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Nummer ISS — 27. Jahrgang kricheinl «mal wvchentl.mil den illustr. Gratisbeilagen .Die «elt' und »Für unsere Ileinen Leute', sowie den rerlbctlagen ,8t. Beimo-BIatt', .Unterhaltung und Wissen', .Die Welt der Frau'. »Rerztiicher Ratgeber', .Das gute Buch'. .Filmrund, schau'. Monatlicher Bezugspreis 3 Mk. elnschl. Bestellgeld, kiuzelttummer 1« 1. Sonnabend- u. Sonniagnummer !tO Hauptlchrlstlelter- De. W. DeSezhk. Dresden. LüchlWe Mittwoch» den IS. August 1S2» BerlagS»»«, Dresden «uzetgeupretse. Die I gespaltene PeUtzeNe St» S. Familien- anzeigen ».Stellengesuche itttz. Die PeMrellamezeil«. 89nun breit. 1 Für Sinzeigen außerhalb des VerbreiluugSgebiete» ^. di- P-NIreNamezeile 1 ,»t»^. Offerlengeb.«« ^. Im Fall« höherer Gewalt erlischt sede Verpflichtung aus Lieferung sowie Erfüllung v. Slnzeigen-SlustrSgen ». Leistung v. Schadenersatz. Geschäftlicher Lew Artur Le«,. Dresden. oolrSseuuno Geschäftsstelle, Drucku.Verlag: Germania. Sl^G. sür Verlag und Drilikerei. Filiale Dresden.Dresden-Sl.I. Polierslrahe t7. FernrnfLwlL. Postschecktonlo Dresden »703. Bankkonto- Gtadtbant Dresden Nr. <tI7t!> Für christliche Politik und Kultur Redaktion der Sächsischen BolkSzettuna DreSden-AItstadt l. Polterstratze >7. Fernnit 2V7» und?IOt?. Ser letzte Grotzkoale Nach Raditschs Tod. (Von unserem Vertreter.) O. I. Wien. 11. August. Wenn man in den letzten zwei Monaten die Balkan- Ereignisse verfolgt, so häuften sich die Morde in geradezu unheimlicher Weise. Biel ärger kann es in jener so fernen Zeit nicht zugegangen sein, als noch der Türke den Balkan beherrschte: damals handelte es sich um den Kampf sür die Freiheit vom Türkenjoch. Heute besteht die Freiheit selbständiger Nationalstaaten, aber die Einheit fehlt, weil weder die äußere Staatsbildung, noch die innere Staatskonsolidierung abgeschlossen erscheint. In Bul garien fallen die Führer, weil die nationalbulgarische Idee gegen den großsüdslawischen Einheitsgedanken steht; in Jugoslawien, weil im großserbischen Staat die großkroatische Erinnerung fortlebt. Durch Blut und Eisen wurde die Freiheit geschaffen; den daran gewöhnten Stämmen scheint dieses geschichtliche Mittel auch zur Schaf fung slawischer Balkaneinheit unter dem Begriff „Jugo- slawija" geeignet zu sein, das sich als Geltung und Ver geltung gegen bulgaro-slawischen Separatismus und kroato- slawischen Föderalismus richtet. Stefan N a d i t s ch ist tot; was er für seinen kroatischen Stamm, für den jugoslawischen Staat bedeutet hat, schwankt als Charakterbild wohl in der Zeitgeschichte. Wer den Staatsmann lediglich nach dem Grade der Popularität mißt, für den war Naditsch ein Staatsmann; denn volks tümlich war Naditsch unter seinen kroatischen Bauern, seit dem Skupschtina-Attentat auch innerhalb des ganzen kroatischen Stammes. Wer aber an den Staatsmann den Maßstab der Folgerichtigkeit seines Tuns und Lassens legt, für den war Naditsch ein Bauerntribun, derDemag 0 ge schlechtweg. Vom Kerker zum Ministerstuhl, vom Hosianna zum „kreuziget ihn" führte ihn in ununterbrochenem, jähem Wechsel seine politische Laufbahn. Hochverräter war er bald für die Serben, bald für die extremen Verfechter der groß kroatischen Idee. Was er heute pries, verdammte er morgen; feine Anschauung über die Staatsform änderte er ebenso rasch und gründlich, wie seine Zu- und Abneigung zu den Dynastien Habsburg und Karageorgewitsch. Zen tralismus und