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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.— Annahmeschluß für Anzeigen: Abend «Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr, Anzeige« sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 255. Donnerstag den 22. Mai 1902. 96. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Zwischen Krieg und Frieden. * Pretoria, 21. Mai. („Reutrr's Bureau".) Sechs von der Conferenz in Vereeniging gewählte Delegirte, darunter Mitglieder der beiden Regierungen, nebst Delarey, Dewet und acht Sekre tären sind am Sonntag hier angekommen. Sie wohnen in dem Hause neben dem Hause Kitchener's und Milner's, die gestern hier eingetroffen sind. „Daily Telegraph" theilt mit, sein Specialcorresponvent habe aus Pretoria privat an Verwandte telegraphirt, daß er zurückkehre. DaS Blatt bemerkt: Der Correspondent wählte wegen der Censur diese Umschreibung und diesen Umweg, um die Meldung hierher gelangen zu lassen, daß nach seiner Ueberzeugung die Boeren den britischen Vorschlägen zugestimmt haben. DaS Blatt erfährt noch, daß unter den am Sonntag in Pretoria eingetroffenen Boeren- delegirten General BeyerS und die Commandanten Kühler, Ferreira und Theunessen sich befinden. ck. 6. London, 2l. Mai. Nach Versicherungen aus Regierungs kreisen ist es ausgeschlossen, daß die Regierung die Zubilligung einer allgemeinen Amnestie für die noch kämpfenden oder bereits verurtheilten Boeren aus der Capcolonie und aus Natal als Friedensbedingung annehmen wird. Dagegen soll Kitchener das bindende Versprechen geben, König Eduard werde, falls der Friede vor der Krönung endgiltig hergestellt sei, anläßlich der Krönungsfeier eine möglichst große Anzahl der Rebellen ent weder ganz begnadigen, oder deren Strafe wesentlich mildern. Politische Tagesschau. * Leipzig, 22. Mai. Die „neue Polenvorlagc", die dem preußischen Landtage gestern zugegangen ist und bereits auf die Tagesordnung der auf den 27. d. M. ««beraumten ersten Sitzung des Abgeordnetenhauses gesetzt wird, enthält, wie die „Bcrl. Pol. Nachr." schon vorher hatten ankündigen können, nur zwei Bcstimmuugcn, aber solche von sehr erheblicher Be deutung. Der Fonds der Ansiedelungscommissivn soll von 2l!0 auf 350 Millionen Marr erhöht und ein Fonds von 100 Millionen zum Ankäufe von Domänen im An- sicdelungsgcbietc geschaffen werden. Beide Bestimmungen sind dringend nöthig, wenn das Dcutschthum in den be drohten preußischen Ostprvvinzcn nicht noch weiter zu- rückgcdrängt werden soll. Ter Ansiedelnngsfvnds hat, abzüglich der 39 Millionen Mark, welche die Besiedelung der noch nicht aufgethciltcn 64 000 Hektar Ansiedelungs land erfordern wird, jetzt nur noch einen für Ankaufs zwecke verfügbare« Bestand von 17 Millionen Mark. Dieser reicht für die Zweckbestimmung des Fonds nicht aus, zumal die Thatsache, daß, obgleich die Ansicdclungs- eommission 164 000 Hektar Land erworben und 106 000 Hektar besiedelt hat, doch der Grundbesitz in p v l n i s ch c r Hand im Ansicdclungsgebiete sich um nicht weniger als 5,5 Ouadratmcilcn seitdem vermehrt hat, zu einer rascheren und intensiveren Thätigkcit drängt. Es kommt hinzu, daß es sich empfiehlt, die zur Erhaltung des deut schen Baucrnstandöö bisher