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7772 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 146, 26. Juni 1912. Schönberg, Hans: Marias Züchtigungen. IVOS. Cöln (Rh.). Privatdruck. Serieux, Armand: Unter strenger Hand. 2 Bde. 1906—07. Leipzig, Leipziger Verlag. Taylor, W.: Auf Hearneshouse. 1903. Dresden, H. R. Dohrn. Landgericht Wiesbaden. Einziehung und Unbrauchbar- machung sämtlicher Werke sowie der zu ihrer Herstellung be stimmten Platten und Formen. 6. I. 1489/11. Glühlichter. Zeitschrift. Wien, Wiener Volksbuchhandlung, Ignaz Brand L Co. Jahrg. 14 (1911), Nr. 23 u. 24. Geschichte der Wiener Revolution. (10 Hefte.) Ebda. Heft Nr. 1 wird eingezogen, und zwar zu 3 nur bezüglich des Artikel überschrieben »An das Militär«. LandgerichtGörlitz.Einziehung undUnbrauchbarmachung aller Exemplare dieser Schriften sowie der zu ihrer Herstellung bestimmten Platten und Formen. 2. I. 194/12. (Deutsches Fahndungsblatt Stück 4036 vom 24. Juni 1912.) Nichtamtlicher Teil» Münchener Briefe. v. »Dult« und Bücherbuden. — Die billigen Bücher und das Sorti ment. — Die Bücherautomaten der Firma Philipp Reclam jun. — »Selbstlosten-Vcrleger«. — Der Zeitschristcntitel »Die Szene«. — Unterschlagungen des Buchhändlers Bartenhauser. — Wiener Prozeß Stern. — Der Buchhandel usw. und »Die Brücke« auf der Bayerischen Gewerbeschau. — Der Bibliothelar- tag in München. — Die Generalversammlung desCentral-Vereins Deutscher Buch- und Zeitschriftenhändler- — Der Pressetag. — Die Fremdensaison. — Wissenschaftliche Kurse und Vorträge. — »Münchener Bilderbogen« von Felix Philipp!. Wissen Sie, was eine »Dult« ist? Ein Jahrmarkt! Ja. das stimmt und stimmt doch wieder nicht. Denn unter so einem Jahrmarkt stellt man sich eine Reihe von Schau- und Verkaufsbuden, von Karussells und Heringsbratereien und Gott weiß welche Lustbarkeiten vor, die das Kindergemüt von Kleinen und Großen erfreuen können. Eine Dult, eine Mün chener Dult, aber ist noch etwas ganz anderes. Eine Dult ist der glückliche Weidegrund für alle Gelegenheitskäufer, diebeim Durchschreiten der in bezwingender Anzahl aufgestellten Tand lerkrämer sonderbarerweise allerlei Bedürfnisse entdecken, die sic hier auf, ach, so billige Weise stillen können. Eine Dult ist das Eldorado aller Kuriositätenschnttffler, vom Pfeifensamm- lcr bis zum Kenner alter geschnitzter Madonnen. Eine Dult ist endlich eine sehnlichst erwarte Fundgrube für alle Freunde von alten Drucken und seltenen Büchern, in der schon manch mal eine Erstausgabe von dem und jenem Romantiker für- einige Pfennige erworben werden konnte. Aber, das war einmal — solche Funde werden immer seltener, denn die »Tandler«, die mit Büchern handeln, sind immer klüger ge worden und nennen sich jetzt stolz »Antiquare«, und seitdem sic ihren eigentlichen Beruf entdeckt haben, sind die literari schen Entdeckungen billiger Art immer rarer geworden, ge rade als ob ein geheimer Zusammenhang vorhanden wäre. Aber der Ruf ist geblieben, daß man auf der Dult gute, schöne, seltene Bücher billig erwerben kann. So ein Ruf als billiger Jakob ist nun aber etwas wert, und so hat denn auch der ganz gut entwickelte Geschäftssinn der Vereine gegen Schundliteratur selbst diese so günstige Ge legenheit benutzt und mitten unter die Antiquare und Tandler der Auer Dult eine Bude hineingepflanzt »mit den besten billigsten Büchern der Unterhaltungsliteratur, von denen die meisten nur lg bis 20 H