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12, 17. Januar 1916. Redaktioneller Teil. weil sie Esperanw nicht verstehen, weil aber unsere Hauptweltbewer- bcr iw Handel dem Weltsprachcn-Gedanken zuliebe das Sprachen- Studium mehr als je vernachlässigen, gerade auf die sprachenkundigen Deutschen angewiesen sein. So wird sich, wenn wir einig und ziel- bewußt handeln, Esperanto als eine stumpfe Waffe gegen uns und als ein zweischneidiges Schwert in der Hand unserer Feinde erweisen. Ich habe in meiner Stellung Gelegenheit, zu beobachten (mehrere Verleger türkischer Lehrbücher werden es bestätigen), mit welchem Feuereifer Hunderte junger deutscher Kaufleute sich z. B. auf das Studium der schwierigen türkischen Sprache geworfen haben. Wir können die zuversichtliche Gewißheit hegen, daß es uns nie an sprachen kundigen Kaufleuten fehlen wird. Damit bleibt uns die Überlegen heit über englischen und französischen Wettbewerb gewährleistet. Esperanto soll aber nach dem Willen unserer Feinde nicht nur den deutschen Handel, sondern auch die deutsche Sprache schädigen, weil die Sprache ein gewaltiges wirtschaftliches und politisches Macht mittel ist. Es ist Aussicht vorhanden, daß die deutsche Sprache große Gebiete neu erobert. Unsere Feldgrauen schreiben aus Flandern, daß dort die deutsche Sprache bereits große Eroberungen gemacht habe. Man kann mit der Wahrscheinlichkeit rechnen, daß die Oberschicht des 5 Millionen Seelen umfassenden flämischen Volkes nach und nach für die deutsche Sprache - und damit auch für die deutsche Literatur und den deutschen Buchhandel gewonnen wird. Aus Österreich kommt die freudige Botschaft, daß dort alle die, die vor einigen Jahren nicht wußten, welcher der vielen Nationen sie angchören sollten, sich heute mit Vorliebe als Deutsche bekennen, daß besonders in Ungarn fleißig Deutsch gelernt wird, daß die deutsche Sprache als Vermittlersprache ihre Auferstehung gefeiert hat. Wohlverstanden: als Vermittler-, als Hilfssprache, was doch nach Ansicht der Weltsprachler Esperanto oder Ido sein soll! In Bulgarien, in der Türkei lernt man Deutsch. Überall befindet sich unsere Sprache auf dem Vormarsch. Die kindischen Maßnahmen unserer Feinde, die innerhalb ihres Machtbereiches den Gebrauch der deutschen Sprache mit Gefängnis bestrafen, werden diesen Vormarsch nicht hindern, zumal sich diese Maßnahmen in Rußland bereits als verfehlt und undurchführbar erwiesen haben. Wir selber würden ihn aber hindern, wenn wir die Anwendung der deutschen Sprache als Weltsprache dadurch unterbänden, daß wir selber die Hand zur Ein führung des Esperanto oder einer anderen künstlichen Hilfssprache böten. Niemand ist aber so sehr an der Ausweitung des deutschen Sprach gebietes, niemand so sehr an der Einführung der deutschen Sprache als Hilfssprache interessiert wie der deutsche Buchhandel. Sein Absatzgebiet ist das Gebiet der deutschen Sprache. Aufnahmefähig für deutsche Bücher werden besonders auch die ge bildeten Kreise fremder Völker sein, die durch die Vertrautheit mit der deutschen Sprache auch Fühlung mit der deutschen Literatur bekom men. Die Förderung der deutschen Sprache ist für den Buchhandel ebenso natürlich wie die Bekämpfung aller Bestrebungen, die die Verbreitung unmittelbar oder mittelbar hindern, also auch des Welt- sprachcngedankens. Herr H. «I. hofft in seinem Aufsatz, daß