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Die FriedenSbedingungen sind noch nicht in allen Einzelheiten bekannt gegeben, aber e« ist sicher: zwei germanische Staaten sind als selbstständige Gebilde von der Laadkarte gestrichen zu Gunsten eines in de» Spuren der Phönizier und Karthager eiuherschreitenden MischvolkeS, dessen Angehörige in Deutsch land theilS aus Gewohnheit, theils um einer hohe« Parole zu folgen, „Vettern" genannt werden, als dessen letzte ur- und rein germanische Bethätigung aber wohl die alte, freilich ewig junge Dichtung Shakespeares angesehen werden muß. Da« Verständniß dafür, daß das kleine Boerenvolk „des langen HaderS müde" geworden, wird in Deutschland nicht versagt werden, und so stark das Bedauern ist, den großen Patrioten Paul Krüger von seinem Stamme bei Seite geschoben zu sehen: der Sympathie, die wir Deutschen einem tapfer mit einer Weltmacht ringenden Häuflein von Streitern entgegen gebracht, werden wir uns ebensowenig jemals schämen, als wir anerkennen werden, daß die über die abseits vom Boden der strengen Neutralität erfolgten euglandfreund- lichen Kundgebungen und Acte menschlich edler und politisch richtiger gewesen seien, als da« von der deutschen Nation in allen ihren Schichten bezeigte Mitgefühl für da« Boerenvolk und ihre opferwillige Unterstützung der bitter leidenden Frauen und Kinder der nunmehr Unterlegenen. An die tatsächliche Beendigung dieses Kriege«, eine« der merkwürdigsten der Geschichte, werden sich allenthalben neben den Rückblicken Ausblicke knüpfen und dabei kann e« nicht fehlen, daß da« Prestige des EnglaudS von heute gegen daS diese« Weltreiches im October 1899 abgewogen wird. Auf daS augenblickliche Prestige aber kommt nicht so viel an, weniger jedenfalls als auf die Fragen, ob England aus seinen trüben und nicht selten beschämenden südafri kanischen Erfahrungen gelernt hat, und wen« ja, ob ihm noch die Kraft iuuewohnt, das Gelernte wahrhaft reformirend zu verwerthen. Diese Fragen kann die Gegenwart und kann auch die nächste Zukunft noch nicht beantworten. Die russische Reise des Präsidenten Loubet ist im Grunde wenig beachtet worden. Die zwischen Rußland und Frankreich ausgetauschten Aufmerksamkeiten dieser Art sind nach gerade conventwnell geworden und deuten an sich nichts Neues mehr an. Anders verhält es sich vielleicht mit dem offi- ciellen Besuche, den Herr Loubet am dänischen Hofe abgestattet hat. Französische Blätter, und darunter ernsthafte, ziehen aus dem Ereignisse die Folgerung, daß der Beitritt des skandinavischen Staates zum Zweibunve als Thatsache betrachtet werden dürfe. Damit hat eS wahrscheinlich noch gute W^e, und wenn diese Er- Weiterung der west-östlichen Allianz auch erfolgen sollte, so würde man in Anbetracht der Größe und Macht Däne marks doch nur von einem Zweibuude mit einem Bruch als Anhängsel reden dürfen. Politisch wäre für den Fall einer europäischen Krisis die Einbeziehung gerade diese« Lande« gleichgiltig. Wessen Deutschland sich im Falle eiue« Krieges mit einer oder mehreren Großmächten von Däne mark so und so zu versehen hätte, wissen wir. Im Jahre 1870 habe» nur die so rasch von dem deutschen Heere gegen die kaiserliche Armee geführten vernichtenden Schläge daS kleine Land von der Theilnahme am Kriege abgebalten und — gerettet; gegenseitige, zu Unterstützung verpflichtende Abmachungen zwischen Napoleon und der dänischen Regierung hatten