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wandtheit und Fingerfertigkeit jenem nicht selten weit überlegen. Tec Taschenspieler ist häufig ein Mann von Welt, elegant gekleidet, mit feinen Manieren ver traut und dabei glatt wie ein Aal, der seinen Häschern noch zu entschlüpfen weiß, wenn sie ihn bereits beim Schopfe zu haben vermeinen. Auch unsere Gegend wird von dieser neuesten Species Derer vom Stamme „Nimm" ganz sicherlich zu den Manövertagen, ganz besonders aber an den beiden Haupttagen, den 15. und 16. Sept., beglückt werden. Darum Vorsicht und nochmals Vorsicht! Vorsicht ist auch hier, wie überall, die Mutter der Weisheit. Hier heißt's einmal nicht: „Die Hand aus's Herz!" sondern: „Die Hand auf der Tasche!" Selbstredend muß auch im Hause die nöthige Vorsicht obwalten und da nach dem alten be kannten Sprichwort auch Gelegenheit Diebe macht, Alles unter sichern: Verschluß sein. — Tie Lieferung des Fleisches für die hier und in der Umgegend während des Cantonnements unter gebrachten Truppen ist den Herren Fleischermeistern Uhlig und Krause, die Lieferung der Materialien den Herren I. C. H. Göhl und H. Nitzsche übertragen worden. — Ueber den dummen Jungen von Meißen schreibt man dem „Sächs. Volksfreund.": „Schon oft, zuletzt gelegentlich des Besuchs des Dresdner Geschichtsvereins in Meißen wurde die Frage wegen des „dummen Jungen zu Meißen" erörtert und besprochen, daß vor Jahren auf der rechten Seite des Hohlweges in einem Gärt chen eine Kinderstatue gestanden, welche einen weinen den Knaben, der eine große Weintraube in der Hand gehalten, dargeslellt und diese zum Gedächtniß an den dummen Jungen aufgestellt worden sei. Die Sage er zählt hierzu, Kurfürst Johann Georg II. sei mit seinem Jagdgefvlge durch den Hohlweg geritten und habe hier bei den heutigen „rothcn Stufen" einen weinenden Knaben, wie er in jcnein Steinbildwerke abconterfeit, angetrosfen, der ihm auf die Frage: Junge, warum greinst Du? geantwortet habe, daß er weine, weil er nicht wisse, wo er die große Weintraube zuerst anbeißen solle. Auch in der Porzellan-Manufactur zu Meißen zeigte man vor Jahren in einem leeren Zimmer eine einzelne Knabenstatue in natürlicher Größe mit bunter Malerei, welche, wenn auf eine bestimmte Dielenstelle gedrückt wurde, die Zunge heraussteckte. Jedenfalls hat dieser Spottname aber ein höheres Alter und scheint in früherer Zeit dem Judenkopfe, einem Helmkleinode des Wappens der meißnischen Landesherren gegolten zu haben. „Das Volk", so berichtet Grüße in seinem Sagenschatze 1. Aufl. S. 56, „welches die Bedeutung des Judengesichts mit der Schellenkappe nicht begriff, legte der Figur jenen Beinamen bei und so entstand aus dem dummen Juden der dumme Junge von Meißen." Vergl. hierzu Schäfer's Sachsenchronik II, S. 171 bis 213, wo darüber ausführlich abgehandelt ist." — Seit der Heranziehung der Lotterieloose zur Neichsstempelsteuer werden bekanntlich die Loose sowohl der preußischen, als der sächsischen, Hamburger und braunschweigischen Staatslotterie vor ihrer Ausgabe an die Loosnehmer mit dem Neichsstempel versehen. In neuester Zeit wird der Reichsstempel vielfach von den un befugten Collecteuren dazu benutzt, dein minder unter richteten Publikum vorzuspiegeln, daß diese mit dem Reichsstempel versehenen Loose nunmehr im ganzen deut schen Reiche unbedenklich debitirt werden dürfen. Es erscheint daher angezcigt, darauf hinzuweisen, daß durch Heranziehung der Lotterieloose aller Partikularstaaten zur Neichsstempelsteuer