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Diese Aufgabe bedarf — woran es bisher immer gefehlt hat — einer nüchternen Prüfung des in der Regierung Erreichbaren ebenso sehr, wie einer klugen psychologischen Rücksichtnahme auf den Wähler. Es wäre ein erfreulicher Gewinn, wenn es der Deutschnationalen Volkspartei gelingen würde, die Opposition, die ja jetzt und vorläufig maßgeb lich von ihr verkörvert wird, in diesem staatspolitischen Sinne zu führen. Sie hätte auch einigen Anlaß hierzu, da ja die Auseinandersetzungen, die sie jetzt erlebt, in ihren entfernteren Ursachen aus eine Negierungstätigkeit zurück gehen, die einer agitatorisch überspannten Opposition folgte. Die Krise, in der sich die Partei seit den Wahlen befindet, ist ernst und die in ihr zutage getreteneg Gegen sätze sind scharf und schwer Lberbrückbar. Lambach, Hilgen berg und Westarp sind nur Namen, hinter denen sich ein ernstes Ringen um Sinn und Form einer „konser vativen Rechten" verbirgt. Sein Ausgang ist uns nicht gleichgültig. Wir haben an dieser Stelle oft genug auf die Bedeutung einer echt konservativen Haltung und Gesinnung hingewiesen. Wir haben Interesse an ihr. Der Staat bedarf ihrer als ausgleichender politischer Kraft. Dem Volke vermittelt sie Tradition und Erbe. Aber dies alles nur, wenn dieser Strom konservativen Willens oinge- bettet ist in die staatlichen und sozialen Zu stände der Gegenwart. Das ist leider nicht der Fall und darum geht auch, wenn man die deutschnationale Auseinandersetzung in ihrem tiefsten Grunde zu erfassen sucht, der Kampf. Die Deutschnationale Volkspartei hat es jetzt noch in der Hand, ihre Entwicklung zu einer wirklich konservativ« Partei zu bestimmen, eine Entwicklung, in der die jetzige Auseinandersetzung nicht die letzte Phase darstellt. Wenn sie hierzu nicht die Kraft ausbringen sollte, wird sie es allerdings erleben müssen, daß dieser konser vative Gedanke neben ihr aufwächst und neben ihr stark wird und schließlich auf ihren Trümmern die Füh rung der Rechten übernimmt. Die Zeit ist unerbittlich; sie arbeitet f ü r den heutigen Staat, für die deutsche Repu blik, und läßt die Vergangenheit mit immer größerer Sicherheit hinter sich. Und mit immer größerer Sicherheit geht sie auch über die hinweg, die sich in die neue staat liche Ordnung nicht eirn'.ifügen vermögen. Die Geschichte, reich an Beispielen, ist auch hier Warnerin und Lehr meisterin zugleich. Achmed Zog« König von Albanien Tirana, 1. September. Die versassunggebende Versammlung hat heute mittag Achmed Zogu zum König proklamiert. Gleichzeitig wird bekannt, daß die Führer der Repu blikanischen Partei einen Ausruf veröffentlicht haben, in dem sie unter Drohung mit einer Revolution ein Ein greifen des Völkerbundes und der Großmächte gegen die „Tyrannei" des neuen Königs von Albanien fordern. Lkües verzichte! endgültig Ncuqork, 1. September. (TU.) Nach Meldungen aus Mexiko-Lity erklärte Präsident Talles bei der Eröffnung des Kongresses, daß er unter allen Umständen a ml. Dezember von der Präsident schaft zurücktrcten werde. Er werde auch nie wieder für das Amt des Präsidenten kandidieren, würde sich aber freuen, wenn er seinem Lande auf einem anderen Posten dienen könnte. Ealles verlangt weiter die Wahl eines vor läufigen Präsidenten. Die Lage Mexikos sei deshalb so besonders schwierig, weil ihm Führernaturen mit militäri scher Gewalt fehlten. Vie verhinderte Badereise (Eigener Drahtbcricht.) 