übrigens existirt. Für den Kriegsfall also ist e« einerlei, was Dänemark in einer Zeit „beschließt", wo ein Krieg nicht in naher Aussicht steht. Aber die Thatsache verdient Beachtung, daß daS französische Staatsoberhaupt, von Rußland und einer Reihe von ZwnbuudStoasten kommend, zuerst Dänemark und nur Dänemark — aus seinem Wege lagen außer Holland auch das belgische Antwerpen — in demonstrativer Weise besucht hat. Danach scheint den Zaren der Umstand nicht zu geniren, daß die beiden Lander den wider den deutschen Nachbarstaat gerichteten Re vanchegedanken gemeinsam haben. Erwägt man dazu, daß Dänemark bi« »um Tode der letzten Königin den Mittelpunkt aller politischen Lettelungen gegen Deutsch land gebildet bat und die Kaiserin-Mutter von Rußland an dem Werke ihrer Mutter, eben der verstorbenen Dänen königin, mit sicher nicht zerstörender Hand arbeitet, so kann man dir Vermuthung nicht geradezu von der Hand weisen, daß in Petersburg zur Zeit das Maß der nöthigen Zurück haltung etwas geringer bemessen wird, als vor Kurzem der Fall war oder doch der Fall zu sein schien. Deutschland wird weiteren Anzeichen einer Aenderung des Verhältnisse« zur östlichen Macht obne Sorge entgegeusehe», aber sich vielleicht er innern, daß der Reichstag der heimischen Wehrkraft noch die — von keiner sachlich urtheilenden Seite für überflüssig er klärte — Bewilligung von 7000 RrcrMea schuldet. Mit der Poleuvorlage ist de» »atioualen Parteien Preußen« eine überaus schwierige Aufgabe gestellt worden. Bedenken im Einzelne», die sie erregt, habe» wir schon hervorgrhoben, und da« ganze Unternehmen birgt, wie an dieser Stelle gleichfalls noch nachdrücklicher betont wurde, di« Gefahr, daß man »ach dieser finanziellen Kraft leistung in der Hauptsache genug gethan zu haben glauben könnte. In Wahrheit darf dieses BesiedelungSwerk, wenn e- die gewollte Wirkung erlangen soll, nur ein Glied in einer Kette weither berechneter, durchgreifender neuer Maßnahmen sein. Trotz aller Bedenken aber muß man eS den Natioualliberalen und den Conservativen Preußen« Tank wissen, daß sie sich ohne Zage« auf den Boden der Poleuvorlage gestellt habe». Es m die« schon aus dem Grunde ein verdienstliches Verhalten, weil Zaudern oder gar eine, wenn auch mit dem Verlangen, Besseres zu erhalten, begründete vorläufige Zurückweisung Wasser »uf -re „VersöhouygSmühleu" treibe« würde. Es g»ebt in Berlin mehr als eine Stelle, der ein Mißerfolg dieser Vorlage willkommen wäre, weil er den Schein der Berechtigung verliehe, den nationalen Parteien im Abge- orduetrnyause zu sagen: Ihr habt uuS im Stiche gelassen und damit jede preußisch-deutsche Polenpolitik unhaltbar compromittirt. Bon den durch da« Ceutrum gestellten Anträgen zum Zuckersteuergesetze sagt die „Germania", sie hielten sich rn mäßigen Grenzen. Dem kann unbedenklich zugestimmt werden, wen» auch die einzelnen Vorschläge, insbesonvere der über die Frachttarife für Zucker sorgfältiger Prüfung bedürfen. Der Krieg in Südafrika. Mala«. Die Nachricht, daß der Boerencommandant Malan bei Somerset-Oost tödtlich verwundet den Engländern in die Hände gefallen ist, ist für die Boeren wie die Boerenfreunde eine schweren Verlust kündende Trauerbotschaft. Ist doch mit dem geschickten und kühnen Guerilla-Führer wieder einer der Zähesten in dem Heldenkampfe der südafrikani schen Republiken vom Kriegsschauplatz verschwunden, einer jener Unerschrockenen und Kaltblütigen, die