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Sächsische Volkszeitung : 24.08.1930
- Erscheinungsdatum
- 1930-08-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193008242
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19300824
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19300824
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1930
-
Monat
1930-08
- Tag 1930-08-24
-
Monat
1930-08
-
Jahr
1930
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 24.08.1930
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KaL8 im ^Vaiillcampk Oroüe lieäe äes ?ar^eikülrrer8 vor ^er selrlesiselReiA Xentruinsparter in Lreslsn Am Mittwochabend hielt der Vorsitzende der Deutschen Zentrumspartei, Prälat Dr. Kaas, im überfüllten Schietz- werdersaal in Breslau die erste grotze össentliche Rede in diesem Wahlkampf. Wir geben die Ausführung nachträglich im Wortlaut wieder: Meine verehrten Damen und Herren, liebe Parteifreunde! Ihr Herr Vorsitzender hat soeben die Freundlichkeit gehabt, festzustellen, das; ich hier bei Ihne» in Breslau nicht mehr ein ganz Fremder bin. Wenn ich am heutigen Abend den Schietz- werdersaal mir ansehe und ihn vergleiche mit dem Abend, der hier als Abschlag des letztjährigen Ostparteitages gehalten wurde, dann muß ich zugeben, der überwältigende Eindruck, der mir damals von der Treue unserer Breslauer Parteifreunde gegeben wurde, ist sich auch am heutigen Abend glcichgeblieben. Mit Recht hat Ihr Herr Vorsitzender gesagt, das; ich nicht ohne Absicht hierher gekommen bim Ich bin Hierher gekommen, weil es sich hier um den Wahlkreis-unseres verehrten Kanzlers Brüning handelt. Ich bin hierher gekommen als Rheinländer, um gerade dadurch, dag ich hier im Osten den Wahlkampf beginne, zu dokumen tieren, das; es in der Zentrumspartei keinenWesten oder Osten gebe, sondern nur brüderliche Solidarität, zu Helsen dort, wo die Not diese Hilfe verlangt. (Bravo rufe.) Wenn ich mich erinnere, wie damals die Dinge standen, als ich im April v. I. vor Ihnen sprach, und wie sie heute stehen, dann läszt sich — wenn man wahrhaftig sein will — eine ge radezu beklemmende Wendung zum Schlechteren feststellen. Meine lieben Parteisreunoe! Eben ist gesagt worden, datz vielleicht auch bei uns die Schuldfrage nicht vollständig negativ beantwortet werden kann. Ich habe heute, ich schäme mich gar nicht, es auszusprechen, in einem kleinen Kreise ganz ossen erklärt, das; ich nicht stolz genug bin, um die von mir ge leitete Partei irgendeinen U n s e h l b a r k e i t s an s p r u ch zu erheben. Das überlasse ich denjenigen, die zwar nicht durch Taten aber doch durch eine eindringliche Propaganda beweisen, das; sie überhaupt keiner Fehler fähig sind. (Stürmi sche Bravorufe.) Lassen Sie nur einmal das Dritte Reich kommen! Ich garantiere Ihnen dafür, dieses Dritte Reich wird sehr bald den Spruch des deutschen Dichters wahr machen, der da sagt, „das Deutsche Reich ist ein deutsches Arm" geworden. Meine verehrten Damen und Herren! Im politischen Kampf kämpfen wir nicht um Gesinnungen: wenn ich mich gegen poli tische Richtungen wende, dann nur, weil ich sie objektiv ver fehlt halte, nicht weil ich an der subjektiven Gesinnung eines politischen Gegners Kritik üben wollte. Gesinnung bleibt autzer Debatte. Aber nehmen mir die Dinge doch einmal real- politisch. Politik ist die Kunst des Erreichbaren und wer seinem Volk mehr verspricht, als angesichts der Kräfteverteilung nicht nur in