6. Pistyan, 1. September. Die Verhaftung von Hugo Stinnes jun. hat auch im Anslande beträchtliches Aussehen erregt. Daß der Sohn de» berühmten Finanz- und Wirtschastsmagnaten einer so schweren Verfehlung beschuldigt werden könnte, hat niemand für mög lich gehalten. Besonders stark war das Aussehen über die er wartete Verhaftung in dem wegen seiner Heilkraft viel ge rühmten Badeorte Pistyan. Dort hatte sich am S1. Juli Hugo Stinnes mit Familie zur Kur angemeldet und bereits im Thermia Palace Hotel Wohnung be stellt. Die geplante Reise hat jedoch eine jähe Störung erfahren, denn indessen hat di, aufsehenerregende Verhaftung stattgcfundcn und Stinnes jun. hat, soviel bekannt, wissen lassen, daß er „Ankunft in Pistyan mit Bedauern" verschiebt. Die Sensation wird dadurch noch größer, daß die Preßburger Presse zu wissen glaubt, man hätte von Seiten der Berliner Polizei bereits Maßnahmen ergrissen gehabt» «m Stinnes' „Pistyaner Aufenthalt" zu überwachen. Man steht hier der Entwicklung mit größtem Interesse entgegen, weil man gespannt ist, ob Herr Stinnes hier noch eintresse» wird oder nicht. Der gestrige Sonnabend wurde vollständig durch Ver nehmungen Berliner und auswärtiger Zeugen in der Stinnes- Untersuchung ausgefüllt, während Stinnes selbst nicht mehr ver nommen wurde. Die Untersuchungen des Sonderdezernais werden mit großer Energie weitevgeführt, und am gestrigen Sonnabend hat ein« Haussuchung in den Räumen der Hugo Stinnes E. m. b. H., Abteilung Kohlen, in der Potsdamer Straße 75 in Berlin staitgefunde», wo von der Kriminalpolizei Dokumente und umfangreiche Korrespondenz beschlagnahmt wurde, die sich aus di« Verbindungen von Hugo Stinnes mit den ausläirdischen Anleihejchicberzentralen be ziehen. Auch in Hanrburg und Mühlheim erfolgten neue Haussuchungen und Beschlagnahmen. Ser vierte Jahresbericht des ReMallonsageakeu Der Reparationsagcnt veröffentlicht soeben, vorläufig in englischer Sprache, seinen vierten Jahresbericht bis einschl. 3l. August 1928 und stellt darin fest, daß die fälligen deutschen Zahlungen in vollem Umfange und pünktlich einge gangen sind, sowie daß die im vergangenen Jahre vollzogenen Ueberweifungen in ungefähre» Höhe der deutschen Leistungen WM MM NlM Trümmer iiesIlUWUgs gesunden Oslo, 1. September. Der finnische Fischdampser „Brodd" ist am Sonnabend, von der Biireninsel kommend, in Tromsö eingetroffen. Die Mannschaft des Fahrzeuges hatte etwa 39 Minuten von Fuglö entfernt den fünf Meter langen Schwimmer «ine» Flugzeuges aufgesnnden und an Bord genommen. Die nähere Untersuchung hat einwandfrei ergeben, daß es sich um einen Schwimmer der „Latham" handelt, der mit großer Gewalt vom Flugzeug weggerissen worden ist. Das Schicksal Amundsens und seiner Begleitung er scheint somit endgültig besiegelt. Die „Latham" muß, aller Wahrscheinlichkeit nach, wenige Stunden nachdem Start, und zwar noch vor Erreichung der Bäreninsel, ab- gestürzt sein. In ganz Norwegen herrscht tiefe Trauer. Der von dem Fischerboot „Brodd" gefundene Flugzeug schwimmer hat blaugraue Farbe, ist 2,42 Meter lang, 58 Zenti meter hoch und 56 Zentimeter breit. Der Schwimmer besitzt vier kleine wasserdichte Abteilungen. Er weist eine wahr scheinlich vor dem Abflug aus Norwegen mit Kupferblech aus- aefiihrte Reparatur auf. Ls sieht auch so aus, als ob die Mannschaft versucht hätte, den Schwimmer am Flügel besser zu befestigen und als ob dies nach dem Abflug aus Tromsö gemacht worden sei. Der Oberbefehlshaber der Marinestation Bergen, der seinerzeit das Flugzeug „Latham" bei seiner Ankunst in Bergen in Empfang nahm, erklärte, es sei richtig, daß einer der Schwimmer während des Aufenthalts in Bergen m i t Metallplatten repariert wurde, und daß dieser Schwimmer blaugrau gewesen sei. Ein Vertreter des Norok Telegrambyraa hatte eine Unter redung mit dem Polarforscher Kapitän Otto Sverdrup, in der Sverdrup, nachdem er über die neuesten Einzelheiten zu dem Wrackstückfund und insbesondere über die Erklärung des Kommandeurs der Marinestation in Bergen informiert worden war, erklärte, daß er diese Tatsachen für den end gültigen Beweis des Untergangs der „Latham" halte. Er habe keine Hoffnung mehr, daß irgend jemand, der an Bord des Flugzeuges war, noch lebe. Seiner Ansicht nach müsse die Katastrophe bereits eingetreten sein, ehe das Flugzeug die Bäreninsel erreicht habe. In der Nähe der Väreninsel hätten damals viele Fischerboote gelegen, und sie hätten mit größter Wahrscheinlichkeit die „Latham" gesichtet oder irgendwelche Spuren von ihr gesunden. Es spreche nichts dagegen, daß ein Schwimmer des Flugzeugs bei der Insel Fugloe antreiben könne. Der Schwimmer sei ein sehr leichter