nationalsozialistische freiheitliche Arbeiter bewegung in Oesterreich in ihrer besten Glanz zeit nur 920 wirkliche Parteimitglieder zählte. Die lärmende Entourage bestand durchwegs aus bezahltenIugendltchen. Diese beschuldigen jetzt auch noch einen Teil der Parteigrößen, sie schlecht bezahlt und Gehälter unterschlagen zu haben. So befin- det sich augenblicklich dieses völkische Wirtschaftsunter nehmen einiger Konjunkturspekulanten im Ausgleichs verfahren. Nachdem auch die Hakenkreuzler im Reiche nickt mehr über so große Summen verfügen und ihre Zuschüsse nach Oesterreich ganz eingestellt haben, bleibt Die Genfer „Geschichte" " Berlin, 30. Dezember. Im Anschluß an die Presseerörterungen über die Be setzung der Sekretariatsposten im Völkerbund beim Eintritt Deutschlands in den Völkerbund richteten sozialdemo kratische Blätter an das Auswärtige Amt die Aufforde rung, seinerseits zu den in der Presse aufgestellten Behauptun gen Stellung zu nehmen. Das Auswärtige Amt gibt darauf hin folgendes durch das W. T. B. bekannt: Der deutsche Generalkonsul in Genf berichtete kürzlich nicht in Beantwortung einer Anfrage des Auswärti gen Amtes, sondern auf Grund einer ihm zuteil gewordenen Mitteilung, es sei ihm von maßgebender Seite im General sekretariat -es Völkerbundes eröffnet worden, daß man dort Kenntnis davon erhalten habe, verschiedene politische Parteien In Deutschland hätten Kandidatenlisten für die deutsche Beteiligung im Sekretariat aufgestellt. Diese Nachricht habe in Genf stark beunruhigt, da sie für eine un richtige Einstellung gewisser deutscher Kreise in bezug auf die Anstelluugsfrage spreche, die zu schwierigen Lagen für alle Beteiligten führen könne. Die deutsche Beteiligung am Gene ralsekretariat müsse, so wurde von maßgebender Seite betont, in Fühlungnahme mit der Neichsregierung geregelt werden. Eine Veröffentlichung des aus Gens an das Auswärtige Amt gerichteten Telegramme oder eine Mitteilung an die P'-esse aus seinem Inhalt ist seitens des Auswärtige» Amtes nicht erfolgt. Im übrigen haben Verhandlungen über Pcr- sonenfragcn zwischen dem Auswärtigen Amte und dem Genc- ralsekrelariat des Völkerbundes noch nicht stattgesundeil. Außerdem sandte der Neichsaußenminister Dr. Strcsemann dem Chefredakteur des „Vorwärts", Stampfer, folgende Erklä rung zur Veröffentlichung zu: Unter Bezugnahme auf die in der heutigen Morgenaus gabe des „Vorwärts" an das Auswärtige Amt gerichteten Fragen ist zu erwidern, daß die dem Auswärtigen Amte bekannt gewordene» Tatsachen, in der heutigen Auslassung des Auswärtigen Amtes durch W. T. B. veröffentlicht worden sind. Ueber einen Schritt der Sozialdemokratischen Partei beim Völkerbundssekretariat Ist dem Auswärtigen Amte nichts bekannt. Ueber einen derartigen Schritt sind infolgedessen auch keine Informationen durch das Auswärtige Amt an die Presse gegeben worden. An die Erklärung des Auswärtigen Amtes, daß der deutsche Generalkonsul in Genf sein gewisser Herr Aschmann) »ach Berlin gemeldet habe, „es sei ihm von maß gebenden Seiten . . . eröffnet worden . . usw., knüpfte gestern abend das B. T. die berechtigte Forderung, daß der General konsul verpflichtet gewesen wäre, sich vor der Abscndung keines Berichtes über die wirkliche n Tatsache» zu informiere». Er hätte dann amtlich erfahren — so führt das B, T. fort — daß durchaus nicht „verschiedene politische Parteien" Kandidaten listen nach Genf geschickt haben, sondern daß ein hervorragen der Zentrumspolitiker von Genf aus um die Mitteilung einiger geeigneter Persönlichkeiten gebeten wurde und mit Kenntnis des Auswärtigen Amtes -lese An frage beantwortet hat. Wir haben ferner mit Bedauern kon statiert, daß die Erklärung des Auswärtigen Anttes nichts darüber sage, wie und durch wen die Geschichte von der angeb lichen Postenjägerei in so u niv a h r e r F o r m in die deutsch nationale Hugenbergsche Skandalpresse lanciert worden sei. Das Auswärtige Amt täte gut, sich mit dieser Angelegenheit noch zu befassen und die Oeffentlichkeit über den Erfolg seiner Be mühungen zu unterrichten. Für heute wolle» wir noch bemer ken, daß der deutsche Generalkonsul in der Völ ker Nationalsozialistischen Partei nichts übrig, als den Weg des gewöhnlichen Kaufmanns zu beschreiten, wenn er zahlungsunfähig wird: sie muß sich insolvent erklären. Die Parteitütigkeit besteht nur mehr in der Abwehr sich häufender Mahnungen und Exekutionen. Jetzt kann sie die gewaltigen Automabilspesen nicht be zahlen, die im Laufe der großen Aktionen aufgelaufen sind und die die Parteiführer schuldig geblieben sind, Jetzt ist auch herausgekommen, daß die Angestellten der Partei einen Durchschnittslahn von 120 Schilling im Monat bezogen — ein Betrag, mit dein man in Oester reich nicht' leben kann — dafür wurden van dieser sozia listischen Partei