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Sächsische Volkszeitung : 23.06.1929
- Erscheinungsdatum
- 1929-06-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192906238
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19290623
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19290623
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1929
-
Monat
1929-06
- Tag 1929-06-23
-
Monat
1929-06
-
Jahr
1929
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 23.06.1929
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Amerikanische Zipser in Dresden Dresden. 22 Juni. Eine Reisegesellschaft von etwa 50 Mit. Medern des Bundes der Zipser Sachsen in Amerika traf am Freitag von Berlin kommend in Dresden ein, wo sie am Haupt, tahnhof von Vertretern des Vereins für das Deutschtum im Auslande begrüßt wurden. Die amerikanischen Gäste haben die Absicht, an der Achthundert-Iahrseier ihres Zipser Heimat landes teilzunehmen. Der Führer der Reisegesellsäiaft Weiß- Neupork dankte für den herzlichen Empfang, an dem auch ein Vertreter des amerikanischen Generalkonsulats in Dresden teilnahm. Nach kurzer Rundfahrt durch Dresden, fuhren die Gäste nach Prag weiter. Ein Anzahlungskredilbekrllger -er ganz Deulschland bereiste » Etwa ISO« Personen betrogen. Dresden, 22. Juni. Mit einem AnzahlungskreditLetrüger größeren Formats hatte sich am Freilag das Gemeinsame Schöffengericht Dresden zu beschäftigen. Es war dies der jetzt 29 Jahre alte kaufmännische Vertreter Karl Rudolf Schiemann aus Dresden, dem fortgesetzter Rückfallsbetrug zur Last gelegt wurde. Obwohl der Angeklagte wegen Betrugs bereits recht oft, teilweise sogar empfind lich vorbestraft worden war. verschwand er Ansang 1928 aus Dres den, wo er eine Freiheitsstrafe zu verbüßen hatte, und konnte erst 14 Monate später, trotz steckbrieflicher Verfolgung, wieder fcstgenom- men werden. Inzwischen wurde er vom Schöffengericht Meißen am 24. April zu 5 Monaten Gefängnis und am 28. Mai vom Amts gericht Dresden zu 3 Monaten 2 Wochen Gefängnis verurteilt. Wäh rend seiner 14mouatigen Abwesenheit von Dresden reiste Schieuiann in ganz Deutschland mit einer Steppdeckenkollektion umher, verkaufte gegen Anzahlungen von 1 bis 56 RM. munter daraus los, küm- werte sich aber im übrigen absolut nicht um die Lieferung der Waren. Don den Anzahlungen fristete er sein Leben. Schiemann verkaufte nur an Privatkundschaft, di« zum größten Teil aus kleinen Arbeiterin nen bestand. Durch sein redegewandtes Auftreten verschaffte er sich Eingang in Fabrikbetriebe, wo er zugegebenerweise etwa 1060 bis 1500 Bestellungen ausnahm. Später, etwa im August 1928, hat der Angeklagte allerdings versucht, durch seinen in Dresden lebenden Bruder Bestellungen zu erledigen. Insgesamt wurden 10 Kunden bedient, von denen aber nur zwei in Besitz der bestellten Waren ge» krnglcn. Die restlichen acht ließen, da sie inzwischen bemerkt hatten, daß sie einem Ähwindler in die Hände gefallen waren, die Nach, nahmepakcte einfach zurückgehen. In der HauptVerhandlung bestritt der Angeklagte jede Be- trngsabsicht. Er habe liefern wollen, dies sei ihm aber durch den kaufenden Steckbrief sehr erschwert worden. Mit dieser Erklärung fand er aber beim Gericht wenig Glaube», zumal sich seine zahl reichen Vorstrafen aus ganz