Deatschland, sondern in der gesamten autzeiipolltischen Umwelt möglich ist, der mag es vielleicht subjektiv ehrlich meinen, aber er irrt sich und sein Irrtum führt das deutsche Volk in den Untergang. Wir haben einmal bezüglich der Kräfteverteilung in der Welt geirrt und eine Fehlrechnung aufgestellt, die ich nicht tadle, die ich nur feststelle, eine Fehlrechnung in einer Zeit, wo DeutMand wirklich noch gros; und mächtig dastand als der ge- walticsitc Militärstaat der ganzen Erde. Und trotzdem hat diese Rechnung getrogen, war ein Fehlalklll, trotzdem stand am Ende des sogenannten Stahlbades, des grotzen Krieges, Zu sammenbruch und Unglück. Wer nach einem solchen Zusam menbruch Volksführer sein will, der hat nicht nur die Pflicht, sich in grotzen Gedanken zu wiegen, sondern er hat die Pflicht, di^ Möglichkeiten nüchtern zu prüfen, die seinem Volke ge stellt sind. Der Anschauungsunterricht des ver lorenen Krieges, der Anschauungsunterricht der konzentrierten Macht unserer Feinde, soll der noch nicht genügen, um uns zur Vorsicht und zur Besonnenheit zu mahnen? Wir sind über den Verdacht erhaben, als ob wir in dem Versailler Ver trage die europäische Zukunft für alle Zeit sähen. Sie hier im Osten kennen die Schäden ja aus nächster Anschauung. Aber wir wissen auch, dag der Weg zur Besse rung nicht der des Frontalangriffes mit ungenügenden Kräften ist. sondern der Weg airdauernder und mühseliger Geduld. Es will mir so Vorkommen, als ob eigentlich mehr Mut dazu ge hört, diese bitteren Wahrheiten seinem Volke zu sagen, als es vorübergehend in ein Delirium nationaler Begeisterung hineinzuhetzen. Einen Weg, den wir ablehnen müssen, weil er Unglück und erneuter Zusammenbruch wäre. ' Die Ee d u l d, die Besonnenheit, die Sachlich keit, sie mögen unpopulär sein und rein gefühlsmätzig, vor allem bei der Jugend, nicht das Echo finden, das andere Ge danken bei ihnen wecken. Eines aber müssen wir auch von der Jugend erwarten dag sie einsieht dag nur die richtige Synthese zwischen idealem Schwung und besonnener Sachlichkeit einer politischen Richtung die Wege weisen können, die zum Aufbau und nicht zum Niederbruch führen. Unmittelbar nach meinem Amtsantritt habe ich der Ju gend mehr als einmal das Versprechen gegeben, dag ich alles daran setzen würde, um ihr in den Kreisen der Partei eine Chance zu geben für positive und schöpferische Mitarbeit. Vorgestern haben wir in Berlin die Reichs- l i ste aufgestellt. Zu Ehren der Partei, zu Ehren aller anderen Mitinteressenten, zu Ehren derjenigen, die zurllcktreten mutzten, stelle ich hier fest, dag keine Kandidatur so einmütig gefordert worden ist, wie die Kandidatur für die Jugend, und eine andere Kandida tur für die Frauen, die zugleich auch eine Kandidatur des jungen Zentrumsvolkes darstcllt. Ich glaube sagen zu können, dag wir in diesen Wahlkampf eigent lich zum ersten Male in diesem Ausmatz mit einer perso nellen Verjüngung hineintreten, die in früheren Wahl kämpfen niemals erreicht worden ist. Ich hoffe, dag die junge Generation diese Chance, die ihr diesmal gegeben wird, nun auch mit dem ganzen Elan wahrnimmtz der ihr eigen ist. Ich hoffe, dag, wenn einmal die Geschichte des nächsten Reichs tages zu behandeln ist. mir feststcllcn können, dag die in den Reichstag einziehende junge Generation in der Kolonne der alten Kampfer wirklich erstklassige Frontarbeit geleistet hat. Meine lieben Parteifreunde! Wenn man eigentlich über legt. was dazu geführt hat, das; wir