ihren Angestellten noch die sozialen Ge bühren abgezogen, den sozialen Versicherungsinstituten ist man sie aber schuldig geblieben. Die letzte Schulde «Zusammenstellung der Nationalsozialistischen Partei Oesterreichs enthält folgende interessante Posten: Vereinsdruckerei 65,3 Mil lionen Kronen, Plakatierung 4,4 Millionen, unbezahlte Saalmieten 12,3 Millionen, Zeitungen 72.9 Millionen. Krankenkasse 22,3 Millionen, Steuern 9.3 Millionen, Darlehensschulden 16,7 Millionen. Deutsches Haus Wien 4,1 Millionen und Vaterländischer Schutzbund 10,2 Mil lionen. kerbundsstadt Gens, Herr Aschmcinn, ein Schwa- ger Helsferichs war, den deutschen Rechtsparteien nahesteht, ursprünglich in der Neichspressestelle beschäsligt und dann unter der Kanzlerschaft des mit Helsferich befreundeten Herrn Cuno zum Generalkonsul in Gens ernannt wurde. Herr Generalkonsul Aschmann galt bisher nicht als ein Anhänger jener Politik, aus der sich der Eintritt Deutschlands in den Völkerbund ergibt. Eigentümlicherweise wurde trotzdem seit einiger Zeit dafür Stimmung gemacht, ihm den Posten des deutsche» Vertreters beim Völkerbund zu übertragen —- was allerdings eine etwas eigentümliche Wahl gewesen wäre. Jetzt meldet Herr Aschmann, die angeblichen Nachrichten über deutsche Kandidatenlisten hätten in Gens „stark beunruhigt" Wen,.,? -» Die Presse der Rechtsparteien hat einmal wieder Hoch konjunktur. Nach all den Niedlerlagen und Enttäuschungen, die ihr aus den vergeblich inszenierten Skaudalgeschichieu des Wah res 1925 erwachsen sind, versucht sie cs jetzt kurz vor Tores schluß noch einmal mit einer „Geschichte". Zentrum und So zialdemokraten sind plötzlich zu Stellenjägern geworden. Fa, wenn wir dieses Kapitel der Siellenjägerei erst einmal eingehend vornehmen wollten, wo bliebe jenen Leuten die ein ange borenes Gesühl für Imparität besitzen, das Sehen und Hören? Aber mit politischen Kindern streitet man sich so gegen das Ende des Jahres nicht mehr lange herum. Auch dieser Sll- vesterscherz ist bald verklungen. Uns kann es nur daraus an- kommen, de» tatsächlichen Verhalt der Dinge fortlaufend jestzu- stellen, und das zu ergänzen, was man mit Absicht in den Rechtsblättern nicht findet. In Wirklichkeit liegen die Tinge so, daß gerade diejenigen, die heute in der Hngenbcro-Presse sich so sehr „entrüsten", seit Monaten in Genf mit allerlei Mil- telchen versucht haben, irgendwelchen „Einsluß" aus das Völ- kerbuudsekvetariat zu gewinnen und die berühmten „Verbindun gen" herzustellen. Gute Kenner der Verhältnisse wissen genau Bescheid über die Kreise, die ei» Monopol sür diplomatische Stellen zu haben glauben. Wen» aber eine Zeittrumspersön lichkeit auf Anfragen aus Gens geantwortet hol und diese Antwort sogar noch in Abschrift dem Auswär tigen Amt vorgelegt hat, so findet ein vernünstigcr Mensch darin gar nichts besonderes. Die Hugenbergleuie soll ten sich aber einmal -den deutschen Generalkonsul in Gens ett'.ms näher ansehen. Wenn die Charakteristik des ,.B. T " zulrisst, so dürfte der Schlüssel zur Lösung des „Problems" a u ch d e ni simpelste» Menschen gar nicht schwer fallen. Dev Genei alsekrelär reis! nach Bevttn Parts, de» 30. Dez. (Dcahtbericht TU.) Der Generalsekretär des Völkerbundes Sire Erik Trum- moud wird sich nach Berlin begeben, um mit dem Auswärtigen Amt die Besetzung der sür Deutschland reservierten Pasten beim Völkerbund im Falle des Eintritts Deutschlands zu besprechen. Es handelt sich um etwa 20 Stellen. — An Berliner zuständigen Stellen wird die Meldung, daß Drumnwnd im Januar in Berlin eintressen soll, bestätigt. Außer diesen und onderen kleineren Gläubigern wird der Nationalsozialistischen Partei Oesterreichs nie mand mehr nachweinen. Mit der Partei wird auch die ganze Hakenkrenzler-Bewegnng in Oesterreich liquidiert, und es kann genügen, ihren seligen Abschluß zu registriere» In politischer und sozialer Beziehung haben die Hakenkreuzler natürlich nichts geleistet. Sie waren auch hier nur eine Partei der großen Geste, der großen Worte, des großen Krakeels und der großen Schulden, Sie haben eigentlich nicht einmal geschadet, und die beiden großen politischen Parteien, die Christlichsozialen lind die Sozialdemokraten, haben gut getan, sich ihnen nie ernstlich entgegenzustellcn. Schädlich waren sie in einem gewissen Sinne nur der ernsten deinokratischcn Anschluß bewegung.. Durch das laute Auftreten einer Anzahl schreiender Jünglinge aus dem Reiche und durch ihre gewalttätigen Parolen in allen nationaleil Fragen haben sie viele Menschen, die gute Deutsche sind und innerlich den Anschluß herbeisehnen, irre gemacht und die An schluß frage kompromittiert. Nun. da der Spuk beendet ist. schreitet auch in dieser Beziehung die Beruhigung der seit einem Jahrzehnt cmfgereaten Ge- müter wieder NM ein Stück weiter fort.