ähnliche» Betrngshandluugeu zusammen- sehtcu. Das Gericht verurteilte ihn zusätzlich der durch Urteil des Amtsgerichts Dresden aufcrlegtcn ElcfäugniSstrafc von 3 Monaten 2 Wochen zu weiteren 1 Jahr Gefängnis und 2 Jahren Ehren- rcchtt-verlust. Festnahme einer Einbrecherbande Dresden, 22. Juni. Schnell gefaßt wurden die Einbrecher, die am vergangenen Sonntag die Koittorräume zweier Fabri ken in der Zwickauer- und Bienertstraße erbrochen hotten. Einer der Tater, der sich in einer hiesigen Gastwirtschaft durch größere Geldausgabcn verdächtig geinacht hatte, konnte durch die Auf merksamkeit eines Einwohners von Beamten der 7. Schutzpoli- zeiivache scstgenammen werden. Bald gelang es auch, den Mit täter, auf den bereits gefahndet wurde, im Ostragehege zu er langen. Bel dieser Gelegenheit wurde auch noch ei» dritter Einbrecher dingfest gemacht. Den beiden Fäbrikeinbrcchern konnten durch die Kriminalpolizei noch ein dritter Einbruch in ein Fabrikgebäude in der Hamburger Straße, sowie 25 Schre- bergartcncinbrüche in den Gartenkolonien Rücknitzhöhe, Zschert nitzhöhe und Dresden-Süd nachgewiescn werden. Der dritte Einbrecher wurde bisher zu 14 Einbrüchen aller Art. wie Schau- kästeneinbriichen. Einbrüche in Fabrikgebäuden »nd Berkaufs- ständen, und einem Einbruch in eine Pastagentur überführt. Er hat diese Einbrüche nicht nur in Dresden, sondern auch in der weiteren Umgebung verübt. Teilweise haben sich diese Dicbesfahrtcn bis nach dem Vogtland erstreckt. Es ist zu er- Veikv 2Ld»s: vdloroäoat Vorspiele zur Regierungsbildung Dresden, 22. Juni. Ter Dolksrechtparteiler Abg. Mack hat am Dienstag in dem Interfraktionellen Ausschüsse ohne Ermächtigung aller seiner Parteigenossen erklärt, seine stlortei würde jede bürger- liclw Negierung unterstützen, auch wenn seine Partei keinen Minister im Kabinett habe. Mit dieser Erklärung hat Mack, den Anspruch der Volksrecht-Part«! aus einen Sitz im Kabinett prelsqegcben und ein Verbleiben des Dr. von Fumetti im Justiz ministerium der künftigen Regierung so gut wie unmöglich gemacht, zum mindesten sehr in Frage gestellt. Anscheinend ist mit dieser Erklärung Mocks nur der von ihr geschädigte Iustizminister nicht einverstanden. In dieser Vermutung wird man bestärkt durch eine aus der gleichen Quelle stammenden Preisgabe eines Vorfalles im Wahlprüfungsausschuß des Landtags. Dort soll zur Sprache gekommen sein, daß Amtsgerichtsrat Dr. Wall- ner, Leipzig, von der Volksrechtpartei in sehr anfechtbarer Weise durch Inserate Stimmenfang zu seinen Gunsten getrie ben hat. Die Ermittlungen der Staatsanwaltzsck-ast hoben er geben. daß er ein Inserat aufgegeben hat mit der Aufforderung: „Alle Winter-Leute wühlen Walluer" mit dem Zwecke, den Ein druck einer offiziellen Kundgebung der Wintergruppc hervor zurufen. Da der Tatbestand einer Fälschung im strafrechtlichen Sinne aber nicht gegeben war. mußte man von einem Vor gehen der Staatsanwaltschaft wie des Disziplinargerichtshofes adsehen. Dr. Wallner hat sich bekanntlich auch schon durch die Streichung Fumettis als Spitzenkandidaten der Leipziger Wahl- liste bekanntgemacht. Die „Einigkeit" der Dolksrechtspartei Hot sich bei der letzten Ministerprästdentenwähl im Landtag am Donnerstag glänzend gezeigt. Je einer der drei Abgeordneten stimmte für Bünger, Heldt und den