besonders wissenschaft liche Werke nach Einführung einer Hilfssprache in diese übersetzt werden würden. Das ist allerdings anzunehmen. Wenn Herr 8. seinen Gedanken aber zu Ende gedacht haben würde, so hätte sich seine Hoffnung in eine Befürchtung verwandelt. Welchen Zweck hätte es wohl noch, ein wissenschaftliches Buch in deutscher Sprache er scheinen zu lassen, wenn alle gelehrten Zunftgenossen Esperanto ver ständen? Man würde alle wissenschaftlichen Werke kurzerhand nur in der Hilfssprache erscheinen lassen. Wir hätten dann in einem Menschenaltcr die unselige Trennung des Volkes in Gelehrte und Laien wieder, wie sie vor Jahrhunderten unter der Lateinherrschaft bestand und nach langer Mühe schließlich überwunden wurde. — Und die wissenschaftlichen Werke würden wahrscheinlich nicht einmal in D e u t sch l a n d erscheinen. Zahlreiche Gelehrte würden wahr scheinlich cs für viel vornehmer und angemessener halten, wenn ihre Werke in London, Paris oder Tokio auf den Markt gebracht würden. Die Völker würden sich, heißt es, in ihrer Eigenart gegenseitig besser verstehen und würdigen, wenn sie sich durch eine Hilfssprache verständigen könnten. Herr 8. «1. sieht in dem Fehlen einer Hilfs- sprachc eine Ursache des gegenwärtigen Weltkrieges. Andere Esperan tisten drücken sich noch deutlicher aus. In einer offiziellen Druckschrift der deutschen Esperantisten steht der Satz: »Die Weltsprache ist der Friede«. Tatsächlich sind die Esperantisten und Pazifisten aus dem gleichen Holze geschnitten. Es zeigt sich das auch darin, daß die Esperantisten jetzt während des uns aufgenötigten Krieges die Be geisterung und Opfermilligkeit des deutschen Volkes durch die um fassendste Verbreitung der Suttnerschen Schrift 7» Die Waffen nieder« zu erhöhen bestrebt sind. Man verschickt Empfehlungen dieses Buches sogar an unsere Soldaten ins Feld. In Wirklich keit würde durch die Einführung einer Hilfssprache die gegenseitige Verständigung und Würdigung der Völker keineswegs gefördert wer den. Wer in die Seele eines Volkes eindringen will, der muß seine Sprache lernen. Denn »des Volkes Seele liegt in seiner Sprache« (Dahn). Wer den Weg zu Goethe, zu Schiller, zu Hebbel, zu Schopen hauer, zu Nietzsche suchen will, der ist auf die deutsche Sprache ange wiesen. Nur die im Laufe der Jahrtausende gewachsene National sprache bahnt den Weg zu den tiefsten Schätzen eines Volkes. Es ist vielleicht übertrieben, wenn Oscar Schmitz meint, Esperanto eigne sich nur zur notwendigen Verständigung über die niederen An gelegenheiten des Fraßes, es gleiche einer romanischen Sprache, mit der drei Negergeschlechter gehaust hätten. Jedenfalls aber ist es nicht geeignet, die Seele eines tiefer veranlagten Volkes bloßzulegen. Heute verstehen wir die französischen und englischen Gcdanken- gänge einigermaßen, weil Hunderttausende Deutsche erhebliche franzö sische und englische Sprachkenntnisse haben, weil Tausende Deutsche in der französischen und englischen Literatur zuhause sind. Uns ist die englische und französische Seele nicht verschlossen. Wie besitzen die Schlüssel in der französischen und englischen Sprache. Versiegelte Bücher würden die Fremdvölker für uns werden, wenn wir anstatt der Nationalsprachen eine künstliche Vermittlersprache benutzen woll ten. Die Einführung einer künstlichen Hilfssprache müßte somit die Völker einander