mit einer Handvoll Leute englische Uebermacht jederzeit erfolgreich angegriffen, beunruhigt unö mit großen Verlusten heim geschickt haben. Malan stand mit Fouchä Ende März dieses Jahres in dem Theile der Capcolonie nordöstlich von Murraysburg, ohne daß die Engländer ihren Operationen wehren konn ten. Wohl wurden sie, wie Kitchener berichtete, von Doran und Price acht Tage lang „unablässig verfolgt", doch kehr ten die beiden englischen Eolonnen bald wieder zur Bahn linie zurück und langten am 2. April in Drie Zusters an, „ohne", wie Kitchener ausdrücklich weiter rapporttrte, „irgend welchen Erfolg errungen zu haben, weil die Boeren es darauf angelegt hatten, fortwährend auszuweichen". Mit anderen Worten: Es gelang den Engländern nicht, die Boeren zu fassen ober ihnen irgendwelche Verluste beizu bringen. Bei dem Gefecht am 27. Mai bet Ripon-weg nun wurde Malan in den Magen geschossen und wurde von seinen Leuten, die dabet der aus der unerhörten Haltung Eng lands in der Krage der Ambulancen entsprungenen Noth gehorchten, zurückgelassen, um Hilfe bei Denen zu finden, die noch über Aerzte und Arzneien verfügten. Das für Malau so unheilvolle Gefecht scheint übrigens, nach der ganzen Form der englischen Berichterstattung darüber, für die Engländer einen nicht unbedenklichen Ausgang genom men zu haben. Denn nach dem Gefechte bei Ripon-weg hatte die Malan'fche Abthetlung noch ein Rencontre mit einem Panzerzuge, der augenscheinlich den vorher unter legenen Engländern Verstärkungen zuführcn sollte, lieber den Ansgang dieses Rencontres schweigt jedoch der englische Bericht, was noch jederzeit das Eingeständnis einer erlittenen Schlappe war. Wir werden ja wohl in Bälde Positives darüber erfahren. Go sehr Malan's Verlust zu beklagen ist, so darf man doch ganz unbekümmert darüber sein, daß er einen wür digen Nachfolger findet. Die Commandos der Boeren haben in dem nun fast dreijährigen Krieg zu wiederholten Malen gezeigt, daß ihre Organisation auf einen Schlag, wie den Verlust eines Führers, wohl vorbereitet ist und ihm noch stets gewachsen war. Man denke nur an Lotter, Scheepers und Kruitztnger. Und gerade der Afri kanderstamm weist besonderen Reichthum an tüchtigem Führermaterial auf. Malan ist Afrikander. Wird er wieder hergestellt, dann kann sich die Kruitzinger-Komödie wiederholen. Die Scheepers-Tragö-ie wird England an ihm wohl nicht zu wiederholen wagen. Das über die Hin richtung Scheepers empörte Rechtsgefühl der ganzen Welt wird darüber wachen! Deutsches Reich. pbr. Berlin, 31. Mat. (Die welfifche Sache in Braunschweig.) Seit 17 Jahren haben wir im deutschen Reiche eine braunschweigische Frage. Im Jahre 1885 wurde Prinz Albrecht Regent des Herzogthumcs und seit dieser Zeit hat eS an Verwahrungen des Herzogs von Cumberland nicht gefehlt. Drei Factoren sind cs, die bet der Lage der Dinge in Krage kommen. Es ist zuerst der Herzog von Cumberland, der Rechte auf den Thron zu haben glaubt, ohne daß zwischen seinem Hause und dem Königreiche Preußen ein Friede zu Stand kommt. Ueber die Berechtigung dieser Ansicht und über die Frage, ob der Regent nur im Namen des Herzogs von Cumberland regiert, gehen die Erörterungen hin und her. Den anderen Factor bilden die Welfen. Wenn diese sich aus die Treue zur angestammten Dynastie berufen, so klingt da- gerade in Braunschweig etwas selt sam, wo die Vorfahren dieser Welfen geholfen haben, einen Monarchen kurzerhand