Föderalismus waren nur Kleider, die er ebenso wedelte wie den Sträflingskittel mit dem Minister rock. Ernste Leute schüttelten den Kopf; viele hielten ihn für einen Narren: nur seinen Bauern war er ein Prophet; denn ihnen stellte er die Erreichung der Macht im slawischen Staat der balkanischen Bauern m Aussicht. Und nur aus diesem Gesichtspunkt heraus ist es erklärlich, daß ihm seine Parteiorganisation folgte, wenn er heute dieses, morgen jenes Schild heraushängte. Nun wurde aus dem Propheten eines einzelnen Standes im Staat der Märtyrer eines Stammes des StaaDe. Es ist durchaus möglich, daß der tote Naditsch weitreichender wirkt als der lebende. Der Unterschied zwischen dem serbischen und kroatischen Stamm besteht in einer Charaktereigenschaft: der Kroate ist phantasiereich, der Serbe realistisch. In der politischen Linie der beiden Stämme führte dies zu einer bezeichnenden Ausdrucksweise; die Serben sagen: „Wir haben den großserbischen Einheitsstaat erkämpft"; der Kroate denkt: „Wer möchten den großkroatischen Einheits staat erreichen." Folgerichtig trägt der Serbe Stein um Stein zusammen, um das erkämpfte Nationalgebäude aus zudehnen und zu sichern. Unlogisch wechselt der Kroate Rich tungen und Ideen, um das bestehende Einheits haus neu zu bauen. Zwangsläufig ergab sich aus diesen Charaktereigenschaften auch die taktische Einstellung; der Kroate ist wechselnd, überstürzend, beinahe nervös. Der Serbe versteht es, zu warten. Was nun? In Kroatien besteht eine Einheits front. Der Serbe aber wird abwarten. bis sie brüchig wird. Gerade dafür aber gibt es Anhaltspunkte, weil der verstorbene Volkstribun nunmehr ersetzt rverden soll. Mit Naditsch verständigten sich die Unterführer schwer, aber sie mußten sich verständigen, weil er die Massen für sich hatte. Nun werden die Unterführer mit ihren eigenen Ideen mehr und mehr hervortreten. Aus vier Richtungen setzt sich erkennbarerweise die bäuerlich-demokratische Union zusammen. Da ist vor allem der Serbe Pribitsche- witsch, der zwar nicht „Serbianer", d. h. Altserbe, wohl aber serbischer als die Altserben ist. Er liierte sich mit Naditsch. weil ihm nur dieser jene Massen beistellen Keule: Unterhaltung und Wissen Die Welt der Frau Der 1L. August (Mariae Simmelsahrt) ist gebotener Feiertag. Die nächste Nummer -er S D. erscheint daher am Donnerstag, den IS. Augusr. AllWM MM in WO Aber nur die rverklülige Bevölkerung darf Waffen »ragen — Eine Rangordnung für die Offiziere der Roten Armee Moskau, 11. August. Das Präsidium des Zentralvollzugsausschusses der U. d. S. S. R. nahm den Gesetzentwurf des Rates der Volks kommissare über die obligatorische Wehrpflicht an. Nach diesem Gesetz ist der Schutz der U. d. S. S. N. die Pflicht eines jeden Bürgers der Sowjetunion. Die Verteidigung der U d. S. S. R. mit der Masse der V e r t e i d i g n n g ist jedoch nur Sache der werktätigen Bevölkerung. Den nicht werktätigen Elementen werden andere Funktionen bei der Landesverteidigung auserlegt. In dein neuen Gesetz sind besondere Bestimmungen ent halten über die Vorbereitung der Jugendlichen zur Wehrpflicht, Über die Reservemannschaften der Roten Armee, über Be freiungen in Anbetracht von Familien- und Vermögensverhält- nissen, über Aufschub der Einberufung zur tatsächlichen Militär pflicht usw. Des iveiteren ist eine Verordnung veröffentlicht worden, die einen Wendepunkt in der Geschichte der Roten Armee dar stellt: nämlich die Wiedereinführung