das Verbot des Spielens in nichtsächsischcn Lotterien in Sachsen in keiner Weise be seitigt oder eingeschränkt worden ist, ebenso gilt dies für Preußen rc. — Die „Kölner Zeitung" wird von ärztlicher Seite um Veröffentlichung nachstehender Warnung gebeten: „Die allgemeine Verbreitung, welche das „Chlorkali" (I^nU clrloricum, chlorsauies Kali, XOIO,) in wässeriger Lösung als Gurgelmittel zur Behandlung aller oberflächlichen, seit einiger Zeit fast stets unter dem Bilde einer leichten sogenannten katarrhalischen Diphtheritis verlaufenden Entzündungen im Halsebei Aerzten und Laien gefunden hat, fordert dringend dazu auf, vor dem Gebrauche dieses Gurgel mittels ohne genaue ärztliche Verordnung zu warnen, zumal dasselbe in jedem beliebigen Quantum vom Apotheker ohne Recept im Handverkäufe abgegeben wird. Das officielle chlorsaure Kali, „Chlorkali", ist nämlich in größeren Gaben ein heftiges Gift; nach einem Stadium der Reizung des Verdauungskanals mit Er brechen und Abführen werden durch dasselbe, wenn eS in die Blutbahn gelangt, die Blutkörperchen ihre Function, dem Organismus den zu seiner Existenz nvthigen Sauerstoff zuzuführen, beraubt und zerstört. Bei dem Gurgeln mit einer concentrirten Lösung kann nur durch unvorsichtige- Verschlucken, wie dies häufig vorkommt, leicht eine solche Menge derselben in den Magen gelangen, daß, wie die Erfahrung lehrt, eine unrettbar tödtliche Vergiftung die Folge ist." Lorenzkirchen, 1. September. Unser weithin bekannter Vieh- und Jahrmarkt hatte sich infolge der Ungunst der Witterung und wahrscheinlich auch in folge der bevorstehenden Manövertage nicht eines gleich zahlreichen Besuchs, wie der früheren Jahre, zu er freuen. Aufgetrieben waren Heuer am Mittwoch 1099 Stück Pferde und Hornvieh. In letzterer Viehgattung wurden ca. 400 Stück, welche für den Markt bestimmt waren, vorher verkauft. Der Geschäftsgang auf dem Markt gestaltete sich in Rindern, die gut bezahlt wur den, zu einem flotten, im Uebrigen zu einem mittel mäßigen. Borna. Die Person, welche als deS Mordver suchs an der Frau Heinker in Zedtlitz verdächtig von der Gendarinerse verhaftet worden ist, ist die circa 40 Jahre alte Rossepsky aus Treuen i. V. DieRossepsky ist eine Landstreicherin. Bei ihr vorgefundene Schuhe sollen als die der Ueberkallenen erkannt worden sein. Herrnhut. Anläßlich der 150jährigen Missions feier hat die Mission reiche Gaben empfangen. Der König von Dänemark übersandte eine Jubelgabe von 500 Kronen; 1000 Kronen gingen außerdem aus Kopenhagen ein und die Collecte an den Kirchenthüren ergab am Festtage 2000 Mk. Während der Feier ging auch ein Gratulations-Telegramm des anglikanischen Erzbischofs von Canterbury ein. Annaberg. Am 1. September begeht die diaman tene Hochzeit ein hochbetagtes hiesiges Ehepaar, der Bürger, Schneidermeister und Amtsgerichtstaxator (seit 27 Jahren) Christian Gottlieb Zschiesche in einem Alter von 87 Jahren, und dessen Ehefrau Regina Amalie Zschiesche, geb. Triebel, im Älter von 81 Jahren. Freiberg. In Kleinwaltersdorf fand vor einigen Tagen ein kleines Mädchen in ihrem Schuh ein Dy- namitzüudhütchen; die Kleine suchte alsbald eine Nadel und bohrte das Zündhütchen, in der Meinung, cs zu reinigen, an. Dabei berührte das Kind jedenfalls den so gefährlichen Zündstoff und alsbald detonirte das Zündhütchen mit aller Gewalt; Hierbeizerrißes das Händ chen der Kleinen auf eine höchst bedauernswerthe Weise. Frauenstein. Am Mittag des 28. August zog ein rasch vorübergehendes