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VlnMndMcr Anztiger. ^iebenulwsl'chszigster Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen 18. November 1856 ISS Dienstag Dieses Blitt erscheint »öchtutlich dreimal, und zwar Dienstag«, Donnerstag« ui d Sonnabend-. ZabrUcher Ab-vnem .inaedcnde Annoncrn die P»st, 1 Lhlr. IO Ngr. — Annoncen, die bis Mittag« l2 ttbr eingehcn, werden in kit Ta.-« darauf erscheinende Nummer ausgenommen, jp g finden in der nächstsolgenden Nummer Ausnahme. — Inserate werden mit t Ngr. für die gespaltene Horpus-Zel e erechne. Die gegenwärtige Geldkrisis in Frankreich und im Verkehr. Sollte Jemand meinen, dle gegenwärtige empfindliche GeldkrisiS in Frankreich gehe unS in Deutschland nichts an und sei lediglich Sache der Franzosen, so ist dagegen zu bemerken, daß die Staaten nnd Völker En- ropa'ö in ihren Verkehrs- und Handelsbeziehungen in unserer Zeit so enge, so solidarisch verbunden sind, daß eine Krise oder entscheidende Wen dung zum Schlimmeren oder Besseren in einem Lande mehr oder weniger die Geldverhältnisse der übrigen europäischen Lander berührt. ES kann daher nicht gleichgiltig sein, zu wissen, wie eS in Geldsachen jetzt in Frankreich auSsieht, abgesehen davon, daß diese auf die politischen Zustände starken Einfluß üben. Die Bank von Frankreich, welche dem französischen Handel zu Hilfe kommen soll, sitzt in der Klemme. Dte zahllosen Wechsel, welche sie ver silbern mußte, haben ihren Baarvorrath so weit vermindert, daß daS Ver haltniß desselben zu den Ba»,knoten nicht mehr wie I zu 3 steht. Viele unserer deutschen Banken mögen in den besten Zeilen nicht den dritten Theil ihrer Noten in Silber und Gold vorrätlug haben, in Frankreich aber hielt man dieß stets für nothwcndig, um den Eredit der Bank vor, Frankreich aufrecht zu erhalten. Um den Abfluß dcs baaren Geldes zu vermindern, beschloß nnn die Bank, die Verfallzeit der zu versilbernden Wechsel auf 90 Tage hinauSzuschieben und die Vorschüsse auf gute Staats- papiere und Aktien auf zwei und resp. ein Funstheil ihres WertheS zu beschranken. Nun konnten Kanflente und Fabrikanten ihre zweimonatlichen Wechsel rc. nicht mehr verwerthen und mußten ihre Actien und Slaats- papiere verkaufen, um Geld zu schaffen. Natürlich fielen nun letztere be deutend im Werthe. Vor einen» Jahre, wahrend der morgenländische Krieg ausö Furchtbarste wüthete, standen die 3procentigen StaatSpapicre 75, jetzt 66! Die Aktien deö Eredit-Mobllier standen voriges Jahr 1682, jetzt 1235! Nun suchte sich die Bank von Frankreich durch Goldcinkäufe in England zu Helsen; aber diese kamen theuer und brachten Verluste, wo durch der schlimme Eindruck noch vergrößert wurde. ES befürchten Sach kundige, die Bank von Frankreich werde am Ende ihre Baarzahlungen einstetlen müssen, wenn die Krisis forldauere. Selbst größere Häuser, meint man, würden am Ende ihre Zahlungen cinstcUen müssen, und größere Unternehmungen müssen schon jetzt eingestellt werden, da eö an Geld fehlt. So mußte ;. B. die große Ostbahngesellschaft den Bau der Mühlhauseuer Bahn einstellen. Weil man nnn auS England die edlen Metalle massenweise-bezog, so daß z. B. der Gelbvorrath der englischen Bank in einer Woche um die ungeheure Summe von einer Million Pfund Sterling abnahm, erhöbete man dort unerhörter Weise innerhalb fünf Tagen den Zinsfuß um 1 */z rcsv. 21/2 °/o, was seil dem UuglückSjahre 1847 nicht dagewcsen ist. Da durch wurde daS Geldbeziehcn auö England für die französische Bank noch theurcr, ja fast unmöglich. Nun Hal kürzlich der französische Finanzminister in Form eines Be richts all den Kaiser seine oder der Regierung Meinung über diesen Stand der Dinge im „Moniteur" abgegeben, um die Leute zu beruhigen und zu zeigen, daß keine Gefahr vorhanden, solche Störung deö gewöhnlichen, regelmäßigen Verhältnisses in Geld- und Credilwesen