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Zahlkarlen für August Der heutigen Nummer liegen die Zahlkarten für August bei. Wer sie umgehend auSfüllt, ver meidet lästige Mahnungen. Chronik -er Unfälle Chemnitz, 29. Juli. Am Soiiabeuducichmiltog gegen 3 Uhr ereigneten sich in Chemnitz zwei schwere Unfälle. Der 14jährige Schlosserlehrling W. Geißler aus Lunzenau sprang von einem nach dem hiesigen Hauptbahnhof verkehrenden Straßenbahn wagen der Linie 7 und geriet dabei unter die Schutzvorrichtung des Anhängewagens. Er zog sich eine schwere Beinverlctzung zu und wurde nach dem Krankenhaus gebracht. — Ter Meile schwere Unfall ereignete sich Sonnabend gegen 6 Uhr aus der Schillerstroße. Der 49 Jahre alt« Handlungsgehilfe Arthur Mende aus Chemnitz war im Begriff über die Schillerstraße nach dem Theaterplatz zu gehen, mußte einen stadtwärts fahrenden SIraßcnbahnzug vorbeilassen und rannte dabei gegen einen zweiten aus entgegengesetzter Richtung kommenden Straßen bahnwagen. Durch den Anprall wurde der Bedauernswerte aus der Stelle getötet. Plauen, 29. Juli. Von einem Lastkraftmagenführer wurde aus der Straße Mehltheuer—Syrau ein Motorradfahrer besin nungslos unter seinem Motorrad liegend oufgcfunden. Der Kraftwogensührer befreite den Verunglückten, nachdem er die schwere Maschine zur Seite gerückt hatte, aus seiner gefährlichen Lage und brachte ihn mit dem Wagen zum Arzt nach Mehl teuer. Dort wurde sestgestellt, daß es sich um einen ledigen Ingenieur Heinz Kratz aus Plauen handelt, der einen schweren Schä delbruch und andere Verletzungen davongetragen hatte. Er mußte mit dem Krankenkraftwagen sofort nach dem Kranken haus in Plauen transportiert werden. — Der 26 Jahre alte ledige Brauereiarbeiter Kurt Seifert, der mit dem Abziehen von Flaschenbier beschäftigt ivar, wurde durch ein Bierfaß, dos infolge zu hohen Kohlensäuredruckes an die Decke schleuderte, so schwer verletzt, daß er einen Schädelbruch und andere Ver letzungen davontrug. Er war sofort tot. tz. Ein „schwerer Junge". Die Nachforschungen über die Straftaten des vor einigen Tagen in Berlin verhafteten Kassen räubers Marx, der bekanntlich in Neuschönburg die Gemeinde- Kasse beraubt halte, haben ergeben, daß es sich um einen schon lange gesuchten schweren Jungen handelt, dem nicht nur mehrere Einbruchsdiebslähle und Raubübersälle zur Last gelegt werden, sondern der auch dreier Morde verdächtig ist. Er soll in eine ganze Anzahl Postagenturen und Gemeindeämter in Sachsen eingebrochen sein. Die Ermittelungen über diese Fälle sind noch nicht abgeschlossen. Die Mordtaten wurden 1922 und 1923 in tschechischen Gemeinden begangen. Ku5 dex l.su5itr DorgefchlchMcher Fund Gbersbach, 29. Juli. In der Hauptstraße des nahen Grottau, wo eines der älte sten Häuser nicdcrgerisscn wird, stieß man bei Erdarbeitc» auf «in menschliches Skelett, das nach dem Urteil der Sachverstän digen schon viele tausend Jahre dort gelegen Hot. In der Nähe fand man eine Feuerstätte mit Steimverkzeugen und Geräten. Es handelt sich offenbar um einen Fund aus der Steinzeit. s. Vom Schützenfest ln den Tod. Der 52jährige FuhrwerkS- bcsitzcr Johann Heinrich Augustin aus Mittelherwigs-dorf war aus Kon Großschönauer Schützenfest und kassierte hier Beträge ein. Er kehrte aus dem Heimwege ein und dürfte etwas getrunken haben. Er verlor die Herrschaft über das Rad und fuhr au. Dann schob er in Hainewalde das Rad, als es bergab ging, versuchte er wieder zu fahren, stürzte jedoch die 1.20 Meter hohe Böschung hin ab, siel auf das Gesicht und erstickte. Die Gerüchte von einem Naub- übersall, die überall zu hören waren, sind falsch. l. Eigenartiger Todesfall!. Der zweijährige Sohn dez Kauf manns Schlenkrich