kosten«. Ein biß chen dünn nur sind die angepriescnen »Bücher«, so daß wohl gar mancher enttäuscht ist, der hier und da wirklich ein dickes Buch'" von den dortigen Trödlern erstanden hat, die ihre Literatur oft pfundweise verkaufen. Das macht aber nichts. Allmählich dringt die gute billige Literatur doch ins Volk hinein. Heute durch Auer Dultbnden, um Weihnachten dann durch andere Verkaufsstellen, wie etwa Milchkioske usw. Und der Sortimenter? Ach, er hilft ja gern mit, nur wird ihm »bei diesem kritischen Bestreben, gar oft um Herz und Busen bang«. Hat er früher mit einem gewissen Stolz auf seine billigen Bibliotheken (Reclam, Meyer, Engel horn usw.) hingewiesen, so gesteht er heute, mit einem Seuf zer, daß er sich die Masse der billigen Sammlungen fast nicht einmal mehr merken könne. Und dieser Tendenz der Ver billigung seiner Ware steht nur leider die ganz entgegen gesetzte der Verteuerung aller Lebensmittel, der Erhöhung aller Spesen entgegen. Wird nun aber das Publikum immer mehr und mehr an die billigen Ausgaben gewöhnt, wer soll denn dann die teueren kaufen? Es ist ganz unmöglich, daß jeder Sortimenter seinen Umsatz um das Zweifache, Dreifache steigern kann, wie es doch diese Flut der Volksausgaben ver langen würde. Das Sortiment, vor allem aber der Bahn hofsbuchhandel, kann heute schon einen Rückgang des Ab satzes an 3 und 5 Mark-Bänden konstatieren. Wird ihm nun noch durch solche außerordentliche Kaufgelegenheiten der Ab satz an Unterhaltungsliteratur verringert und durch alle die vielen anderen Bücher-Abgabestellen, wie Automaten usw., das geistige Band mit dem Publikum gelockert, dann ade, du liebes deutsches Sortiment. »Wenn der Purpur fällt, muß auch der Herzog nach.« Der Verlag, der durch die billigen Ausgaben, durch Broschüren und Hefte zum Buch erziehen will, wird merken, daß kein Experiment überspannt werden darf. Der eben erwähnte Verkauf durch Automaten wird nun auch in München cingeführt, indem die Firma Phi lipp Reclam jun. vorerst log Apparate für ihre Universal- bibliothck hier aufstellt. Die Erwägung, daß ein Verein viel eher die Bewilligung für die Aufstellung an öffentlichen Plätzen und in städtischen oder staatlichen Gebäuden erhält, als eine einzelne Firma, hat den Verein der Münchener Buch händler bestimmt, die Angelegenheit in die Hand zu nehmen. Er hat für dieses Unternehmen gewissermaßen eine G. m. b. H. gebildet, indem jedes Mitglied an so viel Apparaten parti zipiert, als es gezeichnet hat. Durch diesen klugen Ausweg werden einerseits Pachttreibereien, andererseits aber auch die sonst unvermeidlichen Zwistigkeiten unter den hiesigen Kollegen verhindert. So begrüßenswert nun diese geradezu ideale Verkaufsweise auch ist, sie läßt doch eine Befürchtung entstehen. Solange nur Automaten mit Reclams Universal bibliothek aufgestellt sind, ist anzunehmen, daß einzelne Käu fer durch die, im Verhältnis zu den 5300 Nummern der gan zen Sammlung geringe Auswahl von 80 Bändchen zu wei teren Käufen verführt werden. Wenn nun zudem noch jeder Nummer während der Frcmdensaison Reklameblättchen über Münchencr Literatur, Ausflugsbllcher usw. bcigelegt werden, wenn vor Weihnachten auf das Buch als bestes Geschenk werk aufmerksam gemacht wird, dann bilden diese Apparate ein ganz hervorragendes Mittel zur Erziehung neuer Bücher freunde. 'sSind nun aber erst einmal Apparate für alle mög lichen Sammlungen (Ullstein, Hillger u. a.) ausgestellt, dann