Gegenstand, und deshalb spiele für die Triftrichtung der Wind eine wichtigere Rolle als die Meeresströmung. Es sei durchaus möglich, daß ein Wrackstück der „Latham" in diese Richtung getrieben wor den sei, da in der fraglichen Zeit nördliche Winde vorgeherrscht hätten. Der norwegische Gelehrte Hoel pflichtet der Ansicht Sverdrups bei, daß der Schwimmer des Flugzeug» „Latham" sehr leicht bis zur Küste von Fuglo treiben konnte, falls di, „Latham" auf ihrem Flug nach Norden in das Meer abge stürzt sei. Der Gelehrte fügt jedoch hinzu, es bestehe auch die zweite Möglichkeit, daß das Unglück passierte, während die „Latham" den Versuch unternahm, nach Norwegen zurückzu- kehren. Der Direktor der Marine-Flugzeugwerke in Horten erklärte: „Wenn einer der Schwimmer nbbrach, wäh rend die „Latham" sich auf dem Meere befand, dann konnte sich das Flugzeug nur noch wenige Minuten über Wasser Halten. Bon allen Leuten, di« von den Berichterstatter« der Zei tungen befragt wurde«, sagte nur ei« einziger, nämlich Leut nant Amnndsen, «in Nesse des Forschers, daß er die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben habe. Die Berichte aus Tromsö werden durch Eztra-Ausgaben der Blätter und durch Rundfunk bekanntgegeben und allgemein mit größtem Bedauern ausgenommen. Die meisten Leute hatten aller dings längst die Hoffnung aufgegeben, Amnndsen wiedrr- zusehen, aber es gab auch viele, die sich hartnäckig an dem Ge danken klammerten, Amundsen fei ln seinem Leben schon so häufig auf wunderbare Weise dem Tod« entronnen, daß sie di« Hoffnung nicht aufgeben könnten. Die Abendblätter haben noch keine Zeit gefunden, sich ausführlich zu den Berichten aus Tromsö zu äußern. „Dagbladet" schreibt, es habe den Anschein ,als sei das Flug zeug ins Meer gestürzt und als seien alle, die sich an Bord der „Latham" befinden, umgekommen. Wenn diese Annahme zutreffe, dann habe Norwegen einen der berühm testen Männer seiner Geschichte, Roald Amund sen, und den tapferen Flieger, Kapitän Dietrichson, verloren. Ihr Untergang werde jedoch dem Namen ihres Vaterlandes zum Ruhme gereichen. Es falle schwer, die letzte schwache Hoff nung auf irgend eine wunderbare Errettung aufzugeben, aber offenbar sei nun der Augenblick nahe, in welchem man sich mit dem Tod der mutigen und selbstlosen Norweger und ihrer tapferen französischen Kameraden abfinden müsse. „Aftenposfen" gibt der Meinung Ausdruck, daß das Rätsel um die „Latham" nun endlich gelöst sei und offenbar alle an Bord ihr Le ben verloren hätten. London, 1. September. Die genaue Untersuchung der an der Küste von Island angcschwemmten Flugzeugtriimmer hat ergeben, daß es sich um die Maschine handelt, mit der die Prinzessin Lö we nst e i n-W e r th e i m am 31. August 1927 einen Versuch zur Ozeanüberquerung gemacht hat. „MitzverMnimisse in -er Auslegung" Leygues gibt wettere mimfkeriette Ergänzungen zum Flotten - Kompromiß Kr. Paris, 1. September. In der Erörterung des englisch-französischen Flottcn- abkommens sowie seiner Parallelvereinbarungen scheint dem Dementi eine hervorragende Rolle zukommen zu sollen. Wie an dieser Stelle schon berichtet, gab der französische Marine minister Leygues gestern in einem Interview einige Er klärungen über das Flottenabkommen ab, in denen er unter Umgehung der strittigen Punkte sich in größerer Breite über das Zustandekommen der Flottenvereinbarung aussprach. U. a. hatte er Wert darauf gelegt, daß „.für die Redaktion des Abkommens die französische Marine die Ehre und die Verantwortlichkeit in Anspruch nehmen müsse". Heute sieht sich der Marineminister Leygues genötigt, gegenüber „Mißverständnissen in der Auslegung" dieses Satzes festzustellen, daß die französische Marine keines wegs besagte Ehre und Verantwortlichkeit für sich in An spruch nehme, sondern die Festsetzung des Vertragstextes im Zusammenwirken beider Admiralitäten vor genommen worden sei. Die heutigen „Ergänzungen" der ministeriellen Er klärung, die dem Vernehmen nach einige Londoner Tele gramme zur Ursache haben, haben folgenden Wortlaut: „Das