deutschnationalen Eberl« . . . » Es ist etwas Schönes um Grundsatztreue, aber gerade die, di« große Worte stets im Munde haben, pflegen nicht immer danach zu handeln. Vor wenigen Wockien, anläßlich der Land- tagswahl. schrieb der Nationalsozialistische „Völkische Beobachter", die Deutsche Volkspartei sei die überflüssige Partei — und am Donnerstag erlebte man im Sächsischen Landtag dos prächtige Schauspiel, daß die Nationalsozialisten ausgerechnet für den volksparteilichen Minister Dr. Dünger als Ministerpräsidenten stimmten! Spaß muß sein in der Politik, und wir sind sicher, daß die sächsischen „Nazis" noch öfter Gelegenheit zum Lachen gebe» werden. Gerade jetzt hat ihre einstige Größe, der frühere Abg. Kapitänleutnant von Mucke, dem seine Lässigkeit als Abgeordneter vom deutsck)- , nationalen Landtagspräsidcnten Dr. Eckardt in öffentlicher Sitzung bescheinigt worden war. wieder eine» Streich verübt. Er fordert „Im Interesse des deutschen Volkes" den Reichs. Präsidenten aus. in Ueberlegungen einzutrclen, ob es nicht zweckmäßig iväre, von seinem Posten zurückzutre ten und Männern Platz zu machen, die in der Loge seien, die Geschichte zu meistern. — Man würde Unrecht tun. ivollte man diese Dreistigkeit Mückes anders als humoristisch aufnchmen. . . , « Ter „Dresdner Anzeiger" <Nr. 283) meint, daß die Schwie rigkeiten der Regierungsbildung allein in der Verteilung der Ministersitze lägen, während die Einigung über die Person des Ministerpräsidenten kaum Schwierigkeiten machen dürfte. — Es wäre durchaus falsch, hieraus schließen zu wollen, daß eine grundsätzliche Einigung bereits zustande gekommen wäre. Die Demokraten haben bisher ihre Zustimmung n>cht gegetren. Der Aufwertler, ?lbg. Mack, hat zwar erklärt, daß seine Fraktion die Negierung auch unterstützen würde, wenn sie keinen Ver treter im Kabinett hätte. Allein Minister van Fumetti hat dem widersprochen, und es ist daher reckt zweifelhaft, ob es Mack gelingt. Fumetti. seinen Parteifreund und antimsten Feind auf diese Weise zu stürzen Bon demokratischer Seite wird übrigens versichert, daß cs untragbar sei. in ein Kabinett einzutrctcn. dem Zwei Deutsch- nationale angehörcn und dessen Schwerpunkt damit völlig nach rechts verlegt wäre Wenn di« Deutschnationalen ihren An spruch. einen Ministcrsitz für sich und einen zweiten für die in Wahrheit doch auch deutschnationole Landnalk Fraktion zu er langen. ansrecht erhielten, werde bestimmt keine Ein'gung zu erzielen sein. Das alles sind nichts als Vorlniele zur Bildung der neuen Negierung. Wenn aber schon im Vorspiel solche Bilder gezeigt werden, wie mag dann erst das Regieren selbst cniskoheo? warten, daß durch die weiteren kriminaspolizeilichen Erörtern», gen noch eine Reihe anderer Einbrüche zur Aufklärung kommen werden. : Abschaltung von Kabeln. Arbeiten im Kabekneh erfordern Sonntag, den 23. Juni 1929. folgende Abschaltungen: Altstadt: Von 4 bis etwa 8 Uhr Gcrhort-Hauptnmnn- (ab Gustav-Adolf» Straße). Friedrich-August-Platz und einige angrenzende Straßen (ganz oder teilweise); von 4 bis etwa 12 Ubr Bergmann-, Worm ser (ob Bergmannstraße), Pohlaudplatz und einige angrenzende Straßcntcile; von 3 bis etwa 9 30 Uhr Marschall-, Ziegel-, Pill- nitzer, Grunaer, Pirnaische. Landbans- sowie anliegende Straßen, Plätze und Elasten: von 