von der Dvmäncnverwaltung ausgcübte Thätigkcit mittels Ankaufs von Bauerngütern und Vergebung derselben zu Pacht und Rente an die Vor besitzer oder andere Deutsche unter Bildung einer be sonderen Subcommission auf die Ansiedelungscommission zu übertragen. Der Domänenankaufsfonds soll dagegen nur zum Ankauf von Großgrundbesitz dienen, um in der Person der Domänenpächter dem Dentschthum diejenigen im Großgrundbesitze liegenden, mit der Provinz eng verbundenen Elemente der Eultur und Kraft zuzuführcn, die ihm bisher fehlten und fehlen mutzten, weil ein großer Thcil der Großgrundbesitzer seinen Wohn sitz außerhalb der zweisprachigen Landesthcile hat. Außer zum Erwerb von Domänen sollen die 100 Millionen Mark auch zur Vermehrung des staatlichen Forstbesiyes in den Provinzen Posen nnd Wcstpreußen dienen, theils um der im Landeseulturintcresse und im Interesse der Be schäftigung zahlreicher Arbeiter im Lande gleich uner wünschten Verminderung des Forstbcstandes zu steuern, theils um auch deu Ankauf von Gütern mit großen Forsten zu ermöglichen, von dem die Ansiedelungscom- mission bisher Abstand nahmen mußte, weil das Forst land zur Besiedelung sich nicht eignet. Nach beiden Rich tungen wird von einer zweckentsprechenden Durch führung der Vorlage eine erfreuliche Stärkung des Deutschthums in den Ostmarkeu zu erwarten sein. Freilich wird cs bei dieser Vorlage nicht bleiben dürfen, wenn die von dem Polenthume und seiner immer fanatischer werdenden Agitation drohende Gefahr abgewendet werden soll. Aber vielleicht ist es richtig, daß die Negierung von einer umfassenderen, wirth- schaftlichc und politische Maßregeln.vereinigenden Vorlage abgesehen hat. Eine solche würde weit weniger Anssicht auf Annahme im Landtage haben, nnd wenn sic wegen einzelner politischer Maßregeln fiele, so fielen auch die wirthschaftlichen mit, die in ihrer Jsoliruug bei ihrem rein defensiven Eharakter schwerlich einer unüberwind lichen Opposition begegnen werden. Allerdings ermahnt bereits das „Bcrl. Tagcbl." die „liberalen" Abgeordneten, bei der Beratünng der Vorlage ihre „warnende Stimme" zu erheben. Wenn das die liberalen Abgeordneten zu dem Hinweise anffordcrn soll, daß cs bei der neuen Vor lage und bei gesetzgeberischen Maßnahmen überhaupt nicht bleiben dürfe und daß die Regierung auch den Geist der deutschen Einmüthigkcit pflegen und vor Allein dem leider auch in der Ostmark sich breit machenden „Mandarincn- thume" der Beamten entgcgentrctcn solle, so wird es gewiß gut sein, wenn auch gemäßigt liberale Abgeord nete sich sehr entschieden in diesem Sinne anssprcchcn. Meint aber das Blatt, daß die Liberalen sich gegen gesetz geberische Maßnahmen zu Gnnstcn des Deutschthums aus sprechen sollen, so wird es mit dieser Mahnung nicht nur selbstverständlich bei den Nationalliberalen keinerlei Er folg haben, sondern auch bei einem Theile der freisinnigen Wählerschaft keine Gegenliebe finden. Vor einem halben Menschenalter freilich jubelte Alles, was „freisinnig" war, dem gemeinsamen Entrüstungsrummel der Freisinuigcn und des Eentrums über die angebliche Bedrückung der Polen zu, aber seitdem hat sich doch wenigstens bei einem Theile der freisinnigen Wählerschaft auch in dieser Frage ebenso ein