der durch die Revolution im russischen Heere beseitigten Offiziers chargen. Nach der neuen Verordnung werden die Sowjetofsi- ziere in 13 Gruppen eingeteilt, die sie der Reihe nach von unten nach oben durchzugchen haben. Die Verordnung bestimmt die Mindestzeit, die die Offiziere in jedem Range zu verbleiben ver pflichtet sind. Diese Pflichtzeit kann aber als Belohnung für besondere Verdienste im Gefecht verkürzt werden. Festpara-e in Moskau Moskau, 11. August. Zu Ehren der ersten Spartakiade der Sowjetunion wurde eine feierlicheParade auf dem Noten Platz in Gegenwart -er Regierungsmitglieüer und des diplomatischen Korps und unter großem Zustrom der Bevölkerung abgehalten. Sieben tausend Teilnehmer der Spartakiade und zwanzig- tausend Sowjersportler zogen vor Ienukidse, dem Sekretär des» Zentralen Vollzugsausschusses der Sowjetunion, vorüber. Die 600 ausländischen Sportler, darunter auch zahlreiche deutsche, wurden vom Publikum herzlich begrüßt. Flotten-Demonflrativn vor Meme' Meinet, 11 August. Am Freitag tauchte vor Memel ein Geschwader von Kriegsschiffen auf, die von Fischern als s 0 w j e t r u s s i sche Torpedoboote und Kreuzer erkannt wurden. Ins gesamt wurden 23 Kampfeinheiten sestgestellt. Während ein Teil der Kriegsschiffe nach Rordwesten fuhr, nahmen 13 Schiffe, darunter sechs Torpedoboote, den Kurs auf Memel und blieben längere Zelt innerhalb der litauischen Hohelisgrenze Am Sonnabend früh waren die Kriegsschiffe wieder verschwunden. Das Austauchen so starker Teile der russischen Flotte wird als eine D e m 0 n st r a t i 0 n gegen Polen gedeutet. Wie erinnerlich, hatte die Sowjetregierung schon beim ersten Akut werden des polnisch-litauischen Streilfntles eine Note «» Polen gerichtet, in der sie zum Ausdruck brachie, daß sie einer Ein mischung in litauische Angelegenheiten, in welcher Form und von welcher Seite eine solche auch immer erfolgen würde, nicht ruhig zusehen könne. Scheinbar glaubte nun die Sowjetregie- rung, daß eine Einmischung Polens in litauische Angelegenheiten aus Anlaß der Anwesenheit Pildsudskis in Wilna crneut in den Bereich der Möglichkeit gerückt sei und wollte durch die Flotten« demonstration ihr Interesse an den Verhandlungen an der litauisch polnischen Grenze erneut zum Ausdruck bringen. konnte die herbeizuholen den Pribiischewitsch-Demokraten 1 selbst vann nicht gelang, als sie als Regierungspartei die Wahlen des Februar 1925 machten. Für Pribitschewitsch j gibt es keinen großkroatischen Gedanken, keinen kroatischen Föderalismus, sondern bloß die Frage, wer im Ein heitsstaat die Macht auszullben Hütte. Wenigs Tage vor dem Tod Raditschs erfolgte für diese Einstellung Pribitschewitschs ein Beweis; Trumbitsch, der kroatische Föderalist, dessen Skupschtina-Fraktion über zwei Mandate verfügt, wollte an der Oppositions-Tagung im Zagreber Savor-Gebäude teilnehmen. Naditsch war dafür, Pribit schewitsch dagegen, weil die Tagung ein Parteikongreß, aber kein Gcgenparlament sei. Naditsch war bereits tot krank. Pribitschewitsch stoßkräftig wie immer. Trum- vlisch wurde daher nicht zugeiassen und vollzog, um zu gelassen zu werden, seine llniierung mit der Raditsch- Partei. Pribitschewitsch und Trumbitsch stehen daher an ver schiedenen Flügeln, die nur weit in der Vergangenheit einen einzigen Berührungspunkt haben: beide waren Zrredentisten ! Aber auch hier umren die Wege ver schieden: Trumbitsch unterwühlte als Emigrant den alten Staat