wurde von einem umsiürzcnden Waren automaten erschlagen. Das Kind hatte zusammen mit anderen Sachsen lm Bequeme Anschlüsse In der Öffentlichkeit ist es im allgemeinen viel zu wenig be kannt. daß trotz der besonderen Wünsche, die Sachsen berechtigter maßen in Verfolg d«S „Luftkrieges" geäußert hat, dennoch Dresden bequemen Anschluß ah zahlreiche Linien besitzt. Ein« der schönsten Luflstrecken, die es überhaupt in Deutschland gibt, ist die von Dres den »ach Prag und Wien, die täglich 915 Uhr ab Dresden ge flogen wird mit Ankunftszeiten 10.45 Uhr Prag und 13 20 Uhr Wien. Die Deutsche Luft-Hansa fliegt dann weiter die Linien Dres den—Berlin, Dresden—Leipzig—Kasscl-Dortmuird—Düsseldorf und Dresden—Breslau. Auch nach dem Riescngvbirge über Görlitz- Hirschberg gibt es günstige Verbindungssirecken. Der NordbayerisHe Verkehrsflug unterhält die Streck« Dresden—Leipzig—Nudolsiadi und Dresden—Chemnitz—Plauen—Rürnberg/Fürih. Die gleiche Gesellschaft hat neuerdings eine eigene Fluglinie Dresden—Stettin über Kottbus—Guben—Franksurt a. O. in planmäßigen Betrieb genommen. Das Flugzeug fährt ab 7 30 Uhr Dresden und ist be reits 1030 Uhr in Stettin, so daß bequem der fahrplanmäßig« Dampfer zu den Ostseebädern erreicht werden kann. Außerdem be steht zwischen Dresden und Kottbus noch «ine zweite Verbindung, die als Tagcsverbindung aber nur für Kottbus von Bedeutung ist. Eine ausgezeichnete Verbindung, die viel zu wenig bekannt ist, geht von Dresden nach München, und zwar Dresden ab 14.55 Uhr über Halle und Fürth, München an 19 Uhr. Die Deutsche Lust-Hansa lzat einen eigenen Flugfahrplau von Dresden herausgcgeben, aus dem alle Strecken mit ihren An- schlußlinien im einzelnen aufgesührt sind. Dieser Prospekt ist so wohl durch die Lust-Hansa direkt erhältlich, als auch auf dem Staude der Lusi-Hansa in der Iahrcssckau „Reisen und Wandern" unenigclilich zu haben. Aus diesen Bestimmungen geht u- a. her vor, daß alle Fluggäste, die den tarifmäßigen Flugpreis entrichtet haben, aus Kosten der Flugverlehrsgescllschast für Unfälle mit je 25 000 NM. sür den Todesfall und den Fall dauernder Invalidität und mit 25 NM. sür den Tag bei vorübergehender völliger Arbeits behinderung ohne weiiercs versichert sind. Außerdem stehen Policen zur nxiicren Unfallversicherung sowie zur Gepäckversiche rung bei jeder Flugleitung zur Verfügung. Die Mitteldeutsche Flu gv e rkehrs A-G. hat nach ihrem Bericht über das am 31. Dezember 1928 abgeschlossene 5. Ge- sich an dem Automaten zu schassen gemacht, um Zuckerzeug hcraus- zuholeu. Dabei stürzte der Apparat um und traf den Knaben so un glücklich a» de» Kopf, daß der Tod bald darauf eintrat. s. Ungetreuer Angestellter. In der Papierfabrik-A.-G. in Scbuitz kam mau umfangreiche» Unterschlagungen des dort be schäftigten Angestellten Pilz auf die Spur. Pilz hatte an die Arbeiterschaft bestimmt« von der Leitung der Fabrik festgesetzte Be tröge, sog. „Z e n t n e r g e l d e r" auszuzahlcn. Die sür jeden Ar beiter festgesetzte Summe lzat aber Pilz nicht voll ausgezahlt, sondern jedesmal einen bestimmten Betrag für sich einbchgkten. Da monat lich bis zu 10000 NM. zur Auszahlung gelangen sollte», so hat der in Frage kommende Angestellte durch seine betrügerischen Mani pulationen ganz erkleckliche Summen sür sich erlangt. Der genau« Umfang der unterschlagenen Gelder konnte noch nicht festgestellt werden. Pilz wurde zunächst entlassen. Ein eigenartiges Kochbuch Ludwig Karpath, Jedermann seine eigen« Köchin. Verlag Knorr und Hirlh, Münel^n, sbrosch. 