am heutigen Abend hier nicht eine Versammlung der Zentrumspartei, sondern eine W a h l k u n d g e d u n g halten müssen, dann kommt man zu Feststellungen, die nicht gerade so tröstlich sind. Wer allerdings das deutsche Volk während des letzte» Wahlkampfes beobachtete, wer sah, welche Strömungen in diesem Wahlkamps wirksam wurden, wer sah, mit welch demagogischen Mitteln damals manche Parteien den Sieg an ihre Fahne zu heften suchten — und dazu rechne ich vor allem auch eine Partei, die hier in.Breslau nicht wenig matzgebend ist —. dann mutzte man eigentlich dem neuen Reichstag von vornherein eine nicht sehr günstige Prognose stellen. Mit Panzerkreuzer und Kiiidcrspcisuug kann man einen Wahlkampf mache», damit kann man aber keine sachliche Politik treiben. Wenn ich mir überlege, mit welch hemmungsloser Demago gie in gewissen Kreisen der letzte Wahlkampf über die Bretter ging, und wenn ich mir dann aus der anderen Seite überlege, wie bescheiden die Leistungen gerade des Kabinetts waren, das auf Grund dieser Wahlergebnisse vor das Parlament trat, dann mutz ich sagen, diese Distanz zwischen Leistung und Versprechen ist so gewesen, datz man es nicht begreifen könnte, wenn das deutsche Volk zum zweiten Male denselben Weg gehen wollte. (Bravo!) Meine verehrten Damen unv Herren! Sie wissen die koa litionspolitische Geschichte dieses letzten Reichstags. Ich habe schon im April vorigen Jahres darüber hier eine Reihe von be zeichnenden Details mitteilcn können. Ich brauche aus diese Dinge heute im einzelnen nicht eingehen. Aber das charakteri stische Merkmal dieses ersten Kabinetts war. datz. wenn auch die formale Verantwortung und der absolut überwiegende Einflutz in sozialdemokratischen Händen lag, die tatsächliche Leistung, die tatsächliche Verantwortung sich ganz automatisch immer mehr und mehr nach unserer Seite ver sch oben hat. Wäre damals, als wir der Regierung Müller zuriefen, das; Gefahr iin Verzüge sei, wäre damals, als ich in Dortmund am 18. Oktober v. I. die Regierung beschwor, aus ihrer Verant wortungsscheu herauszutreten, zu wirklich grotzen Reiormen ge schritten worden, vor allem auf dem Gebiete der Finanzsa»ie- rung und der Ausbalancierung des Etats, wir ständen heute nicht da, wo wir leider heute stehen. (Zwischenruf: Poung- Plan!) Jeder, der die Dinge kennt, wie sie waren und wie sic sind, der weih, datz es keine Partei in Deutschland gab. die so e r n st und sachlich mit dem Poung - Plan gerungen hat wie wir» keine Partei, die >o frühzeitig aus die Gefahren dieses Weges aufmerk sam machte. Wenn Sie die Wahrheit sagen wolle», wenn Sie Uber die Poung-Krise sprechen, dann dürfen Sie au ch n i cht von d e r D a w e s - K r i s e schweigen. Sie werden sich alle erinnern, wie zurückhaltend, wie skep tisch auch eine ganze Reihe meiner Parteifreunde sich gegenüber den Ategen geüutzert haben, die von der damaligen deutichen Autzenpolitik eingeschlagen wurden. Ich erinnere an Gens im Jahre 1928, wo das bekannte Communique über die Nepara- tionssrage und über die Verbindung der Räumungs- mit der Reparationsfragc, dem Kanzler Müller abgerungen morsen ist. Aber nachdem einmal dieses CommuniguL eine politiiche Tat sache geworden war, blieb Deutschland gar nichts anderes übrig, alsi n die Verhandlungen ein zu treten und zu versuchen, das Veste herauszuholen. Ohne die Sa nierung des Etats war von vornherein die Position Deuvchlands bei diesen Verhandlungen eine autzcrordentlich