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Dienstag. 23. November 1888. ISS Königliche Amtshauptmannschaft Plauen, den 15. November 1858. vr. Brau«. wöchentlich dreimal, und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabend». Jährlicher Abonnement-preiS, auch bet V^ehung durch e Post, 1 r hlr. 10 Ngr. — Annoncen, die bis Mittags 12 Uhr eingehen, werden in die Lag» darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später eingehende Annoncen stnden in der nächstfolgenden Nummer Ausnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die ^gespaltene LorpuS-Zeite berechnet. , Amtshauptmannsckaftüche Verfüguna. »» ,r Komgltchen Genchtsamter, sowie die Stadträthe des Bezirks der unterzeichneten Amtshauptmannschaft werden hiermit auf Grund de» Straßenbaumandat» vo» 6 autgesordert, die »n ihren Verwaltungsbezirken befinolichen Gemeinden innerhalb deren Fluren, beziehentlich die Besitzer von Grundstücken, welche nach der vanvgemetndeordnung tz. 20 als exemte zu betrachten, soweit diese Grundstücke anarenzen zum Auswerfen d,S Schnee's aus den öffentlichen Wegen und solchen Straßen, die nicht ^archeen gehören, ungesäumt, sofern dies noch nicht geschehen sein sollte, anzubalten und die Herstellung der Winterbahn, sowie die Absteckung der Wege und Straß«» gevuhrend zu veranstalten. ' ° ' - für die Genchtsamter und Stadträthe zu Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff Reunundsechszigfle^Jahrgang. Verantwortliche Redaktion, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Rundschau. „Veränderlichkeit ist das Loos aller menschlichen Dinge." v. Manteuffel, k. pr. StaatSminister a. D. Heutigen Tages malt der Mensch mit Sonnenstrahlen, reist mit Dampf und spricht mit Blitzen. Jft's da ein Wunder, daß überhaupt Alles rasch geht, rascher als sonst, noch veränderlicher als sonst in der Natur und im politischen Leben? Am 28. Octbr. d. I. noch 18« Reaumur Wärme, zu Martini 15" R. Kälte. Innerhalb kurzer vierzehn Tage blühende Centi- folien in den Gärten, die schönsten Eislandschasten an den Fenstern und Schnee in solchen Massen, wie kaum 1829, da man Schlitten fuhr vom Anfänge Novembers bis in den April 1830 hinein! Am 5. Novbr. in Preußen noch ein Ministerium Manteuffel, am 6. ein ditto Hohenzollern- Sigmaringcn. Wie wahr, wenn auch sehr, sehr alt ist Manteuffels weiser AuSspruch! Wie viel ist durch solche reißend schnelle „Veränderlichkeit" „draußen geblieben," „in's Stocken gerathen," „zu Schanden geworden!" Da röstet so manches Schock Flachs noch unter dem tiefen Schnee; da sehnt sich so mancher Scheffel ausgestürzter und erfrorener Kartoffeln nach der fuselver wandelnden Branntweinblase, und waS noch viel, viel schlimmer ist, man ches Hundert Scheffel unserer Knollenfrucht harrt noch in den Beeten deS schützenden Kellers, Kraut und Rüben gar nicht gerechnet. Die Gebäude dec Plauenschen Ictien-VereinSbrauerei wären auch beinahe fertig ge worden! Am Ende muß sogar die in der Umkehr begriffene Wissenschaft wieder umkehren'. Zn unserem electro-magnetisch-photographischen Dampf- zeitalter ist kein Verlaß mehr. O weiser v. Manteuffet, Dein Ausspruch ist sehr, sehr wahr, wenn auch sehr, sehr alt; älter, als alle jemals dage wesenen und urplötzlich entlassenen Ministerien! ES ist der November an sich ein unsicherer, der Veränderung, dem plötzlichen Wechsel geneigter Monat. Jeden Tag, jede Stunde fürchtet man den Verlust des Herbstes und den Einbruch deS WintcrS. Aber so jäh, so überstürzend plötzlich, so giftig und dabei so dauernd grimmig hatte wohl schwerlich Jemand deS WinterS Einzug erwartet. Auch daS Mini sterium Manteuffel nicht. Man sagt, eS habe sich bis zum Augenblicke der Verabschiedung möglich zu erhalten gesucht; cS habe nicht leben sol len, nicht leben können, aber auch nicht sterben wollen, schließlich aber sterben müssen. Wie dem sei, eS mußte auS Erfahrung wissen, daß dem Novemberwetter nicht zu trauen und Veränderlichkeit daS LooS aller irdischen Dinge sei. Gerade vor 10 Jahren, am 8. Novbr. 