3.60 RM.j. — Dieses Buch, das von erlesenen Genüssen des Gaumens handelt, ist selber eine Delikatesse: ein namhafter Musikschriftsteller hat hier ein Kochbuch geschrieben! Aber kein Kochbuch im gewöhnlichen Sinne; er hat eine Anzahl erlesener Rezepte bei seinen Freunden und Bekannten gesammelt und teilt sie nun als wohlwollender Mitmensch dem Publikum mit. Sockzverständig, denn er ist nicht nur Theoretiker, sondern auch — Zeugnisse berühmter Männer erhärten es — ein in der Praxis der Kochkunst er fahrener Mann, der uns erlesene Gerichte vorsetzt: So sinden Luftverkehr schäftsjahr die im Jahre 1927 von der Gcneralversamnikimg be schlossene Kapitakserhöhung um 300000 NM. auf 900 000 NM. st» Mai 1928 programmäßig durch geführt. Der Gesellschaft lag wieder Wie in den vergangenen Jahren die verkohrspoliiisch« Bearbeitung und finanzielle Slbwickkung der durch das Land Sachsen führenden regelmäßigen Luftverkchrsstreckcn ob, an denen der sächsische Staat und die sächsischen Kommunen durch die Gewährung anteiliger Bei hilfen mitwirkien. Das Vcrkehrsprogramm, dos während der Houpt- bciriebszeit auf den sächsischen Flughäfen insgesamt täglich 60 Start« und Landungen vorsah, wurde bei einer Beförderungsleistung von 12 314 abgeslogenen und ankommenden zahlenden Passagieren mit einer Regelmäßigkeit von 98 Prozent durchgeführt. Nach dem Be richt hatte sich die Gesellschaft nur aus ein Zusammenarbeiten mit der Deutschen Lust-Hansa eingestellt. Im Interesse der Sackze wurde dann noch die Nordbayerischc Vcrkehrsflug-GmbH. zur Mitarbeit an der praktischen Leistung der Verkehrsausgaben hcrangezogcn. Da sich die an diese Zrrsammenarbeit geknüpften Erwartungen erfüllten, wird sie fortgesetzt werden. Neuer veiler -er Nachrichtenstelle Dresden. 29. Juli. Für die Leitung der Nachrichtenstelle der Staatskanzlei ist seit langem ein Wechsel erwogen worden. Dieser Wechsel soll nunmehr emtreten. Ministerpräsident Bänger hat den Vor- sitzenden des Landesverbandes der sächsischen Presse, Herrn Arthur Graese, der bisher als Dresdner Vertreter der „Leipziger Neuesten Nachrichten" tätig war, zum Oberregie, rungsrat und Leiter der Nachrichtenstelle der sächsischen Regie rung ernannt. Er tritt sein Amt am 1. Oktober an. Der bis herige Letter der Nachrichtenstelle Oberregicrungsrat Block wird Hauptschriftleiter der Sächsischen Staatszeitung. Diese Lösung einer seit langer Zeit erörterten Frage kann als sehr glücklich bezeichnet werden. Der bisherige Leiter der Nachrichtenstelle, dessen sachliche Eignung unbestritten ist, wird nach Lag« der Sack)« in seinem neuen Amt ein dankbares Ar beitsseid sinden. Der neue Leiter der Nachrichtenstelle aber, der derselben Partei angehört wie der Ministerpräsident, dürfte die Schwierigkeiten, die bisher sür die Nachrichtenstelle bestan den, leichter überwinden können. wir das Rezept für ein Lebcrgericht von Frau Dr. Richard Strauß, ein Brüsseler Heringrezept, mitgeteilt von Siegfried Wagner, ein Fleischgericht von Alma Maria Mahler, der Witwe Gustav Mahlers, ein Tortcnrezcpt von der Gattin Arthur Schnitzlers, ein Bowlenrczept von dem verstorbenen General musikdirektor Ernst von Schuch, eines sür Silvesterpunsch aus dem sagenhaften Hotel Sacher in Wien, eines für Hummer mit Sherry aus dem Hotel Asioria in Neuyork und ähnliches mehr. Uebrigens finden sich nicht etwa nur teure, sondern auch ein« fache Gerichte besonderer Art in dem Buch. Freunden einer guten Tafel kann man es mit freundlicher Empfehlung in die Hand geben: „Nimm, lies uno iß desgleichen!" Kunror Gewissenhaft. „Für das Verprügeln Ihrer Ehefrau auf der Li ras« werden Sie vierzig Mark beza ölen." — „Ist da die Lust- barkeitSsteuer schon eingerechnet?" Auto. „Sic sagten mir beim Kauf des Wagens, daß Sie sechs Monate laug jeden Bruch ersetzen." — „Allerdings." — „Also, viel Vorderzäbiie und ein Schlüsselbein." Ausverkauf. „Müssen wir