besseres Vcrständniß für die nationale Seite der Sache gezeigt, wie etwa in der Flottenfragc und in der colonialen Frage. Selbst das Ecntrnm hat, wie sich schon bei der letzten Erhöhung des Ansiedelungs fonds zeigte, erheblich an Eifer für die Sache der Polen eingcbüßt. Sollten aber die Ccntrumsabgeordneten bet der Berathung der Vorlage große Polenrcdcn „schwingen", so dürfte ihnen der Hinweis auf die im Herrcnhausc be kundeten Auffassungen des gut katholischen Grafen Hoensbroech doch einigermaßen unbequem werden. Der belgische Generalstreik scheint Streitig keiten innerhalb der Socialdcmokratic auf inter nationalem Gebiet zur Folge haben zu sollen. Denn der belgische Socialist Vandervelde beklagt nch in der „Neuen Zeit" sehr bitter über die von ausländischen Genossen an dem belgischen Generalstreik geübte Kritik und kündigt folgenden Schritt der belgischen Socialdemokratie an: „Die belgische Arbeiterpartei wird nicht unterlassen, der nächsten Zusammenkunft des Internationalen Bureau s die Frage vorzulegen, ob das Recht der Kritik, das wir den Genossen der anderen Länder absolut zu gestehen, sie ermächtigt, auf gröblich unrichtige Berichte hin Urtheilc abzugeben, die nicht nur übelwollend, sondern so gar beschimpfend sind." — Die tonangebende Tagespresse unserer Socialdemokratie ist, so viel wir sehen, über diese Ankündigung mit Stillschweigen hinweggegangen) ver- muthlich hoffen die diplomatisirenden deutschen „Ge nossen", daß es ihnen gelingen werde, den Ausbruch von Streitigkeiten innerhalb der Socialdcmokratic auf inter nationalem Boden zu verhüten. Weniger Rücksichten als die führenden „Genossen" nimmt die „Königsberger Volkszeitung". Sie bemerkt zu dem belgischen Vor haben u. A.: „Das wäre ja noch schöner, wenn wir in un seren eigenen Angelegenheiten nicht mehr sprechen und schreiben dürften, wie uns der Schnabel gewachsen ist. Was das angebliche Schimpfen anbetrifft, so ist es ein ur- rcactivnäres Mittelchen, den Sünder wegen der Form zu verdonnern, wenn am Inhalte seiner Worte nicht zu rüt- reln ist . . . Wir lassen uns das Recht nicht nehmen, uns stets so ouszudrückcn, wie wir wollen. Eensur giebt's nicht bei nns. Wo bliebe denn sonst die Preßfreiheit!" — Daß in den Augen des Königsberger Socialistenblattes Preßfreiheit identisch ist mit Schimpffreiheit, ist überaus bezeichnend. Der Sache nach aber irrt sich die „Königsberger Vvlksztg." gründlich, wenn sie meint, die Preßfreiheit gerathe in Gefahr, falls die Schimpffreiheit be schnitten werden würde. Warum eine solche Auffassung grundverkchrt ist, darüber gicbt eine kurze aber er schöpfende Auslassung des „Genossen" Auer Ausschluß. Auer sagte auf dem Stuttgarter Parteitage der Social demokratie am 4. Oetober 1898 laut dem parteiamtlichen Berichte: „Preß- nnd Redefreiheit wird un möglich, wenn man einen Ton anschlägt, der cs einem Anderen unmöglich macht, darauf n och zu antworte n." — Die Besorgniß der „Königsberger Bolksztg." nm die Preßfreiheit, wenn die Schimvffrcihei'. in gewisse Schranken gewiesen wird, ist demnach grundlos. Angebrachter aber wäre die Frage, wo bei Verkürzung der Schimpffreiheit die socialdcmokrati- schen Parteitage bleiben sollen! An dem Rücktritt des französischen