fortzujagen, und wo die Väter dieser Welfen vor Jahrzehnten sich ganz gewiß an der wenig brüderlichen Stimmung gegen das HauS und daS Land Hannover betheiltgt haben. Die Treue zum ange stammten Herrscherhaus«: soll gewiß nicht lächerlich gemacht werden, aber in Braunschweig ist sie über Nacht gekomm.n. ohne den geringsten persönlichen Zusammenhang mit dem Herzog von Cumberland. Daß unter diesen braunschwci- gischen Welfen brave Männer in der Mehrzahl sind, daß sie gute deutsche Patrioten in ihren Reihen zählen, kann gar nicht in Abrede gestellt werden, aber eben so gewiß ist eS, daß sie sich in ihrer Mehrzahl auch von wirthschaftlichcn Betrachtungen leiten lassen. Namentlich in der Residenz Braunschweig giebt man sich der Ansicht hin, daß mit dem Einzuge SeS Herzogs von Cumberland ein großer Auf schwung der Hauptstadt erfolgen werd«. Daß einAufschwung tyatfächlich fetzt schon bemerklich ist, kann gar nicht bestritten werden. Die materielleren Welfen rechnen aber mit einem großen Zuzug de- hannoverschen Adel«, womit übrigens für Braunschweig und für die Braunschwelger viel größere Nachthetle und Gefahren verknüpft wären, al- eS Bort heile bringen kögntr. Es darf a-ex such weiter gesagt werden. daß ein großer Theil der Welfen mit einer ganz persön lichen Belohnung für ihre Treue, im Falle der Herzog von Cumberland als Herzog von Braunschweig cinzieht, rechnet. Was aber den WelfenVortheil dünkt, das sehen dienatio -- na len Männer imHerzogthume ganz anders an. Sie er warten keinen Aufschwung, weil jede klcinstaatlichc Ab sonderung gerade das Gcgentheil bringt. Sie sehen aller dings Braunschweig unter einem eigenen Herzog als ein Nest der hannoverschen Adeligen, aber sie hoffen bei aller Liebe zu ihrem engeren Vaterlande, Preußen und Deutschland würden es nicht dulden, daß die hervorragen den Talente für Jntrigue, wie sie von den Welfen in Hannover immer bewiesen worden sind, im Herzogthum sich breit machten. Mit einem Worte, wer in Braun schweig einsichtig und national zugleich ist, sieht mit Besorg- niß die Agitation der Welfen an. Und diese Bewegung ist wahrlich nicht schlecht geleitet, denn sie hat es seit der Reichs tagswahl im Jahre 1893 von 69 auf 10 802 Stimmen '.m Jahre 1898 gebracht! Die Wahl im nächsten Jahre wird weitere unliebsame Uebcrraschungen bringen. An diesen Zuständen muß irgendwo die Schuld liegen. Einmal ist von Anfang an nicht der geringste Unterschied von Seiten der Regierung gemacht worden. Heute geht man imDis- ciplinarwegc vor, während es viel richtiger gewesen wäre, von allem Anfang an fanatische und offenbare Welfen von wichtigen Aemtern fernzuhaltcn, da sic selbst nicht die Ach tung vor sich selbst hatten, zu verzichten. Das ist ein gutes Recht in seiner Lage; unter der Regentschaft wäre es von Anfang an eine Nothwendigkeit gewesen. Was soll der gewöhnliche Mann davon denken, wenn offenbare Gegner der Regierung gleichwohl sehr einflußreiche Stellen nicht nur behalten, sondern auch erhalten ? Damit ist doch jeder Erwartung auf einen Wechsel Thor und Thür geöffnet. Wir verkennen keineswegs die Berechtigung des dynastischen Gedankens, aber wie eine Heerde läßt sich ein Volk nicht auf eine sehr ent ¬ fernte Verwandtschaft vererben. Zum Mindesten wäre es nothwendig, daß nun endlich einmal ein Termin gesetzt würde. Der Herzog von Cumberland müßte verpflichtet werden, bis zu einem gewissen Zeitpuncte mit einem schlichten