e«us,e. Hier in diesem Kreise kann ich sagen, datz ich schon damals mit Herrn Dr. Brüning, mit dem ich nicht nur politisch, son dern auch menschlich in aufrichtiger Freundschaft verbuuden bin, eine restlose U e b e r e i n st i m m u u g in der Beurteilung dieses grotzen Problems hatte. Und als sich schlietzlich die Frage erhob: Ist dieses Deutschland überhaupt fähig, ein etwaiges Nein politisch zu realisieren, sind wir leider zu der uns tics bedrückenden Feststellung gekommen, datz sie nicht bejahend beantwortet werden konnte. Aus dieser Not heraus hat schlietzlich das Zentrum dem Poung-Plan seine Zustimmung gegeben. Ans die ser Not heraus haben wir mehr als ein Bedenke,,, das uns innerlich nahe ging, beiseite geschoben und haben »ns das „Ja" abgcrunge». Ich habe eben darauf hiugewiesen, meine lieben Partei freunde, wie schwer es uns wurde, uns mit dem Boung-Plan abzufinden. Ich habe besondere Veranlassung, hier noch eine Feststellung zu treffen: Nach einer Mitteilung, die mir heute morgen telephonisch von Berlin gemacht worden ist, soll die „Deutsche Zeitung" eine» Aussatz des Geheimen Finanzrats Bang enthalten, in dem er die Behauptung erheben soll, das Zentrum habe versucht —, und er bezieht sich dabei auf meine Rede vor dem Reick-sparteivorsland —, sein „Ja" der Ver antwortlichkeit des Herrn Reichspräsidenten zuzuschieben. Ick; habe leider bis jetzt den Artikel nicht gefunden, und das, was ich hier fcststellc, mutz ich deshalb loyalerweise mit allen Reserven tun. Falls tatsächlich Herr Finanzrat Bang diese Feststellung gemacht haben sollte, so habe ich darauf folgendes zu erwidern: Es ist richtig, ich habe in meiner Rede vor dem Neichs- parteivorstand Bezug genommen auf eine Unterredung des Herrn Reichskanzlers Dr. Brüning mit dem Herrn Reich s- präsidenten, und gesagt, datz ii, dieser Unterredung Herr Dr. Brüning, der damals Fraktionsführer der Zentrumspartei im Reichstage »dar. dem Herrn Reichspräsidenten die schwe ren Bedenken der Z e n t r u m s p a r t e i dargeleqt habe unter Hinweis auf das sogenannte Iunctim, nämlich aus unsere Forderung, datz mit der Verabschiedung des Poung- Planes auch die Finanzsaniernng, die Finanzreform in einem durchgeführt werde. Dann hat der Reichspräsident die Erklä rung abgegeben, von der ich auch in der Reichsparteivorstands sitzung sprach, nämlich die Erklärung, das; er von allenMit - teln Gebra„ch machen werde, um die unverzügliche Durchführung der Finanzresorm zu sichern. Ich habe geltend gemacht, das; diese Erklärung des Reichs kanzlers für unsere Entschlietzung von wesentlicher Be deutung war. Daraus will man nun entnehmen, das; ich den abgeschmackten Versuch daraus gemacht hätte, den Herrn Reickspräsidenten als Schirm vor uns zu stellen, wahrscheinlich deshalb, weil uns die Zivilcourage fehlte, unsere» Zentrums- standpunkt gegenüber dem Poung-Plan selbst zu vertreten. Für eine derartige Darstellung fehlt mir jedes V e r st ä n d n > s. Wir haben unser „Ja" gesprochen aus ernsten Erwägungen heraus. Wir haben es gesprochen gegen unser inner stes Gefühl. Aber aus der verständnismätzigen lleber- zeugung heraus, unser Volk werde nicht imstande sein, ei« „Nein" politisch zu realisieren. Es ist ein besonderes Verdienst des jetzigen Kanzlers. datz er diese Zusammenhänye zwischen unseren autzenpoliiischen Aktionen und den innenpol,tischen Reformen mit der Klarheit erkannt, die ihn auszeichnet, und mit der Energie verfolgte, di« eine der besten