5 bis etwa 9 Ubr Schützcnplah, Kl. Pock- bofstraße, Osira-Nllee »nd angrenzende Straßenteile. Neustadt: Von 3 bis etwa 9.30 Uhr Sllbcrtstraßc sonn« anliegende Straßen und Plätze. — Auskunft durch Fernsprecher 25 071 und 25 661, Zimmer 101. : Aus der Louise-Preßler-Stiftung sind einige Renten und einmalige Unterstützungen an unverheiratete, in Dreien wohn hafte Töchter von Dresdner Einwohnern, zu vergeben, welche sich ihren Lebensunterhalt ganz oder teilweise verdienen müssen, über 40 Jahre alt und unbescholten sind, sich zum christlichen Glauben bekennen, in Dresden wohnen, und keine lausende Unterstützung aus der Fürsorgekasse erhalten. An erster Stelle sind hinterlasscne. unverheiratete Töchter von Beamten. Geist lick)«» und Lehrern zu berücksichtigen. — BewcrbnngSgesuche sind unter Beifügung des Geburts- und Taufzeugnisses bis zum 30. Inn! bei der Stiftungsabteilung des Fürsorgeamtcs, La„d° hausstraßc 9, 3.. Zimmer 57, cinzureichen. d. Der Meißner Haushaltplan. Die Stadtverordneten in Meißen verabschiedeten in ihrer letzten Sitzung den städtischen Haushaltplan gegen die Stimmen der Wirtschastsfraktion, der Nationalsozialisten und Kommunisten. Der Etotscntwurf, der dem Kollegium vorlag. weist einen Fehlbetrag von 1 364 738 RM. auf. Es sind wesentliche Einschränkungen und Abstriche in Aussicht genommen, um diese Summe zu vermindern, so daß sich nach den Vorschlägen des Oberbürgermeisters Dr. Busch das Defizit endgültig auf 755 514 RM. belaufen würde. U. a. sind eine Mirsikinstrumentensteuer. ein Reklame- und Plakat steuer geplant. d. Vom Auto tödlich nbersabren. Als der 60 Jahre alte Klempner Kästner aus Nadeberg mit seinem Rade einen Lastkraftivagenzug überhole» wo lte. kam er zum Sturz und wurde vom Triebwagen und Anhänger überfahren. Der Ver unglückte war aus der Stelle tot d. Rätselhafter Tod eines "ousb rrsckon. Donnerstag nach mittag wurde ein in einer Pnnaer Konditorei beschönigter Lausbursckie mit dem Kopf in einem Tre^'-ieinen erhängt auf gefunden. Der zugezogenc Arzt konnte nur noch den Tod fest- steilen. Ta kein Grund lür einen Selbstmord vorliegt, kann nur ein Unglückssall in Fraae kommen. Dein Unglücklichen war durch die Transmission die Wirbelsäule gebrochen worden. Mozart Serenade im Dresdner Zwiuacr. Am 26. Juni. Mitt woch abend 9 bis 10 Illir, wird an, dem Trcvvcuvorvlatz des Wall» Pavillons im erncucrle,, Dresdner Zwinger Mozarts bcrülmü« Haffner-Serenade vom Orchester des Mozartvercins unter Leitung von Erich Schneider auf vielfache» Wuwck wiederauigeiübrl. nach dem die Erhauisschroug ü„ vcraauocucu Jabrc einen oerade.zn sen- iatioucllcn Erfolg bitte Eines der erste» Dresdner Blätter schrieb n. a.: ..Es war eine Göiterstuude. die mau erlebte und die vielen Hunderte» Erbauung brachte. ..Einstimmig rüluute die Preise di« wuuderbarc Akustik de.? Zwiugcrhoscs. die alle Sawulieiteu der reich inslruiuculicrle» köstlichen Muht zu Volte, Wirkung kommen ließ, besonders auch die herrlichen Violimoli (EZottiricd Hohiiauu — Slirl). Diese? sein uonänolichsies Orck-eneiwerk schrieb der 20>öh- rigc Mozart zur Hochzeitsicier der ibm bcsreundeten Salzburoer Bürgcrmeisterslocktcr Elisabeth Hanucr und bat darin den ganzen Reichtum seiner Kunst !u Herz und Geist gleich seüelndcr Weise ent falte!. Der Besuch der Aufführung