nach lange aus Mufti warten?" — „Nein, die letzte Verkäuferin nimmt eben den letzten Hut aus dem Fenster." Scharfsinn. Warum bist du nicht immer artig, Fim?" — „Wenn ich immer artig wär', Mammi, tatst du dich nicht srcue», wen» ich mal artig bin!" Mensch unler Menschen Roman von Victor Hugo. <76. Fortsetzung.» Diesem war «z unterdessen nach einer gründlichen Durch, suchuug seiner Taschen gelungen, fünf Franke» und sechzehn Sous -usamincnzubringcn, alles, was er augenblicklich besaß. — „Na, es bleibt mir immerhin so viel, daß ich beule ei» Abendessen bezahlen kann: nachher wollen wir dann weiter sehen!" Er behielt also die sechzehn Sous und gab dem jungen Dlädchcn die fünf Frauken. „Hurra! Ein Sonnenstrahl! Fünf Franken in so 'ner Bude! Das nenn« ich wM nobel sei»! Sie sind ein guter Junge. Sie ge fallen mir. Hurra! Für zwei Tage Wein und Fleisch und Brot. Wir werden uns den Bauch voll schlagen! Hurra!" Sie verbeugte sich tief vor MariuS, grüßte ihn dann noch ein mal mit einer vertraulichen Handbewegung und wandte sich zum Gehen niit den Worten: „Adieu, Herr Marius. Ich will aber doch de.» Alte» auf such« u." Marius hatte während der letzten fünf Jahre allerhand Ent behrungen durckgcmacht und war sogar dem Hungerlode nabe- gewese»: aber jetzt wußte er, daß er das »«ahre Elend nicht kcuueu- gelcrnl hatte. Das hatte er erst jetzt gesellen. Wen» der Man» sich keinen Mt mehr weiß, so schreitet er -um Acußcrsten, um sich zu retten. Welze daun den Wehrlosen, über die er als Vater oder Gatte Gezvalt hat! Daun beutet er die Schwäche und Hilflosigkeit des Weibes imd des Kindes aus, indem er sic zwingt, den Weg zur Schande zu wandeln. Marius machte sich Vorwürfe, daß er nick» eher an da? Elend in der Nachbarstube gedacht hatte. Unwillkürlich stieg in ihm der Wunsch aus, zu wissen, wie cs dort aussah. Es fiel ihm ein, daß er oft hörte, was man nebenan sprach. Als er sich daraufhin verträumt die Trennungswand onsoh, entdeckte er ziemlich hoch, dickt unter der Decke, ein dreieckiges Loch. Zwischen den Balken nwr der Kalk hcrauSgcbröckekt, und wenn man auf die Kommode stieg, konnte man durch diese Lücke in das Zimmer der Iondrctt« hineinsehen. De,» Mitleid ist Neugier erlaubt, und wenn cs sich darum handelt, Un glücklichen aus der Not zu Helsen, darf man den Spion spielen. ' Er kletterte auf di« Kornmode und sah sich durch das Loch b!« Nachborstube an. Die Städte haben wie die Wälder ihre Höhlen, in denen sich allerhand bösartiges und gefährliches Getier versteckt hält. Aber die Grimmgikeit der Bestien, die in de» Städten wobnen, hat etnms Ge meines und Widerwärtiges, während die der Bestien im Walde den Stempel des Großartigen trägt und gestillt. Das Zimmer, in das Marius hincinsah, gehörte auch zu jenen Mcnschenl'ehausiingcn, gegen die Ticrhöhlen den Vorzug verdienen. Marius war arm, und in seinem Zimmer sah es dürftig aus; aber so wie seine Armut edlen Ursprunges war, so herrschte auch Sauberkeit in seine,» Dachstübchen. Die Nachbarwohnung dagegen war ei» schmutziges, dumpsigcs, dunkles, ekellzafteS Hundeloch. An Möbeln ein Strohstuhl, et» wackliger Tisch, etivas mehr oder minder zerbrochenes Geschirr und in zwei Ecken zwei elende Pritschen; da bei keine andere Lichtöffnung als ein Dachfenster mit vier Scheiben, an dem Spinncngewcbe die Stelle der Vorhänge vertraten. Durch diese Luke kam gerade so viel Licht herein, daß dabei ein Menschcn- gcsicht ganz gespenstisch aus-sah. Die Wände waren voller Nisse und Narben, wie ein von einer abscheulichen Krankheit entstellter, mensch licher Körper und niit schleimigem Schmutz überzogen, mit obszönen Zeichnungen bedeckt. Marius Stube batte einen mit zerbrochenen Fliesen gedeckten