Ja oder Nein zu antworten, ob er den Wechsel der Dinge seit 1866 anerkennen will, und dabei dürfte es auch an der sichersten Bürgschaft nicht fehlen, daß die Um triebe in Hannover sofort aufhören. Die von dem Herzog von Cumberland beliebte Haltung bringt das ganze Erbe in die Gefahr der Verwahrlosung, und in diesem Erve wohnen eben Leute, deren Zahl so groß ist, daß sie die Interessen des Erbberechtigten weit überwiegen. Gerade weil die Bevölkerung von Braunschweig znm größten Theile echt vaterländisch ist, verdient sie es wahrlich nicht, von den Grillen eines Herzogs von Cumberland abzu hängen, dem man nun Zeit genug zur Ucbcrlcgung ge lassen hat. -4- Berlin. 3l. Mai. (Nationalismus und Ge schichtschreibung in Frankreich.) Je größer der Ein fluß der nationalen Geschichtschreibung auf da« politische Denken eines Volkes ist oder werden kann, um so beachtens-- werther erscheint der Umschwung, der in Methode und Betrieb der französischen Geschichtschreibung sich vollzogen hat. Die „Deutsche Rundschau" lenkt in ihrem Junihefte die Auf merksamkeit auf diese wichtige Erscheinung, indem sie die von Ernest Lavisse herauSgegebene „Ui8toiro «io Kranes clopuis les originos jusqu'L la Revolution" anzeigt. An die Stelle der tendenziös nationalen Behandlung der historischen Stoffe, deren bekannteste Vertreter, TbierS und Michelet, auch in Deutschland weitgehenden Einfluß geübt batten, ist in Frank reich seit den letzten Decennien eine Geschichtschreibung ge treten, die Ranke's Wort: „Ich will versuchen, zu sagen, wie es wirklich gewesen ist", zum Wahlspruch genommen zu haben scheint. Mit einer Gründlichkeit der Quellenforschung, die ihrer Zeit für das besondere Privilegium und ent scheidende Merkmal der deutschen historischen Arbeit galt, verbindet die neue französische Schule ein Streben nach Objektivität und Schlichtheit der Darstellung, das zu der geistreich vordringlichen Manier und der unverholenen Absicht lichkeit der Historiker deS vorhergegangenen Geschlechts in aus gesprochenem Gegensätze steht. Es gilt daS ebenso von den Bearbeitungen neuerer Geschichte, die wir den Herren Thureau-Dauzin, Cavaignac, Sorel u. s. w. zu danken haben, wie von der Mehrzahl älteren Zeitabschnitten gewidmeter Studien auS den letzten Jahren. Das ruhmreiche Beispiel, daS Taine mit seinem „OrigineS" gegeben, und der Einfluß von Männern wie Lavisse und Monod haben auf einen Um schwung der Methode hingewirkt, der in mehrfacher Rücksicht merkwürdig erscheint: wegen der Kürze der Zeit, inner halb welcher derselbe sich durchgesetzt hat, und wegen deS Gegensatzes, in dem diese durch Nüchternheit und sachliche Kälte charakterisirte neue Richtung zu dem auf anderen Gebieten französischen Geisteslebens grassircnden Nationalismus siebt. Da die Hoffnung nicht unberechtigt ist, daß im Lause der Zeit die neue Richtung der französischen Geschichtswissenschaft ihre heilsamen Wirkungen auch aus den Nationalismus erstrecken wird, ist die gedachte Veränderung im französischen Geistesleben auch für die Politiker von er heblichem Interesse. Vor optimistischer Ueberschätzung jener heilsamen Wirkungen ist man in Deutschland wohl auf allen Seiten sicher. S. Berlin, 31. Mai. Zur Kritik englischer Nach richten über Vorgänge in deutschen Colonien wird un« aus colonialpolitischen Kreisen geschrieben: Eng lische Blätter beschäftigen sich mit einer deutschen wissen schaftlich-kaufmännischen