Gewitter, verbunden mit kurzem, heftigem Regen, über unsere Stadt. Merkwür diger Weise war dabei die Temperatur eine sehr niedrige (-s- 9" R..) Ein Blitz zerstörte die telegraphische Verbindung zwischen hier und Mulda, sowie Weißen born. Im hiesigen telephonischen Apparat waren die betreffenden Mündungsdrähte sofort geschmolzen und versetzte die elektrische Entladung dem mit Abnahme einer Depesche beschäftigten Beamten einen ganz ge waltigen Schlag, von dem er sich nur erst nach einiger Zeit erholte. Olbernhau. Das Wohnhaus des Gutsbesitzers Oehme wurde am 29. August durch Blitzschlag ent zündet und vollständig einzeäschert, während die Scheune und das Auszugswohnhaus erhalten wurden. Der Besitzer selbst ist betäubt worden, später aber wieder zu sich gekommen. Ausdem Vogtlande. Berichte über die Ernte im obern Vogtland lauten höchst betrübend. Mit jedem Tage schwindet die Hoffnung der Landleute, ihr theils geschnittenes, thcils noch auf dem Halme stehen des Getreide vor dem Verderben retten zu können, immer mehr. Wer glücklich war, hat zwar dem Wetter einige Schock nothdürftiz getrockneter Garben abge lauscht, allein der größte Theil des Winterrozgens, sowie aller Sommerroggen, Gerste und Hafer Uegen oder stehen noch draußen und in welchem Zustand! Auf verschiedenen Felbern ist das aufgepuppte oder liegende Getreide fast schwarz, das noch auf dem Halme stehende völlig niedergepeitscht, auf anderen Fluren fängt es an zu verderben, es wäre noch zu retten, wenn endlich einige warme, regenfreie Tage hinter einander kämen, noch anderes Getreide ist zur Zeit immer noch gut erhalten, fällt aber in kurzer Zeit auch dem Verderben anheim, wenn nicht Besserung des Wetters eintritt. Alles in allem kann man sagen, waren die vor einigen Wochen geführten Klagen viel leicht hie und da etwas übertrieben, heute sind sie leider nur zu gerechtfertigt. Meerane. Eine Schreckenskunde erhielt dieser Tage die Familie deS Vorschußvereinskassirers hier: der jüngste, 24 Jahre alte Sohn, welcher bei einem Ver wandten, einem Schiffsabrechner in Danzig, als Kasst- rer thätig war, ist am Sonnabend Abend im Kontor beim Kafsemachen durch Erstechen ermordet worden. Den jungen Mann trifft nur die Schuld, dabei die Kontorthüre nicht abgeschlossen zu haben, wodurch es dem Mörder allein möglich war, sich unbemerkt einzu schleichen. Die Leich« wurde erst früh gefunden. Der Mörder, als welcher ein vor kurzem aus dem Geschäft entlassener Kontordiener verdächtigt ist, 7000 M- mit sich genommen. Halberstadt. In dem Dorf« Harsleben hat am Sonntag Abend der Arbeiter H. seinen Sohn er schossen. Der Vater ist ein dem Trünke ergebener Mensch und hatte sich während deS ganzen Tage- mit seiner Familie gezankt. Als der erwachsene Sohn, ein im Orte allgemein beliebter Mensch, seinen Vater zum Abendessen auS der Kammer rufen wollte, schoß dieser aus nächster Nähe auf seinen Sohn, so daß derselbe mit zerschmettertem Kopfe niedersank und im Laufe der Nacht verstarb. Die Verhaftung deS Verbrecher-, welcher übrigens während der darauf folgenden Nacht ruhig in seiner Wohnung schlief, ist bereits erfolgt. Wanderfest des Großenhainer Kreis vereins für innere Mission. Die Besprechung bei dem Wanderfeste des Großen hainer Kreisvereins für innere Mission wurde nach dem Gottesdienste im Gasthofe zu Pausitz abgehalten. Auch hier hatten sich im Saale und in den anstoßenden Räumen so viele Theilnehmer eingefunden, daß nicht wenige keine Sitzplätze fanden. In einem Vorzimmer hatte