ici allen musiflicbenden Freun den des wiedcrerstandenen ZuüuocrS av'Z wärmste emvsoblcu. Pädagogium der Tonkunst. Nächsten Montag, abends 3 Uhr. findet im Pädagogium der Tonkunst der 3. Elternabend statt. Zur Ausführung gelangen Werke von Brahms. Neger, Sandbcrger. Wolf. Urbach und Trunk. Nasführende sind: Trude Welleln (Gesang) und das Urbach-Trio lSiarid Urbach, Klavier. Walter Dietzett, Violine. Herbert Zänker, Eello). Mensch unler Menschen Roman von Victor Hugo. (45. Fortsetzung.» „Der Herr hatten also keine Geschäfte in Monfcrmelk zu be sorgen?" „Nein, ich komme hier bloß durch. — WaS bin ich schuldig, Frau Wirtin?" Statt der Antwort überreicht« sie ihm die Rechnung. Er faltete sic auseinander und sah sie an, aber offenbar waren seine Gedanken woanders beschäftigt. „Frau Wirtin, mache» Sic hier in Montscrincil gut« Ge schäfte?" „Mittelmäßige", antwortete sie, hoch erstaunt, daß alles so glatt abgingI" „Es sind schlimme Zeiten, mein Hcrrl" jammerte sie weiter, „und in unserer Gegeich wohnen nicht viel wohklmbeud« Herrschaf ten. Was haben wir für Ausgaben. Zum Beispiel die Kleine, die kostet uns die Augen aus dem Kopse." .Mclchc Kleine?" „Nun, Sie wissen so, Cosctte, die Lerche." „So!" sagte der Gast. „Sehen Sie, mein Herr, wir bitten nicht um Almosen, kön- «en aber keine geben. Wir verdienen nichts und sollen viel zahlen. Und mein« Töchter koste» genug. Die Sorge um anderer Leut« Kinder würde ich gern missen!" Der Gast fragte In einem Ton. der recht gleichgültig klingen sollte, aber verräterisch zitterte: „Nun, was meinen Sie dazu, wenn man Ihnen dir Last abnähme?" ,L8cn? Eoscltc?" „Ja freilich!" „Nehmen Sie sie mit. einzigster, liebster Herr! Machen Sie mit ihr, was Sie wollen. uick seien Sic dafür gesegnet vo» der heiligen Jungfrau Mario und allen Heiligen des Himmels!" „Einverstanden!" .Mrklich? Sic nehmen sic mit?" „Ich nehme sie mit." „Coscttc!" schrie die Tbcnardier. „Vorläufig will ich Ihnen aber die Rechnung bezahle». Wie- Viel nmcht es?" Er warf einen Blick airf die Rechnung und konnte eine Regung des Erstaunens nicht ganz zurückdrängc». „Drciundzwanzig Franken!" Frau Theuardicr, die Zeit gehabt hotte, sich vorzubcrciten, entgcgiicte mit Dreistigkeit: „Ja gewiß! Drciundzwanzig Frauken!" Der Frencke legte fünf Fünffrankcnstücke auf den Tisch und sagte: „Holen Sie die Kleine." In diesem Augenblick trat Tbcnardier in die Stube herein und sagte: „Der Herr hat scchsundzwanzig Sous zu bezahlen." „Sechsundzwanzig Sous!" rief seine Frau verwundert. „Ztvauzig Sous für das Zimmer", sagt« rubig Tbcnardier, „und sechs Sous für das Abendessen. Was die Kleine anbclangt, so möchte ich über diesen Punkt mit dem Herrn noch sprechen. Laß uns allein. Frau!" Sobald sie allein waren, bot Tbcnardier dem Elast einen Stuhl an. Dieser setzt« sich, während der Mrt stehen blieb mü eine recht simple, gutmütig« Miene annahiu. „Ich wollte Ihnen bloß sagen, mein Herr, daß ich das Kind schrecklich liebhabc " Der Fremde sab ihm sckmrs in die Augen: .Mlchcs Kind?" Tbcnardier fuhr fort: „So sonderbar es sein mag. ober man schließt solch ein klei nes Ding in sein Herz. Was ist das für Geld da? Nehmen Sie doch Ihre Fünffrankcnstücke wieder zurück. Tos Kind ist mir ans Herz gewachsen." ,Mr?" „Nun, unser Cosettchen." Dann begann er lange