Expedition, die angeblich im Juli von der Westküste Afrika» abgeben soll, um über de» Handelswerth der Erzeugnisse des deutschen Ge biete« oberhalb de« Tschadsees Untersuchungen anzustelleo. Nack der englischen Meldung geht die Expedition durch englische« Geöiet den Niger und den Benne bis Garcia in die Höhe uud von dort bis Acla, von hier soll sie über Land nach dem Tschadsee gehen, und über die Stärke der Expedition soll nichts bekannt sein. In Wirklichkeit geht die Expedition zunächst bi« Acla uud von dort nach Garua; von hier aus wird sie das Land zwischen Garua und Tschadsee besuche»; dieser WeL,-ist_kegu«fner, als der von Kamerun aus. Was die Stärke der Expedition anbelangt, so besteht sie aus einem Kanfmann als Führer, einem Geologen uud einem kaufmännischen Assistenten. Ja Deutschland ist hier über bis in Einzelheiten hinein erst vor wenig Tagen aus der Generalversammlung der deutschen Colooialgesell- schaft in Halle wieder berichtet worden. Herr Consul Ernst Vobsen berichtete, daß die von Herrn Fritz Bauer geleitete Expedition, der Herr von Waldow und Berg ingenieur Etlinger angehören, in den ersten Monaten dieses IahreS abgegangen ist. Die Leiter der Expedition befinden sich gegenwärtig im Nigerdelta, wo sie Vor studien für die Errichtung einer Kohlenstatiou und eines Stapelplatzes für den deutschen Handel nach dem Kameruner- hinterlande machen. Consul Vohsen hob auf der Halleschen Versammlung hervor, daß die deutschen Forschungsreisenden, die mit amtlichen Empfehlungen an die englischen Behörden Nigerias versehen sind, bei den Engländern die freundschaft lichste Aufnahme gefunden haben. Aus den vorstehenden An gaben geht hervor, daß die scheinbar neue englische Nachricht in Wahrheit nur längst Bekanntes wiedergiebt. DaS Gleiche gilt von einer Meldung, die das „Reuter'sche Bureau" auS der englischen Station Ibi am Benue über einen Zwischenfall verbreitet, der anläßlich eines Wortwechsels zwischen» einem deutschen Osficier und dem Emir von Bauja sich abgespielt hätte: im Verlaufe des Wortwechsels habe der deutsche Osficier den Emir an der Kehle gepackt, worauf der Letztere ihm mit einem Messer schwere Verwundungen zufügte; der Adjutant deS Officiers habe den Emir erschossen, worauf ein Unterhäuptling den Adjutanten getödtet habe. E« handelt sich hier um den Fall des Leutnants Nolte, worüber daS „Deutsche Colonialblatt" vor geraumer Zeit (in den Nummern 7 und 9) berichtet hat. Auch diese englische Nachricht birgt nur den Schein der Neuheit und mahnt, ebenso wie die zuerst wiedergegebene, die deutsche Presse daran, bei der Uebernahme englischer Nachrichten vorsichtig zu sein, damit nicht längst Bekanntes dem deutschen Leser nochmals als mehr oder weniger sensationell zugestutzte Neuigkeit vorgesetzt wird. (-) Berlin, 31. Mai. (Telegramm.) Gelegentlich der gestrigen Galavorstellung im Opernhause i» Berlin über reichte der Kaiser eigenhändig dem Kronprinzen von Siam den Verdienstorden per preußischen Krone. — Heute Vormittag 9 Uhr begann im Lustgarten zu Potsdam, be günstigt vom herrlichsten Wetter, die Parade über bie gesammten in Potsdam garnisonirenden Truppen. Den Befehl über die Truppen führte Generalleutnant v. Moltke. Der Kaiser begab sich, vom Neuen Palais kommend, in Be gleitung deS Prinzen Heinrich zu Pferde nach dem Stadtschloß. Der Kaiser trug Garde-du-Corps-Uniform mit dem schwarzen Küraß, Prinz Heinrich die Uniform des Ersten