Eigenschaften seiner Westfalen-Natur ist. So kam es nach dem Sturz des Kabinetts Müller von selbst, datz über kurz oder lang, ohne jedes Zutun von Dr Brüning. auch die j o r m e l l § V e r a n t w o r t u n g in seine Hände glitt. Man mutz Dr Brüning kennen, um zu wissen, wie wenig glaubhast die Behauptung ist. bas; er das Kanzleramt e r st r e b t habe. In diesem Augenblick das Steuer der Regierung zu übernehmen, war wahrhaftig Opfer und nichts als Opser. (Lebhafter Beifall!) Dr. Brüning ist gerufen worden und er folgte. Wenn er sein inneres Widerstreben überwunden hat, daun war es sein Verantwortung;;- und Pflichtgefühl gegenüber seinem Volk und seinem Laude So begann er seine Arbeit. Auch Dr. Brüning ist sich klar darüber, das; manche der Not matznahmen nur 'vorübergehenden Charakiec haben können. Aber in diesem Augenblick, wo das Gesaintgcbäudc der deutschen Staatssinanzcn am Zusaminenbrcchcn war, wo jeder sah, datz wir vor einem Winter mit Belastungen von phantastischem Ausmas; standen, in einem solche» Augenblick die Finnn;sa»ierung deshalb ausschicben wollen, weil der oder jener betroffene Interessentenkreis dagegen aufbegehrtc, das wäre nicht st a a t s in ä n n i s ch e Weisheit, das wäre unverantwortliche Schwäche gewesen. Sic können cs mir glauben: Wir selbst haben ob der Härte mancher dieser Matznahmcn innerlich gezagt. Wir selbst waren »ns klar darüber, datz wir damit teilweise auch auf schwache Schultern schwere Lasten ausbürdeten. Sobald die Rettungs aktion ihr Ziel erreicht hat. wird niemand freudiger und un verzüglicher an die K o r r c k t u r der Dinge gehen als wir, die wir nur ans innerstem Verantwortungsgefühl zu diesen Not- inntznahnic, gegriffen haken. (Bravo, lebhafter Beifall!) Was hat Dr. Brüning getan? Er hat von Vollmachten Gebrauch gemacht, die in 'der Reichsversassung für besondere Notstände vorgesehen sind. Er hat den Notstand festgestellt, und hat aus ihm heraus zu Mitteln gegriffen, die die Neichs- verfassung der Regierung für solche Fälle zur Verfügung stellt. Wenn zwei das gleiche tun, ist es nicht dasselbe. Als Herr Eberl Notverordnungen erlietz, war tiefes Schweigen im sozia listischen Blätterwald. Niemand hat Diktatur darin gesunden. Heute, wo ein Notstand vorlag. der, abgesehen vom Jahre 1923, alles hinter sich lätzt, was wir in den vergangenen Jahren er lebten, wird der Artikel -18 ein Blümchen „Rührmichnichtan". Der schwarze Freitag war für den Parlamentarismus ein grötzeres Attentat als das, das Dr. Brüning mit seiner Not verordnung auf Grund des Artikels 18 vorgcworscn wird. Dieser schwarze Freitag hat auch dem Osten Möglichkeiten zerschlagen, auf die Sie jahrelang gewartet und gehofft, die Si« sehnsüchtig herbeigcrufen haben. Die Leute, die die Patro nage ii b e r d e n Osten als Tradition für sich beanspruchen, sie sind es gewesen, die in jenem Augenblick, wo endlich einmal ein grotzziigigcs Hilfsprogramm sür den Osten bewilligt werden sollte, die Mittel verweigerten, um cs zu reali» sicren. Ich hoise, das; der deutsche Osten die Einsicht besitzt, u«. Licsen Herrschaften die Antwort zu geben, die dieser schwarz» Freitag verdient. Auf der einen Seite die Osthilfc verlangen und aus der anderen Seite die Mittel verweigern, um sie durchzusühren, das ist wahrhaftig ei» Kunststück, um das man die politische Regie dieser Seite nicht zu beneiden braucht. Wenn ich hier durch die schlesischen Lande fahre, wenn ich mir hier sagen lasse, welche