Fußboden, in dieser sah man weder Steine noch Dielen: nichts als der bloße, rohe Katkbewurf, der im Laufe der Zeit schnxirz gewor den >var. Aus diesem ungleichen Boden, auf dem der Staub eine Art Kruste bildete, und den nie ein Besen berührt hatte, lagen un ordentlich verstreut, wie Sterne am Firmament, aber minder schön, alle Socken, Schlurren und Lumpen. Indessen hatte das Zimmer einen Kan,in, weshalb cs auch vierzig Franken jährlich kostete. I» diesem Kami» war alles mögliche zu setzen: «in Kohlenbecken, ein Fleischtopf, zerbrochene Bretter, Lappen, die an Nägeln hingen, ein Käfig, Asche und sogar ein Feuer. Zwei armselige Stücke Holz brannten darin. Was dieses Loch »och unheimlicher erscheinen ließ, war der Umstand, daß es sehr groß war. Da gab es Vorsprünge, Winkel, dunkle Löcher, Sparrensächer. Buchten und Borgebirge. Daher dem Auge uncrforschlichc Eckräume, wo man riesig« Spinnen und Asseln vermutete oder gar menschliche Ungetüme. Ei» schlecht gemaltes Bild, das eine symbolisch« Darstellung des Krieges gab, hing wie ein greller Fetzen zwischen dem Ge rümpel. Unter diesem Bilde stand, schräg an di« Wand gelehnt, eine Art Holztasel, die länger als breit war. vielleicht ein aus der anderen Seite bemaltes Schild, das von einer Mauer obgenommen ivar und für eine spätere Gelegenheit ausbewahrt wurde. An dem Tisch, auf dem Marius ein« Schrcibscdcr, Tinte und Papier bemerkte, saß ei» ungefähr sechzig Jahre alter kleiner, hagerer blasser Mann,--ein widerwärtiger Geselle mit psiisigcn, boshaften, unsteten Auge». Der Mgnn hatte einen langen, grauen Bart.' Bekleidet war er mit einem Hemd, das seine zottige Brust und seine mit grauen Haaren bedeckten Arme bloß ließ. Unter dem Hemde kamen mit Kot bespritzte Hosen hervor, und an den Füßen trug er Stiesel, durch deren Löcher die Zehen hervorgucklcn. Er hatte eine Pfeife >m Munde und rauchte. Es fehlte an Brot im Hanse, aber noch nickt an Tabak. Er schrieb, wahrscheinlich wieder an einem Bettelbrief. Auf der einen Tischdecke lag ein altes Buch mit rötlichem Einband in Duodezformat, vermutlich ein Roman aus einer Leih bibliothek. Während der Mann schrieb, sprach er laut. Er schimpfte auf die Ungleichheit, die sogar »och nach dem Tode dem Annen die ge rechte Behandlung verjage. Tann hielt «r in»«, machte eine Pause und schlug plötzlich mit der Faust auf den Tisch. „Oh, ich könnte die Welt aussressc»!" Vor dem Kami» kwckle außerdem eine dicke Frau von durch aus unbestimmbarem Alter. Auch sie war nur mit einem Hemd bekleidet und mit einem Unterrock, der mit alten Tuchflicken besetzt war, und den eine Schürze aus grober Leinwand zur Hälfte verdeckte. Sic hatte häß liche, rotblonde, zum Teil schau ergraute Haare, in die sic mir ihre» schmierigen, großen Händen von Zeit zu Zeit hineinsubr. Auf einer der Pritschen saß ein Mädcixn, das aus den erste» Blick ein Kind von elf oder zwölf Jahren schien; sah mau genau«« hin, hielt mau es eher für gut vierzehnjährig. Im übrigen waren in dem Zimmer keine Spuren zu sehen, daß seine Bewohner irgendeine Arbeit leisteten, um ibr Brot zu ver diene». Nur einige eiserne Werkzeuge zweiselbaster Natur lagen in einer Ecke. Es herrschte hier jene siumpsc Trägheit, di« «ine Folge der Verzweiflung ist und dem Untergang vorausgelzt. Dieses ungemütliche Heim sich sich Marius eine geraum« Weile an. Es war fürchterlicher als ein Grab, weil hier menschliches Leben pulsierte. Mit beklommener Brust wollte Marius endlich von seinem Beobachtungsposten hinuntcrsteigen. als ein Geräusch seine Auf merksamkeit fesselte und ihn veranlaßt«, zu bleibe». Die Tür der Dachstube wunde heftig ousgcrissrn, und di« Aicstr Tochter erschien aus der Schwelle. (Fortsetzung folgt.)