Garde-Regiments zu Fuß. Der Schah von Persien kam im offenen Vierspänner nach dem Stadtschlosse. Auf dem Schloßhof verließ derselbe den Wagen und begab sich auf die Rampe. Ter Kaiser ließ darauf die Truppen, die ein dreifaches Hurrah ausbrachten, präsentiren, ritt die Front der Truppen ab uud nahm dann gegenüber vom Denkmal Ausstellung, um den Vorbeimarsch der Truppen abzunehmen. Hinter dem Kaiser nahmen Aus stellung die hier weilenden Prinzen, darunter Prinz Friedrich August von Sachsen, der Großherzog von Mecklenburg, sowie Prinz Heinrich. Vom Fenster des Stadt- schlosseS aus sahen dem glänzenden Schauspiel der Schah von Persien mit Gefolge, derKronprinz von Siammit Gefolge, der Herzog von Coburg, Prinz Wolrad zu Schaumburg und Prinzessin Friedrich August von Sachsen zu. Der erste Vorbeimarsch fand in Zügen, der zweite in Compagniesront statt. Die Cavallcrie führte den Vorbeimarsch beide Male im Schritt aus. Die Garde-Maschinengewehr-Abtheilung war dem Garde-Jäger-Bataillon angeschlossen. Das Erste Garde- Regiment desilirte mit dem neuen Präsentirgriff. Der Kaiser führte beide Male LaS Regiment Gardes-du-Corps vor. Prinz Heinrich cotoyirte daS Erste Garde-Regimenr, der Cbef des Generalstabs, General der Cavallerie Graf Schliessen, das Erste Garde-Ulanen-Negiment. Prinz Eitel Friedrich war beim 1. Garde-Regiment eingetreten. Nach dem Vorbeimarsch fand eine kurze Kritik statt. Der Kaiser begab sich sodann zu Pferde nach dem Neuen Palais, der Schah von Persien fuhr nach dem Orangeriegebäude, wo ihm bald darauf der Kronprinz einen Besuch abstattete. Mittags 1 Uhr sand im Muschelsaale und in der JaSpiSgalerie des Neuen Palais daS große Paradediner von über 300 Ge decken statt. Hierbei stellte daS 1. Garde-Regiment die Musik. Zu Tisch führte der Schah die Prinzessin Friedrich Leopold von Preußen, der Kaiser die Prinzessin Friedrich August von Sachsen, ver Großherzog von Mecklenburg-Schwerin die Herzogin von Albany, der Kronprinz von Siam die Erb- prinzessin von Hohenzollern und Prinz Friedrich August von Sachsen die Prinzessin Alice von Großbritannien uud Irland. An der im Muschelsaal hufeisenförmig gedeckten Tafel saß der Kaiser links neben dem Schah. Rechts vom Schah folgten Prinzessin Friedrich Leopold, Großberzog von Mecklen burg-Schwerin, Herzogin Albany, Prinz Friedrich August von Sachsen, Prinzessin von Großbritannien und Irland, Prinz Heinrich von Preußen, Prinz Friedrich Heinrich von Preußen, Prinz Friedrich Wilhelm von Preufien u. s. f., nach links Prinzessin Friedrich August von «Lachsen, der Kronprinz von Siam, Erbpriuzesstn von Hohenzollern, Prinz Eitel Friedrich, Prinz Friedrich Leopold, Prinz Joachim Albrecht, Prinz Paritratra von Siam. De« Majestäten gegenüber saß der Reichskanzler Graf Bülow rechts neben dem Kriegs minister von Goßler. Es folgten nach rechts der persische Großvezier, Generaloberst von Hahnke, der sächsische Gesandte Graf Hohenthal, General der Infanterie v. Werder und so fort, nach links ver persische Hausminister, General der Artillerie Fürst Radziwill, der hiesige persische Gesandte Mahmud-Cban, General der Cavallerie Graf Schliessen, der siamesische Gesandte und so fort. (7) Berlin, 31. Mai. (Telegramm.) Da- T-aatS- «tntfterium trat heute zu einer Sitzung zusammen. (-) Berlin, 31. Mai. (Telegramm.) Die Polen- eommtsfion -e- «t-e-rdnetenhanse- hat heute die Vorlage mit 13 gegen 7 Stimmen unverändert augjznourmeu.