ein Colporteur gute Bücher und Bilder ausge legt und fand manchen Absatz. Im Saale waren auch die 31 Knaben ans dem Rettungshause zum Wein berge bei Riesa, welches unter der Leitung des Kreis vereins steht, aufgestellt. In dieser Anstalt wird der Gesang fleißig geübt. So leitete dieses Chor die Be sprechung mit dein Liede ein: „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren ", und Mädchen aus der zweiten Bürgerschule, welche mit ihrem Lehrer gekommen waren, stimmten mit ein. Pastor Richter ans Leute witz, welcher die Besprechung leitete, wieS zuerst auf das Johanniter-Hospital in Riesa hin und ermunterte, dasselbe häufiger zu benutzen. Er erzählte dabei das Wichtigste von dem Johanniterorden und bemerkte, daß dessen älteste Geschichte noch nicht ganz aufgeklärt sei, weil sie zuerst von solchen niedergeschrieben sei, welche den Orden nicht wohl wollten. Gewöhnlich sinH.man in den Geschichtsbüchern, daß Kaufleute aus AmW in Sicilien 1048 durch kostbare Geschenke von dem da mals herrschenden Kalifen die Erlaubniß erwirkten, in Jerusalem, unweit dem heiligen Grabe, ein Hospital zu erbauen, in welchem dürftige und kranke Christen der lateinischen Kirche mit brüderlicher Liebe ausgenommen und unentgeltlich verpflegt wurden. Als nun am 15. Juli 1099 auf dem ersten Kreuzzuge Gottfried von Bouillon Jerusalem durch Sturm eroberte, da seien auch viele kranke und verwundete Soldaten in diesem Hospitale verpflegt worden. Viele vom deutschen und französischen Adel seien nun durch den Glanz solch' echt christlichen Liebesdienstes bewogen worden, in Jerusalem zu bleiben und sich dem gleichen Dienste zu widmen. Darnach hätte der Jchanniterorden, der allerdings auch den Namen der Hospitaliter führte, sich anfangs nur Kran kenpflege zur Aufgabe gestellt und den Waffendienst erst später in Nachahmung des Templerordens, welcher 1118 gegründet ward, hinzuzefügt. Allein es ist aus Urkun den nachgewiesen, daß die Johanniter schon vor den Tempelherren diesen Waffendienst hatten. Jetzt scheint so viel ermittelt, daß ein französischer oder normännischer Ritter, Namens Gerhard, 1099 auf der Grundlage der Regel des h. Augustin einen Orden mit militärischem Character gründete, welchem die doppelte Verpflichtung oblag, die damals sehr zahlreichen Pilger nach den heiligen Stätten im gelobten Lande mit den Waffen zu schützen und die Kranken iin Hospitale zu pflegen. Dazu baute er ein Hospital oder eine Pilgerherberge mit einer Johannes dem Täufer geweihten Kapelle. Man kann diesen Orden wohl die schönste Blüthe des Ritterthums im Mittelalter nennen. Er pflegte den wahren Adel der Gesinnung. Die Ritter trugen zum Abzeichen über der Rüstung einen schwarzen Mantel mit achtspitzigem Kreuze von weißem Linnen auf der linken Brust. Das Kreuz auf der Brust sollte auf richtiges Christen thum, die weiße Farbe Reinheit im Wandel, das Linnen Einfachheit und Niedrigkeit be deuten. Ihre Devise war: „Ich dien'!" Darum hatten sie auch Johannes den Täufer sich zum Vorbilde ge wählt, der sich aufzehrte in dem Dienste, dem Heilande den Weg zu bereiten. Unser Dichter Schiller hat den Orden verherrlicht in der bekannten Ballade „Der Kampf mit dem Drachen", wo es heißt: Muth zeiget auch der Mameluck, Gehorsam ist des Christen Schmuck: Denn wo der Herr in seiner Gröhe Gewandelt hat in KncchtcSblöhe, Da stifteten ans hrilgem Grund Die Väter .dieses Ordens Bund, Der Pflichten ^schwerste zu erfüllen, Zu bändigen den eignen Willen. Dich hat der eitle Ruhm bewegt.