öfters schon dage- wcsen und glücklich vorübergegangen sei. Der Krieg, die Cholera, die Ueberschwemmungeu, die verlängerte Theucrung wären nickst im Stande gcweftn, das durch den Kaiser eingeflößte Vertrauen zu erschüttern, die Sicherheit und Ordnung sei nie vollkommener gewesen, die Staatseiunahme nie ra cher gestiegen, die nationale Thätigkelt nie entwickelter gewesen, un Geqenthcil sei daS Neber maß des Vertrauens Schuld an den^ Verlegen heiten, und die Regierung habe den allgemeinen Elfer, die Spekulation zügeln, zurückhalten müssen. Die letzte Behauptnng aber ist nur theilweise gegründet; wäre sie eS vollständig, so würde die Krise gar nicht, oder doch nicht in so hohem Grade eingetreten sein. Die Regierung hat weder die Ungeheuern Spccn- lationen deS Crcdit-Mobilier, noch die Speculationen in ausländischen Bahnen gehindert. Der Crcdit-Mobilier kauft StaatSpapicre, deren Cours muthmaßlich steigen wird, er befördert die Gründung neuer Aktiengesell schaften , um die Acticu derselben sobald a!S möglich mit Geivinn wieder zu verkaufen, ohne sich Weiler un» daS Schicksal der Aktiengesellschaft zu kümmern, die er mit ins Leben gerufen hat. Auf diese Weise macht er gute Dividenden, seine Geschäfte aber sind weder gemeinnützig noch sicher genug, um daS allgemeine Vertrauen zu erwecken. Und eben diese unge heure Ausdehnung aller Unternehmungen, zu denen riesige Massen von Geld gehören, trägt die Hauptschuld der gegenwärtigen KrisiS. Wir in Deutschland würden noch stärker davon betroffen worden, daS Silber würde bei unö beträchtlicher im Preise gestiegen sein, hätte nich die Vermehrung dcS Papiergeldes, welches bei unS in» Jnlaude noch vollen Credit genießt, und die Goldvermehrung daS Silber entbehrlicher gemacht. Doch ist auch bei unS die Abnahme deö Silbers, die Ausfuhr und daS Einschmelzen desselben in Hamburg rc. fühlbar und Gegenstand der Regie rungsmaßregeln gewesen. AuS England und Frankreich aber sind nament lich nach China für Thee und Seide, deren Verbrauch fortwährend zunimmt, ungeheure Summen in Silber gegangen, da die Chinesen nur Silber (Piaster, Dollars oder Barren) nehmen. In den ersten neun Monaten dieses Jahres sind auS England nach Cbina 8^4 Millionen Pfund Ster ling Silber verschifft worden. Und doch werden aus der ganzen Erde jährlich nicht mehr alö 100 Millionen Gulden (einige 50 Mill. Thaler) Silber auSgcbeutet! Was Wunder, daß eS in jenen Ländern fehlt, die Banken mit dem Auswechseln ihrer Noten in Verlegenheit kommen, zumal wenu sie für ungeheure gewerbliche Unternehmungen noch obendrein fort während Geld schaffen sollen! Außer dem Papiergelde in Deutschland hat sich aber auch das Gold in mehreren Ländern stark vermehrt, und weil es etwas wohlfeiler gewor den ist, als die gesetzliche Wähnmg beträgt, zahlt mau häufiger damit. So ist auch in Frankreich die Goldmenge gewachsen. Aber ganz kann daS Gold das «ilber nicht ersetzen, »veil kleine Münzen nothweudig von Silber sein müssen. Dollars und Fünsfrankstucke oder Thaler von Gold find schon nicht mehr zweckmäßig. Wächst daher auch der Verkehr in Gold in den Ländern, die Goldwährung haben, so können diese doch starken Lilberumlauf immcr^nicht entbehren, und das Silber zieht sich immer mehr iu die Länder, wo Silberwährnug herrscht. Man hat, um das AuSwandern des Silbers aus Deutschland zu hin dern, vorgcschlagen, die Goldwährung bei unö cinzuführen. Allein eS hat diest noch andere Bedenken. Silber wird viel regelmäßiger erzeugt durch den geregelten Bergban und ist keinen großen Veränderungen auSgcsetzt; werden aber reiche Goldsandlager gefunden, so tritt eine plötzliche Ucber- fluthttng ein und das Gold fällt stark im Preise. ES scheint uns daher, dap die Wwiicr Munzconferenz die Sache am richtigsten dadurch gefaßt hat, daß die VeretnSgoldmnnzcn alle sechs Monate eine bestimmte Geltung