über seine Liebe zu dem armen Kinde zu sprechen, bis er seine schwülstige Rede mit den Worten schloß: „Ich liebe das Kind. Meine Fron auch, obgleich sie mitunter ein bißchen lebhaft ist. Wir betrachten sie wirklich als ein eigenes, leibliches Kind." Während dieser ganzen Rede Halle der Fremde dem Gastwirt scharf in die Augen gesehen. „Außerdem, ich bitte Sie tausendmal deswegen um Enischul. digimg, aber man übergibt doch sein Kind nicht so ohne weiteres einem Fremde». Es könnte ja zu ihrem Besten sein, denn Sie sind reich, Sie sind ganz gewiß ei» guter Mann, aber — man kann doch nicht wissen. Gesetzt also, ich wollte das Kind von mir sort- lafsen. so möchte ich doch wissen, bei wem es ist, damit ich sie von Zeit zu Zeit besuchen könnte, damit sie weiß, daß ibr guter Pflege vater da ist.und nach ibr siebt, ob cs ibr gut geh!" Ohne seine» durchdriimondcn Blick von seinem Gegner abzu- wendcn, antwortete der Fremde nachdrücklich und bestimm!: „Herr Tbcnardier. wen» mau eine io kurze Reise, wie die von Paris »ach Moulsermcil macht, braucht mau keinen Paß und läßt ihn zu Hause. Nehme ich Eosctte mit. so ist damit alles abge macht. Cie werden nicht erfahre», wie ich beiße, wo ich wohne, wo sie bleibt, und es ist mein Wunsch, daß sie nie wieder mit Ihnen zusammenkomint. Ich schneide den Fade» durch, der sie sestkttlt, und sic geht auf und davon. Paßt Ihnen das. ia oder nein?" Wie die Dämonen und Genien an gewissen Zeichen die Gegen wart eines höheren Gottes erkannten, so begriff auch Thcnavdier mit seiner gewohnte», raschen Auffassungsgabe, daß er mit einem tüch tigen Gegner zu tun batte Während er in der vergangenen Nacht mit den Fuhrleuten zechte, rauchte, zotige Lieder sang, batte er un ausgesetzt den Unbekannten im Auge behalten und beobachtet Er hatte gesehen, wie ausmerksam der Gast Eoselte aulab. Warum interessierte ihn das Kind? Was war er sür ein Mensch? Wozu der elende Aufzug, da er doch Geld genug in der Tasche batte? Alles Fragen, die er nickt zu lösen vermochte, und das verdroß ihn. Eo- setteS Vater konnte der Mau» nicht sein Vielleicht ibr Großvater? Warum gab er sich dann aber nicht sogleich zu erkennen? Wenn man ein Recht hat, so macht man es doch gellend. Offenbar hatte der Mann keine berechtigten Ansprüche aus Eosctte. Was hatte daun aber die ganze Geschichte zu bedeuten? Tbenardier stellte alle mög lichen Vermutungen aus, aber keine wollte ihm einkeuchtcn. Wie dem aber auch sein mochte, er war, als er das Gespräch cinleitet«, fest überzeugt, daß es sich mn ein Gcbeimnis bandele, daß «s dem Unbekannten darauf ankäme. außer Spiel zu bleiben und daß er Herr der Situation sei. Aber ai? der Fremde ihm so entschieden gegenübertrat, als er sah, daß das Geheimnis so einfach u>ir, fühlt« er sich s«in«r Sack)« nicht mehr sicher. Aber er gehörte zu den Men schen, di« eine gegebene Lage rasch überschauen und tras seine Ent scheidung im Laufe eine Sckuirdc. „Ich verlange fünfzehnhundert Franken, mein Herr!" sagteer. Der Frcinde nahm ans seiner Scitcntasche eine ale. schwarz« Brieftasche und legte drei Kassenscheine aus de» Tisch Dan,, sagt« er. wäbr«nd er mit seine,» breiten Daumc,, das Geld scsthielt, zu dem Gastwirt: „Lossen Sic Coscttc kommen." IFortjrtzung folgt.)
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