Ministerpräsidenten Waldeck-Rousseau ist nicht mehr zu zweifeln. Er legt sein Amt nieder, kurz nachdem ihm das Land ein glänzendes Vertrauensvotum gegeben hat, ein wohl ziemlich beispiel loser Vorgang in der Parlamentsgeschichtc. Wer hätte überhaupt geglaubt, daß Waldeck-Rousseau die Macht, die er zum Heile Frankreichs fast drei Jahre lang gehand habt, aus freier Entschließung aufgcbcn würde? Oft hatte man, schreibt der „Hamb. Corrcsp." in einer gerechten Würdigung Waldcck-Rousseau's, befürchtet, daß diese Macht ihm in den wilden Parteikämpfcn, die besonders in der ersten Zeit seiner Amtsthätigkcit stattfanden und dann wieder, als das congregativnsfcindlichc Vereins gesetz zur Debatte stand, aus der Hand gerissen würde. Und mehrfach hatte man Veranlassung, einen unfrei willigen Rücktritt des gewaltigen republikanischen Kämpen in Folge Krankheit zu besorgen. Aber der Gedanke, daß Waldeck-Rousseau freiwillig das Steuer der Regierung aus der Hand legen würde, lag fern. Wenn es nun doch geschehen ist, so muß es besondere Gründe haben. Der eigentliche Grund ist der erschütterte Gesundheitszustand Waldeck-Rousseau's. Dieser allein hätte ihn allerdings wohl nicht zur Demission vermocht. Er hat schon einmal, im Februar vorigen Jahres, schweren körper lichen Leiden mit Erfolg getrotzt, um das Werk nicht zu gefährden, dem er seine Kraft gewidmet, das Werk der republikanischen Vertheidigung. Wenn er jetzt glaubt, Rücksicht nehmen zu können auf sein persönliches Be finden, so hält er dies Werk offenbar für vollendet. Und das ist es ja auch: die eben beendeten Kammerwahlen haben den Beweis geliefert, daß die Parteien, die die Republik vor dem Beginn der Amtsführung Waldeck- Rousseau's an den Rand des Abgrundes gedrängt hatten, ohnmächtig geworden sind. In der neuen Kammer haben die ehrlichen Republikaner in ihrer Gesammtheit eine über wältigende Majorität, eine Majorität, die die ver schiedensten Combinationen ermöglicht, ohne der nationa listischen Opposition irgend welche Chancen des Erfolgs zu bieten. So konnte Waldeck-Rousseau mit gutem Ge wissen sich der Würde begeben, die ihm bei seinem schlechten Gesundheitszustand zu einer immer größeren Bürde ge worden war. Wer immer sein Nachfolger werden möge, mag er näher dem linken oder näher dem rechten Flügel der ausgesprochenen Republikaner stehen, er wird sich immer auf eine Mehrheit im Parlament stützen können. Gerade der glänzende Vertrauensbeweis, den das Land Waldeck-Rousseau in den letzten Wahlen gab, macht als», unter den vorliegenden besonderen Verhältnissen, seinen Rücktritt plausibel. — Waldeck-Rousseau übernahm vor beinahe drei Jahren, am 23. Juni 1899, die Regierung, sein Cabinet hat also den Record aller Ministerien der dritten Republik erreicht. Er brachte die Dreyfus-Affäre zum Abschluß und bahnte durch ein Amnestiegesetz die Versöhnung an, während durch den Ilrtheilsspruch des Senats als Staatsgerichtshof die schlimmsten Gegner der Republik aus dem Laude entfernt wurden. Das wichtigste der erledigten Gesetze ist das erwähnte Vereinsgesetz, das durch die Beseitigung einer Anzahl Congregationcn die klerikale Agitation gegen die Republik unterband. Von sonstigen gesetzgeberischen Maßnahmen ist zu erwähnen die