entfremden. Daß das Weltsprachen-Problem nicht zur Ruhe kommen will, ja, daß auch noch während des Krieges eine neue Hilfssprache auf dem Plane erschienen ist, hat nicht viel zu besagen. Der Stein der Weisen hat seinerzeit auch viele Köpfe beschäftigt. Es hat immer Sackgassen gegeben, in denen der menschliche Geist sich verfangen hat, und solche Sackgassen werden sich immer wieder neu auftun. Zeitkrankheiten müssen überwunden werden. Hamburg. A. Zimmermann i/Hause Deutschnationale Buchhandlung. Kleine Mitteilungen. Beurlaubung von Hecrespflichtigen für Inventur-, Jahresbilanz- und Stencrarbeiten. — Für die Arbeiten zum Jahresabschluß bedeutet das Fehlen der männlichen Angestellten, die jetzt Heeresdienst leisten, in den Handelskreisen eine große Verlegenheit. Tie rechtzeitig heran gezogenen Ersatzkräftc vermögen die langjährigen Erfahrungen jener geschulten Kräfte nicht zu ersetzen und einen richtigen Abschluß, eine gute Inventur nicht mit der Sicherheit und Gewandtheit durchzuführen, wie sie für ein jedes Unternehmen durchaus notwendig sind. Auch für die Steuerveranlagungen sind die Geschäfte auf ihre alten, zuver lässigen Arbeitskräfte angewiesen. Von diesen Erwägungen geleitet, haben die Aeltesten der Kaufmannschaft von Berlin an das Ober kommando in den Marken, an das Generalkommando des 3. Armee korps und an das Gardekorps in einer Eingabe die Bitte gerichtet, bei den zuständigen Behörden dahin wirken zu wollen, daß für die Dauer der Inventur-, Bilanz- und Steuerarbeiten Anträge von Un ternehmern auf Beurlaubung ihrer als unersetzlich und notwendig be- zeichncten Angestellten im weitesten Maße berücksichtigt werden, voraus gesetzt natürlich, daß hierdurch das militärische Interesse in keinem we sentlichen Punkte beeinträchtigt wird. sk. Strafbare Kurpfuscher-Reklame in Tageszeitungen. Urteil des Reichsgerichts vom 28. Dezember 1915. (Nachdruck verboten.) Gegen die unlautere Reklame gewisser »Kurpfuscher«, die früher mit gesetzlichen Mitteln kaum zu bekämpfen war, sind unter der Geltung des Kriegszustandes die militärischen Befehlshaber auf Grund ihrer außerordentlichen Befugnisse kräftig eingeschritten. So hat das Ober kommando in den Marken am 23. November 1914 im Interesse der öffentlichen Sicherheit eine Bekanntmachung erlassen, wonach es den Zeitungen verboten war, von nicht ärztlich approbierten Personen Inserate aufzunchmcn, die eine Anpreisung der Behandlung von Ge schlechtskrankheiten enthalten. Um die Preistreiberei mit dem Hecres- bedarf zu verhindern und mancherlei unsaubere Elemente aus dem Heereslieferungsgeschäft auszuschalten, hat ferner das Oberkommando am 15. Februar 1915 den Zeitungen verboten, in ihrem Inseraten teil Angebote, Kaufgesuche, Vermittelungsanerbicten über Gegenstände des Hceresbedarfs lediglich unter Angabe einer »Chriffre«, also ohne volle Namensnennung, zu veröffentlichen. Wegen Übertretung dieser beiden militärischen Verbote wurde vom Landgericht Berlin I am 2. August 1915 gemäß 8 9 d des Belagerungszustandsgesetzes der verantwortliche Jnseratenredakteur einer Berliner Tageszeitung, Alfred Pieniak, zu zwei Tagen Gefängnis verurteilt. Der Angeklagte ver öffentlichte in seinem Blatte an mehreren Tagen im Dezember 1914 Inserate des nichtapprobierten Heilkundigen Löser in der Brupnen- straße, worin dieser sich zur Behandlung von Geschlechts- und Harn- 55