durch die Deklaration von Korfu, in persönlicher Sicherheit sonach, wie Pribitschewitsch sagt; Pribitschewitsch aber untermühlte von Innen heraus das alte Reich, indem er tagtäglich Gefahr lief, als Hochverräter gerichtet zu werden. So wie in der Tschechoslowakei Auslands-Propa ganda und Heim-Revolution die Feindschaft zwischen Masaryk-Benesch und Kramarsch schuf, so ergab sich aus der unterschiedlichen Tätigkeit der Südslawischen Jrredeutisten die Gegnerschaft zwischen Pribitschewitsch und Trum bitsch, die nun die beiden Jntelligenzpunkte unter Raditschs Nachfolger darstellen. Aber auch innerhalb der eigentlichen Bauernpartei gibt es zwei Richtungen: Die unversöhnliche mit dem Par teivizepräsidenten Mats chek und den Leitungsmitglie dern Predawetsch und Kossutitsch, die mit Naditsch jederzeit durch Dick und Dünn gegangen waren, dennoch aber Bel grad verabscheuten. Ihnen steht die maßvolle Erupxp SuberinaundNikitsch gegenüber, die Belgrader Minister wurden, wobei sich Nikitsch sogar von Naditsch trennte, als dieser wieder in Opposition ging; erst in den letzten Tagen vollzog er seinen Wiedereintritt, um aus der kroatischen Einheitsfront nicht draußen zu bleiben. In all diesen Namen kennzeichnet sich die Eruppenbildung, die beinahe zwangsläufig einsetzeu muß, wenn die schnell« lebiae Zeit über das die Gruvven noch verbindende B«. gräbnis Raditschs hinweggeeilt sein wird. Hier aber liegt auch die Entwicklungsmöglichkeit, die von den in der Skupschtina vertretenen Parteien abgewartet werden kann, was der serbischen Ideologie des Alnvartens entspricht, die man aus der Türkenherrschaft her übernommen hat. Während Belgrad sonach abwarten kann, um „Ereig nisse heranreifen" zu lassen, muß die Zagreber „Einheits front" Entschlüsse fassen: die Führung wählen und programmatische Speisungen festlcgen, die notwendig sind, um die Massen sich zu erhalten, die Naditsch wohl in seinen Wandlungen folgten, dem F ü h r e r k 0 l l e g i u m aber bald mißtrauen werden, weil früher ein Wille die Segel jeweilig herumwarf, nun aber Gruppen und Rich tungen vorhanden sind, die viel mehr durch politische Fra gen getrennt, als Lurch bäuerliche Staatsinteressen geeint werden! Bedenkt man obendrein, daß das Belgrader Mi nisterpräsidium durch einen Mann geleitet wird, dessen Kompromißtaktik bewährt, dessen starke Hand mit dem Glacehandschuh umkleidet ist, bedenkt man, daß der Slo wene K 0 r 0 setsch zux'ifellos alles daran setzen wird, um die Beruhigung herbeizuführen, so kommt man zum Ergeb nis, daß Raditschs Tod zu der „S t a a t s k r i s e" nicht führen wird. Naditsch starb und mit ihm seine wandlungs- fähige Politik; als Apostel balkanischer Bauern, als Prophet des großsüdslawischen Gedankens und als Mär tyrer der Kroaten, vielleicht sogar als der letzte Gnwß, kroate wird er in der Geschichte Jugoslawiens sortlebe». Bleibl Calles länger UM London, 13. August. „Times" meldet aus Mexiko: lieber hundert politische Gruppen haben ein Gesuch unterzeichnet, in dem Präsident Calles, dessen Amtszeit am 1. Dezember d. I. ablüuft, auf gefordert wird, zwei Jahre länger im Amte zu bleiben. Der Vorschlag wird dem Kongreß bei seinem Zu sammentritt am 1. September unterbreitet werden. * Glückwünsche an Dr. Strcsemann. Der Reichskanzler und die Beamten des Auswärtigen Amtes haben dem Neichsaußen- minister Dr. Strcsemann zu seinem fünfjährigen Amisjnbiläum am heutigen Montag ihre Glückwünsche ausgesprochen.