Reform der Cictränkesteuer und der Erbschaftssteuer, die Modernisirung des Mittelschulünterrichts, die Regelung der Arbeitszeit in den Staatsbetrieben und in den Berg werken, die Schaffung einer Colonialarmee, die gewaltige Vermehrung der Marine. Den Angelpunkt der äußeren Politik Frankreichs bildete nach wie vor das Bündniß mit Rußland, das allen Prophezeiungen zum Trotz unter der radikalen Regierung noch fester geknüpft wurde, als cs zuvor gewesen. Daneben wurde ein freundschaftliches Verhältnis zu Italien angebahnt. Kriegerische Verwicke lungen blieben Frankreich, Dank der vorsichtigen Politik Dclcassv s, erspart; ein Conflict mit der Türkei wurde, freilich erst, nachdem eine französische Flotte in den türki schen Gewässern dcmonstrirt, friedlich bcigelcgt. Aus Tokio,' Mitte April, schreibt man uns: An den Besprechungen der französisch-russischen Declaration in der japanischen Presse konnte man deutlich Nachweisen, wie sehr Deutschland durch die Theilnahme an der Inter vention zu Gunsten Chinas im Jahre 1895, durch seine er folgreiche Besetzung Kiautschaus 1897 und durch die Krcrst- entfaltung unter Graf Walderscc (1900—1901) an Prestige in Ostasien gewonnen hat. Alle Zeitungen kamen zu dem Feuilleton. Der Militärcurat. Roman von Arthur Achleitner. Nachdruck verbot!». „Schon gut. Was willst Du nun von mir?" „Spannen (merken) S' noch nix, Hochwürden ?" „Ich habe keine Ahnung, was Du willst." „Jetzt so eine Ahnungslosigkeit bei einem sonst so g'schcidten Herrn! Es geht doch auf Weihnachten zu, Hoch würden!" „Ganz richtig! Man merkt es nur in der südlichen Natur, die einen deutschen Winter nicht kennt, sehr wenig." „Aber da haben S' Recht, Hochwürden. Eine sau dumme Gegend da herunten! Nicht einmal einen g'schcidten Schnee haben s', die Malischen. Kaum zuckert's die Bergspitzcn ciue bissel au, kommt schon wieder der warme Wind und beißt das bisserl Schnee wieder sauber weg. Blos der billige Wein herunten, das kann unser einer mitnehmen, aber ein Bier wär' alleweil besser und gesünder. Also auf Weihnachten geht's, Hochwürden!" „Ja doch!". „Spannen S' allweil noch nix, Herr Pfarrer? Aber freilich, Sie waren halt noch nicht in unsere Berg' nm solche Jahreszeit!" „Nein, in nordischen Bergen mit dem strengen Winter habe ich nicht pastorirt." „Na, dann kann man auch nicht verlangen, daß Sie die Bräuch' bei uns im Gebirg wissen." „Komm' doch endlich zur Sache!" „Aber gleich, ich bin ja schon mitten drin in der Sach'. Also hören S' zu, Hochwürden! Auf Weihnachten zu sticht bei uns jeder Bauer, und wenn er gleich weniger hat, als der Schnlmoaster, sein Fackl ab, und das hat auch die Zenzi so g'macht, etwas früher, als sonst, damit 's Fackl noch ehnder hat gut geräuchert werden können. Und die Zenzi hat mir den Schinken g'schickt, wissen S' Hoch würden, 's bcst' von der ganzen Sau, und har mir «'schrieben, was in dem Briefe! da steht: Ich soll Ihnen den Schinken bringen mit einem Vergelt s Gott vicl- tauseudmal für die damalige Hilf', und soll Ihnen schon bitten, den Schinken anzunehmcn von der Zenzi, weil sic Ihnen sonst aus Erde« nix geben kann. Also bin ich da und da ist auch der Schinken! Wie wird Ihnen denn, Hoch würden? Wird Ihnen nicht der Mund wässerig? Ich