Flottenkompromiß — denn so haben unsere englischen Freunde das getroffene Abkommen sicher zu Recht bezeichnet — ist das gemeinsame Werk der beiden Admiralitäten, die an ihm im Sinne des Ausgleichs gearbeitet haben, mit der gleichen Aktivität und in der gleichen lleberzeugung, daß ihr Akkord das einzige Mißverständnis in Wegfall bringen werde, das seit dem Kriege zwischen den beiden Ländern noch bestehe und den glücklichsten Einfluß auf die späteren Arbeiten der internationalen Abrüstungskonferenzen, sowie auf die Be festigung des Friedens haben würde. Nachdem jetzt die Admi ralitäten das technische Problem gelöst haben, haben sie zu dem Akkord nichts mehr zu sagen. Es sind jetzt die Regierungen, die den endgültigen Vertragsabschluß vor nehmen werden." Die französische Regierung kann versichert sein, daß nach dieser umfassenden Ergänzung weitere „Mißverständnisse in der Auslegung" der Flottenvereinbarung nicht mehr Vorkommen werden. Die 129 Neubauten der französischen Kriegs flotte sollen nur dem Heringsfang dienen und die „soliden Realitäten" für das Landheer haben nur in der Einbildung des „Temps" bestanden. So nähern wir uns dem Zeitpunkt vollständiger Abrüstung in erschreckender Eile. «folgt sind. Für die dritte Annuität blieben noch Zahlungen in Höhe von 75 Millionen zu leisten, für die vierte Annuität stehen noch 79 Millionen Em. aus, deren Eingang bis zum Be trage von 55 Millionen Em. am 1. September, zu erwarten ist, während der Rest von 24 Milk. Em. aus den voraussichtlichen Erträgnissen der Verkehrssteuer bis 21. September «ingehen wird. Die Gesamtsumme der Transfers während des Berichts jahres beläuft sich auf rund 1739 Milk. Gm., wovon 54,23 Proz. in fremden Währungen überwiesen sind, während der Rest in Reichsmark überwiesen wurde. Die Annuitätsleistungen selbst beziffern sich auf insgesamt 1750 Millionen Em., so daß am 3l. August 1928 der Kassenbestaird 189,5 Mill. Em. gegenüber l85,5 Mill. Em. bei Beginn des Jahres beträgt. Völlige Einigkeit im Kabinett Poincare Paris, 1. September. Im Landhaus Poincares, in Lhampigny, haben sich um die Mittagsstunde die Kabinettsmitglieder versammelt, um nach einer kurzen Ministerratssitzung, in der „laufende Angelegenheiten" erledigt werden sollen, den 68. Ge burtstag des Ministerpräsidenten und das zweijährige Be stehen des Kabinetts der Nationalen Union nachträglich zu feiern. Dem verhältnismäßig langen Bestand des Kabinetts Poincarö widmet die Pariser Presse länger« Betrachtungen. Sie liebt in ihm nicht nur den Beweis für di« Völlig« Einigkeit, die im Schoße des Kabinetts während der zwei jährigen Amtsdauer herrschte, sondern auch ein Zeichen dafür, daß der gleiche Geist gegenseitiger Zugeständnisse eine Ge währ für den weiteren ungefährdeten Bestand des Kabinetts sein werde. In einem recht interessanten Aufsatz verlangt die „Vo lonte". aus der Unterzeichnung des Kelloagpaktes die logische Schlußfolgerung zu ziehen. Für die verschiedenen vertrag schließenden Parteien handelt es sich, wie das Blatt erklärt, nunmehr darum, ihr öffentliches Recht mit der neuen juristischen Auffassung im Kellogg - pakt in Einklang zu bringen. Artikel 9 der franzö sischen Verfassung, „der Präsident der Republik kann den Krieg nicht ohne vorherige Zustimmung der beiden Kammern er klären". müsse nun ersetzt werden durch einen Paragraphen etwa folgender Fassung, „das französische Volk in llebereinstimmung mit dem Pakt von Paris vom 27. August 1928 verzichtet auf jeden Krieg, ausgenommen in Fällen legitimer Verteidigung gegen einen bewaffneten Angriff einer anderen Macht. In diesem Fall kann der Kriegszustand nur durch ein Votum der beiden Kammern erklärt werden". Außerdem verlangt der Aufsatz, daß die allgemeine Mobilisierung ln Zu kunft nur von dem Parlament nach vorheriger Ein holung der Ansicht des Völkerbundes ungeordnet werden könne. Zn den Verfassungsgesetzen und dem Strafgesetzbuch müsse das Verbrechen des Krieges und die Herausforderung zum Krieg dem Hochverrat gleichgestellt und mit Todesstrafe >ür die Urheber bestraft werden.