1848, wurde der Revolution in Berlin daS Genick gebrochen, daS Ministerium Brandenburg-Manteuffel trat ein; „Brandenburg," (der Graf) sagte damals der geistreiche König Friedrich Wilhelm IV, „in der Nationalversammlung, und die Nationalversammlung in Brandenburg" (der Stadt). Im Nov. 1850 mobilisirte Radowitz für die Union mit einem Kostenaufwande von 11^ Mill. Tklrn., Manteuffel demobilisirte und ging nach Olmütz, d. h. er gab Kurhessen, Holstein, die Union und die Volksvertretung am Bunde auf. „Der Starke weicht einen Schritt zurück.". Und am 8. Nov. 1858 reiste der Minister a. D. v. Manteuffel auf seine Güter. „Veränderlich keit ist daS Loos aller irdischen Dinge!" Wenn sonst und unter andern Umständen Ministerien in oder außer Deutschland ganz oder theilweise wechseln, kräht kein Hahn darnach. DaS Bedürfniß wesentlicher AenderuM gen in den Regicrungsgrundsätzen, im Gange der StaatSmaschine ist selten so groß, daß das Maß der Erwartungen bei einem Wechsel überliefe; aber wir erinnern uns keines Ministeriums, das sich so außerordentlich geringer Zuneigung zu rühmen gehabt hätte und dessen Abgang mit so allseitiger Freude in und außer Preußen begrüßt worden wäre, als daS Ministerium Manteuffel-Westphalen-Raumer. Bei seinem Lebzeiten freilich dursten die preuß. Zeitungen sich nicht mucksen; das Schwert deS DamokleS — die ConcessionSentziehung — hing an einem Pferdehaare über ihren Häuptern; aber.jetzt nach seinem Tode ist daS Sündenregister, das man ihm vor- und nachwirft, wahrhaft endlos. Durch kleinliche Eifersüchtelei gegen Oesterreich und unbedingtes Hinneigen zu Rußland habe eS daS Zusammengehen Deutschlands und somit dessen Geltung nach Außen gehin dert, durch ein ewiges Schwanken zwischen Wollen und Nachgeben Preußen um die Achtung der andern Völker und Staaten gebracht, so daß fein jedesmaliges anfänglich stolzes Auftreten schließlich eben so oft mit einem „Olmütz," d. h. mit einem schimpflichen Nachgeben sich geendigt. Im Innerer habe eine „kleine, aber mächtige Partei," d. h. die großen Grund besitzer, durch dieses Ministerium geherrscht, die Wahlen zum Landtage ge fälscht, die Presse gcknöchelt und geknebelt, Polizei an die Stelle des Ge setzes gesetzt, die Union, d. h. die Vereungung der Lutheraner und Refor- mrrten, dle der vorige König bewirkt und der jetzige König ausrecht zu erhalten gewünscht, zu lockern und allmählig zu lösen versucht rc. rc. Dafür ist jetzt über den Sturz dieses Ministeriums großer Jubel in Preußen, und bei dem zweifellosen Einflüsse, den Preußens Machtstellung auch außerhalb übt, fast in ganz Deutschland. Aber manchmal freut man sich, Jemanden loSgeworden zu sein, und ein Aergerer kommt nach. Weil aber die Nachfolger deS entlassenen preuß. Ministeriums nicht nur neue Männer sind, sondern auch alt-erprobt in ihren Grundsätzen, edle, feste, Willensstärke, von ganz Preußen und Deutschland und weit darüber hinaus hochgeachtete Männer, die ihr Regiment bereits mit einem thatsächlichcn Festhalten an Gesetz und Verfassung begonnen haben, so ist der Jubel noch größer. Und als ob daS Ausland es gerochen habe, daß Manteuffels Nachfolger im Zurückweichcn nicht so stark sind, wie dieser eS war, und daß bei "der Veränderlichkeir aller menschlichen Dinge nunmehr Deutschland