bitt' gehorsamst, nehmen S' den Schinken an von der Zenzi aus Dankbarkeit, es ist a Bauernschinken und riecht er g rad nobel nach Knofcl (Knoblauch)!" Gerührt blickte Corazza auf den treuherzigen Soldaten und sprach dann: „Mein lieber Obcrdimpfler! Ich danke Dir und der Zenzi herzlich für die gute Absicht, aber ich nehme grundsätzlich keine Geschenke an." „Wär' nicht übel! Das ist jo kein Geschenk, sondern ein Schinken, gut g'sclcht und gcknofelt!" „Schreibe der Zenzi, daß ich ihr von ganzem Herzen danke, den Schinken aber nicht annchmen könne!" „Nicht möglich! Schauen S' 'n doch nur an, g'rad nobel! Ich glaub' nicht, daß der Kaiser was Besseres auf die Tafel kriegt. A Bauerng'sclchtes und Weihnachten! Fehlen blos noch die Kücheln und der Himmel auf Erden ist fertig." „Alles sehr schön, aber nimm den Schinken nur wieder mit. Kannst ihn selber essen, ich wünsche Dir guten Appetit dazu!" »Ich? Ich soll den Schinken wieder in die Casern' tragen, ich soll ihn essen? Ja, wie wird mir denn ? Das ist ja gar nicht möglich. Er ist ja unserem guten, lieben Herrn Pfarrer vom Regiment bestimmt. Na, Hochwürden, mich stimmen S' fein nicht! (Mich halten Sic nicht zum Narren!). Ein Pfarrer ist alleweil was Besseres, als ein Bauernknecht, und wenn er auch in der Uniform steckt. Ich müßt ja g'rad Sünden fürchten, wenn ich den pfarrischcn Schinken essen thät, und die Zenzi müßt' mich für einen ausgewachsenen Lumpen halten. Ich will aber ein ehrlicher Mensch bleiben und ein guter Christ, Hochwürden! Ich bitt', gleich nehmen S' den Schinken, oder ich werd' Ihnen bös'!" „Das wäre allerdings schrecklich! Doch Spaß beiseite, Du nimmst den Schinken wieder mit. Der Zenzi werde ich selber schreiben, die Adresse habe ich ja noch, um mich für die gute Absicht zu bedanken. Laß' Dir's gut schmecken und jetzt kannst Du gehen!" „Na, na, Hochwürden! So laß ich mich nicht abspeisen. Was 'm Pfarrer vermeint ist, darf der Knecht nicht nehmen. So eine Sünd' dürfen S' mir nicht zumuthen, Sie als geistlicher Herr schon gar nicht." „Aber Mensch, cs ist ja keine Sünd', ich erlaube es Dir ja ausdrücklich." „Na, na, Hochwürden! Nix da! Ich bitt', folgen S' mir. Er wird Ihnen gut tffun und ist ja so viel gut gc« meint. Die Zenzi würd' ganz unglücklich. Und das Geschimpf dazu, wenn sie hört, daß wir oder gleich ich nur allein das G'selchte aufg'gessen haben. Haben S' ein Ein sehen, Herr!" Corazza wollte dem wackeren Soldaten nicht wehe thun, auf dem Grundsätze der Ablehnung aber beharren, und wußte daher nicht, wie er den Verzicht dem Jäger bei bringen sollte. Der Curat versuchte die Ablehnung mit seinem Magcnleidcn zu begründen. ,,AH' so meinen S', Hochwürden? Jo, jo, es giebt schon arg wehleidige Herren, nnd Backhendeln kann die Zenzi halt nicht schicken, die ist ja so viel arm daran." „Wer verlangt denn das? Ich doch nicht! Schau, Obcrdimpfler, ich will Dir was sagen: Du mußt in Deiner Heimath gewiß und oft schwer arbeiten, auch wenn Dir schlecht ist, Du Schmerzen hast und Dich lieber in's Bett legen möchtest und auf den Tod warten." „Jo, Herr Pfarrer, diemalcn (zuweilen) ist mir schon recht letz (übel) gewesen." „Und in solcher üblen Situation wäre Dir ein linderes Essen auch lieber und zuträglicher, wie