Sorgen Sic hier in allen schassen den Bcrussständcn habe», wenn ich mir überlege, in welch ver zweifelter Lage die Landwirtschaft ist infolge der un glücklichen Grcnzlngc, infolge der schwieriegn Verkehrs- und Absatzverhältnijse. wen» man erfährt, wie hier der Mittel stand daniederlicgt, weil die Kaufkraft der Masse schwindet, welche surchtbare Arbeitslosigkeit in Ihrer schönen Stadt herrscht, wo die Arbeitsloscnzisscr eine geradezu kata strophale Höhe erreicht hat, dann versteht man erst die Be deutung der vom Kabinett Brüning geplanten Ofthilse. Dann steht man aber auch sassungslos vor der 'Verbohrtheit derer, die all diese Dinge durch ihre parlamentarische Haltung, soweit cs an ihnen lag, zerschlagen haben. Ein E h a r a k t e r i st i k u m vieles Wahlkampfes ist eine starke, bis dahin nie gekannte Bewegung und Neubildung iiinerlgilb des bürgerliche» politische» Lagers. Ich will über diese Dinge nicht im einzelnen sprechen, weil sie noch in ihrer ersten Entwicklung begriffen sind: Ich sehe in jeder Sammelbewegung eine» Fortschritt gegenüber der heu tigen Zersplitterung. Wir wünschen den Ncugründungeii alles Gute aus ihrem Weg. Wir scheu einen Fortschritt darin, wenn der Zersplitterung ein Halt geboten wird Aber sind nicht alle diese Vorgänge im bürgerlichen Lager eine Apologie sür den Zcntrumsgedanken, durch den die stautspolin >e Einigung ver schiedener Gruppen und Auscl>auungcu, Interessen und Strö mungen längst in einer viel eindrucksvolleren Form verwirk licht wurde, als es diese Ncugriinduugen vermögen. Wir brauchen uns nicht Deutsche Staatspartci zu nennen, wir sind cs längst seit Jahren gewesen. Der Firmenname ist gleichgültig, was entscheidet, ist die Tat und das Opser. Wo könnten wir heute stehen, wenn Entwick lungen dieser Art früher eingesetzt hätten. Ich habe heute in einer Zeitung gelesen, das; ein Hugenberginner, Dr. Schiele, die Zentrumspartei mit de» Sozialisten zusammen zu den „re volutionären Parteien" zählt. Wenn es eine politische Krästegruppc im deutschen Volke gibt, die an dem Kommen des revolutionären Gedankens keine Schuld trägt, dann ist cs die Deutsche Zentrums partei. Und wenn cs eine Gruppe gibt, die sozial und po litisch eine Mingc von Voraussetzungen dafür geschossen hat, datz beim Zusammenbruch des Alten das Neue sich in revolutionärer Form geltend machte, dann sind cs gewisse Patentpatriotcn aus der äutzcrstcn Rechten gewesen. Hätte das alte Regime es verstanden, die Masse» des ar beitenden Volkes zu Vollbiirger» zu machen, sier wirklich am Staat zu interessieren, ich glaube, der gerade und gesunde Sinn der deutschen Arbeiterschaft würde sich nachher nicht so stürmisch das genommen haben, was er heute hat. wenn er gewagt hätte, datz die politische Einsicht und der soziale Sinn der herrschen den Klasse» stark genug war, ihm das zu geben, auf das er An spruch zu haben glaubte. Die Spannungen, die heute zwischen der Arbeiterschaft und zwischen de» Vertretern von rechts be stehen, haben nicht erst in der 'Nachkriegszeit begonnen, zu ihnen ist schon im alten Regime Grund gelegt worden. Wenn man überlegt, wie schwer man sich in einem Augenblick, wo die Sühne des ganzen Volkes an der Front zur Ehre ihres Vater landes geblutet haben, den Entschlutz abrang, ihnen das volle Bürgerrecht und das gleiche Wahlrecht zu konzedieren, dann sieht man, welche Donnerschläge des Schicksals notwendig waren, um
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