Kasnockcn und die sonstige grobe Kost, nicht?" „Jo, Herr Pfarrer, das schon, aber ich bin halt bahoam ein Baucrnknecht und koa' geistlicher Herr." Corazza mußte lächeln. „Jo, Hochwürden, es geht halt nicht anders bei uns. Knecht bleibt Knecht!" „Aber wenn cs sein kann, gehst doch auch Du der groben Kost aus dem Wege?" „Das nutzt unser Einem nix. Was der Bauer auf den Tisch stellt, muß der Knecht essen." „Mit Dir ist aber schon recht schwer reden." „Ich glaub's nicht, Herr Pfarrer. Ich versteh' Ihnen ganz gut." „Doch nicht! Du willst nicht begreifen, daß ich mit meinem kranken Magen schwer verdauliche Kost nicht essen kann. Das Bauerngeselchte ist zu schwere Kost für mich, ich muß lindere Speisen genießen, sonst werde ich noch kränker nnd der Stabsarzt kommt über mich." „Na, Hochwürden, nur den Stabsarzt nicht! Dcii fürcht' ich mit seiner Krankenkost. Dem geh' ich aus dem Wege, wo ich kann. Sic, dös ist ein hantiger Herr, der sicht Einem bis in den Magen hinein und den Kranken schwindel kennt er ans dem sf. Aber wenn der Herr Pfarrer doctern muß, ist's ein Gfrett. Hätt's nicht gedenkt, daß der Herr Pfarrer so schlecht daran seien mit dem Magen. Ich hab' ehnder g'glaubt, so ein geistlicher Herr kann Alles essen und hat den Himmel auf der Erden! Wenn ich Ihnen rathen darf: probircn S' mit dem Enzelcr (Enzianbranntwcin) und Firnwasser (Gletscherbrünnlein)! Das richtet Ihnen den Malifizmagen schon wieder ein!" „Danke für Deinen Rathschlag! Aber nun nimm den Schinken und trage ihn heim in die Caserne!" „Wollen S' ihn wirklich nicht behalten? Schauen S', Herr Pfarrer, vielleicht mag ihn die Häuserin? Hat die auch einen wehleidigen Magen?" „Mach' fort, Obcrdimpfler, es ist genug!" „Na, dös ist mir aber schon recht zuwider, Hochwürden, wegen der Zenzi." „Der Zenzi werde ich das Nöthige schon schreiben." „Aftn (hernach) soll wirklich ich den Schinken essen ?" „Jo- „Bergelt's Gott im Himmel auffi, Herr Pfarrer! Herr gott, wird das Heuer ein Weihnachten sein! Ich mein' schon g'rad, ich bin im Himmel! Ein Schinken auf Weih nachten! Jetzt tausch' ich nicht mit einem General! Ver gelts Gott, Herr Pfarrer, vergelt's Gott vieltauscndmal!" Der Soldat wollte in seiner Glückseligkeit dem Pfarrer die Hand küssen. Corazza wehrte ab und commandirte, um seine Rührung zu verbergen: „Habt Acht! Rechtsum kehrt, marsch!" „Zu Befehl! Pfiai Gott, Herr Pfarrer!" Mit dem Packet unter'm Arm trat der Soldat stramm ab. Der Curat schrieb sogleich an die Spenderin im fernen Gebirgsdorf seinen Dank und legte eine Geldnöte als Gegenspende bet. Wieder erscholl die Klingel, diesmal kann es nur ein recht frecher Bettler oder ein vornehmer Herr sein, der Einlaß fordert. Frau Benatti öffnete und kreischte: „^Lmorieorckia!" Eine mchrköpfige Deputation aus dem Stadtrathe, unter Führung des Podest», ist erschienen und wünscht Seine Hochwürden zn sprechen. Corazza hörte das Gespräch, warf die Cigarette in den Aschenbecher und vertauschte die Mtlitärvlouse rasch mit dem am Nagel hängenden Talar, dessen zahlreiche Knöpfe soviel als möglich in der Geschwindigkeit zugeknöpft wurden. Von der Domcstica geleitet, traten dieStadträthe mit dem PodestL an der Spitze, ein, steif, würdevoll; nur die Auge»